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Technisches Gebiet
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Probenführung in einem Kryostaten mit Probenrohr. Das umfasst zum Beispiel Verfahren zum Bedienen von bzw. Vorrichtungen für Kryostaten, wie sie in der physikalischen Analytik zur Untersuchung von Materialeigenschaften bei tiefen Temperaturen gebräuchlich sind.
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Stand der Technik
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Relevant für die vorliegende Erfindung sind Kryostate mit Probenrohr. Ein Probenrohr ist ein evakuierbarer Raum mit thermischem Kontakt zum Kühlsystem des Kryostaten. Die Kryostate sind hauptsächlich solche, in denen zur Kühlung Kryoflüssigkeiten, wie flüssiger Stickstoff oder flüssiges Helium (4He) oder mechanisch wirkende Kaltköpfe (Pulsrohre), zum Einsatz kommen. Die Kühlung zu Temperaturen, die kleiner als 4 K sind, erfolgt in einer weiteren Kühlstufe durch Verdampfung von 3He oder 4He, durch Entmischung von 3He und 4He oder auch durch adiabatische Entmagnetisierungsstufen.
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Kryostate, wie sie in der physikalische Analytik zur Untersuchung von Materialeigenschaften bei tiefen Temperaturen eingesetzt werden, sind in dem Übersichtsartikel von I. F. Bailey (A review of sample environments in neutron scattering, Zeitschrift für Kristallographie 218, 2003, S. 84–95) vorgestellt.
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Kryostate, in denen sogenannte Pulsrohre zum Einsatz kommen und in dem Übersichtsartikel von I. F. Bailey nur erwähnt werden, sind in dem Artikel von M. Y. Xu et al (A pulse tube refrigerator below 2 K, Cryogenics39, 1999, S. 865–869) vorgestellt.
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Allen Kryostaten gemein ist die Möglichkeit zu untersuchende Proben in den Kryostaten einzubringen und zu wechseln. Die Proben werden dabei an einem so genannten Probenstab direkt an den Ort eines Probenrohres im Kryostaten verbracht, an dem die tiefste Temperatur vorliegt. Dies wird vor allem durch die Notwendigkeit eines schnellen Probenwechsels bedingt. Ein schneller Probenwechsel verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit und Luft in das Probenrohr des Kryostaten, was auszuschließen ist, da Luft und Feuchtigkeit sonst dort ausfrieren.
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In dem Artikel von O. Kirichek et al. (Cryogen free low temperature sample environment for neutron scattering experiments, Journal of Physics: Conference Series 150, 2009, S. 012022:1–4) ist ein Kryostat beschrieben, der auf Basis eines Pulsröhrenkühlers arbeitet. Dies beinhaltet ein Probenrohr und einen Probenstab im Kryostaten, wie es auch für das Kryostatsystem in der
DE 698 38 866 T2 beschrieben ist.
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In der
US 5,611,207 A ist ein Kryostatsystem beschrieben, das den schnellen Wechsel von Proben ermöglicht. Auch hier ist ein Probenrohr mit Probenstab vorgesehen.
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Verfahren, die es erlauben, Proben in einem Kryostatsystem zu kühlen, ohne dass das gesamte System sich beim Probenwechsel erwärmt, sind in der
GB 2493553 A beschrieben.
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Den nächsten Stand der Technik bildet die
US 2013/0047633 A1 , in der ein Verfahren offenbart ist, bei dem die Probe schrittweise beim Einführen in ein Probenrohr mit einem Probenstab gekühlt wird, bevor sie den tiefsten Punkt im Kryostatsystem erreicht.
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Aufgabenstellung
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren der eingangs genannten Art anzugeben, mit dem die Kühlzeit und der Energieverbrauch des Kühlvorganges einer Probe im Kryostaten mit Probenrohr verringert werden. Zusätzlich soll eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens angegeben werden.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Probenführung in einem Kryostaten mit Probenrohr weist zwei Schritte auf, mit denen eine Probe an den kältesten Ort im Probenrohr, die Endposition, verbracht wird.
