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In der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über das Verbot der Ausfuhr von metallischem Quecksilber und bestimmten Quecksilberverbindungen und -gemischen aus dem Bereich der Gemeinschaft und die sichere Lagerung von metallischem Quecksilber ist in Sorge um das Risiko der Quecksilberexposition für Mensch und Umwelt festgelegt, dass mit Wirkung vom 15. März 2011 kein metallisches Quecksilber und keine Verbindungen und Gemische mit hohen Quecksilbergehalten aus dem Raum der Europäischen Union ausgeführt werden dürfen. Diese Vorschrift erfordert, bedingt durch den Anfall von mehreren Tausend Tonnen metallischem Quecksilber gemäß Artikel 2 der Verordnung aus
- a) den auf quecksilberfreie Verfahren umzustellenden Chloralkalielektrolysen,
- b) der Reinigung von Erdgas,
- c) der Förderung und Verhüttung von Nichteisenmetallen und
- d) der innergemeinschaftlichen Extraktion von Zinnobererz
Verfahren zur umweltgerechten Lagerung von metallischem Quecksilber bzw. der Umwandlung des metallischen Quecksilbers in gefahrlos einzulagernde Hg-Verbindungen bzw. Hg-Gemische (z. B. Amalgame) zu entwickeln und industriell einzuführen.
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Die Einlagerung von metallischem Quecksilber kann, bedingt durch die damit verbundenen Risiken nur eine Zwischenlagerung darstellen, als Endlösung zur gefahrlosen Einlagerung/Beseitigung kommt nach heutigem Erkenntnisstand nur die Umwandlung des metallischen Quecksilbers zu Quecksilbersulfid in Frage.
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Amalgambildung mit den in Frage kommenden Nichteisenmetallen (Cu, Sn, Zn, Ag) ist ökonomisch/ökologisch abzulehnen und führt außerdem zur drastischen Erhöhung des einzulagernden Volumens.
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Quecksilbersulfid ist zwar in Wasser quasi unlöslich, was jedoch nicht bedeutet, dass diese chemische Verbindung unbedenklich auf oberirdischen Deponien abgelagert werden darf. Bereits saurer Regen oder Säurebildner in Verbindung mit reduzierenden Stoffen im übrigen Deponiegut können zum Aufbrechen der chemischen Bindung und damit zur unkontrollierbaren Remobilisierung des Quecksilbers führen. Es ist bekannt, dass die Alchemisten metallisches Quecksilber durch Verreiben von Zinnober (natürliches Quecksilbersulfid) in Metalltiegeln unter Zusatz von Essig auf ganz einfache Weise entdeckt und gewonnen haben.
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Ursache für die leichte Zersetzbarkeit des natürlichen Zinnobers ist die unmittelbare Nachbarschaft des Quecksilbers in der elektrochemischen Spannungsreihe zu den Edelmetallen. Die Endlagerung des durch die Umwandlung von metallischem Quecksilber erzeugten Quecksilbersulfids kann unter Beachtung der Einlagerungsbedingungen in einer Untertagedeponie erfolgen.
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Das Überführen von metallischem Quecksilber in Quecksilbersulfid war in der zurückliegenden Zeit Thema wissenschaftlicher Untersuchungen und Betrachtungen und hatte keine ausgeprägte industrielle Bedeutung.
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In jüngerer Zeit hat dieses Problem bei der Behandlung quecksilberkontaminierter Böden zum Immobilisieren des enthaltenen Quecksilbers an Bedeutung gewonnen. Es handelte sich dabei in der Regel um geringe Gehalte, die beim Recycling nicht rückgewinnbar bzw. dem Recycling aus ökonomischen Gründen nicht zugänglich waren.
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Keine Berechtigung hat auch in Zukunft das Überführen von metallischem Quecksilber in Quecksilbersulfid bei solchen Materialien, die z. B. in der Metallurgie weiterverarbeitet werden sollen (Hg-verseuchter Schrott, Hg-kontaminierte Katalysatoren, Hg-haltige Knopfzellen u. ä.).
