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Gebiet der Erfindung
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Die vorliegende Erfindung betrifft eine sensorbasierte Regelung von Schwingungen in schlanken Kontinua, insbesondere eine sensorbasierte Regelung von Torsionsschwingungen in Tiefbohrsträngen zur Vermeidung von Torsionsschwingungen.
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Hintergrund der Erfindung
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In schlanken Kontinua treten häufig Schwingungen auf, die durch die Wellengleichung beschrieben werden. Beispiele hierfür sind die Schwingungen einer Saite, axiale Schwingungen eines Stabs oder Torsionsschwingungen. Lange, schlanke Kontinua sind aufgrund des kleinen Verhältnisses von Durchmesser zu Länge besonders anfällig für Torsionsschwingungen, im Besonderen dann, wenn über das Kontinuum Momente überragen werden. Dies kommt in vielen technischen Apparaturen vor, z. B. bei langen Antriebswellen. Ein besonders extremer Fall sind Tiefbohrstränge, die für Bohrungen nach Öl oder Gas, aber auch für Geothermie-Projekte verwendet werden. Der gesamte Strang erreicht Längen von mehreren Kilometern, aufgrund des Außendurchmessers von nur wenigen Zentimetern ist das Verhältnis von Durchmesser zu Länge oft kleiner als beim menschlichen Haar. Bild 1 zeigt schematisch den Aufbau eines Tiefbohrstrangs. Der Strang wird z. B. über einen Top-Drive Aktuator, der auf das obere Ende des Strangs aufgesetzt ist, angetrieben. Am unteren Ende des Strangs befindet sich das sog. Bit, ein z. B. mit Industriediamanten besetzter Bohrer, der das Gestein zerkleinert. Aufgrund extern angreifender Momente entlang des Strangs, besonders jedoch aufgrund der nichtlinearen Reibcharakteristik, die zwischen Gestein und Bit auftritt, können starke Torsionsschwingungen, sog. Stick-Slip-Schwingungen im Strang auftreten. Diese äußern sich dadurch, dass das Bit zum Stillstand kommt, während der Antrieb mit konstanter Geschwindigkeit weiterdreht. Hierdurch wird der Strang stark verdreht, bis die Kraft auf das Bit so groß wird, dass das Bit wieder losdreht. Die Geschwindigkeit des Bits erreicht nach dem Losbrechen oft den doppelten Wert der Antriebsgeschwindigkeit, der Strang wird über seine Gleichgewichtslage hinaus in die andere Richtung verdreht. Dies führt dazu, dass das Bit wieder zum Stillstand kommt. Diese Schwingungen sind unerwünscht, da sie den Bohrprozess verlangsamen und das Bohrgestänge hierdurch zusätzlich stark belastet wird.
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Die Regelung dieser Torsionsschwingungen ist seit langem Thema der Forschung im Bereich der Mechanik. Alle bisherigen Ansätze zur Regelung der Torsionsschwingungen sind immer durch einen der folgenden beiden Nachteile gekennzeichnet:
Zum einen müssen Messungen entlang des gesamten Strangs vorliegen. Anhand dieser Messungen können die aktiven Moden der Bohrstrangdynamik bestimmt werden. Unter Verwendung der resultierenden modalen Darstellung gibt es verschiedene Ansätze, die Torsionsschwingungen zu dämpfen. Literaturbeispiele sind z. B. E. Kreuzer and O. Kust, Analysis of long torsional strings by proper orthogonal decomposition, Archive of Applied Mechanics 67 (1996), no. 1, 68–80, und E. Kreuzer and M. Steidl, A Wave-Based Approach to Adaptively Control Self-Excited Vibration in Drill-Strings, to be published in Proceedings of Applied Mathematics and Mechanics 2010. In Kreuzer, Steidl, die den bisherigen Stand der Forschung am Institut für Mechanik und Meerestechnik darstellt, werden die momentan aktiven Moden in laufende Wellen umgerechnet, um diese am Antrieb zu kompensieren. Dafür sind zum einen Messungen entlang des gesamten Strangs nötig, zum anderen ist keine kontinuierliche Regelung möglich, sondern nur eine kurze Vorsteuerung zur Stabilisierung des Strangs. Das Verfahren eignet sich nicht, wenn der Bohrstrang um die gewünschte Sollgeschwindigkeit instabiles Verhalten aufweist.
