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Die Erfindung betrifft einen Ingold-Stutzen zum Prozessanschluss von Sensoren oder Armaturen mit den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen.
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Der sogenannte „Ingold-Stutzen“ gilt seit langem als Standard-Anschlussverbindung für den Einbau von Sensoren und Armaturen in Prozessbehälter, worunter umfassend Kessel, Reaktoren, Rohrleitungen und dergleichen Anlagenkomponenten insbesondere der pharmazeutischen, der chemischen und der Lebensmittel-Industrie verstanden werden sollen.
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Ingold-Stutzen sind in Ausführungen für den geraden und schrägen Einbau verfügbar. Der Schrägeinbau kommt zur Anwendung bei vertikal verlaufenden Wandungen in Prozessbehältern. Da die meisten flüssigkeitsbasierten elektrochemischen Sensoren einen Einbau mit einer Steigung von 15° fordern, wird der Ingold-Stutzen dabei in seinem prozessseitigen Anschlussbereich entsprechend abgeschrägt. Die damit hervorgerufene Schräglage des Sensors dient bei flüssigkeitsbasierten Sensoren beispielsweise für die pH-Messung zur Vermeidung von Luftblasen in der Sensorspitze.
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Ingold-Stutzen weisen eine Durchgangsbohrung mit einem Innendurchmesser von in der Regel 25 mm und einer Toleranz H7 auf. Diese Bohrung nimmt den Sensor oder die Armatur auf, die mit einer Überwurfmutter am Sensor- oder Armaturensockel an ein prozessabseitiges Außengewinde des Ingold-Stutzens angeschraubt wird.
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Bei früher üblichen Ingold-Stutzen verläuft die Bohrung mit einem gleichmäßigen Innendurchmesser bis zum ihrem Anfang, also bis zum Gewinde. Allenfalls eine Fase an der Mündung der Durchgangsbohrung ist vorhanden.
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Derartige, früher übliche Ingold-Stutzen hatten ein erhebliches Sicherheitsdefizit dahingehend, dass bei einem versehentlichen Ausbau der Armatur bei anstehendem Prozessdruck der für die Abdichtung verantwortliche O-Ring an der Armatur während ihrem Herausziehen aus der Durchgangsbohrung bis zum Schluss mit der Innenwand der Durchgangsbohrung abdichtet. Erst bei vollständigem Lösen der Überwurfmutter wird dann die Armatur im schlimmsten Falle geschossartig weggeschleudert und das Prozessmedium tritt mit möglicherweise fatalen Folgen unter dem Prozess-Druck aus der offenen Durchgangsbohrung aus.
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Zur Vermeidung solcher, in früheren Zeiten mehrfach aufgetretener Unfälle sind seit geraumer Zeit sogenannte Sicherheits-Ingold-Stutzen üblich, bei denen die Durchgangsbohrung in Durchgangsrichtung gegliedert ist, und zwar in einen dem Prozess zugewandten Dichtbereich, mit dem der auf dem Sensor oder der Armatur befindliche Dichtring abdichtet und einen prozessabseitigen Anschlussbereich. Der Anschlussbereich ist im Innendurchmesser gegenüber dem Dichtbereich beispielsweise um 2 mm auf 27 mm erweitert. Damit soll sich ein Sicherheitseffekt dahingehend ergeben, dass bei einem Ausbau der Armatur unter entsprechendem Abschrauben der Überwurfmutter die Armatur langsam aus der Durchgangsbohrung herausgehoben wird. Dabei wandert der radial mit der Innenwand der Durchgangsbohrung abdichtende O-Ring der Armatur vom Dichtbereich in den im Innendurchmesser erweiterten Anschlussbereich, wobei – soweit die Theorie – dann Überdruck und Prozessmedium um den jetzt nicht mehr mit der weiter außenliegenden Innenwand der Durchgangsbohrung abdichtenden O-Ring herum austreten kann. Da zu diesem Zeitpunkt die Überwurfmutter des Sensor- oder Armaturensockels noch auf das Außengewinde des Ingold-Stutzens aufgeschraubt, die Überwurfmutter mit ihrer Öffnung vom Bediener weg gerichtet ist und ferner das Gewinde wie ein drosselndes Labyrinth wirkt, tritt Prozessmedium sehr kontrolliert aus, so dass davon keine besonders hohe Gefährdung auftritt. Der Bediener merkt das fehlerhafte Abschrauben der Überwurfmutter somit und kann diese somit wieder festziehen, der Prozess wird wieder abgedichtet.