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Ein Schritt umfasst dabei jeweils mindestens das Verschieben der Probe an einen Ort im Probenrohr, an dem die Probe für eine bestimmte Dauer verweilt. Das Verweilen der Probe an diesem Ort, dem Verweilort, hat eine Dauer, die zur Thermalisierung der Probe, d. h. dem Temperaturausgleich zwischen Probe und der Probenumgebung an dem Verweilort, genügt. Dabei ist die Temperatur einer Probenumgebung an einem Verweilort im Probenrohr immer kälter als die eines zeitlich vorhergehenden Probenortes, der auch außerhalb des Probenrohres liegen kann. Die Dauer des Verweilens ist im Falle, dass der Verweilort der Endposition entspricht, um die Zeit der Analyse verlängert.
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Die Kühlleistung der Kryostaten ist temperaturabhängig. Sie nimmt allgemein zu tieferen Temperaturen ab. Dieser Umstand ist zurückzuführen auf die bei tieferen Temperaturen generell geringere Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität der zur Kühlung durch Konvektion und/oder direkte Leitung (d. h. zur Abfuhr von Wärme) eingesetzten Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe.
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Die spezifische Wärme der zu kühlenden Materialien (Proben) nimmt ebenfalls zu tiefen Temperaturen ab. Das bedeutet, dass die Energiemenge die zum Kühlen abgeführt werden muss, bei Proben, die eine höhere Probentemperatur haben, größer ist als bei Proben mit niedrigeren Probentemperaturen.
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Bei dem angesprochenen Verfahren werden zur Probenkühlung die verhältnismäßig warmen Proben (meist Raumtemperatur) nicht direkt an den kältesten Ort im Probenrohr gebracht. Bei solch einem Verfahren treten zwei Effekte zugleich auf. Dies sind die geringe Kühlleistung seitens des Kryostaten am kältesten Ort im Probenrohr und die große spezifische Wärme einer Probe mit einer deutlich höheren Temperatur (meistens Raumtemperatur) als die der Endposition. Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird demzufolge die Kühlzeit verkürzt und die benötigte Energiemenge verringert.
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Dadurch wird die Kühlleistung, die bei höheren Temperaturen im Probenrohr vorliegt, ausgenutzt, um Proben mit noch relativ großer spezifischer Wärme zu kühlen bzw. vorzukühlen. Erst wenn die Proben an einem Ort mit höherer Kühlleistung thermalisiert sind, werden sie zu Orten im Probenrohr mit tieferer Temperatur verschoben.
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Dies geschieht in mindestens zwei Schritten bis zur Endposition. Vorteilhaft sind aber mehrere Schritte. Auch ein an die Dauer der Thermalisierung angepasstes kontinuierliches Verschieben der Probe ist hierin beinhaltet.
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Als Verweilorte kommen besonders die Stellen im Probenrohr in Frage, an denen es einen mechanischen Kontakt zu den Tanks der Kryoflüssigkeiten (besonders flüssiger Stickstoff) oder zu den Kaltköpfen der Pulsrohre hat.
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Der Wärmetransport zwischen Probe und Probenrohr wird durch ein Austauschgas, z. B. Helium, oder einen mechanischen Kontakt, z. B. in Form eines Federelements, oder einer Kombination von beidem realisiert. Zur Verbesserung ist zusätzlich ein Wärmetauscher in direkter Nähe der Probe einsetzbar.
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Mit einem Temperatursensor, der die Temperatur der Probe erfasst, ist das Verfahren mit der Probentemperatur als Regelparameter steuerbar, wie es einem Ausführungsbeispiel entspricht.
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Mit einer rechnergestützten Datenverarbeitung ist das Verfahren zudem automatisierbar.