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Zum anderen ist die Dynamik des Strangs nicht genau bekannt. Die Regelung kann deshalb nicht auf das momentane Systemverhalten abgestimmt werden, entsprechend funktionieren die Verfahren in Abhängigkeit der tatsächlichen Dynamik besser oder schlechter. Literatur hierzu ist u. a.: J. D. Jansen and L. Van den Steen, Active damping of self-excited torsional vibrations in oil well drillstrings, Journal of Sound and Vibration 179 (1995), 647–668, und R. W. Tucker and C. Wang, On the effective control of torsional vibrations in drilling systems, Journal of Sound and Vibration 224 (1999), 101–122. Verschiedene Quellen erwähnen, dass das von Jansen und Van den Steen vorgestellte sog., impedance control system' oder ,soff torque system', das Messungen des Motorstroms und der Motorspannung verwendet, um mithilfe des Aktuators die Charakteristik eines passiv gedämpften Vibrationsabsorbers zu realisieren, zurzeit zum Einsatz kommt. Der von Tucker und Wang vorgestellte Ansatz verwendet Messungen des ,Contact Torque' zwischen Strang und Top Drive. Auch mit diesem Verfahren werden manche Frequenzen besser absorbiert als andere.
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Singuläre Störungen, z. B. eine durch Losbrechen verursachte Wellenfront, konnten mit solchen Systemen aus dem Stand der Technik nicht geregelt werden.
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Zusammenfassung der Erfindung
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Es kann als eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung betrachtet werden, Schwingungen, insbesondere Torsionsschwingungen in Tiefbohrsträngen zu minimieren.
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Die vorliegende Erfindung betrifft eine sensorbasierte Regelung von Schwingungen, ein zugehöriges Verfahren, ein Computerprogramm und computerlesbares Speichermedium, gemäß der unabhängigen Ansprüche, wobei beispielhafte Ausführungsformen in den abhängigen Ansprüchen verkörpert sind.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird eine Regelungsvorrichtung zur sensorbasierte Regelung von Torsionsschwingungen in einem schlanken Kontinuum, wobei die Regelungsvorrichtung umfasst eine erste Eingangsschnittstelle zum Empfangen von ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines ersten anzuschließenden Sensors, eine zweite Eingangsschnittstelle zum Empfangen von zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines zweiten anzuschließenden Sensors, eine Ausgangsschnittstelle zum Ausgeben eines Regelwertes an einen anzuschließenden Antrieb für ein Kontinuum und einen Regelkreis, der ausgelegt ist, auf der Grundlage der ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten und der zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten sowie des Abstandes des ersten anzuschließenden Sensors von dem zweiten anzuschließenden Sensor mithilfe der Wellengleichung und einem Modell für Torsionsschwingungen in einem Stab einen Regelwert an die Ausgangsschnittstelle auszugeben.
