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Verfahren zur Reichweitenmessung von Hybridfahrzeugen.
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Reichweitenmessungen von motorisch betriebenen Fahrzeugen sind relativ einfach.
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Ein herkömmlicher Hybridantrieb birgt keine größeren messtechnischen Schwierigkeiten, da beide Antriebsarten unabhängig voneinander messtechnisch erfasst werden können. Deutlich komplexer wird es, wenn die eine Antriebsleistung von einer zweiten und oft nicht genau reproduzierbaren Kraft oder Energiequelle betrieben werden. Dies kann z. B. Muskelkraft, Wind oder Sonnenenergie sein.
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Als Beispiel für ein solches Fahrzeug wird ein Pedelec ausgewählt. Dies wir per Muskelkraft betrieben und besitzt eine elektromotorische Unterstützung. Die Unterstützungsleistung und damit auch die Reichweite, ist abhängig von der gewählten Unterstützungsstufe, der Trittfrequenz, der Geschwindigkeit und der Leistung des Fahrers.
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Nach dem bisherigen Stand der Technik werden mit den Fahrzeugen unter üblichen Bedingungen eine bestimmte Strecke abgefahren. Für einen reproduzierbaren Reichweitentest ist es also notwendig alle Fahrzeuge auf der gleichen Strecke und unter gleichen Bedingungen (Wind, Wetter, Luftdruck, etc.) zu testen. Der immer gleich schwere und große Fahrer hat immer und mit der gleichen definierten Leistung und der gleichen Geschwindigkeit zu fahren.
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Weiterhin können die unterschiedlichen Fahrzeugtypen, wie z. B. Sportrad, Mountainbike oder Stadtrad nicht miteinander verglichen werden. Die Charakteristiken bei unterschiedlichen Unterstützungen und Trittfrequenzen sind zu unterschiedlich. Sportliche Fahrzeuge unterstützen erst bei sehr hoher Trittfrequenz und -leistung, Stadtfahrzeuge oder Seniorenfahrzeuge unterstützen schon bei langsamster Trittfrequenz und sehr niedrigster Fahrerleistung. Auch der Vergleich der Leistungen bei konstanter Geschwindigkeit ist stellenweise unmöglich, da die Steuerung des Fahrzeugmotors selbst entscheidet, bei welcher Trittleistung und welcher Trittfrequenz wie stark unterstützt wird. So kann es sein, dass identische Fahrzeuge in unterschiedlichen Gängen, mit unterschiedlicher Trittfrequenz aber gleicher Geschwindigkeit, vollkommen unterschiedliche Unterstützungsleistung aufbringen und damit auch unterschiedlichen Reichweiten erreichen.
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Der im Patentanspruch 1 angegebenen Erfindung liegt das Problem zugrunde, dass die oben genannten Antriebskonzepte die Leistung des einen Antriebes auf gewisse Weise mit der Leistung des anderen Antriebs (Fahrer) verknüpfen, was eine eindeutige Reichweitenmessung unmöglich macht, d. h. je stärker die Fahrerleistung, desto starker steigt die fahrzeugeigene Unterstützungsleistung an, was wiederum die Geschwindigkeit erhöht und die Reichweite beeinflusst.
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Somit ist ein direkter Vergleich mehrerer Fahrzeuge sehr schwierig, bzw. nahezu unmöglich.
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Beispiel:
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Beide Leistungen, die Fremdleistung (des Fahrers, folgend Fahrerleistung genannt) und die Eigenleistung des Fahrzeugs werden über eine bestimmte Zeit aufgebracht.
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Folgend wird die eigene, vom Fahrzeug aufgebrachte Eigenenergie EE und die fremde, von außen aufgebrachte Fahrerenergie EF genannt. (Energien und Leistungen werden immer addiert dargestellt, z. B. 100 W + 50 W = 150 W).
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Fig. 1
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Durch diese beiden, in der Realität ermittelten und recht unregelmäßige Leistungsverläufe ist es schwierig eine mit weiteren Versuchen vergleichbare Reichweite zu ermitteln. Weiterhin ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine exakte Wiederholung das gleiche Ergebnis liefert. Grund daran ist z. B. das etwas andere Verhalten des Fahrzeugs/Fahrers (Ermüdung), andere Umgebungseinflüsse, unterschiedliche Erwärmung der Komponenten die sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und/oder unterschiedlicher Unterstützung äußern. Damit ändert sich wiederum die Reichweite.