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Die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens umfasst eine vakuumdichte Führung für den Probenstab am offenen Ende des Probenrohres und ein Mittel zum Verfahren des Probenstabes im Probenrohr und im Hohlkörper.
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Erfindungsgemäß ist an dem Ende des Probenstabes, an dem eine Probe anbringbar ist, ein Mittel zur Erfassung der Probentemperatur angeordnet.
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Hiermit wird die Temperatur der Probe erfasst und das Verfahren mit der Probentemperatur als Regelparameter steuerbar.
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Die vakuumdichte Führung des Probenstabes ermöglicht das Evakuieren des Probenrohres und Fluten mit einem Austauschgas.
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In einer Ausführungsform ist die vakuumdichte Führung durch einen vakuumdichten, flexibel dehn- und stauchbaren Hohlkörper zur Aufnahme des Probenstabes, angeordnet am offenen Ende des Probenrohres, ersetzt.
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Die vakuumdichte Führung oder der vakuumdichte Hohlkörper sind direkt an einen Montageflansch des Kryostaten anbringbar.
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Als vakuumdichter, flexibel dehn- und stauchbarer Hohlkörper kommen zum Beispiel ein vakuumdichter Falten-, Well- oder Membranbalg, ein Ultrahochvakuummembranbalg oder ein vergleichbares Mittel zum Einsatz.
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Der Probenstab wird am geschlossenen Ende des Hohlkörpers, gegenüberliegend dem Montageflansch, innen befestigt.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung sieht weiterhin ein Mittel zum Verfahren des Probenstabes im Probenrohr vor.
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In einer Ausführungsform besteht das Mittel zum Verfahren des Probenstabes aus einer Spindel, die parallel zur Verfahrstrecke des Probenstabs orientiert ist und über Feststellmittel mit dem Probenstab verbunden ist. Die Spindel dient zum Verfahren des Feststellmittels und somit des Probenstabes über eine Translation vermittels der Drehung der Spindel.
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Das Feststellmittel ist zum Beispiel als eine Mitnehmerplatte, die an dem Ende des Hohlkörpers, an dem der Probenstab innen befestigt ist, und eine Schlossmutter, die wiederum an der Mitnehmerplatte befestigt ist und auf der Spindel sitzt, ausführbar.
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Die Spindel ist manuell oder mithilfe eines Motors oder anderen Antriebs drehbar.
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In vorteilhafter Weise ist die Spindel an einer Basisplatte, die am Hohlköper in der Nähe des Montageflansches des Kryostaten angebracht ist, befestigt.
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Vorteilhaft ist ebenfalls eine Ausführung, in der die Probe in den Hohlkörper zurückgezogen werden kann. Sie ist so bei der Montage der erfindungsgemäßen Vorrichtung auf dem Kryostaten geschützt.
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Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens und der Vorrichtung liegen in der Zeit- und Energieeinsparung beim Probenkühlen im Kryostaten. Diese Vorteile werden durch die an die Kühlleistung und spezifische Wärme angepasste Kühlung erreicht. Außerdem ist die Vorrichtung einfach zu realisieren und kann an kommerziell erhältlichen Kryostaten angebracht werden.
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Ausführungsbeispiel
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Das erfindungsgemäße Verfahren und die erfindungsgemäße Vorrichtung sollen anhand von Figuren in einem Ausführungsbeispiel näher erläutert werden.
