-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Restlebensdauer von Elektronikschaltungen, insbesondere in Windenergieanlagen, sowie eine Recheneinheit zu dessen Durchführung.
-
Stand der Technik
-
Ein möglichst unterbrechungsfreier Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) ist eine wesentliche Voraussetzung für ihre Wirtschaftlichkeit. Insbesondere ungeplante Betriebsunterbrechungen generieren beträchtliche Reparaturkosten und führen häufig zu Versicherungsfällen.
-
Zur Vermeidung derartiger Nachteile ist bei WEA häufig eine sogenannte zustandsorientierte Instandhaltung vorgesehen, die beispielsweise auf Basis einer schwingungsbasierten Zustandsüberwachung (Condition Monitoring, CM) von Rotorblättern in entsprechenden Zustandsüberwachungseinrichtungen bzw. -systemen (Condition Monitoring Systems, CMS) erfolgt. Durch derartige Maßnahmen lassen sich z. B. beginnende Schäden in Rotorblättern frühzeitig erkennen. CMS sind häufig zur Ferndiagnose eingerichtet, wobei die Zustandsmeldungen in zertifizierten Diagnosezentren, häufig durch speziell geschultes Personal, ausgewertet werden.
-
Jedoch kommen in WEA viele Komponenten zum Einsatz, für die keine Überwachungsmöglichkeiten bekannt sind, wobei für die Erfindung insbesondere Elektronikschaltungen relevant sind. Diese kommen in WEA an zahlreichen Stellen zum Einsatz, bspw. in der Steuer- und Regelelektronik, in Stellgliedern für die Bewegung von Gondel, Rotorblättern usw., in der Wandelelektronik für die Stromwandlung usw.
-
Es ist bekannt, dass die Lebensdauer von Elektronikschaltungen, insbesondere wenn größere Leistungen abfallen, im Wesentlichen von der Lebensdauer der elektrischen und/oder mechanischen Verbindungen bestimmt wird (z. B. zwischen Bauteil und Lot, zwischen Lot und Kabel, zwischen Kabel und Lot, zwischen Lot und Platine, zwischen Bauteil und Kleber/Lot, zwischen Kleber/Lot und Kühlkörper, zwischen Kleber/Lot und Leiterplatte usw.). Die Verbindungen (insbesondere Klebe-, Bond- und Lötstellen) altern temperaturabhängig, da die beteiligten Komponenten unterschiedliche Längen- und Raumausdehnungskoeffizienten besitzen. Auch altern z. B. Bonddrähte selbst, da sie durch Temperaturveränderungen ihre Längen ändern, was durch die beidseitige mechanische Fixierung zu einer Biegung des Drahtes führt.
-
Da, wie erwähnt, keine Möglichkeit zur zustandsorientierten Wartung bekannt ist, werden diese Bauteile anhand der voraussichtlichen Lastbedingungen ausgelegt. Die tatsächliche Lebensdauer ist jedoch während des Betriebes nicht bekannt, so dass die Wartung nicht zustandsorientiert erfolgt. Es besteht daher der Bedarf nach einer Möglichkeit, die Lebensdauer von Elektronikschaltungen in Windenergieanlagen zur Laufzeit (”online”) zu bestimmen.
-
Offenbarung der Erfindung
-
Erfindungsgemäß werden ein Verfahren zur Bestimmung der Restlebensdauer einer Elektronikschaltung, insbesondere in einer Windenergieanlage, mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie eine entsprechende eingerichtete Recheneinheit zu dessen Durchführung vorgeschlagen. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind Gegenstand der Unteransprüche sowie der nachfolgenden Beschreibung.