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Der zur Regelung verwendbare Aktuator kann ein Top-Drive Motor sein, der sich am oberen Ende des Strangs befindet. Die Ursache der Schwingungen kann am Abtrieb oder entlang des Strangs liegen. So kann etwa der Bohrkopf blockieren, oder aber eine Stelle entlang des Bohrstranges. Unter Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten sind Daten zu verstehen, die eine Ermittlung der Winkelgeschwindigkeit des Bohrstranges an der entsprechenden Sensorstelle erlauben. Dies können beispielsweise Pulse sein, die aus einem optischen Sensor resultieren, aus denen bei bekannter Anzahl von Pulsgebern entlang des Bohrstrangumfangs auf die Winkelgeschwindigkeit geschlossen werden kann. Insbesondere kann ein Wegaufnehmer vorgesehen sein, dessen Ausgabewert durch Integration die Bestimmung einer Winkelgeschwindigkeit zulässt. Selbstverständlich können die Winkelgeschwindigkeitsdaten auch direkt die Winkelgeschwindigkeit angeben, entweder durch einen Proportionalwert oder einen bereits explizit ausgewerteten Messwert.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird eine Regelungsvorrichtung bereitgestellt, wobei die Regelungsvorrichtung einen ersten Sensor zum Bereitstellen erster Messdaten und einen zweiten Sensor zum Bereitstellen von zweiten Messdaten umfasst, wobei der erste Sensor an die erste Eingangsschnittstelle angekoppelt ist und der zweite Sensor an die zweite Eingangsschnittstelle angekoppelt ist.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Bohrgerät bereitgestellt mit einem Bohrantrieb, einem Bohrstrang und einer erfindungsgemäßen obigen Regelungsvorrichtung zur sensorbasierten Regelung von Torsionsschwingungen in einem schlanken Kontinuum, wobei der Bohrantrieb an einer Seite des Bohrstranges zu dessen Antrieb angekoppelt ist und der erste Sensor und der zweite Sensor an dem Bohrstrang mit einem Abstand d angeordnet sind, wobei der Bohrantrieb an die Ausgangsschnittstelle der Regelungsvorrichtung angekoppelt ist.
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Somit sind nur zwei Sensoren, die sich beide nahe des Aktuators, d. h. des Antriebs befinden, ausreichend, um die relevante Dynamik zu erfassen und das gesamte System zu stabilisieren. Die Regelung von Torsionsschwingungen, im Besonderen Stick-Slip-Schwingungen, ist effektiver als bisher möglich. Weiterhin ist das Verfahren sehr kostengünstig, da nur zwei Sensoren erforderlich sind und keine Messungen entlang des Strangs nötig sind. Durch die Regelung wird das Bohrgestänge weniger belastet und die Bohrungen können schneller erfolgen. Das Regelungssystem lässt sich auf beliebige Tiefbohrsysteme anwenden, ohne dass genaue Kenntnis des eingesetzten Systems nötig ist.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Bohrgerät bereitgestellt, wobei der erste Sensor und der zweite Sensor in einem Bereich des Bohrstranges angeordnet sind, der oberhalb des Bodenniveaus liegt.
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Auf diese Weise bleiben die Sensoren zugänglich und die gesamte Mess- und Regelanordnung kann leicht zugänglich angeordnet werden, ohne die Notwendigkeit weiter Signalwege in Kaufnehmen zu müssen. Ferner können parasitäre Effekte minimiert werden, die sich durch Störungen zwischen den Sensoren und dem Antrieb einstellen können.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Bohrgerät bereitgestellt, wobei der erste Sensor in einem Abstand von dem Bohrantrieb angeordnet ist, der im Wesentlichen dem Produkt der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Torsionsschwingungswelle auf dem Bohrstrang und einer Ansteuerungsverzögerung des Bohrantriebes entspricht, und der zweite Sensor in einem Abstand d strangabwärts zu dem ersten Sensor angeordnet ist.
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Auf diese Weise kann eine Ansteuerungsverzögerung des Aktuators kompensiert werden. Der Abstand kann dabei ggf. auch andere Verzögerungsfaktoren berücksichtigen. Mit anderen Worten wird etwa durch eine Echtzeitregelung ein Regelwert bezüglich der hochlaufenden Welle bereits an die Aktuatorsteuerung ausgeben, wenn die hochlaufende Welle sich noch auf dem Bohrstrangstück zwischen erstem Sensor und Aktuator ausbreitet, sodass der Regeleingriff auf den Aktuator sehr zeitnah zum Eintreffen der Welle beim Aktuator erfolgen kann.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Bohrgerät bereitgestellt, wobei der Bohrstrang axial bezüglich des ersten Sensors und des zweiten Sensor beweglich ist.