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Die Figuren hierzu zeigen:
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1: Schematische Darstellung eines Kryostaten mit Probenrohr und einer erfindungsgemäßen Vorrichtung im Querschnitt, zum Zeitpunkt eines frühen Verfahrensschrittes;
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2: Schematische Darstellung eines Kryostaten mit Probenrohr und einer erfindungsgemäßen Vorrichtung im Querschnitt, zum Zeitpunkt des letzten Verfahrensschrittes.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren wird eine Probe P in das Probenrohr PR eines Kryostaten KR, der mit Kryoflüssigkeiten gekühlt wird, in mehreren Schritten eingebracht. Der erste Schritt entspricht im Ausführungsbeispiel dem Verschieben der Probe P an einen Ort im Probenrohr PR, an dem dieses durch mechanischen Kontakt mittels eines Wärmetauschers W und über eine Platte PN2 Kontakt hat zu einem der Kühlmittel, z. B. flüssigem Stickstoff. Das Kühlmittel liegt auf der Temperatur seines Siedepunktes, in diesem Fall also 77 K. Dieser Zustand ist in 1 gezeigt.
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Der vorhergehende bzw. Start-Ort der Probe liegt an einem Ort höherer Temperatur, der einer Position außerhalb des Probenrohres entsprechen kann, hier also z. B. im Hohlkörper der erfindungsgemäßen Vorrichtung oder außerhalb des Kryostaten KR vor dem Anbringen der Vorrichtung.
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Die Probe P verbleibt an dem in 1 gezeigten Verweilort mit einer Verweildauer, die ihrer Thermalisierung entspricht. Die Verweildauer wird beeinflusst von der Stoffmenge der Probe P, ihrer Wärmekapazität und der Kühlleistung des Kryostaten an dem Verweilort. Die Kühlleistung des Kryostaten an einem Ort im Probenrohr hängt hauptsächlich ab von der vorliegenden Temperatur und den eingesetzten Mitteln zum Wärmetransport.
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Wird die Temperatur der Probe P nicht gemessen, wird die Verweildauer aus Erfahrungswerten abgeschätzt oder berechnet.
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Im mindestens zweiten Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die Probe P auf die Endposition verschoben. Dieser Zustand ist in 2 dargestellt. Das Probenrohr PR hat auf der Endposition direkten Kontakt zu einer zweiten Kühlflüssigkeit, hier flüssiges Helium (4He), das auf Siedetemperatur liegt, d. h. also 4,15 K.
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Die Probe P verbleibt auf der Endposition mit einer Verweildauer, die ihrer Thermalisierung entspricht und der Analysezeit.
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Eine Ausführungsform der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist in 1 und 2 dargestellt. Sie besteht aus einem Hohlkörper HK, der hier aus einem vakuumdichten Wellbalg gebildet ist. Der Hohlkörper ist am Flansch F des Probenrohres PR angeflanscht. In dem aus dem Wellbalg gebildeten Hohlkörper HK ist am oberen Ende innen der Probenstab PS befestigt, an dessen unterem Ende die Probe P befestigt ist. Am unteren Ende des Probenstabes PS ist die Probe P befestigt. Oberhalb der Probe P befindet sich am Probenstab PS ein Wärmetauscher W zur Herstellung eines guten thermischen Kontaktes mit dem Probenrohr PR. Am oberen Ende des aus dem Wellbalg gebildeten Hohlkörpers HK ist außen eine Mitnehmerplatte MP angebracht. Diese wiederum ist mit einer Schlossmutter SM an einer Spindel S befestigt. Die Schlossmutter SM und die Mitnehmerplatte MP bilden das Feststellmittel, mit dem die Spindel S mit dem Probenstab PS, der oben im Hohlkörper HK befestigt ist, verbunden ist. Die Spindel S ist parallel zur Verfahrstrecke der Probe P im Probenrohr PR angeordnet. Sie verfügt über einen Antrieb A, der manuell oder motorgetrieben sein kann. Der Antrieb A und die Spindel S sind in dieser Ausführungsform mit einer Basisplatte BP am Kryostaten befestigt.
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Dadurch, dass die Schlossmutter SM auf der Spindel S in deren Rotationsebene durch die Mitnehmerplatte MP fixiert ist, kann der Hohlkörper HK mit Mitnehmerplatte MP und mit ihnen der Probenstab PS durch Drehung der Spindel auf und ab bewegt werden.