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Die Erfindung betrifft ein Zerspanwerkzeug gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1. Gemäß einem zweiten Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Zerspanen eines Werkstücks aus einem Werkstoff.
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Bei der Zerspanung, beispielsweise beim Drehen oder Fräsen, werden Zerspanwerkzeuge eingesetzt, die eine möglichst lange Standzeit haben sollen. Die Standzeit des Zerspanwerkzeugs bemisst sich nach dessen Verschleiß. Überschreitet der Verschleiß ein vorgegebenes Maß, so wird die Randzone des entstehenden Werkstücks so beschädigt, dass das Zerspanwerkzeug gewechselt werden muss. Da gleichzeitig das Zerspanwerkzeug eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Prozesskräften, insbesondere gegenüber sich schlagartig ändernden Prozesskräften, haben muss, werden beschichtete Zerspanwerkzeuge eingesetzt. Die Beschichtung hat dabei eine größere Deckschicht-Härte als der Grundkörper, der aus einem zähen Material aufgebaut ist.
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Auch beschichtete Zerspanwerkzeuge zeigen Verschleiß. Aus der
DE 60 2005 001 091 T2 ist ein Schneideinsatz mit scharfer Schneidkante bekannt, bei dem die Freifläche unbeschichtet bleibt, so dass es beim Einsatz des Werkzeugs zu einem Selbstschärfeffekt kommt. Das genannte Werkzeug kann nicht zur Hartbearbeitung eingesetzt werden, da ansonsten der Verschleiß untragbar groß wäre.
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Aus der
DE 10 2006 042 226 A1 ist ein beschichteter Spiralbohrer bekannt, bei dem die Beschichtung sich nur über einen Bruchteil der axialen Länge wieder findet. Die dort genannten Schichtdicken liegen unterhalb von 50 μm. Lokale Kontaktbedingungen werden in der Druckschrift nicht angesprochen.
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Aus der
US 4,643,620 A ist die Lehre bekannt, eine Wendeschneidplatte an der Schneidkante so zu bearbeiteten, dass die Schichtdicke der Beschichtung abnimmt. Nachteilig an einem Zerspanvorgang mit einem solchen Werkzeug ist, dass es zu einer vermehrten Ausbildung von Eigenspannung kommt.
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Aus der
GB 2 406 814 B ist ein Bohrer bekannt, der eine unbeschichtete Freifläche aufweist, so dass abgeriebene Beschichtungspartikel nicht in das Werkstück eingedrückt werden. Schichtdicken von über 50 μm werden in D4 nicht beschrieben.
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Nachteilig an bekannten Zerspanwerkzeugen ist, dass es bei der Zerspanung von gehärteten Werkstücken leicht zur Ausbildung von Eigenspannung kommt. Das ist nachteilig, da oberflächennahe zugeigene Spannungen die Anrissneigung verstärken können.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Ausbildung von Eigenspannungen beim Zerspanen zu vermindern.
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Die Erfindung löst das Problem durch ein Zerspanwerkzeug mit den Merkmalen von Anspruch 1. Gemäß einem zweiten Aspekt löst die Erfindung das Problem durch ein Verfahren mit den Merkmalen des unabhängigen Verfahrensanspruchs.
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Vorteilhaft an der Erfindung ist, dass die Standzeit deutlich gesteigert werden kann.
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Es ist ein weiterer Vorteil, dass die Erhöhung der Standzeit durch technisch einfache Methoden erreicht werden kann. So ist es einfach, Zerspanwerkzeuge herzustellen, die an der Freifläche unbeschichtet sind.
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Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei vollständig beschichteten Zerspanwerkzeugen ein Freiflächenverschleiß eintritt, der zu der Bildung von Kolken unmittelbar hinter der Schneidkante führt. Der Werkstoff passiert zunächst die Schneidkante, dann den Kolk, nachfolgend erneut die Beschichtung und löst sich dann vom Werkzeug ab.
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Für die Qualität der Bauteilrandzone ist maßgeblich die Kontaktlänge zwischen Werkzeug und Werkstück an der Freifläche relevant. Dadurch, dass erfindungsgemäß die Freifläche am Grundkörper ausgebildet ist und damit keine Beschichtung trägt, verschleißt die unbeschichtete Freifläche deutlich schneller als die vorgelagerte Beschichtung. Durch den Verschleiß kommt es zu einem Materialabtrag und damit zu einem Zurückweichen des Werkzeugs direkt hinter der Beschichtung. In Materialflussrichtung hinter der schmalen Beschichtung drückt das Zerspanwerkzeug daher mit einer deutlich geringeren Flächenpressung auf das Werkstück als an der Schneidkante. Aus dieser geringeren Flächenpressung resultieren eine geringere Wärmeentwicklung und damit eine geringere Schädigung der Werkstückrandzone.
