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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Identifikation von fahrzeugrad- oder bremsinduzierten Störungen einerseits und fahrbahninduzierten Störungen andererseits aus Radgeschwindigkeitssignalen der Fahrzeugräder eines Fahrzeugs mit einem Radschlupfregelsystem.
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Bei Radschlupfregelsystemen von Fahrzeugen ist es erforderlich, einen Kraftschlussbeiwert oder Reibschlussbeiwert zwischen dem Reifen eines Fahrzeugrades und der Fahrbahn abzuschätzen und diesen Schätzwert einem der Regelung des Bremsdrucks zu Grunde liegenden Algorithmus vorzugeben.
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Bei einem ABS-System eines Fahrzeugs wird die Tendenz eines Fahrzeugrades zum Blockieren auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen der Radgeschwindigkeit und der Fahrzeuggeschwindigkeit oder mittels der Verzögerung eines Fahrzeugrades bestimmt und der an das Fahrzeugrad angelegte Bremsdruck so eingestellt, dass der Schlupf des Fahrzeugrades im Bereich des maximalen Reibwertes gehalten wird. Bei einer Fahrbahn mit einer unebenen Oberfläche wird die Radgeschwindigkeit infolge der Rauigkeit der Fahrbahnoberfläche in Schwingungen versetzt. Fälschlicherweise wird eine Blockierneigung des Fahrzeugrades auf der Grundlage dieser Radschwingungen vom Radschlupfregelsystem festgestellt und führt zu einer Verringerung des Bremsdruckes. Daher sind Maßnahmen erforderlich, die bei einer festgestellten Unebenheit der Fahrbahn die Schlupf-Erkennungsschwellen des ABS-Systems entsprechend anpassen, wenn Radschwingungen eine unebene Fahrbahn anzeigen.
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Alle bekannten Erkennungsmechanismen für den Zustand einer Fahrbahn basieren auf weniger oder mehr ausgeprägten Schwingungen der Radgeschwindigkeit oder aber auf der Auswertung der einmaligen oder wiederholten Radbeschleunigung. Dabei wird ein Minimalwert an Radbeschleunigung als Initialisierung des Erkennungsmechanismus gefordert (ca. 1g bei nicht betätigter Bremse oder außerhalb einer Schlupf-Regelung; jedoch deutlich mehr innerhalb einer Schlupf-Regelung).
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Jedoch liefert die Auswertung der Radgeschwindigkeitsschwingungen auf manchem, vor allem losen Untergrund, wie z.B. Geröll- oder Schotterstrecke, keine zuverlässige Information über die Fahrbahnbeschaffenheit. Typisch für diese Fahrbahnen sind überlagerte Schwingungen der Radgeschwindigkeitssignale mit unregelmäßiger Frequenz als auch wechselnden Amplituden.
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Es gibt, außer den fahrbahninduzierten Schwingungen der Radgeschwindigkeitssignale, weitere Gründe für Schwingungen der Radgeschwindigkeit.
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Das sind zum einen radinduzierte Schwingungen, die auf eine Radunwucht, auf einen Höhenschlag am Reifen oder auf Steifigkeitsunterschiede über den Reifenumfang (radial) zurückzuführen sind und zum anderen bremsinduzierte Schwingungen, bspw. aufgrund von Bremsscheiben mit Scheibenschlag.
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Diese Effekte lösen in aller Regel charakteristische Schwingungen aus, die sich mit jeder Radumdrehung wiederholen. In der Regel differenzieren bekannte Störungsunterdrückungsmechanismen für Schlupfregelsysteme nicht zwischen den Störungsquellen „Fahrbahn“ und „Fahrzeugrad“, da diese dem Prinzip folgen, dass im Grunde nur die Störung in Form der Schwingungen als solche relevant ist, nicht aber woher jene kommt, ob diese also einerseits fahrzeugrad- oder bremsinduziert ist oder fahrbahninduziert andererseits ist.
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Die Gegenmaßnahmen gegen solche Störungen bestehen in der Regel darin, dass die Schlupf-Erkennungsschwellen erhöht werden. Solche Maßnahmen sind jedoch immer kompromissbehaftet, da diese so empfindlich sein müssen, um die Schwingungen als Störung zu erkennen, jedoch gleichzeitig so unempfindlich sind, dass die durchgeführte Schlupfregelung (Wechsel zwischen Verzögerungs- und Beschleunigungsphasen am Fahrzeugrad) nicht fälschlicherweise als Fahrbahnstörung interpretiert wird.
