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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Oberflächenqualität von Halbzeugen aus Stahl und ist auf dem Gebiet der Warmumformung, sowohl bei Walz-, als auch Schmiede- und Pressprozessen, bei denen die Verarbeitungstemperatur des Stahls über 600°C liegt, anwendbar.
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Bei der Warmumformung kommt es während des Fertigungsprozesses zu einer ständigen Verzunderung, welche die Oberflächenqualität des entstehenden Halbezeuges entscheidend beeinflusst. Vor allem bei warmgewalzten Flachprodukten wirkt sich dieser Umstand entscheidend auf die erzielbaren Gewinne beim Verkauf je Tonne Halbzeug aus. Auch bei der Fertigung von Schmiedeteilen ist der Zunderbildungsprozess zu berücksichtigen, weil er den Aufwand der weiteren Fertigungsschritte stark beeinflusst. Der Materialverlust durch oxidiertes Eisen und dessen Legierungen kann in der Warmumformung bis zu 3% des Ausgangsgewichtes bedeuten. Somit ist es wichtig, die Entwicklung des Zunders so genau wie möglich bestimmen zu können, um die Verluste und das äußere Erscheinungsbild des Halbzeuges zu verbessern.
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Zur Entfernung entstandener Zunderschichten sind eine Reihe von Möglichkeiten, wie z. B. Beizen, mechanisches Bürsten oder Strahlverfahren, bekannt. So wird in der
DE 19959204 A1 ein Verfahren zur Ermittlung der Beizzeit für die Entfernung der Zunderschicht von einem gewalzten Warmband in einem Beizbad beschrieben. Hierbei werden durch Abtastung der Oberfläche des zu beizenden Metallbandes Informationen erhalten, die zur Modellierung des Prozesses eingesetzt werden. Beim Warmwalzen gibt es verschiedene Zunderarten, die sich nach ihrer zeitlichen und örtlichen Entstehung unterschieden werden. Dabei treten Primär-, Sekundär- und Tertiärzunder auf der Oberfläche des Umformgutes während der Warmumformung, z. B. in einer Warmwalzstraße, auf (siehe
).
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Der Primärzunder entsteht im Ofen bei der Erwärmung von Brammen, Grobblech und Knüppeln ohne Einfluss von äußeren Spannungen. Das Erwärmen dauert im Vergleich zum Walzprozess relativ lang. Somit ist der Primärzunder sehr massiv ausgeprägt. Dieser Zunder wird idealerweise vor dem ersten Walzstich komplett im Zunderwäscher entfernt und deshalb in die weiteren Betrachtungen nicht einbezogen.
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Die beiden anderen Zunderarten verursachen einen geringeren Masseverlust weil erstens die notwendige Oxidationszeit (sprich Pausenzeit zwischen den Gerüsten) je nach Walzgeschwindigkeit kurz ist und durch die Komprimierung der Zunderschicht die Diffusionsbedingungen verändert werden. Im Walzspalt ist die oxidische Deckschicht vor allem Zug- und Druckspannungen ausgesetzt, wodurch die Zunderausbildung erheblich beeinflusst wird. Dabei reißt der Zunder auf und es entstehen unterschiedliche Bereiche auf der Oberfläche (siehe ).
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Zum einen gibt es den umgeformten Zunder, der im weiteren Verlauf langsamer wächst, und zum anderen gibt es die im Riss zum Vorschein kommende heiße, blanke Metallmatrix, die schneller oxidiert, weil der Sauerstoff in diesem Bereich ungehindert zur Verfügung steht. Aus der Reaktion mit dem Metall und der Fortführung des Umformprozesses resultiert nach mehreren Umformschritten eine raue Oberfläche auf dem Halbzeug. Um die ablaufenden Phänomene im Walzspalt beschreiben zu können, ist die Charakterisierung der einzelnen Bestandteile von großer Bedeutung. Die Oxidationsvorgänge verändern die Oberflächenbeschaffenheit der zu verarbeitenden metallischen Werkstoffe so gravierend, dass neben den Greifbedingungen auch der Stofffluss im Umformwerkzeug beeinflusst wird. Infolge dieser schwer kontrollierbaren Modifikation werden auch das Gefüge und die daran gekoppelten mechanischen Eigenschaften beeinflusst.
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Bisherige Untersuchungen hinsichtlich der Zundercharakteristiken fanden auf verzunderten Stahlproben statt. Die dabei ablaufenden chemischen Reaktionen erfolgten unter Berücksichtigung des temperaturabhängigen Sauerstoffpartialdruckes, um den jeweiligen Existenzbereich der drei Eisenoxide einzustellen. Anschließend wurden die Umformeigenschaften im Zug- oder Biegeversuch bestimmt [1. Schütze, Michael: Protective Oxide Scales and Their Breakdown; John Wiley & Sons, Chichester, 1997; 2. Krzyzanowski, M.; Beynon, J. H.; Farrugia, D. C. J.: Oxide Scale Behavior in High Temperature Metal Processing; Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2010].