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In anderen Worten weist das Werkzeug in seiner dem Werkstück zugewandten Seite zwei Regionen auf, nämlich zunächst die Querseite der Beschichtung der Spanfläche und in Materialflussrichtung dahinter die eigentliche Freifläche, die vom unbeschichteten Substrat gebildet ist. Da die Substrat-Härte kleiner ist als die Deckschicht-Härte, konzentriert sich die physikalisch bedeutsame Kontaktlänge im Wesentlichen auf den Bereich der Beschichtung der Spanfläche und ist sehr klein.
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Bei der Spanflächen-Deckschicht handelt es sich vorzugsweise um eine Beschichtung, die beispielsweise mit einem PVD-(physical vapor deposition) oder einem CVD-(chemical vapor deposition)Verfahren aufgebracht werden kann. Beispielsweise handelt es sich um kubisches Bornitrid oder polykristallinen Diamant. Es ist aber auch möglich, dass die Spanflächen-Deckschicht ein so genanntes Blank umfasst. Hierbei handelt sich um einen dünnen gesinterten Körper, der auf den Grundkörper aufgebracht, beispielsweise aufgelötet, wird.
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Die Spanflächen-Deckschicht hat eine Deckschichtdicke von zumindest 50 μm. Die Passivkraft, mit der das Werkzeug gegen das Werkstück gedrückt werden muss, unterteilt sich in einen Anteil, der der Kraft entgegenwirkt, die vom ablaufenden Span auf das Werkzeug aufgebracht wird, und einen zweiten Anteil, mit dem das Werkzeug an der Schneidkante auf das Werkstück gedrückt wird. Dieser Kraftanteil konzentriert sich bei dem erfindungsgemäßen Zerspanwerkzeug auf die Stelle, an der die Spanflächen-Deckschicht die Schneidkante bildet. Damit die Beschichtung den beim Zerspanen auftretenden Kräften standhält, ist eine Deckschichtdicke von mehr als 50 μm vorteilhaft.
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Deckschichtdicke beträgt zudem höchstens 100 Mikrometer, da dann die Verschleißmarkenbreite höchstens 100 Mikrometer beträgt. Eine solche Verschleißmarkenbreite führt in der Regel zu tolerierbaren Schädigungen der Werkzeugrandzone. Das gilt besonders bei der Bearbeitung gehärteter Bauteile. Bei der Bearbeitung nicht gehärteter Bauteile können Deckschichtdicken von höchstens 250 Mikrometer geeignet sein.
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Vorzugsweise beträgt die Deckschicht-Härte mindestens 20 GPa. Auf diese Weise wird ein besonders hoher Schutz gegen Verschleiß gewährleistet.
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Wird die Härte wird nach DIN EN ISO 6507 (Vickers) gemessen, so beträgt die Deckschicht-Härte bevorzugt zumindest 2000 HV 30.
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Erfindungsgemäß ist die Substrat-Härte mindestens 2 GPa, insbesondere mehr als 5 GPa, kleiner als die Deckschicht-Härte. Auf diese Weise wird eine besonders kleine Kontaktlänge auch bei langer Zerspandauer erreicht. Wird die Härte in HV 30 angegeben, so ist die Substrat-Härte vorzugsweise mindestens 10% geringer als die Deckschicht-Härte.
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Bei einem erfindungsgemäßen Verfahren ist vorzugsweise die Deckschichtdicke kleiner als eine zulässige Verschleißmarkenbreite. Insbesondere beträgt die Deckschichtdicke höchstens das 0,9-fache der zulässigen Verschleißmarkenbreite, insbesondere das 0,8-fache der Verschleißmarkenbreite. Ein geeigneter Wert für die Verschleißmarkenbreite ist VBc = 100 Mikrometer.
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Bei dem Zerspanwerkzeug kann es sich beispielsweise um einen Fräser oder um eine Wendeschneidplatte, insbesondere für die Drehbearbeitung, handeln.
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Die Spanflächen-Deckschicht ist bevorzugt aus Keramik aufgebaut sein. Möglich sind auch gängige Beschichtungen wie TiC, TiCN, TiAlN, Al2O3, CBN oder PKD.