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Daher besteht die Gefahr, dass auf einer Fahrbahn mit groben oder losen Untergrund solche Kompromisse zur Nichterkennung der Störung in Form von Schwingungen des Radgeschwindigkeitssignals und folglich zu schlechterer Bremsleistung oder sogar zur Entbremsung des Fahrzeugs führen können.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein eingangs genanntes Verfahren anzugeben, mit welchem die oben genannten Nachteile weitestgehend vermieden werden, insbesondere eine höhere Sensibilität bei der Erkennung von zu Schwingungen des Radgeschwindigkeitssignals führenden Fahrbahnstörungen.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1.
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Nach diesem Verfahren zur Identifikation von fahrzeugradoder bremsinduzierten Störungen einerseits und fahrbahninduzierten Störungen andererseits aus Radgeschwindigkeitssignalen vi der Fahrzeugräder Fi eines Fahrzeugs mit einem Radschlupfregelsystem, umfassend folgende Verfahrensschritte:
- a) Erfassen der Radgeschwindigkeitssignale vi,
- b) Bestimmen der Radumdrehungsdauer T mittels der Formel T = srad/vR, wobei srad der Umfang der Fahrzeugräder Fi und vR die aus allen Radgeschwindigkeitssignalen vi bestimmte Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit ist,
- c) Bestimmen der Radbeschleunigungen ai aus den Radgeschwindigkeitssignalen vi,
- d) Bestimmen der Periodendauer ΔTi der Schwingung der Radbeschleunigungen ai,
- e) Vergleichen der Periodendauer ΔTi mit der Radumdrehungsdauer T, und
- f) Identifizieren von fahrzeugrad- oder bremsinduzierten Störungen, falls die Periodendauer ΔT mit der Radumdrehungsdauer T übereinstimmt, andernfalls Identifizieren von fahrbahninduzierten Störungen der Radgeschwindigkeitssignale vi.
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Dieses erfindungsgemäße Verfahren besteht also darin, Störungen in den Radgeschwindigkeitssignalen entweder als fahrzeugrad- oder bremsinduzierte Störungen oder als fahrbahninduzierte Störungen zu identifizieren. Diese Störungen in den Radgeschwindigkeitssignalen zeigen sich als auf diese Radgeschwindigkeitssignale aufgeprägte Schwingungen, die als Beschleunigung des Fahrzeugrades hinsichtlich ihres zeitlichen Verlaufes ausgewertet werden. Aus diesem zeitlichen Verlauf der Radbeschleunigung, also aus diesen auf das Radgeschwindigkeitssignal aufgeprägten Störschwingungen wird deren Periodendauer bestimmt. Aus dem Vergleich dieser Periodendauer mit der Radumdrehungsdauer kann die Störung entweder als fahrzeugrad- oder bremsinduzierte Störung klassifiziert werden.
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Fehlt eine Übereinstimmung dieser beiden Größen, wird von einer Fahrbahnstörung als Ursache der auf die Radgeschwindigkeit Signale aufgeprägten Schwingungen ausgegangen. Entspricht jedoch die Schwingungsperiodendauer der auf das Radgeschwindigkeitssignal aufgeprägten Störschwingungen der Radumdrehungsdauer, wird davon ausgegangen, dass die Ursache dieser Störschwingungen entweder im Reifen des Fahrzeugrades oder im Bremsvorgang liegt. Als Folge dieser Identifikation der aufgeprägten Störschwingungen als fahrzeugrad- oder bremsinduzierte Störung wird das Radschlupfregelsystem so eingestellt, dass es unempfindlicher und somit robuster wird. Dies bedeutet, dass die ABS-Schlupfschwelle so eingestellt wird, dass die Absenkung des Bremsdruckes erschwert wird und daher verhindert wird, dass aufgrund der Störschwingungen in dem Radgeschwindigkeitssignal die Bremskraft unnötigerweise abgesenkt wird.