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Das geschilderte Sicherheitsmerkmal ist allerdings dahingehend problematisch, als die vorzeitige Druckentlastung bei Übertritt des O-Ringes vom Dichtbereich in den Anschlussbereich nicht zuverlässig gewährleistet ist. Der Grund hierfür liegt in der üblichen Einbaukonfiguration des O-Ringes in einer Nut im Sensor- oder Armaturensockel. Grundsätzlich stützt sich der O-Ring zwar radial zwischen dem Nutgrund und der Innenwand der Durchgangsbohrung ab, durch den Prozessdruck wird der O-Ring jedoch auch zur prozessabgewandten Seite hin beaufschlagt. Wird das Innenteil des Sensors oder der Armatur nun bei einer Lösung der Überwurfmutter nach außen verschoben, wandert der O-Ring an der Innenwand der Durchgangsbohrung entlang, bis er über die Übergangsschräge den im Durchmesser erweiterten Anschlussbereich erreicht. Durch den auf den O-Ring einseitig wirkenden Prozessdruck, der im Bereich der Übergangsschräge sogar radial nach außen überwiegt, wird der O-Ring im Durchmesser gedehnt, was etwa bei relativ weichem Material des O-Ringes bereits bei relativ geringen Druckniveaus von unter 1 bar stattfinden kann. Aufgrund dieser Dehnung dichtet also der O-Ring auch im erweiterten Anschlussbereich ab, so dass das Risiko nach wie vor besteht, dass – wie eingangs im Zusammenhang mit den früheren Ingold-Stutzen geschildert – eine schlagartige Druckentlastung erst bei vollständiger Lösung der Überwurfmutter vom Ingold-Stutzen erfolgt.
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Ausgehend von den geschilderten Problemen des Standes der Technik, liegt nun der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen Ingold-Stutzen zu schaffen, der bezüglich seiner Prozesssicherheit weiter verbessert ist.
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Diese Aufgabe wird durch die im Kennzeichnungsteil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale gelöst. Demnach ist im Anschlussbereich ein zusätzlicher Druckentlastungsdurchlass angeordnet, der sich von der Durchgangsbohrung nach außen hin öffnet.
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Durch diesen Druckentlastungsdurchlass ist gewährleistet, dass trotz gegenüber dem Anschlussbereich noch abdichtendem O-Ring bereits in dieser Position eines Sensors oder einer Armatur, also im noch nicht vollständig vom Ingold-Stutzen abgeschraubten Zustand, eine zuverlässige Druckentlastung durchgeführt oder zumindest ein für den Bediener deutlich wahrnehmbares Druckablassgeräusch erzeugt wird, das ihn seinen Fehler erkennen lässt. Ferner findet durch den Druckentlastungsdurchlass ein Druckausgleich über den Dichtring hinweg statt, der dazu führt, dass der Dichtring allseitig druckbelastet, also nicht mehr einseitig axial gegen die Nutwand beaufschlagt wird. Erfindungsgemäß wird der aus dem Stand der Technik bekannte „Sicherheits-Ingold-Stutzen“ also in seinem Sicherheitsverhalten optimiert.
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Es ist dabei festzuhalten, dass die erfindungsgemäße Sicherheitslösung auch bei früheren Ingold-Stutzen mit einheitlich durchgehender Durchgangsbohrung, also ohne erkennbar abgesetztem Dicht- und Anschlussbereich realisierbar ist.
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Der Druckentlastungsdurchlass kann vorzugsweise durch eine oder mehrere, in die Innenwand des Anschlussbereiches eingebrachte, längsaxiale Durchlassnuten gebildet sein. Diese sind in herstellungstechnisch einfacher Weise relativ problemlos bei der Herstellung des Ingold-Stutzens mit einzubringen. Das zusätzliche Sicherheitsmerkmal erfordert also keinen nennenswerten Produktions- und damit Kosten-Mehraufwand.
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Für eine ausgeglichene Druckentlastung ist es von Vorteil, dass bei mehreren Durchlassnuten diese gleichmäßig über den Innenumfang des Anschlussbereiches und vorzugsweise über dessen volle Axiallänge verteilt angeordnet sind.