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Das gezielte Überführen von metallischem Quecksilber in Quecksilbersulfid bzw. Amalgame im industriellen Maßstab hat erst seit Bekanntwerden der EU-Verordnung 1102/2008 an Bedeutung gewonnen.
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An technischen Lösungen, die zu einer Entsorgung von Quecksilber beitragen könnten, sind die Patente
US 5,034,054 vom 23. Juli 1991, Patent
EP 2 072 468 A2 vom 18. Dezember 2008, Patent
US 7.560.087 B2 vom 14. Juli 2009 bekannt.
Patent Nr.
US 5.034.054 vom 23. Juli 1991
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Das Patent befasst sich mit dem Amalgamieren von metallischem Quecksilber durch Zwangsmischen mit Metallpulvern, die hauptsächlich Kupfer enthalten, und dem Zwangsmischen mit Kupferpulver und elementaren Schwefelpuder zum Beschleunigen des Amalgamierens mit dem Ziel, ein auf oberirdischen Deponien zu entsorgendes Material zu erzeugen. Es handelt sich hierbei um eine Fest/Flüssig-Reaktion bei Raumtemperatur.
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Das Verfahren, ausgeführt in einer dreidimensional wirkenden Mischvorrichtung, führt bei Gewichtsverhältnissen von Cu:Hg = 3:1 zu einem akzeptablen wissenschaftlichen Ergebnis, wobei der ökonomische Effekt außer Acht bleibt. Der Zusatz von Schwefelpuder beschleunigt zwar das Amalgamieren, verhindert aber nicht die arbeitshygienisch schädliche Entstehung von Schwefelwasserstoff.
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Das Patent lässt etliche Mängel erkennen, z. B. wird zum Amalgamieren das mit Quecksilber nicht amalgamierbare Nickel aufgeführt, beim Zusatz von Schwefelpuder wird von Amalgamieren gesprochen, obwohl das Entstehen von Schwefelwasserstoff auf eine chemische Umsetzung zu Quecksilbersulfid zurückzuführen ist.
Patent
EP 2 072 468 A2 vom 18. Dezember 2008
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Das Patent beschreibt die Umsetzung von Quecksilber und Schwefel in der Gasphase bei einer Temperatur oberhalb des Siedepunktes von Quecksilbersulfid (580°C) mit anschließender mehrstufiger Abschreckung des entstehenden Produktes in Wasser. Es bildet sich rotes Quecksilbersulfid mit den gleichen Charakteristika wie der natürlich vorkommende Zinnober. Nach dem Abtrennen des Wassers wird getrocknet und gegebenenfalls pelletiert.
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Das Verfahren läuft kontinuierlich im leichten Unterdruck, der technische Aufwand ist hoch, die Anforderungen an einen gefahrlosen Betrieb der Anlage in Hinsicht Arbeits- und Umweltschutz sind anspruchsvoll. Das erzeugte Produkt entspricht den Bedingungen der schadlosen Beseitigung, allerdings ist eine oberirdische Ablagerung, wie im Patent behauptet, nicht möglich.
Patent Nr.
US 7.560.087 B2 vom 14. Juli 2009
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Im Patent werden umfangreiche Laboruntersuchungen zur Umsetzung von Quecksilber mit Schwefelpuder in einem modifizierten Rotationsverdampfer beschrieben. Es werden Rotationsgeschwindigkeit, Gewichtsverhältnisse, Einfluss von Mahlkugeln und der Temperatureinfluss zwischen 60 und 100°C variiert und deren Wirksamkeit durch die Messung der Quecksilberkonzentration im Reaktorraum bestimmt. Im Vergleich zu Patent
US 5,034,054 wird nachgewiesen, dass die Reaktion zwischen festem Schwefel und flüssigem Quecksilber auch ohne aufwändige dreidimensionale Zwangsmischung vonstatten geht und kein so großer Überschuss an Schwefel erforderlich ist wie angegeben. Es bildet sich in jedem Fall als Produkt schwarzer Metazinnober.