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Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist es vorgesehen, dass mit dem Verfahrensschritt d) die Periodendauer ΔTi als zeitlicher Abstand von zwei benachbarten Maxima oder zwei benachbarter Minima der zeitlichen Verlaufs der Radbeschleunigungen ai bestimmt wird und gemäß Verfahrensschritt e) jeweils mit der Radumdrehungsdauer T verglichen wird. Die Verwendung der einem Signalberg oder einem Signaltal zugehörigen Schwingungsperiodendauer verbessert die Identifikation der den Radgeschwindigkeitssignalen überlagerten Störschwingungen als fahrzeugrad- oder fahrbahninduzierte Störung. Vorzugsweise werden zusätzlich zu Verfahrensschritt d) die Absolutwerte der positiven und negativen Amplituden des zeitlichen Schwingungsverlaufes der Radbeschleunigung bestimmt. Mit diesen Werten lassen sich die ABS-Erkennungsschwellen erhöhen oder erniedrigen, um die Sensibilität bei der Erkennung von Fahrbahnstörungen zu erhöhen. Insbesondere lässt sich damit die Robustheit des Radschlupfsystems hinsichtlich der Fahrbahnbeschaffenheit anpassen, da diese Fahrbahnbeschaffenheit, bspw. feiner oder grober Untergrund in der Größe dieser Amplituden im zeitlichen Schwingungsverlauf der Winkelbeschleunigung angezeigt wird.
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Insbesondere ist es gemäß einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung vorgesehen, dass die Absolutwerte der Amplituden auf Schlupf-Erkennungsschwellen des Radschlupfregelsystems addiert werden.
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Nach einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird bei einer Identifikation einer fahrzeugrad- oder bremsinduzierten Störung des Radgeschwindigkeitssignals ein Zähler um einen vorgegebenen Zählwert inkrementiert. Vorzugsweise wird jedoch bei einer Identifikation einer fahrbahninduzierten Störung des Radgeschwindigkeitssignals der Zähler mit einer gegenüber dem vorgegebenen Zählwert höheren Rate dekrementiert. Bei dem Erreichen eines vorgegebenen Zählerstandes des Zählers wird eine Störung des Fahrzeugrades erkannt.
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Im Folgenden wird das erfindungsgemäße Verfahren unter Bezugnahme auf die einzige 1 erläutert und beschrieben.
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Diese 1 beschreibt ein Ablaufdiagramm zur Identifikation der Ursache bzw. der Quelle von Störungen in Radgeschwindigkeitssignalen von Fahrzeugrädern eines mit einem Radschlupfregelsystem ausgerüsteten Fahrzeugs. Ein solches Radschlupfsystem umfasst ein ABS-System, ein ASR-System oder ein ESP-System. Bei diesem Verfahren sollen die Störungen in den Radgeschwindigkeitssignalen entweder als fahrzeug- oder fahrbahninduzierte Störungen identifiziert werden. Das in 1 dargestellte Verfahren zwischen „Start“ und „Ende“ stellt einen Arbeitszyklus in einer Loop des Algorithmus des Radschlupfregelsystems dar und wird in jedem Loop wiederholt.
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Das Verfahren gemäß 1 beginnt nach Start mit einem ersten Verfahrensschritt S1 mit der Bestimmung einer Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit aus den von Radgeschwindigkeitssensoren detektierten Radgeschwindigkeitssignale vi (i = 1, ... 4). Aus dieser Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vR wird mit der Formel T = srad/vR eine Radumdrehungsdauer der vier Fahrzeugräder Fi (i = 1, ... 4) des Fahrzeugs ermittelt, wobei srad der Radumfang der Fahrzeugräder Fi (i = 1, ... 4) ist.
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Die Radgeschwindigkeitssignale vi (i = 1, ... 4) weisen aufgeprägte Schwingungen als Störungen auf, die auf der Basis der Radbeschleunigungen ai (i = 1, ... 4) der Fahrzeugräder Fi (i = 1, ... 4) ausgewertet werden. Daher wird anschließend in einem nächsten Verfahrensschritt S2 die Bestimmung der Radbeschleunigungen a1, a2, a3 und a4 der vier Fahrzeugräder Fi (i = 1, ... 4) des Fahrzeugs durchgeführt, die mittels eines Algorithmus aus den Radgeschwindigkeitssignalen vi (i = 1, ... 4) ermittelt werden. Für die vier Fahrzeugräder Fi wird die Schwingungsperiodendauer ΔT1, ΔT2, ΔT3 und ΔT4 des zeitlichen Schwingungsverlaufes der Radbeschleunigung a1 bis a4 sowie die Absolutwerte der maximalen und minimalen Amplituden Aimax und Aimin (i = 1, ... 4) bestimmt. Insbesondere werden die Periodendauern ΔT1, ΔT2, ΔT3 und ΔT4 in einem Signalberg (zwischen zwei Maxima) als auch in einem Signaltal (zwischen zwei Minima) des zeitlichen Schwingungsverlaufes der Radbeschleunigungen a1 bis a4 gemessen.
