-
Die Erfindung betrifft einen Aktuator mit einem Stellglied, das ein oder mehrere dünne, längliche Formwandlungselemente, insbesondere einen oder mehrere Drähte, aus einem Formgedächtnismaterial aufweist.
-
Um eine lineare oder rotatorische Bewegung zu erzeugen, werden je nach Anforderung verschiedene Aktuatoren eingesetzt, die auf Elektromagneten, Elektromotoren (mit Getriebe), vorgespannten Federsystemen, Pneumatik oder Hydraulik basieren. Es sind auch Aktuatoren bekannt, in denen sogenannte Formgedächtnislegierungen (FGL, engl.: shape memory alloy, SMA) zum Einsatz kommen.
-
Formgedächtnislegierungen werden auch als Memorymetalle bezeichnet, da sie sich nach einer Verformung an eine frühere Formgebung „erinnern” können. Physikalisch betrachtet basiert die Formwandlung auf der temperaturabhängigen Gitterumwandlung zweier verschiedener Kristallstrukturen der Legierung. Die Strukturumwandlung kann nicht nur thermisch, sondern auch spannungsinduziert herbeigeführt werden. Für die Aktuatorik sind Formgedächtnislegierungen von Interesse, weil sie sehr große Kräfte praktisch ermüdungsfrei übertragen, auch bei einer sehr großen Anzahl von Bewegungszyklen. Außerdem weisen sie ein im Vergleich zu anderen Aktuator-Werkstoffen auffallend großes spezifisches Arbeitsvermögen (Verhältnis von geleisteter Arbeit zu Werkstoffvolumen) auf.
-
Die Verwendung von Stellelementen aus Formgedächtnislegierungen ist auch in der Fahrzeugtechnik bekannt. In der
EP 1 850 359 A2 wird eine rekonfigurierbare, formveränderliche Bedientaste mit einem zentralen Tastenbereich vorgeschlagen, der ein Formgedächtnismaterial mit einer Bistabilität aufweist. Im aktiven Zustand der Taste bildet das Formgedächtnismaterial eine Vorwölbung auf der durch den Randbereich festgelegten Oberflächenebene. Im inaktiven Zustand der Taste bildet das Formgedächtnismaterial eine flache, sich in der Oberflächenebene erstreckende Schicht. Die formveränderlichen Eigenschaften der Taste werden durch Einbetten eines Drahtgeflechts oder eines Dünnfilms aus einer Formgedächtnislegierung in ein dehnbares Material oder alternativ durch Formen der Taste aus einen Formgedächtnispolymer erreicht.
-
Die
DE 60 2004 008 189 T2 betrifft eine Stoßfängervorrichtung mit verformbaren Elementen aus Formgedächtnismaterial, die bei einem Aufprall verformt werden. Die verformbaren Elemente sind vor oder zu Beginn des Aufpralls von einer Betriebstemperatur selektiv auf eine höhere Temperatur erwärmbar, um die Energieabsorptionsfähigkeit der Vorrichtung abzustimmen, ohne dabei die Form der Elemente zu verändern. Das Formgedächtnismaterial wird in Form eines oder mehrerer Körper, gerollter Tafeln, Drahtgeflechten, Schäumen oder zusammenschiebbaren Rohren verwendet, die eine voraussagbare Verformung durchmachen, wenn sie Aufprallenergie absorbieren.
-
Ein gattungsgemäßer Aktuator ist aus der
DE 10 2010 004 162 A1 bekannt. Bei einem Sicherheitsgurtschlossbringer ist ein Aktuator mit einem Element aus einem Formgedächtnismaterial vorgesehen, um ein Gurtschloss zwischen einer ausgefahrenen und einer verstauten Position zu verrücken. Der Aktuator kann aus einem einzelnen oder mehreren parallel angeordneten Drähten oder auch aus einem Band aus einer Formgedächtnislegierung bestehen.
-
Aufgabe der Erfindung ist es, einen möglichst kompakten Aktuator zu schaffen, der den hohen Anforderungen der Fahrzeugtechnik, insbesondere in Bezug auf Komfort- und Sicherheitsanwendungen genügt und auch in Kombination mit pyrotechnischen Aktuatoren einsetzbar ist.
-
Gelöst wird diese Aufgabe durch einen Aktuator mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Vorteilhafte und zweckmäßige Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Aktuators sind in den Unteransprüchen angegeben.
-
Der erfindungsgemäße Aktuator umfasst ein Stellglied, das ein oder mehrere dünne, längliche Formwandlungselemente, insbesondere einen oder mehrere Drähte, aus einem Formgedächtnismaterial aufweist. Gemäß der Erfindung bildet das eine oder die mehreren Formwandlungselemente eine Maschenware, Webware oder Gitterstruktur.
-
Unter einem Formgedächtnismaterial soll hier allgemein ein Material verstanden werden, das eine reversible Formwandlung durchführen kann, wenn es einer Aktivierung, in der Regel eine thermische Stimulation, ausgesetzt wird. Hierzu sind Formgedächtnislegierungen ebenso wie Formgedächtnispolymere, Formgedächtniskeramiken und weitere Materialien zu zählen, welche sich trotz starker Verformung an eine frühere Formgebung erinnern können.