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Mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Erfindung ist es möglich schnell, einfach und jederzeit reproduzierbar eine exakte und realitätsbezogene Reichweite zu ermitteln.
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Dieses Problem wird durch die im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale wie folgt gelöst:
Die Strecke kann in der Realität abgefahren (wenn möglich) oder auf einem geeigneten Prüfstand simuliert werden. Im Folgenden wird von einem Prüfstand ausgegangen. Die zur Bewegung des Fahrzeugs notwendige Fremdleistung sollte realitätsnah und fahrzeugtypisch ausgelegt sein (siehe Herstellerangaben).
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Man geht von der Voraussetzung aus, dass immer die höchste Reichweite ermittelt werden soll. Das Pedelec sollte also gemäß Herstellerangaben behandelt und vorbereitet werden (Reifendruck, Akkuladung, etc.). Vorangehende Messläufe können den Bereich des eines optimalen Wirkungsgrades festlegen.
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Um alle miteinander und sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren zu trennen, wird der Reichweitentest in einzelne und übersichtlichere Teile getrennt.
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In diesem Falle wird der Reichweitentest in vier logische Teile zerlegt:
- 1.) Feststellen der vom Fahrzeug abgegebene Energie
- 2.) Feststellen des Leistungsbedarfs für den gewünschten Einsatz
- 3.) Zerlegen der Leistungsbedarfs in Fremdleistung und Eigenleistung
- 4.) Feststellen der Reichweite
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1.) Feststellen der vom Fahrzeug abgegebene Energie
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Das Pedelec wird mittels einer geeigneten Vorrichtung (Pedeliermotor) zur Leistungsabgabe angeregt. Die von der Vorrichtung abgegebene Fremdleistung PF wird, ebenso wie die abgegebene Gesamtleistung PG erfasst. Durch Subtraktion lässt sich somit die Eigenleistung PE errechnen (PG = PE + PF → PE = PG – PF)
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Über die Zeit wird die Eigenenergie EE ermittelt, bzw. aufgezeichnet. Das Ergebnis ist die Eigenenergie EE in Wattstunden.
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Fig. 2
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2.) Feststellen des Leistungsbedarfs für den gewünschten Einsatz
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Hierzu bedarf es weiterer (statistischer) Informationen über den Fahrertyp (sportlich, normal, ruhiger), dem Fahrzeugtyp (Mountainbike, Stadtrad, etc.) und den technischen Daten des Fahrzeugs wie Rollwiderstand, Luftwiderstand, Gesamtgewicht, usw. und weiteren Daten wie Lufttemperatur und -dichte.
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Die Kraft des Rollwiderstandes (in N) kann mittels eines Kraftmessers ermittelt werden, in dem das Fahrzeug mit ordnungsgemäßer Beladung über den gewünschten Untergrund (Asphalt, Waldboden, Schotter, Matsch, Schnee, Wiese, etc.) gezogen wird.
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Mittels geeigneten Algorithmen kann aus diesen Parametern die, für diese Fahrzeuggruppe, notwendigen Kräfte der Rollreibung, der Luftreibung, der Trägheit und der Hangabtriebskraft berechnet werden. Diese Algorithmen sind bekannt und allseits verfügbar (siehe: www.kreuzotter.de).
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Alle Fahrzeuge sollen mit gleicher Geschwindigkeit den Reichweitentest absolvieren. Also müssen für diese Geschwindigkeit die notwendigen Leistungen berechnet und zu einem Leistungsbedarf (P1) addiert werden.
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Die Geschwindigkeit des Reichweitentests ist in einem weiteren Verfahren festzulegen, damit weltweit die gleiche Geschwindigkeit gilt. Diese Normierung ist nicht Bestandteil dieses Patentes.
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Fig. 3
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(Anmerkung für das Berechnen der Strecke: auf das mit Einbeziehen der zum Beschleunigen notwendigen Kräfte und Leistungen kann verzichtet werden, da sich diese beim Verzögern wieder heraus rechnen und sich die Reichweite wieder verlängert.)
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3.) Zerlegen der Leistungsbedarfs in Fahrerleistung und Eigenleistung
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Der im Schritt 2 ermittelte Leistungsbedarf (P1) setzt sich, im Falle eines Pedelecs, aus der Fahrerleistung und der Unterstützung durch die Eigenleistung zusammen.