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Hidaka [Hidaka, Y.; Anraku, T.; Otsuka, N.: Deformation of Iron Oxides upon Tensile Test at 600–1250°C; Oxidation of Metals, Vol. 59, Nos. 1/2, 2003; pp. 97–113] verwendete hingegen für seine Versuche fast reines Eisen (99,99%), um den Einfluss der Legierungselemente auszuschließen. Jedoch kann die Stahlprobe nicht vollständig umgesetzt werden. Somit ist es jedoch schwierig, Rückschlüsse auf die Eigenschaften der reinen Oxide zu schließen. Die Ausbildung der Zunderschicht inklusive der einzelnen Schichten ist stark von der chemischen Zusammensetzung des Grundmaterials abhängig und ausgewählte Legierungselemente können sogar die Ausbildung einer bestimmten Oxidphase behindern oder fördern. Die Experimente für die Charakterisierung des Umformverhaltens wurden hier mit sehr geringen Umformgeschwindigkeiten (z. B. 10–3s–1) durchgeführt, was dem realen Warmumformprozess nicht gerecht wird.
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Alle drei Eisenoxide mit unterschiedlichem Sauerstoffgehalt treten volumenmäßig unterschiedlich stark auf und besitzen zusätzlich unterschiedliche physikalische als auch umformrelevante Eigenschaften (z. B. Dehnungsverhalten). Die Härtewerte dieser drei Eisenverbindungen bei Raumtemperatur unterscheiden sich z. B. in mindestens einer Zehnerpotenz. Dadurch wird die Rissbildung bei der Warmumformung und damit die Oberflächenqualität der Halbzeuge ganz unterschiedlich beeinflusst.
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Der Erfindung liegt die technische Aufgabe zugrunde, bei der Warmumformung von Stahl Steuerparameter bereitzustellen, die gewährleisten, dass Aufschluss über die kritischen Spannungen, die zum Aufreißen der oxidischen Deckschicht führen, erhalten wird und daraus abgeleitet der Warmumformprozess so gesteuert werden kann, dass eine Rissbildung im Zunder vermieden und somit eine verbesserte Oberflächenqualität am Halbzeug erreicht wird.
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Zur Lösung dieses Problems ist bei dem Verfahren der eingangs genannten Art vorgesehen, dass die kritischen Spannungen ermittelt, daraus die umformrelevanten Steuergrößen abgeleitet und zur Steuerung des Umformprozesses eingesetzt werden können.
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Beim erfindungsgemäßen Verfahren werden für den jeweils umzuformenden Stahl die drei einzelnen Haupteisenoxide des Zunders bei der Warmumformung (Wüstit, Magnetit und Hämatit) unabhängig voneinander hinsichtlich ihrer Eigenschaften charakterisiert. Hierbei erfolgt das Verpressen dieser drei in Pulverform vorliegenden Hauptzunderbestandteile. Dazu wird das Pulver in Kombination mit Presshilfsmitteln oder in Mikropulverform zu unterschiedlichen Geometrien (je nachdem, welche Kennwerte ermittelt werden sollen; Fließkurve → zylindrische Probe; Bruchkriterium → eckige Probe) verpresst. Bevor die jeweiligen Proben entsprechend analysiert werden können, müssen sie unter Beachtung des Existenzbereiches der einzelnen Eisenoxide gesintert werden. Dabei wird unter Verwendung des Eisen-Sauerstoff-Schaubildes der erforderliche Sauerstoffpartialdruck am Sinterofen durch das Mischen von Sauerstoff mit einem Schutzgas eingestellt.
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Die entstandenen zylindrischen Proben werden in entsprechenden Simulationsgeräten umgeformt und analysiert. Aus den Zylinderproben können z. B. die Warmfließkurve für unterschiedliche Temperaturen (gemäß der Umformtemperaturen aus den realen Prozessen) und diverse Umformgeschwindigkeiten aufgenommen und anschließend modelliert werden. Zylindrische Stauchproben eignen sich für Bestimmung dieser Materialeigenschaft besser als Flachstauchproben, da die Breitung und die Reibung hinreichend genau mit bestehenden Modellen erfasst werden kann. Mit dieser Probengeometrie können ebenfalls thermodynamische Kennwerte für die Beschreibung der Diffusion, aber auch der Spannungszustände (Wärmeausdehnungskoeffizient, Wärmeleitfähigkeit) der jeweiligen Eisenoxide, bestimmt werden. Für die Probenherstellung der KIC-Proben, die für die Ermittlung des Bruchkriteriums erforderlich sind, wird ein vergütetes Gesenk genutzt, welches eine quaderförmige Vertiefung aufweist, in welche das Pulver gefüllt und anschließend mit einem Stempel verdichtet wird. Die Aussparung in der Matrize besitzt die typische Kontur, um eine bruchmechanische Probe (ggf. im Maßstab) zur DIN EN ISO 12737 zu erzeugen [Schneider, Hans-Christian: Entwicklung einer miniaturisierten bruchmechanischen Probe für Nachbestrahlungsuntersuchungen; Dissertation, Universität Karlsruhe, 2005]. Die somit geformten KIC-Proben können z. B. im 3-Punkt-Biegeversuch untersucht und umgeformt werden.