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Um ein möglichst frühzeitiges Ansprechen des Druckentlastungsdurchlasses zu gewährleisten, können die Durchlassnuten sich auch über die Übergangsfase und nur einen Teil der Axiallänge des Anschlussbereiches erstrecken angeordnet.
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Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung besteht zwischen den prozessabseitigen Mündungen der Durchlassnuten und dem Außengewinde des Ingold-Stutzens eine Fluidverbindung. Damit ist – analog den bisherigen Sicherheits-Ingold-Sutzen – gewährleistet, dass über den Druckentlastungsdurchlass austretendes Prozessfluid vom Bediener weg über die Gewindestruktur abgegeben wird.
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Als Nutquerschnitt hat sich eine Gesamt-Fläche von 2 mm2 bis 20 mm2 für die Durchlassnuten als vorteilhaft erwiesen. Der Nutquerschnitt soll im Wesentlichen so bemessen sein, dass sich hinter dem O-Ring ausreichend Druck aufbaut und gleichzeitig Medium über das Gewinde abfließen kann.
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Eine grundsätzliche Alternative für die Ausbildung des Druckentlastungsdurchlasses ist die Verwendung einer oder mehrerer, zwischen Anschlussbereich und Außenseite des Ingold-Stutzens durch dessen Wand hindurch verlaufende Durchlassbohrungen.
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Um in diesem Zusammenhang das Risiko auszuschließen, dass bei Austritt von Prozessmedium über diese Durchlassbohrungen ein gerichteter Strahl von Prozessmedium in Richtung zum Bediener abgegeben wird, ist es von Vorteil, wenn diese Durchgangsbohrungen prozessseitig vor dem Außengewinde enden, wobei über die äußeren Mündungsöffnungen der Durchgangsbohrungen ein zur Prozessseite weisender Schutzabweiser gesetzt ist. Dann ergibt sich wieder der oben bereits erwähnte Sicherheitsvorteil, dass das Prozessmedium nur über das „Gewinde-Labyrinth“ austritt.
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Im Hinblick auf den Verlauf der Durchgangsbohrungen ist eine Anordnung in radialer Richtung zur Längsachse des Ingold-Stutzens von Vorteil.
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Als praktikable Werte für den Durchmesser der Durchlassbohrungen hat sich ein Bereich von 1 mm bis 3 mm gezeigt.
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Bevorzugte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Ingoldstutzens sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben, die zusammen mit den Vorteilen der Erfindung und weiteren Einzelheiten in der folgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert werden. Es zeigen:
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1A und B einen Längsaxialschnitt durch eine Rohrleitung mit einem angeschweißten Ingold-Stutzen in einer ersten Stutzen-Ausführungsform und darin eingesetzter Armatur in zwei Stellungen,
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2 einen Querschnitt des Ingold-Stutzens entlang der Schnittlinie II-II nach 1A, und
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3 einen Längsaxialschnitt analog 1 mit einem Ingold-Stutzen in einer zweiten Ausführungsform.
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Anhand von 1 und 2 werden im Folgenden zuerst die üblichen Merkmale von Ingold-Stutzen nach dem Stand der Technik erläutert. Üblicherweise verfügen derartige Ingold-Stutzen 1 über ein prozessabseitiges Außengewinde 2 zur Anbindung einer Überwurfmutter 19 eines entsprechenden Sensor- oder Armaturensockels und über eine Durchgangsbohrung 3, die einen Sensor oder – wie hier gezeigt – die Armatur 20 aufnimmt. Der Ingold-Stutzen 1 ist an die Wand 7 einer Rohrleitung 8 um eine Wandöffnung 9 mittels einer Verschweißung 10 angebunden. In der Rohrleitung 8 ist ein zu überwachender Prozess mit einem entsprechenden Prozessmedium P geführt. Über die Durchgangsbohrung 3 kann eine Armatur 20 in Durchgangsrichtung D durch den Ingoldstutzen 1 hindurch und in das in der Rohrleitung 8 strömende Medium P eingetaucht werden.