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Bei einem bevorzugten Verfahren wird das Zerspanen so durchgeführt, dass der Spanwinkel negativ ist. In diesem Fall wirkt das Substrat als gute Stütze für die Beschichtung, so dass die Beschichtung an der Schneidkante effektiv gegen Ausbrüche geschützt ist. Es ist aber grundsätzlich auch möglich, dass positive Spanwinkel verwendet werden.
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Vorzugsweise ist die Deckschichtdicke kleiner als eine zulässige Verschleißmarkenbreite. Die zulässige Verschleißmarkenbreite wird in Vorversuchen ermittelt, indem der Bearbeitungsprozess für eine Vielzahl gleichartiger Werkstücke mit ein und demselben Werkzeug durchgeführt wird. In regelmäßigen Abständen, beispielsweise nach der Bearbeitung eines Werkstücks, werden die Verschleißmarkenbreite und ein Qualitätsparameter beim bearbeiteten Werkstück erfasst. Bei diesem Qualitätsparameter kann es sich beispielsweise um die Oberflächenrauhigkeit, die Existenz bzw. die Dicke von weißen Schichten, die Eigenspannungen an der Oberfläche, ein aus dem Eigenspannungstiefenverlauf errechneten Kennwert oder einen sonstigen Parameter handeln, anhand dessen die Qualität der gefertigten Werkstücke beurteilbar ist. Mit zunehmendem Verschleiß nimmt der Qualitätsparameter ab, bis er bei der zulässigen Verschleißmarkenbreite den gerade noch tolerierbaren Wert erreicht. Bei einer größeren Verschleißmarkenbreite wird ein Schwellenwert für den Qualitätsparameter überschritten, so dass mit dem Zerspanverfahren keine Gutteile mehr produziert werden können.
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Für jeden Zerspanprozess existiert damit eine zulässige Verschleißmarkenbreite. Für die Zerspanung wird daher bevorzugt ein Zerspanwerkzeug eingesetzt, dessen Deckschichtdicke kleiner ist als diese zulässige Verschleißmarkenbreite. Da die Verschleißmarkenbreite in guter Näherung kaum größer werden kann als die Deckschichtdicke, wird so das Einhalten der Qualitätskriterien gewährleistet.
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Besonders bevorzugt beträgt die Deckschichtdicke höchstens das 0,9-fache, insbesondere höchstens das 0,8-fache der zulässigen Verschleißmarkenbreite. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Bauteilqualität mit hoher Wahrscheinlichkeit gewahrt ist.
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Günstig ist es, wenn die Deckschichtdicke größer ist als das 0,2-fache, insbesondere als das 0,4-fache der zulässigen Verschleißmarkenbreite. Je dicker nämlich die Beschichtung ist, umso geringer ist der Verschleiß und umso länger ist die Standzeit des Werkzeugs.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand der beigefügten Figuren näher erläutert. Dabei zeigt:
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1 schematisch ein erfindungsgemäßes Zerspanwerkzeug in einem erfindungsgemäßen Zerspanverfahren zu Beginn der Bearbeitung,
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2 das Zerspanwerkzeug gemäß 1 bei zunehmenden Verschleiß,
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3 eine alternative Ausführungsform für ein erfindungsgemäßes Zerspanwerkzeug und
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4 eine weitere alternative Ausführungsform für ein erfindungsgemäßes Zerspanwerkzeug.
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1 zeigt ein Zerspanwerkzeug 10, das einen Grundkörper 12 und eine Spanflächen-Deckschicht 14 auf einer Spanfläche 16 aufweist. Eine einem Werkstück 18 zugewandte Freifläche 20 ist hingegen unbeschichtet, so dass die Freifläche 20 am Grundkörper 12 ausgebildet ist. Wenn das Zerspanwerkzeug 10 sich relativ zum Werkstück 18 bewegt, beispielsweise weil das Werkstück 18 in einem Drehprozess gedreht wird, so läuft ein Span 22 ab, weil der Werkstoff des Werkstücks 18 an einer Schneidkante 24 aufgetrennt worden ist. Bei der Schneidkante 24 handelt es sich um denjenigen Punkt des Zerspanwerkzeugs 10, der beim Zerspanen demjenigen Punkt am nächsten liegt, an dem die Auftrennung des Materials in einem Materialstrom, der den Span 22 bildet, einerseits und dem Strom des Materials, der am Werkstück 18 verbleibt, andererseits, stattfindet.