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Auf diese Weise kann der Bohrstrang vorgetrieben werden, während die Sensoren nicht nur bezüglich der Rotationsbewegung, sondern auch bezüglich der axialen Bewegung des Bohrstranges zum Bohrgerüst ortsfest am Bohrgerüst festgelegt sein können. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Antrieb, insbesondere ein Rotationsantrieb, ebenfalls ortsfest am Bohrgerüst verbleibt, um den Abstand zu den Sensoren konstant zu halten, und der Bohrstrang fortwährend bezüglich des Rotationsantriebes vorgeschoben wird, etwa durch eine nachfahrende Klauenanordnung.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Bohrgerät bereitgestellt, wobei das Bohrgerät ein Tiefenbohrgerät ist.
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Auf diese Weise kann auch bei Tiefenbohrungen, insbesondere Offshore, oder auch Geothermiebohrungen eine erfindungsgemäße Regelung erfolgen.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Verfahren zur sensorbasierten Regelung von Torsionsschwingungen in einem schlanken Kontinuum bereitgestellt, mit den Schritten Empfangen von ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines ersten anzuschließenden Sensors, Empfangen von zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines zweiten anzuschließenden Sensors und Ausgeben eines Regelwertes an einen anzuschließenden Antrieb für ein Kontinuum, auf der Grundlage der ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten und der zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten sowie des Abstandes des ersten anzuschließenden Sensors von dem zweiten anzuschließenden Sensor mithilfe der Wellengleichung und einem Modell für Torsionsschwingungen in einem Stab.
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Obwohl theoretisch ebenfalls möglich wird in der Regel aus Kostengründen jedoch eine Messung entlang des Strangs nicht vorgenommen, und vom Abtrieb des Strangs können nur sehr wenige Daten übertragen werden. Die die Torsionsschwingungen verursachenden externen Einflüsse sind also meist nicht messbar, ebenso wie der aktuelle Schwingungszustand entlang des Strangs unbekannt ist. Das erfindungsgemäße Verfahren kann alle relevanten Frequenzen absorbieren, des Weiteren ist nur eine Messung der Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten notwendig.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung wird das Verfahren durch ein Computerprogramm unterstützt.
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Gemäß einer beispielhaften Ausführungsform der Erfindung ist das Computerprogramm auf einem Computer-lesbaren Medium gespeichert.
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Ein wesentlicher Gedanke der Erfindung ist es, dass die Dynamik des betrachteten Kontinuums in zwei sich überlagernde Wellen aufgeteilt wird, von denen die Welle, die in Richtung des Aktuators bzw. Antriebs läuft und am Aktuator kompensiert wird. Hierdurch wird Reflektion der Energie am Aktuator verhindert, das System verhält sich so, als wäre es hinter dem Aktuator ins Unendliche ausgedehnt. Durch zwei Sensoren kann die auf den Aktuator hinlaufende Welle und die vom Aktuator weglaufende Welle derart auseinandergerechnet werden, dass sowohl die Parameter der hinlaufenden Welle als auch die Parameter der weglaufenden Welle ermittelt werden können, um auf dieser Grundlage eine Regelung der Ansteuerung des Bohrstrangantriebes vornehmen zu können.
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Es sollte bemerkt werden, dass sich die im Folgenden beschriebenen Ausführungsformen der Erfindung gleichermaßen auf die Vorrichtung, das Verfahren, das Computerprogramm und das computerlesbare Speichermedium beziehen
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Die einzelnen Merkmale können selbstverständlich auch untereinander kombiniert werden, wodurch sich zum Teil auch vorteilhafte Wirkungen einstellen können, die über die Summe der Einzelwirkungen hinausgehen.
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Diese und andere Aspekte der vorliegenden Erfindung werden durch die Bezugnahme auf die hiernach beschriebenen beispielhaften Ausführungsformen erläutert und verdeutlicht.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Beispielhafte Ausführungsformen werden im Folgenden mit Bezugnahme auf die folgenden Zeichnungen beschrieben.
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1. illustriert einen prinzipiellen Aufbau eines Bohrgestänges mit Bohrstrang, Sensoren und Antrieb.