-
Die Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass die mittels eines Aktuators mit einem Draht aus einem Formgedächtnismaterial mögliche Kürzung und/oder Längung signifikant durch die verwendete Drahtlänge bestimmt wird. Das Kraftniveau der Formwandlung wird durch den Drahtdurchmesser und die Anzahl der Drähte sowie durch das verwendete Material bestimmt. Für einen leistungsfähigen Aktuator sind somit eine große Drahtlänge und eine hohe Dichte von Drähten aus Formgedächtnismaterial vorteilhaft.
-
Diese Voraussetzungen sind beim erfindungsgemäßen Aktuator in besonderer Weise erfüllt, da durch die Ausbildung des bzw. der Formwandlungselemente als Maschenware (insbesondere Strick-, Wirk- oder Häkelware), Webware oder Gitterstruktur eine grolle effektive Länge an verformbarem Material in einer kompakten Bauform untergebracht werden kann. Von Vorteil ist, dass das bzw. die Formwandlungselemente eine definierte, regelmäßige Anordnung haben. Dadurch wird neben einer vereinfachten Herstellung, z. B. nach dem Vorbild von entsprechend ausgebildeten Textilien, eine einheitliche, gleichmäßige Formwandlung des gesamten Stellglieds erreicht. Zudem sind dadurch die Bestimmung der Kürzung bzw. Längung des gesamten Stellglieds bei der Produktentwicklung und allgemein die Handhabung des Stellglieds vereinfacht.
-
Für bestimmte Anwendungen ist eine Ausbildung des Stellglieds als Schlauch vorteilhaft, da in diesem Fall im Vergleich zu einem zweidimensionalen Geflecht, Gestrick, Gewirke Gewebe, etc. bezogen auf die Bewegungsrichtung des Aktuators eine noch größere Menge an verformbarem Formgedächtnismaterial zur Verfügung steht.
-
Alternativ kann dass das Stellglied aber auch als flaches Band ausgebildet sein, das weniger Bauraum einnimmt. Selbstverständlich sind auch andere Formen des Stellglieds denkbar.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des Stellglieds des erfindungsgemäßen Aktuators weisen das eine oder die mehreren Formwandlungselemente eine Vielzahl von Schlingen auf, die in andere Schlingen des bzw. der Formwandlungselemente eingehängt sind. Eine solche Maschenbindung ist im Textilbereich bewährt und lässt sich maschinell ohne Probleme herstellen.
-
Ebenfalls leicht herstellbar ist ein Stellglied, bei dem das eine oder die mehreren Formwandlungselemente nach Art eines Maschendrahtzauns geflochten sind.
-
Damit die Kontraktion oder Expansion des Stellglieds in den konkreten Anwendungen des erfindungsgemäßen Aktuators optimal umgesetzt werden kann, ist das Stellglied vorzugsweise auf einer Seite mit einem festen ersten Lager und auf einer anderen Seite mit einem beweglichen zweiten Lager verbunden. Die Formwandlung des bzw. der Formwandlungselemente führt dann zu einer Bewegung des zweiten Lagers zum ersten Lager hin bzw. von diesem weg. Diese definierte Bewegung kann zum Verschieben eines Elements, zum Auslösen eines Schaltvorgangs, etc. genutzt werden.
-
Die zur Anregung der Formwandlung nötige thermische Energie wird am einfachsten elektrisch durch Bestromung des bzw. der Formwandlungselemente zugeführt. Hierzu sind das bzw. die Formwandlungselemente jeweils an den beiden Lagern elektrisch an einen Aktivierungsstromkreis angeschlossen.
-
Der erfindungsgemäße Aktuator kann einfach als Linearaktuator ausgelegt sein, indem dass das Stellglied zwischen den beiden Lagern linear ausgerichtet ist.
-
Alternativ ist bei einer nicht-linearen Auslegung des Aktuators das Stellglied zwischen den beiden Lagern nicht-linear ausgerichtet. Aufgrund der leichten Biegbarkeit der meisten Formgedächtnismaterialen ist eine solche Auslegung durch entsprechendes Formen des Stellglieds problemlos möglich.
-
Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und aus den beigefügten Zeichnungen, auf die Bezug genommen wird. In den Zeichnungen zeigen:
-
1a eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Aktuators in einem ersten Zustand;
-
1b den Aktuator aus 1a in einem zweiten Zustand;
-
2 eine vergrößerte Detailansicht des Stellglieds des Aktuators aus 1a;
-
3 eine weiter vergrößerte Detailansicht des Stellglieds des Aktuators aus 1a mit Kraftvektoren;
-
4a eine zweite Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Aktuators in einem ersten Zustand;
-
4b den Aktuator aus 4a in einem zweiten Zustand;
-
5a eine dritte Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Aktuators in einem ersten Zustand; und
-
5b den Aktuator aus 5a in einem zweiten Zustand.