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Die Proben für die Beschreibung des Bruchkriteriums sind die Grundlage für die Charakterisierung der Dehnungen, Spannungen und der eventuellen Risscharakterisierung in der oxidischen Deckschicht des Metalls.
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Durch die neu detaillierte Charakterisierung des mehrschichtigen inhomogenen Zunders bzgl. physikalischer als auch umformtechnischer Kennwerte kann eine genauere Charakterisierung des Zunderverhaltens innerhalb einer Warmumformung erfolgen. Die dabei ermittelten Materialkennwerte können entweder als Eingabewerte in kommerzielle numerische Simulationssysteme eingelesen oder in erster Näherung in ein Modell implementiert werden, welches aus Schichten aufgebaut ist und somit jeder einzelnen Schicht ein individuelles Eigenschaftsprofil zugewiesen werden kann. Es müssen jedoch die Kontaktbedingungen zwischen den Schichten, aber auch zwischen dem Umformwerkzeug, berücksichtigt werden. Mit den erhaltenen Werten ist die Basis geschaffen, die realen Prozesse besser vorauszuberechnen und so zu gestalten, dass eine bestmögliche Materialoberfläche innerhalb der realen Prozesskette entsteht. Somit kann die Warmumformtechnologie (kritische mechanische als auch thermische Spannung) so ausgelegt werden, dass die Zunderschicht nicht aufreißt und die Oberflächengüte, insbesondere die Rauheit, verbessert wird.
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Neben der günstigeren Oberflächenbeschaffenheit des Halbzeuges kann damit auch der Werkzeugverschleiß besser abgeschätzt werden.
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Die Erfindung soll an nachfolgendem Ausführungsbeispiel näher erläutert werden. Das erfindungsgemäße Verfahren bezieht sich hierbei auf einen unlegierten Baustahl (S235JR), welcher im Warmwalzprozess auf einer Pilotwalzanlage umgeformt wurde. Anschließend erfolgte die Ermittlung der Volumenanteile der einzelnen Phasen, indem aus der Bandmitte eine Probenentnahme erfolgte, die dann präpariert und metallographisch am Lichtmikroskop ausgewertet wurde. Durch die unterschiedlichen Temperaturen über die Bandlänge und -breite fanden die Untersuchungen an Proben aus dem mittleren Bandbereich statt. Auf Basis der gemessenen Verteilung der einzelnen, an der Zunderbildung beteiligten, Eisenoxidphasen ist die Struktur des jeweiligen Zunders bekannt (siehe ).
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Die Bestimmung der relevanten Merkmale erfolgt an den drei Hauptzunderbestandteilen durch die Verwendung dieser in Pulverform. Damit können alle Charakteristiken einzeln und unabhängig von den jeweils anderen Phasen erforscht werden. Zuerst wird dazu ein Grünling hergestellt, indem das Pulver in einer Matrize gefüllt und anschließend mittels Presskraft verdichtet wird. Auf Grund der geringen Festigkeit des Presslings ist ein Sinterprozess, unter Beachtung des Existenzbereiches (durch Einstellen des Sauerstoffpartialdruckes) der einzelnen Eisenphasen, nachfolgend notwendig. An den entstanden Probenkörpern mit unterschiedlichen Geometrien (je nachdem welche Eigenschaft bestimmt werden soll) sind nun die umformrelevanten Eigenschaften, z. B. Fließkurve bei unterschiedlichen Temperaturen und Umformgeschwindigkeiten oder der KIC-Wert zu untersuchen. In ist die Aufnahme einer solchen Fließkurve dargestellt.
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Des Weiteren können an den gesinterten Proben physikalische Kenngrößen, z. B. Wärmeleitfähigkeit, Wärmeübergangskoeffizient oder auch der Wärmeausdehnungskoeffizient, experimentell analysiert werden.
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All diese festgestellten temperaturabhängigen Materialkennwerte dienen entweder als Eingabeparameter für kommerzielle Softwaresysteme oder sie werden in ein schichtenartig aufgebautes Modell implementiert. Aufbauend auf dem Wissen, welche Zunderbestandteile vorliegen und wie viel davon, kann in Verbindung mit den ermittelten Eigenschaften der einzelnen Eisenoxide das Umformverhalten des Zunders besser und detaillierter simuliert werden.
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Die Ergebnisse der Simulationen geben bspw. Aufschluss über die kritischen Spannungen, die zum Aufreißen der oxidischen Deckschicht führen. Daran anknüpfend können nun die Warmumformprozesse so gesteuert werden (unter anderem Reduzierung des Umformgrades oder Minimierung von Zugspannungen beim Walzen), dass eine Rissbildung durch den Zunder vermieden und somit als Ergebnis aller Erkenntnisse die Oberflächenqualität erhöht wird.