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2. illustriert einen Regelkreis eines dynamisches System zur Berechnung laufenden Schwingungswellen.
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Detaillierte Beschreibung beispielhafter Ausführungsformen
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1 illustriert einen prinzipiellen Aufbau eines Bohrgestänges mit Bohrstrang, Sensoren und Antrieb. Die in 1 gezeigte Vorrichtung zum Bohren 1 weist ein Bohrgerüst 2 auf, an dem ein Bohrantrieb 10 vorgesehen ist, mit dem ein Bohrstrang 20 angetrieben werden kann, um einen am anderen Ende des Bohrstrangs 20 befestigten Bohrkopf 50, auch Bit genannt, anzutreiben, der sich in dem Bohrschacht 3 befindet. Der obere Bereich ist in 1 nochmals vergrößert dargestellt. Der Bohrantrieb 10, beispielsweise ein Elektromotor, treibt den Bohrstrang 20 an, an dem hier zwei Sensoren 30, 40, angeordnet sind. Diese Sensoren 30, 40 dienen zur Ermittlung von Messgrößen, die eine Bestimmung des Winkelzustandes, insbesondere der Winkelgeschwindigkeit des Bohrstranges 20 an der entsprechenden Sensorposition erlauben. Die Sensoren sind in einem Abstand d voneinander angeordnet mit einem Bohrstrangbereich 21 dazwischen. Die Sensoren geben ihre entsprechenden Messsignale über entsprechende Signalleitungen 130, 140 an eine Regelung 100. In der Regelung 100 werden die Messsignale ausgewertet, um auf deren Grundlage ein Steuerungssignal über eine Ansteuersignalleitung 110 an den Bohrantrieb 10 zu geben.
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2 illustriert einen Regelkreis 100 eines dynamischen Systems zur Berechnung laufender Schwingungswellen. Die in 2 gezeigte Regelungsvorrichtung 100 umfasst eine erste Eingangsschnittstelle 131 zum Empfangen von ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines ersten anzuschließenden Sensors, eine zweite Eingangsschnittstelle 141 zum Empfangen von zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten eines zweiten anzuschließenden Sensors und eine Ausgangsschnittstelle 111 zum Ausgeben eines Regelwertes an einen anzuschließenden Antrieb für ein Kontinuum bzw. eines Bohrstranges. Die Schnittstellen sind an einen Regelkreis 150 gekoppelt, der ausgelegt ist, auf der Grundlage der ersten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten und der zweiten Winkelzustandsdaten, insbesondere Winkelgeschwindigkeitsdaten sowie des Abstandes des ersten Sensors 30 von dem zweiten Sensor 40 mithilfe der Wellengleichung und einem Modell für Torsionsschwingungen in einem Stab einen Regelwert an die Ausgangsschnittstelle 111 auszugeben. Mit diesem Regelwert, etwa einer Winkelgeschwindigkeit, kann dann der Motor bzw. Aktuator 10 angesteuert werden.