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Die Durchgangsbohrung 3 ist in Durchgangsrichtung D gegliedert in einen prozessabseitigen Anschlussbereich 4, in dem das erwähnte Außengewinde liegt, und einen dem Prozess zugewandten Dichtbereich 5. Der Dichtbereich 5 ist in seinem Innendurchmesser i von beispielsweise 25 mm genormt und eng tolerant (z. B. Toleranz H7) ausgeführt, da sich auf seiner Bohrungsfläche ein auf der Armatur 20 in einer umlaufenden Nut 21 sitzender Dichtring in Form eines O-Rings 22 abstützt.
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Bei der in 1 und 2 gezeigten Ausführungsform sind im Anschlussbereich 4 zur Bildung eines Druckentlastungsdurchlasses in der Innenwand 6 vier längsaxial verlaufende Durchlassnuten 11 eingeformt, die in der Übergangsfase 12 zwischen Dichtbereich 5 und Anschlussbereich 4 beginnen und in der Mündungsfase 13 des Ingold-Stutzens 1 enden. Die Durchlassnuten 11 nehmen damit die volle Axiallänge des Anschlussbereiches 4 einschließlich der Übergangsfase ein. Die vier Durchlassnuten 11 sind – wie 2 zeigt – gleichmäßig über den Innenumfang des Anschlussbereiches 4 verteilt angeordnet und weisen einen halbrunden Querschnitt auf. Damit sind an den Übergängen zwischen der Nut 11 und der Innenwand 6 der Durchgangsbohrung 3 keine scharfen Kanten vorhanden. Die Nuten 11 weisen beispielsweise eine Nutbreite von 2 mm und Nuttiefe von 1 mm, also eine Querschnittsfläche von ca. 1,4 mm2 auf. Eine größere Anzahl von Nuten, wie z.B. zwölf ist genauso denkbar, wie eine verkürzte Auslegung der Nuten, die bereits auch kurz nach der Übergangsfase 12 im Anschlussbereich 4 enden können.
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Bei der in 3 gezeigten Ausführungsform ist der Druckentlastungsdurchlass durch zwei Durchgangsbohrungen 14 realisiert, die in einem Umfangswinkel von 180° versetzt zueinander radial gegenüberliegend in der Wand des Ingold-Stutzens 1 verlaufen. Sie beginnen direkt nach der Übergangsfase 12 zwischen Dichtbereich 5 und Anschlussbereich 4 in letzterem und verlaufen radial zur Längsachse L des Stutzens zu dessen Außenseite hin. Die Durchgangsbohrungen 14 münden dabei prozessseitig vor dem Außengewinde 2. Ihr Durchmesser beträgt beispielsweise 2 mm. Über ihre äußeren Mündungsöffnungen 15 ist ein zur Seite des Prozesses weisender Ring 16 als Schutzabweiser gesetzt, der das aus den Mündungsöffnungen 15 gegebenenfalls unter Druck austretende Prozessmedium P weg vom Benutzer leitet.
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Die Sicherheitsfunktion der beiden in den 1 bis 3 gezeigten Ausführungsformen der Ingold-Stutzen ist kurz wie folgt anhand der 1A und B zu erläutern:
Wird ausgehend von der in 1A gezeigten Einbauposition der Armatur 20 die Überwurfmutter 19 am Armaturensockel gelöst, wird die Armatur 20 allmählich nach außen aus dem Prozessmedium P gezogen. Dabei gleitet der O-Ring 22 unter Abdichtung zum Ingold-Stutzen 1 hin am Dichtbereich 5 entlang, bis er über die Übergangsfase 12 in den Anschlussbereich 4 übertritt. Sobald der O-Ring 22 mit den Durchlassnuten 11 in Überdeckung steht (bzw. die Durchgangsbohrungen 14 passiert hat), kann unter Druck stehendes Prozessmedium P durch die Durchlassnuten 11 (bzw. die Durchgangsbohrungen 14) austreten, so dass aufgrund der bestehenden Fluidverbindung zwischen den prozessabseitigen Mündungen der Durchlassnuten 11 (bzw. der Durchgangsbohrungen 14) einerseits und dem Außengewinde 2 andererseits ein kontrollierter Abgang von Prozessmedium über das Außengewinde 2 erfolgt. Dieser Abgang sollte dabei allerdings so begrenzt sein, dass sich prozessabseitig hinter dem O-Ring 22 noch ein signifikanter Druck aufbauen kann, damit die Umgebung des O-Ringes druckhomogener wird und damit eine einseitige, zu einer Aufdehnung des O-Ringes 22 führende Belastung vermieden wird.