-
In den 1a und 1b ist schematisch eine erste Ausführungsform eines Linearaktuators 10 gezeigt, der reversibel zwischen einem stabilen entspannten Zustand (1a) und einem stabilen kontrahierten Zustand (1b) wechseln kann. Der Aktuator 10 umfasst als wesentliche Bestandteile zwei Lager 12, 14 und ein zwischen den beiden Lagern angeordnetes Stellglied 16.
-
Aus 2 geht hervor, dass das Stellglied 16 ein im Verhältnis zu seiner Länge dünnes Formwandlungselement 18 aufweist, das vorzugsweise als Draht ausgebildet ist. Das Formwandlungselement 18 besteht aus einem eingangs beschriebenen Formgedächtnismaterial und ist zu einer Maschenware geformt. Genauer gesagt weist das Formwandlungselement 18 eine Vielzahl von Schlingen 20 auf, die in andere Schlingen eingehängt sind, wie am besten in der Detailansicht der 3 zu erkennen ist.
-
Die aus dem Formwandlungselement 18 gebildete Maschenware bildet selbst wiederum einen Schlauch, dessen entgegengesetzte axiale Enden jeweils mit einem der Lager 12 bzw. 14 verbunden sind. In der Anwendung des Aktuators 10 ist das erste Lager 12 fest, d. h. unbeweglich installiert, während das zweite Lager 14 in axialer Richtung beweglich ist. An den beiden Lagern 12, 14 ist auch jeweils ein Ende des elektrisch leitfähigen Formwandlungselements 18 an einen Aktivierungsstromkreis angeschlossen.
-
Durch Bestromung und die dadurch herbeigeführte Erwärmung des Formwandlungselements 18 wird dieses zu einer Formwandlung angeregt. Die Formwandlung führt in Axialrichtung zu einer starken Kontraktion des Schlauchs, der aus der Maschenware des Formwandlungselements 18 gebildet ist. Die Ursache für diese Kontraktion ist die thermisch angeregte Verkürzung des länglichen Formwandlungselements 18, die durch dessen Maschenbindung zu einem Schlauch insgesamt zu einer starken, gleichmäßigen Anziehung des beweglichen zweiten Lagers 14 hin zum festen ersten Lager 12 führt. Die Kräfte, die hierbei im Formwandlungselement 18 wirken, sind durch die Kraftvektoren in 3 verdeutlicht. Die Formwandlung ist reversibel und kann vielfach wiederholt werden.
-
Grundsätzlich ist eine umgekehrte Ausführung möglich, bei der eine Bestromung des Formwandlungselements 18 eine Längung und damit eine Expansion des Stellglieds 16 in axialer Richtung bewirkt. Ob eine Erwärmung zu einer Kürzung oder Längung führt, hängt von der Materialauswahl und der Vorbehandlung des Materials ab.
-
Auch nicht-lineare Ausführungen sind möglich, wenn das Stellglied 16 entsprechend geformt, insbesondere gebogen wird.
-
Das Formwandlungselement 18 kann alleine, oder auch in Verbindung mit einem oder mehreren weiteren Formwandlungselementen, auch auf andere Weise geflochten, gestrickt, gewirkt oder gewebt sein. Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Kürzung oder Längung des Formwandlungselements bzw. der Formwandlungselemente insgesamt zu einer Kontraktion bzw. Expansion des aus dem Geflecht, Gestrick, Gewirke oder Gewebe geformten Stellglieds 16 führt.
-
In den 4a und 4b ist eine zweite Ausführungsform des Linearaktuators 10' gezeigt, dessen Aufbau und Funktionsweise großteils dem der ersten Ausführungsform entspricht, sodass nur auf die Unterschiede eingegangen wird.
-
Im Gegensatz zur ersten Ausführungsform ist das schlauchförmige Stellglied 16' hier aus einem rautenartigen Drahtgeflecht gebildet. Die Maschen des Geflechts sind wie bei einem Maschendrahtzaun ausgebildet.
-
Eine ähnliche Maschenbildung hat auch das Stellglied 16'' der in den 5a und 5b gezeigten dritten Ausführungsform des Linearaktuators 10''. Hier ist das Stellglied jedoch nicht als Schlauch ausgebildet, sondern als flaches Band.
-
Wie bei allen anderen Ausführungsformen kann auch hier das Stellglied 16'' gebogen werden, um eine nicht-lineare Bewegung des Stellglieds zu realisieren.
-
Die beschriebenen Aktuatoren eignen sich im Fahrzeugbereich hervorragend für Komfortanwendungen wie z. B. Gurtschlossbringer, oder für aktive Sicherheitsanwendungen wie z. B. Gurtstraffer. Auch für einen Einsatz in einer Sicherheitseinrichtung in Kombination mit pyrotechnischen Aktuatoren sind die beschriebenen Aktuatoren bestens geeignet.
-
Bezugszeichenliste
-
- 10, 10', 10''
- Aktuator
- 12
- erstes Lager
- 14
- zweites Lager
- 16, 16', 16''
- Stellglied
- 18
- Formwandlungselement
- 20
- Schlinge
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- EP 1850359 A2 [0004]
- DE 602004008189 T2 [0005]
- DE 102010004162 A1 [0006]