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Das Bohrgerät 1 mit einem Bohrantrieb 10, einem Bohrstrang 20, und der Regelungsvorrichtung zur sensorbasierten Regelung von Torsionsschwingungen in einem Bohrstrang bzw. einem schlanken Kontinuum weist den ersten Sensor 30 und den zweite Sensor 40 an dem Bohrstrang 20 mit einem Abstand d auf, wobei der Bohrantrieb 10 an die Ausgangsschnittstelle 111 der Regelungsvorrichtung 100 angekoppelt ist. Der erste Sensor 30 und der zweite Sensor 40 sind in einem Bereich des Bohrstranges 20 angeordnet, der oberhalb des Bodenniveaus 4 liegt, sodass diese zugänglich sind. Der Abstand d sollte mindestens so groß sein wie der Quotient aus Wellengeschwindigkeit der Schwingungswelle auf dem Bohrstrang und Abtastrate. Bei einer Abtastrate von 1000 Hz und einer Wellengeschwindigkeit von 2000 m/s sollte der Abstand also mindestens 2 Meter betragen. Je größer die Abtastrate ist, desto kleiner kann der Abstand der Sensoren sein. Wenn der erste Sensor in einem Abstand von dem Bohrantrieb 10 angeordnet ist, der im Wesentlichen dem Produkt der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Torsionsschwingungswelle c auf dem Bohrstrang 20 und einer Ansteuerungsverzögerung des Bohrantriebes 10 entspricht, und der zweite Sensor 40 in einem Abstand d strangabwärts zu dem ersten Sensor angeordnet ist, kann die Laufzeitverzögerung der hochlaufenden Welle bis zum Erreichen des Antriebs gerade dessen Ansteuerungsverzögerung kompensieren. In die Bemessung des Abstandes des ersten Sensors vom Antrieb können selbstverständlich auch andere Verzögerungsgrößen einfließen. Der Bohrstrang kann axial bezüglich des ersten Sensors 30 und des zweiten Sensor 40 beweglich sein, etwa durch aufbringen von axial verlaufenden Impulsgebern oder anderen Positionsmarkern auf dem Bohrstrang, die sich axial erstrecken.
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Die Auswertung wird später, insbesondere mit Bezugnahme auf 2 näher erläutert, in der gleiche Bezugszeichen gleiche oder analoge Elemente bezeichnen.
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Anhand der 1 und 2 werden im Folgenden die theoretischen Grundlagen für die erfindungsgemäße Regelungsvorrichtung und das zugehörige Verfahren beschrieben, wie anhand zweier Sensoren die Dynamik eines durch die Wellengleichung beschriebenen schlanken Kontinuums (z. B. ein Bohrstrang), besonders unerwünschte Schwingungen, in zwei in entgegengesetzte Richtungen laufende Wellen zerlegt werden kann. Mit dieser Zerlegung kann eine Regelung konzipiert werden, die am Ende des Systems die Welle, welche in Richtung des am Ende des Systems befindlichen Aktuators läuft, kompensiert. Hierdurch wird eine Reflektion der Welle in das System verhindert, den unerwünschten Schwingungen wird so ein großer Anteil der Energie entzogen. Gleichzeitig ist es hierbei unerheblich, wodurch die Schwingungen im System verursacht werden, und ob eine mehrere Moden des Systems angeregt sind. Des Weiteren können die Sensoren sehr nah am Aktuator angebracht sein, obwohl die Regelung das gesamte System stabilisiert. Mit der beschriebenen Regelung können beide oben genannten Probleme gelöst werden. Messungen entlang des Strangs sind nicht mehr nötig, gleichzeitig kann die zur Regelung relevante Dynamik exakt aus den beiden sehr nah am Antrieb angebrachten Sensoren berechnet werden. Entsprechend passt sich die Regelung exakt an das aktuelle Systemverhalten an. Da im Fall des Bohrstrangs die auftretenden Belastungen entlang des Strangs meist unbekannt und im Lauf des Bohrprozesses stark veränderlich sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich der Regler an das aktuelle Systemverhalten anpasst. Für den Fall des Bohrstrangs werden zwei Sensoren benötigt, die den Verdrehwinkel bzw. die Winkelgeschwindigkeit des Strangs direkt am Antrieb sowie ein kleines Stück unterhalb des Antriebs (z. B. 2 Meter) messen (vgl. Detail 1). Beide Messpunkte befinden sich oberhalb des Erdreichs und sind deshalb leicht zugänglich.
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Die Idee der Regelung basiert auf der Tatsache, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Torsionswellen endlich ist. Weiterhin ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit unabhängig von der Frequenz der betrachteten Welle. Die Torsionsschwingungen in einem Stab sind beschrieben durch die Wellengleichung: (δ^2ϕ(x, t))/(δt)^2 = c^2(δ^2ϕ(x, t))/(δx)^2. (1)
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Die allgemeine Lösung der Wellengleichung lautet ϕ(x, t) = f(x – ct) + g(x + ct), (2) hierbei ist (x, t) der Verdrehwinkel in Abhängigkeit der Längenkoordinate x, der Parameter c ist die Weilenausbreitungsgeschwindigkeit im Material, es gilt c^2 = G/p, hierbei ist G der Schubmodul und p die Dichte des Materials.