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Gemäß Verfahrensschritt S3 wird ein Vergleich der Periodendauer ΔT1, ΔT2, ΔT3 und ΔT4 der Radbeschleunigungen a1 bis a4 der Fahrzeugräder Fi jeweils mit der Radumdrehungsdauer T durchgeführt.
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Im nachfolgenden Verfahrensschritt S4 werden ein Grenzwert SW1 und ein Grenzwert SW2 bestimmt, die einen ausreichenden Störabstand zu einer Schlupfregelung, bspw. einer ABS- Regelung sichern.
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Wenn gemäß Verfahrensschritt S5 die Radumdrehungsdauern T mit einer Periodendauer ΔT1 bis ΔT4 übereinstimmt, wird auf Verfahrensschritt S6 verzweigt, bei einer fehlenden Übereinstimmung auf Verfahrensschritt S12.
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Gemäß Verfahrensschritt S6 werden die Absolutwerte der Amplituden Aimax und Aimin (i = 1, ... 4) der Schwingung der Radbeschleunigung ai des Fahrzeugrades Fi (i = 1, ... 4) mit dem Grenzwert SW1 verglichen.
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Falls die Absolutwerte der Amplituden Aimax und Aimin größer sind als dieser Grenzwert SW1 ist, wird gemäß Verfahrensschritt S8 ein Zähler mit Zählerstand Z mit einer Zählrate R1 inkrementiert. Im anderen Fall, wenn also wenigstens einer der Absolutwerte der Amplituden Aimax oder Aimin kleiner oder gleich diesem Grenzwert SW1 ist, wird auf einen Verfahrensschritt S7 verzweigt, mit welchem die Zählrate des Zählers Z um eine Zählrate R2 dekrementiert wird. Dabei gilt für diese beiden Zählraten R1 und R2:R2 > R1. Mit dem Verfahrensschritt S7 ist das Verfahren beendet.
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Im Anschluss an den Verfahrensschritt S8 wird in einem Verfahrensschritt S9 der Zählerstand Z mit einem vorgegebenen maximalen Zählerstand Zmax verglichen. Falls dieser Zählerstand nicht erreicht ist, wird gemäß Verfahrensschritt S10 weitergezählt und auf das „Ende“ verzweigt.
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Im anderen Fall, wenn also der maximale Zählerstand Zmax überschritten wird, wird die Störung in dem Radgeschwindigkeitssignal vi des Fahrzeugrades Fi als fahrzeugrad- oder bremsinduzierte Störung identifiziert, d.h die dem Radgeschwindigkeitssignal vi überlagerte Störung hat ihre Ursache im Fahrzeugrad Fi. Daher werden die Regelschwellen in dem Radschlupfregelsystem so erhöht, dass eine Fehlauslösung an diesem Fahrzeugrad Fi unterbleibt. Hierzu wird der Absolutwert der Amplitude Aimax oder Aimin auf die Erkennungsschwellen des Radschlupfregelsystems addiert.
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Falls bei dem Vergleich der Periodendauer ΔT1, ΔT2, ΔT3 und ΔT4 der Radbeschleunigungen a1 bis a4 mit der Radumdrehungsdauer T keine Übereinstimmung vorliegt, wird gemäß Verfahrensschritt S12 der Zählerstand Z des Zählers mit einer Zählrate R3 dekrementiert, wobei für diese Zählrate R3 gilt: R3 > R2.
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Gemäß Verfahrensschritt S13 werden die Amplituden Aimax und Aimin (i = 1, ... 4) der Schwingungen der Radbeschleunigungen ai mit dem Grenzwert SW2 verglichen. Falls diese Grenzwert SW2 nicht überschritten wird, endet das Verfahren.
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Im anderen Fall, wenn also der Grenzwert SW2 überschritten wird, wird die Störung in dem Radgeschwindigkeitssignal vi des Fahrzeugrades Fi als fahrbahninduzierte Störung identifiziert, d.h die dem Radgeschwindigkeitssignal vi überlagerte Störung hat ihre Ursache in der Oberflächenbeschaffenheit der Fahrbahn. Daher werden die Regelschwellen in dem Radschlupfregelsystem sehr stark erhöht, um die Systemrobustheit massiv zu erhöhen. Dies bedeutet, dass der Schlupf bis zum Einsetzen der Schlupfregelung sehr groß ist, um eine ausreichende Keilbildung, d.h. ausreichende Kraftübertragung zwischen dem Reifen des Fahrzeugrades Fi und der Fahrbahn zu erreichen. Damit wird eine hohe Sensibilität gegenüber einer Fahrbahn mit bspw. einem feinen oder groben Schotter als Fahrbahnoberfläche erreicht.