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Auch in diesem Patent werden Ansprüche auf die Bildung von Quecksilbersulfid durch eine Fest/Flüssig-Reaktion, allerdings bei den angegebenen höheren Temperaturen angemeldet. Die Untersuchungen erfolgten nur im Labormaßstab, auf eine eventuelle industrielle Nutzbarkeit des Verfahrens wird lediglich hingewiesen.
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Die zitierten technischen Lösungen haben den Nachteil, dass sie energetisch aufwändig sind, im industriellen Maßstab nicht erprobt sind, keine Aussagen zur Endlagerung der Quecksilberverbindungen treffen, umweltschädlichen Schwefelwasserstoff entstehen lassen.
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Die Erfindung hat das Ziel, metallisches Quecksilber in industriellem Umfang auf möglichst einfache Art ohne aufwändige technisch/technologische Maßnahmen absolut sicher in zur Endlagerung geeignetes Quecksilbersulfid umzuwandeln. Ökologie und Ökonomie sowie die Sicherheit von Mensch und Umwelt stehen bei diesem Verfahren im Vordergrund.
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Der Erfindung hat die Aufgabe, einen technisch realisierbaren Verfahrensablauf anzugeben, der zuverlässig metallisches Quecksilber zu entsorgen erlaubt.
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Der Erfindung liegt die wissenschaftliche Erkenntnis zugrunde, dass Beta-Schwefel in direkter Reaktion mit metallischem Quecksilber sich ähnlich verhält wie Polysulfid und zur Überführung von Quecksilber in Quecksilbersulfid eingesetzt werden kann.
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Es ist bekannt, dass sich metallisches Quecksilber in wässrigen Polysulfidlösungen zu schwarzem Quecksilbersulfid (Metazinnober) umwandeln lässt. Es handelt sich dabei um eine Flüssig/Flüssig-Reaktion zwischen dem Quecksilber und den im Polysulfid vorliegenden relativ kurzen Schwefelketten.
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Das Zustandsdiagramm des Schwefels zeigt, dass sich der bei Raumtemperatur vorliegende Alpha-Schwefel im Bereich zwischen 119,6°C und 150°C in leichtflüssigen Beta-Schwefel umwandelt. In dieser Modifikation liegen in etwa die gleichen Schwefelketten vor wie im Polysulfid.
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Durch Erwärmen eines stöchiometrischen Hg/S-Gemisches auf 120°C bis 150°C gelingt durch die Bildung des leichtflüssigen Beta-Schwefels ebenfalls eine Flüssig/Flüssig-Reaktion zwischen metallischem Quecksilber und Schwefel und damit in eleganter Weise die Direktsynthese zu Quecksilbersulfid. Es bildet sich schwarzer Metazinnober. Bei dieser Art Reaktion ist zum Mischen der Reaktionspartner die mechanische Bewegung des Reaktionsgefäßes durch Schwenken und/oder Rotieren für die Bildung des Produktes förderlich.
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Die Bildungswärme von Quecksilbersulfid ist so gering, dass ein „Durchgehen” der Reaktion nicht möglich ist.
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Um das Austreten von Quecksilberdämpfen beim Erwärmen des Reaktionsgemisches zu vermeiden, wird ein verschließbares Reaktionsgefäß verwendet. Eine signifikante Druckerhöhung ist bei Einhalten der vorgeschriebenen Temperatur ausgeschlossen
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Das im Patent
US 5,034,054 beschriebene Entstehen von Schwefelwasserstoff ist auf das Vorhandensein von Wasser zurückzuführen und kann durch das Hinzufügen einer alkalisch wirkenden Chemikalie, z. B. wasserfreier Soda, unterbunden werden.
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Die Erprobung des vorgeschlagenen erfindungsgemäßen Verfahrens zeigte, dass die restlose Umwandlung des eingesetzten Quecksilbers zu Quecksilbersulfid durch einen geringen Überschuss an Schwefel zum stöchiometrischen Verhältnis (Hg:S = 1:1,1) erreicht werden kann. Gleichzeitig ist durch diese Maßnahme das Abbinden der geringen Menge dampfförmigen Quecksilbers, die in den Reaktorraum übergetreten ist, durch Gas/Gas-Reaktion mit dem bei dieser Temperatur bereits sublimierenden überschüssigen Schwefels zu Quecksilbersulfid gegeben. Der Erfolg des vollständigen Reaktionsverlaufes ist durch das Messen der Quecksilberkonzentration im Reaktorraum kontrollierbar.