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Die Länge der betrachteten Struktur sei le, im Folgenden wird der kurze Abschnitt 0 < x < 1 der Struktur betrachtet, weiterhin soll gelten: 1e > 1. Es wird angenommen, dass innerhalb des betrachteten Abschnitts keine extern angreifenden Momente vorliegen. Weiterhin soll am Punkt x = 0 die Messung der Rotationsgeschwindigkeit Ω(x = 0) = Ω0 vorliegen, am Punkt x = 1 die Messung der Rotationsgeschwindigkeit Ω(x = 1}Ω1. Der Sensorabstand d wird hier zu 1 gewählt. Durch entsprechende Skalierung sind aber auch alle anderen Abstände d möglich. Die Messungen werden als frei von Rauschen und kontinuierlich verfügbar angenommen. Diese Messungen können als zeitabhängige Randbedingungen des betrachteten Abschnitts interpretiert werden. Weiterhin wird der Parameter τ so definiert, dass cτ = 1 bzw. τ = 1/c (3) gilt, d. h. τ entspricht der Ausbreitungszeit der Welle zwischen den beiden Messpunkten. Ausgehend von der allgemeinen Lösung und durch Definition von α: = –cf(x – ct) und β: = cg(x + ct) gilt (Einsetzen der allgemeinen Lösung in die zeitabhängigen Randbedingungen): Ω0(t) = α(–ct) + β(+ct), (4) Ω1(t) = α(1 – ct) + β(1 + ct). (5)
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Aufgrund der bekannten Ausbreitungsgeschwindigkeit gelten weiterhin mit (3) die folgenden Zusammenhänge: α(1 – ct) = α(–c(t – τ)), (6) β(c(t – τ)) = β(1 + c(t – 2τ)). (7)
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Aus (4) ergibt sich mit (7): Ω0(t – τ) = (-c(t-T)) + β(1 + c(t – 2τ)). (8)
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Hieraus ergibt sich α(–c(t – τ)) = Ω0(t – τ) – β(1 + c(t – 2τ)). (9)
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Wird nun die Beziehung für Ω1(t) betrachtet, so ergibt sich mit (6) Ω1(t) = α(1 – ct) + β(1 + ct) = α(–c(t –τ)) + β(l + ct). (10)
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Durch Einsetzen von (9) in (10) ergibt sich schließlich Ω1(t}Ω0(t – τ) – β(1 + c(t – 2τ)) + β(1 + ct). (11)
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Hieraus zeigt sich, dass β(1 + ct) als Funktion der beiden Messwerte Ω0 und Ω1 sowie seines um 2τ in der Vergangenheit liegenden Zustands berechnet werden kann: τ(1 + ct) = Ω1(t) – Ω0(t – τ) + β(1 + c(t – 2τ)). (12)
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Sind die Anfangswerte bekannt, z. B. da das System in Ruhelage gestartet wird, ϕ(x, 0) = 0 und Ω(x, 0) = 0, so ergeben sich hieraus α(x = 0, t = 0) = 0, (13) α(x = 1, t = 0) = 0, (14) β(x = 0, t = 0) = 0, (15) β(x = 1, t = 4) = 0. (16)
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Entsprechend können α(x = 0, t), α(x = 1, t), β(x = 0, t) und β(x = 1, t) unter Verwendung der Messungen Ω0 und Ω1 bestimmt werden.
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Zur Berechnung der gesuchten Größen ergibt sich aus den obigen Gleichungen das in Bild 2 dargestellte dynamische System. Die beiden in der Zeichnung dargestellten Übertragungsglieder sind hierbei Totzeitglieder mit der Totzeit τ. Zur Vereinfachung gilt: α(x = 0, t) = α0, α(x = 1, t) = α1, β(x = 0, t) = β0, β(x = 1, t) = β1.