-
Vorteile der Erfindung
-
Die Erfindung schafft eine Möglichkeit, die Restlebensdauer von Elektronikschaltungen, insbesondere in Windenergieanlagen, zur Laufzeit zu bestimmen und einer zustandsorientierten Wartung zugänglich zu machen. Die Erfindung geht dabei aus von der Erkenntnis, dass Bondverbindungen nur eine gewisse Anzahl von Temperaturschwankungen schadlos überstehen. Grundlagen dazu sind bspw. der Veröffentlichung
"Power Cycling Induced Failure Mechanisms in Solder Layers", Herrmann T. et al., 2007 European Conference on Power Electronics and Applications zu entnehmen. Die Erfindung überträgt diese Kenntnis auf Elektronikschaltungen im Allgemeinen, von denen angenommen wird, dass sie ebenso eine gewisse Anzahl von Temperaturschwankungen überstehen. Da die Elektronikschaltung insgesamt ausfällt, wenn eine Bondverbindung ausfällt, ist diese Annahme auch gerechtfertigt.
-
Ausgehend von diesen Überlegungen wird den zu überwachenden Elektronikschaltungen eine Nennlebensdauer zugeordnet. Diese Nennlebensdauer kann eine Funktion in Abhängigkeit von der Anzahl und Höhe von Temperaturschwankung beinhalten, wie bspw. in der genannten Veröffentlichung gezeigt. Zur Laufzeit wird eine die Temperatur der Elektronikschaltung kennzeichnende Größe über die Zeit gemessen und der Temperaturverlauf wird mit geeigneten Methoden ausgewertet.
-
Bevorzugte Methoden zum Auswerten des Temperaturverlaufs sind insbesondere ein- oder zweiparametrige Zählverfahren, wie sie auf dem Gebiet der Betriebsfestigkeit Verwendung finden. Insbesondere eignen sich die Spitzenzählung, die Rainflow-Zählung, die Bereichs- und Mittelwertzählung und die Bereichspaar- und Mittelwertzählung.
-
Basierend auf der Auswertung kann die Restlebensdauer bestimmt werden, bspw. durch Bestimmung eines bereits verbrauchten Anteils der Nennlebensdauer.
-
Wesentlich ist dafür die Bestimmung der Temperatur in der Elektronikschaltung. Die Temperaturbestimmung kann erfolgen durch direkte Temperaturmessung an Elektronikschaltung und Umgebung oder mit Hilfe eines thermischen Modells, das z. B. aus der berechneten Wirkleistung und/oder Blindleistung in der Elektronikschaltung (ermittelt z. B. über Strom und Spannung) und dem thermischen Widerstand zur Umgebung eine Temperatur berechnet. Hierbei sollten auch dynamische Effekte, z. B. durch thermische Kapazitäten, berücksichtigt werden, die zu einer Veränderung der eigentlichen Temperatur gegenüber der statisch mit einem Widerstandsmodell berechneten Temperatur führen.
-
Die Erfindung eignet sich besonders für Elektronikschaltungen, die ein Leistungsbauteil, wie z. B. einen Transistor, oder einen Logikbaustein, wie z. B. Gatter, beinhalten. Insbesondere eignet sich die Erfindung für sog. integrierte Schaltungen (ICs), wie z. B. Controller.
-
Die Erfindung eignet sich auch besonders zur Verwendung in Windenergieanlagen, da hier, wie erwähnt, eine Wartung besonders aufwendig ist. Da die Anlagen großen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind, kommt es hier mitunter zu starken Abweichungen der tatsächlichen Lebensdauer von der Nennlebensdauer, so dass hier eine Kenntnis über die Restlebensdauer besonders vorteilhaft ist.
-
Eine erfindungsgemäße Recheneinheit, z. B. als Bestandteil einer Überwachungseinrichtung (CMS), ist, insbesondere programmtechnisch, dazu eingerichtet, ein erfindungsgemäßes Verfahren durchzuführen.