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Die Verfahrensbeschreibung zeigt, dass es sich hierbei um einen diskontinuierlichen Vorgang handelt. Diskontinuierliche Verfahren haben immer den Vorteil, dass das Reaktionsergebnis mit hoher Sicherheit reproduziert werden kann.
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Der Vorteil kontinuierlicher Verfahren, höhere Durchsätze erzielen zu können, kann beim beschriebenen Verfahren dadurch wettgemacht werden, indem man z. B. mit einem Durchlaufofen mit mehreren Behältern quasikontinuierlich arbeitet.
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Auch der gleichzeitige Einsatz mehrerer direkt oder indirekt beheizbarer Mischer mit entsprechenden Einbauten bzw. Mahlhilfen ist praktikabel.
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Im Folgenden wird die praktische Durchführung des Verfahrens an zwei Beispielen beschrieben:
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Beispiel 1:
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In ein zylindrisches Stahlblechgefäß werden 100 kg Quecksilber, 17,6 kg Schwefel und 0,1 kg wasserfreie Soda eingefüllt. Nach dem Verschließen des Gefäßes erfolgt unter langsamem Drehen das Erwärmen auf 125°C. Nach Erreichen der vorgegebenen Temperatur setzt die Bildung des Quecksilbersulfides ein.
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Zum Sicherstellen des Ergebnisses und zum Gewährleisten einer ausreichenden Schwefelsublimation zum Abbinden des verdampften Quecksilbers wird das Drehen bei dieser Temperatur etwa 1 h beibehalten. Nach dem Abkühlen des Gefäßes erfolgt der Nachweis des erfolgreichen Reaktionsverlaufes durch Messen der Quecksilberkonzentration im Reaktionsraum. Bei erfolgreichem Verlauf befinden sich im Gefäß 116 kg Quecksilbersulfid, 1,6 kg Schwefel und 0,1 kg Soda, das Volumen des gebildeten festen Produktes beträgt etwa 14 Liter.
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Durch Wahl der Gefäßgröße und durch Art und Kapazität des verwendeten Ofens können Durchsätze erzielt werden, die in kurzer Zeit das Unschädlichmachen großer Quecksilbermengen realisierbar machen. Die Umwandlung von mehreren Tonnen metallischen Quecksilber/Tag in sofort umweltsicher deponierbares Quecksilbersulfid ist erfindungsgemäß möglich.
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Da das auf diese Art erzeugte Quecksilbersulfid dem alleinigen Zweck dienen soll, gefahrlos und umweltsicher deponiert zu werden, stellen Gefäß und das darin befindliche Material bereits das nicht weiter zu behandelnde oder zu bearbeitende Deponiegut dar.
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Für das endgültige Deponieren kommt zum Minimieren des möglichen Risikos für Mensch und Umwelt eine geeignete Untertagedeponie in Frage.
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Beispiel 2:
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In eine beheizbare Mischbirne mit dicht schließendem Deckel werden je nach Kapazität der Mischbirne metallisches Quecksilber und Schwefel im stöchiometrischen Verhältnis von Hg:S = 1:1,1 sowie bei Bedarf 0,1% der eingesetzten Quecksilbermenge wasserfreie Soda sowie einige Mahlkugeln zum Zerkleinern des Reaktionsproduktes eingefüllt. Unter Drehen wird das Gemisch auf 125°C erwärmt und damit zur Reaktion gebracht. Nach Ablauf der Sicherheitsphase erfolgen das Messen der Hg-Konzentration in der Birne und in der Regel der Austrag des zerkleinerten Metazinnobers in Container für die Untertagedeponie.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 5034054 [0010, 0010, 0016, 0027]
- EP 2072468 A2 [0010, 0013]
- US 7560087 B2 [0010, 0015]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 [0001]
- EU-Verordnung 1102/2008 [0009]