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Die Fahrerleistung ist abhängig vom Typ und Anspruch des Fahrzeugs. Bequeme Fahrzeuge benötigen weniger Fahrerleistung. Sportliche Fahrzeuge dagegen unterstützen erst bei hohen Fahrerleistungen.
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Die Leistung des „normierten” Fahrers ist in einem weiteren Verfahren festzulegen, damit weltweit die gleichen Fahrerleistungen gelten. Diese Normierung ist nicht Bestandteil dieses Patentes. Die vom standardisierten Fahrer aufzubringende Leistung wird folgend als Fahrerleistung bezeichnet.
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Die vom Fahrzeug aufgebrachte Eigenleistung (P2) muss so hoch sein, dass zusammen mit der Fahrerleistung der ermittelten Leistungsbedarfs (P1) erreicht wird. Eigenleistung P2 = Leistungsbedarf P1 – Fahrerleistung
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Fig. 4
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4.) Feststellen der Reichweite
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Nach dem Durchführen der vorhergehenden Einzelschritte ist die Berechnung der Reichweite kein Problem mehr. Zu Berechnungsgrundlage wird ausschließlich die im Schritt 1 gewonnenen Eigenenergie EE, die im Schritt 3 gewonnenen Eigenleistung P2 und die im Schritt 2 verwendete Geschwindigkeit herangezogen.
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Die Reichweite errechnet sich wie folgt:
Zuerst wird die Zeit berechnet, bis die Eigenenergie aufgebraucht ist:
anschließend wird die im Schritt 2 verwendete Geschwindigkeit mit der ermittelten Zeit multipliziert:
Reichweite = Geschwindigkeit × Zeit (km = km/h × h)
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Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, daß nun ein standardisierten Reichweitentest für die betreffenden Hybridfahrzeuge existiert, der es erlaubt unterschiedlichste Fahrzeug- und Fahrertypen (Standard, sportlich, etc.) in unterschiedlichsten Einsatzzwecken zu betreiben.
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Notwendig ist hierzu nur eine Messung (Schritt 1) die überall durchgeführt werden kann. Die folgenden schritte können jederzeit, auch nachträglich und in unterschiedlichsten Konfigurationen, von jedermann berechnet werden.
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Je nach gewünschtem Streckentyp und verwendeten Algorithmen können auch Steigungen, Gefälle, unterschiedliche Untergründe oder Stop&Go Sequenzen mit einbezogen werden.
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Diskussionen in wie weit Stop&Go Vorgänge in den Messlauf mit eingehen sollen und insbesondere das ungehinderte Ausrollen die Reichweite erhöhen sind nicht Bestandteil dieses Patentes.
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Beispiel:
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1.) Feststellen der vom Fahrzeug abgegebene Energie
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Die vom Fahrzeug abgegebene Energie ist 220 Wh
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2.) Feststellen des Leistungsbedarfs für den gewünschten Einsatz
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Ein Mountainbike, Gesamtgewicht 120 kg, soll standardmäßig auf einem ebenen Feldweg mit durchschnittlich 20 km/h bewegt werden. Die Kraft zum Überwinden des Rollwiderstandes liegt bei 20 N. Die dafür benötigte Leistung liegt, rechnerisch ermittelt bei 175 W
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3.) Zerlegen der Leistungsbedarfs in Fremdleistung und Eigenleistung
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Ein sportlicher „Standard- Fahrer” soll mit einer durchschnittlichen Fahrerleistung von 100 W in die Pedale treten. Der Leistungsbedarf liegt bei 175 W. Also muss das Fahrzeug eine eigene Leistung von 75 W abgeben.
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4.) Feststellen der Reichweite
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Die Zeit bis zum Abschalten der Fahrzeugunterstützung wird errechnet:
Zeit = 220 Wh/75 W Zeit = 2,93 h Reichweite = Geschwindigkeit × Zeit (km = km/h × h) Reichweite = 20 km/h × 2,93 h Reichweite = 58,6 km
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Nach dieser Distanz wird die Unterstützung des Fahrzeugs wegen Energiemangel eingestellt.
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Von dieser Distanz können, je nach Streuung (durch Bauteiltoleranzen, Akku, Fahrerleistung Fahrergewicht, Witterungsbedingungen, Reifendruck, etc.), einige Prozent abgezogen werden, so dass diese Reichweite in der Realität auf immer erreicht wird.