-
Auch die Implementierung der Erfindung in Form von Software ist vorteilhaft, da dies besonders geringe Kosten ermöglicht, insbesondere wenn eine ausführende Recheneinheit noch für weitere Aufgaben genutzt wird und daher ohnehin vorhanden ist. Geeignete Datenträger zur Bereitstellung des Computerprogramms sind insbesondere Disketten, Festplatten, Flash-Speicher, EEPROMs, CD-ROMs, DVDs u. a. m. Auch ein Download eines Programms über Computernetze (Internet, Intranet usw.) ist möglich.
-
Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und der beiliegenden Zeichnung.
-
Es versteht sich, dass die vorstehend genannten und die nachfolgend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
-
Die Erfindung ist anhand eines Ausführungsbeispiels in der Zeichnung schematisch dargestellt und wird im Folgenden unter Bezugnahme auf die Zeichnung ausführlich beschrieben.
-
Figurenbeschreibung
-
1 zeigt eine Elektronikschaltung, deren Restlebensdauer im Rahmen der Erfindung bestimmt wird, in einer schematischen Schnittansicht.
-
2 zeigt eine graphische Auftragung einer Nennlebensdauerfunktion für eine Elektronikschaltung.
-
3 zeigt einen beispielhaften zeitlichen Temperaturverlauf einer Elektronikschaltung.
-
Detaillierte Beschreibung der Zeichnung:
-
In 1 ist eine beispielhafte Elektronikschaltung, deren Restlebensdauer im Rahmen der Erfindung bestimmt wird, schematisch in einer Querschnittsansicht dargestellt und insgesamt mit 100 bezeichnet. Die Elektronikschaltung kann beispielsweise einen Leistungstransistor, einen integrierten Schaltkreis IC o. ä. (im Folgenden als Bauteil bezeichnet) enthalten. Das Bauteil 1 ist (beispielsweise an einem seiner Kontaktfüße) über ein Lot 2 mit einem Leiter 3, beispielsweise einer Kupferleitung, verbunden. Die Kupferleitung 3 wiederum ist über ein Lot oder einen Kleber 4 mit einem Substrat 5, beispielsweise einer Leiterplatte verbunden. Die Leiterplatte 5 ist im vorliegenden Beispiel über einen Wärmeleitkleber 6 mit einem Kühlkörper 7 verbunden. Die Anordnung aus den Elementen 1 bis 7 stellt im vorliegenden Beispiel die zu überwachende Elektronikschaltung 100 dar.
-
Es ist bekannt, dass die einzelnen Elemente 1 bis 7 im Sinne eines thermischen Widerstandsnetzwerks modelliert werden können, um die Wärmeübertragung zwischen den einzelnen Elementen zu berechnen. Auf diese Weise kann beispielsweise die Temperatur im Bauteil 1 ausgehend von einer gemessenen Temperatur am Kühlkörper 7 berechnet werden. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der Temperatur besteht in der Messung wenigstens einer die temperaturkennzeichnenden Größe, wie z. B. die im Bauteil abfallende Wirk- oder Blindleistung, Umgebungstemperatur usw. Auf diese Weise kann die für jedes der Elemente 1 bis 7 maßgebliche Temperatur bestimmt werden.
-
In 2 ist eine beispielhafte Nennlebensdauerfunktion für eine Elektronikschaltung 100 graphisch dargestellt. Eine solche Nennlebensdauerfunktion ist beispielsweise aus der oben genannten Veröffentlichung bekannt. In der Nennlebensdauerfunktion ist auf der Ordinate die Anzahl N der Temperaturschwankungen gegen die Höhe ΔT der Temperaturschwankungen auf der Abszisse aufgetragen. Die Anzahl N entspricht der Anzahl von Temperaturschwankungen, die die Elektronikschaltung schadlos übersteht. Es wird sich hier meist um einen statistischen Erwartungswert handeln.
-
Aus dem Diagramm geht hervor, dass die Anzahl der schadlos überstehbaren Temperaturschwankungen umso geringer wird, je höher die Temperaturschwankung selbst ist. Beispielsweise können 100.000 Temperaturschwankungen von 80 K überstanden werden, jedoch nur 50.000 Temperaturschwankungen von 100 K usw.