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1 zeigt den vollkommen unverschlissenen Zustand des Zerspanwerkzeugs 10, bei dem eine scharfe Schneidkante 24 vorliegt. Die Freifläche 20 bezeichnet in Zusammenhang mit der Erfindung stets den Bereich, der dem Werkstück 18 zugewandt ist und dem Substrat, also dem Grundkörper 12, zuzurechnen ist. Der schmale Bereich der Spanflächen-Deckschicht 14, in dem Bereich der Schneidkante 24, der ebenfalls dem Werkstück zugewandt ist und das Bezugszeichen 25 trägt, wird nicht zur Freifläche gezählt.
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2 zeigt das Zerspanwerkzeug 10 nach längerem Einsatz, bei dem Verschleiß eingetreten ist. Es ist zu erkennen, dass das Werkstück 18 überwiegend im Bereich der Spanflächen-Deckschicht 14 Kontakt mit dem Zerspanwerkzeug 10 hat. Eine Kontaktlänge KL ist damit nur wenig größer als eine Deckschichtdicke D14.
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Der Grundkörper 12 kann aus Hartmetall, Cermet, aber auch aus Stahl oder einem sonstigen Metall aufgebaut sein. Die Spanflächen-Deckschicht 14 besteht aus einem Hartstoff und wird beispielsweise mit einem PVD-(physical vapor deposition) oder ein CVD-(chemical vapor deposition)Verfahren aufgebracht. Die Deckschichtdicke D14 wird vorzugsweise größer als 50 μm gewählt.
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3 zeigt eine alternative Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Zerspanwerkzeugs 10, bei dem die Spanflächen-Deckschicht 14 mehrlagig ausgebildet ist. Es ist zu erkennen, dass sich eine schematisch eingezeichnete Verschleißzone in der Spanflächen-Deckschicht 14 ausbildet, aber keine Auskolkung entsteht, weil das in Materialflussrichtung dahinter liegende Material rasch abgetragen wird. Die Verschleißmarkenbreite Vb bleibt daher auf die Spanflächen-Deckschicht 14 beschränkt.
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4 zeigt eine weitere Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Zerspanwerkzeugs 10, bei der der Grundkörper 12 eine Beschichtung 26 aufweist, die eine Härte h26 hat, die deutlich geringer ist als die Deckschicht-Härte h14 der Spanflächen-Deckschicht 14.
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Zum Durchführen eines erfindungsgemäßen Verfahrens wird das Zerspanwerkzeug 10 so mit dem Werkstück 18 in Eingriff gebracht, dass abzuspanender Werkstoff zunächst mit der Spanflächen-Deckschicht 14 und danach mit der unbeschichteten Freifläche 20 in Kontakt kommt. Es kann sich beim Verfahren zum Zerspanen insbesondere um ein Fräsen handeln.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ein erfindungsgemäßes Zerspanwerkzeug eingesetzt. Es ist zu erkennen, dass bei allen gezeigten Verfahren der Spanwinkel γ negativ ist. Das schützt die Spanflächen-Deckschicht 14.
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Vorzugsweise beträgt die Deckschichtdicke D14 höchstens 150 μm. Bei größeren Deckschichtdicken kann die Kontaktlänge KL so groß werden, dass die Werkstückrandzone des Werkstücks 18 geschädigt werden kann.
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Vorzugsweise handelt es sich um ein Verfahren zum Zerspanen eines gehärteten Werkstücks aus Stahl. Beim gehärteten Bauteil ist der Freiflächenverschleiß besonders schädlich für die Werkstückrandzone, da es zur Bildung so genannter weißer Schichten oder zur Entfestigung kommen kann. Bekannte Werkzeuge müssen daher bereits nach kurzer Zeit ausgetauscht werden. Ab Einsatz eines erfindungsgemäßen Zerspanwerkzeuges 10 kann die Standzeit deutlich erhöht werden.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Zerspanwerkzeug
- 12
- Grundkörper
- 14
- Spanflächen-Deckschicht
- 16
- Spanfläche
- 18
- Werkstück
- 20
- Freifläche
- 22
- Span
- 24
- Schneidkante
- γ
- Spanwinkel
- KL
- Kontaktlänge
- D14
- Deckschichtdicke
- VBzul
- Zulässige Verschleißmarkenbreite
- h14
- Deckschicht Härte
- h12
- Substrat-Härte