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Dieses System wird, mit den beiden gemessenen Winkelgeschwindigkeiten Ω0 und Ω1 als Eingang, in einem Echtzeitrechner simuliert. Unter Echtzeit seien hier Randbedingungen verstanden, bei denen ein Schleifendurchlauf einer Steuerung bzw. Regelung kürzer ist als zwei aufeinanderfolgende Abtastwerte einer Abtastrate. Die hochlaufende Welle β0 = Ωctr1 wird anschließend zur Steuerung der Sollgeschwindigkeit des Aktuators verwendet und hierdurch im Aktuator kompensiert, den Schwingungen wird so Energie entzogen.
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Im Fall des Bohrstrangs wird nicht bezüglich der Geschwindigkeit Null, sondern bezüglich einer festen, vom Anlagenbetreiber an die aktuelle Situation anzupassende, Rotationsgeschwindigkeit geregelt. Die unerwünschten Torsionsschwingungen treten entsprechend nicht um die Geschwindigkeit null, sondern um die gewünschte Rotationsgeschwindigkeit auf. Das durch das oben beschriebene System erzeugte Signal wird deshalb mit Hilfe eines Hochpassfilters mit sehr niedriger Grenzfrequenz gefiltert, so kann das Regelungssystem für verschiedene Rotationsgeschwindigkeiten bzw. auch für den Wechsel zwischen zwei Rotationsgeschwindigkeiten eingesetzt werden. Weiterhin wird das im Theorieteil für kontinuierlich verfügbare Sensorsignale beschriebene System zwangsläufig bei der Implementierung im realen System diskretisiert, d. h. die Sensordaten sind nur zu diskreten Zeitpunkten verfügbar. Dies kann zu sehr hochfrequentem Rauschen im beschriebenen dynamischen System führen, welches durch Verwendung eines geeigneten Tiefpassfilters mit sehr hoher Grenzfrequenz leicht herausgefiltert werden kann. Der für die Dynamik des Bohrstrangs relevante Frequenzbereich bleibt von den Filtern unberührt und vollständig erhalten.
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Eine funktionstüchtige Ausführungsform kann beispielsweise einen Bohrstrang aufweisen, der beispielsweise durch ein Bohrstrangmodell mit 10 m Länge verkörpert werden kann. Als Sensoren können Winkelgeber mit einer interpolierten Auflösung von 25 Bit, bzw. einer physikalischen Auflösung von 12 Bit verwendet werden. Die Regelung kann softwaremäßig implementiert werden auf einem PC mit Quad-Core Prozessor und LabView RealTime.
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Es sollte angemerkt werden, dass die vorliegende Erfindung neben der Tiefbohrtechnik auch bei anderen Antriebsgeometrien verwendet werden kann, bei der Torsionsschwingungen zu erwarten sind.
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Es sei angemerkt, dass der Begriff „umfassen” weitere Elemente oder Verfahrensschritte nicht ausschließt, ebenso wie der Begriff „ein” und „eine” mehrere Elemente und Schritte nicht ausschließt.
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Die verwendeten Bezugszeichen dienen lediglich zur Erhöhung der Verständlichkeit und sollen keinesfalls als einschränkend betrachtet werden, wobei der Schutzbereich der Erfindung durch die Ansprüche wiedergegeben wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Bohrvorrichtung
- 2
- Bohrgerüst
- 3
- Bohrschacht
- 4
- Bodenniveau
- 10
- Bohrantrieb
- 20
- Bohrstrang
- 21
- Bohrstrangbereich
- 30
- erster Sensor
- 40
- zweiter Sensor
- 50
- Bohrkopf, Bit
- 100
- Regelung
- 110
- Ansteuersignalleitung
- 111
- Ausgangsschnittstelle
- 130
- erste Messsignalleitung
- 131
- erste Eingangsschnittstelle
- 140
- zweite Messsignalleitung
- 141
- zweite Eingangsschnittstelle
- 150
- Regelkreis
- d
- Abstand d