-
In 3 ist ein beispielhafter Temperaturverlauf einer Elektronikschaltung 100 dargestellt. Auf der Ordinate ist die Temperatur T des zu überwachenden Elements gegen die Zeit t auf der Abszisse dargestellt. Die Temperatur T des Elements kann beispielsweise gemessen oder auf eine der bereits beschriebenen Arten bestimmt werden. Der Temperaturverlauf wird mittels eines Zählverfahrens ausgewertet, wofür sich insbesondere das sogenannte Rainflow-Zählverfahren anbietet. Hierbei werden die Höhen L und G von Temperaturschwankungen, denen die Elektronikschaltung im Laufe der Zeit ausgesetzt ist, ermittelt. Zweckmäßigerweise wird hier zwischen lokalen Höhen L und globalen Höhen G unterschieden. Eine lokale Höhe L kann bspw. durch lokale Maxima und Minima bestimmt werden. Bei globalen Höhen G wird zweckmäßigerweise ein Trend berücksichtigt, so dass bspw. ein globales Maximum als höchstes Maximum in einer Reihe aufeinanderfolgender Maxima und ein globales Minimum als niedrigstes Minimum in einer Reihe aufeinanderfolgender Minima bestimmt wird. Globale Höhen G beschreiben die Differenz zwischen globalen Maxima und Minima.
-
Es bietet sich an, Temperaturschwankungsbereiche zu definieren und die ermittelten Temperaturschwankungen jeweils den Bereichen zuzuordnen. Beispielsweise können Bereiche in 10 K-Schritten definiert werden, von 0 bis 10 K, 11 bis 20 K, 21 bis 30 K usw. Anschließend werden die ermittelten Temperaturschwankungen abgezählt und den entsprechenden Bereichen zugeordnet.
-
Unter Heranziehung der Nennlebensdauerfunktion, wie sie beispielsweise in 2 dargestellt ist, kann die Restlebensdauer aus den abgezählten Temperaturschwankungen bestimmt werden. Wird beispielsweise ermittelt, dass 5.000 Temperaturschwankungen in Höhe von 80 K aufgetreten sind, kann anhand der Nennlebensdauer ermittelt werden, dass 5% der Nennlebensdauer verbraucht worden ist. Wird weiterhin ermittelt, dass 10.000 Temperaturschwankungen in Höhe von 100 K aufgetreten sind, kann anhand der Nennlebensdauer ermittelt werden, dass weitere 20% der Nennlebensdauer verbraucht worden sind. Die auf diese Weise ermittelten Verbräuche werden aufsummiert, um den Gesamtverbrauch der Nennlebensdauer zu bestimmen. Auf diese Weise kann eine Restlebensdauer bestimmt werden, indem die noch nicht verbrauchte Nennlebensdauer bestimmt wird. Unterschreitet beispielsweise die Restlebensdauer eine vorbestimmte Schwelle, kann eine Wartung veranlasst werden.
-
Die Erfindung entfaltet besondere Vorteile bei der Bestimmung der Restlebensdauer von Elektronikschaltungen in dezentralen Kraftwerken, wie Wind- und Wellenenergieanlagen. Diese sind der Umwelt umfassend ausgesetzt, so dass hier mitunter große Temperaturschwankungen auftreten können, weiche zu einer signifikanten Abweichung der tatsächlichen Lebensdauer von der ausgelegten Lebensdauer führen können. Elektronikschaltungen kommen hier an zahlreichen Stellen zum Einsatz, bspw. in der Steuer- und Regelelektronik, in Stellgliedern für die Bewegung von Gondel, Rotorblättern usw., in der Wandelelektronik für die Stromwandlung usw.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- ”Power Cycling Induced Failure Mechanisms in Solder Layers”, Herrmann T. et al., 2007 European Conference on Power Electronics and Applications [0008]