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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Simulation eines kritischen Fahrzustands sowie ein Steuergerät und eine Nutzerschnittstelle zur Durchführung des Verfahrens.
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Kritische Fahrzustände bzw. Fahrsituationen, wie bspw. das Durchfahren einer Windböe oder das Überfahren einer Bodenwelle, treten häufig für den Fahrer überraschend auf und erfordern von diesem eine aktive Lenkreaktion zur Sicherung der Fahrstabilität. Dies gilt insbesondere bei Fahrsituationen im fahrdynamischen Grenzbereich, wie bspw. beim Untersteuern. Geübte Fahrer erkennen aufgrund ihrer Erfahrung das Eintreten dieser Ereignisse frühzeitig, bspw. indem sie einen unplausiblen Spurversatz oder Änderungen im Lenkmoment wahrnehmen, und reagieren in Folge dieser Merkmale frühzeitig und auf angemessene Weise, um das Fahrzeug zu stabilisieren.
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Fahranfänger hingegen sind aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung nicht in der Lage, diese Informationen korrekt aufzulösen bzw. angemessen auf eine solche Störung zu reagieren.
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Diese Interaktion mit Störungen im Rahmen der Fahrschulausbildung ist schwierig zu vermitteln, da diese Ereignisse in der Realität selten vorkommen bzw. die Realisierung mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Die Notwendigkeit des frühzeitigen Trainings dieser speziellen Fahrsituation zeigt sich aber, wenn Unfallursachen von Fahranfängern in den vergangenen Jahren beobachtet wurden.
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Es soll daher ein Verfahren bereitgestellt werden, mit dem es Fahrschülern auf einfache Weise ermöglicht wird, Erfahrungen in den genannten Fahrsituationen zu sammeln, ohne dabei den zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand in Kauf nehmen zu müssen. Zusätzlich hierzu soll eine Möglichkeit aufgeführt werden, dem Fahrlehrer in gefährlichen Situationen das Lenken des Fahrzeugs zu ermöglichen, ohne dass er dabei in das Lenkrad eingreifen muss.
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Das vorgestellte Verfahren dient zur Simulation eines kritischen Fahrzustands in einem Kraftfahrzeug, der durch eine Störgröße verursacht ist. Dabei wird eine Anweisung zu der Störgröße gegeben und diese Anweisung in wenigstens ein der Störgröße zugeordnetes Signal übertragen. Dieses wenigstens eine Signal wird an mindestens eine Komponente des Kraftfahrzeugs weitergeleitet, wobei das wenigstens eine Signal auf die mindestens eine Komponente einwirkt. Komponenten sind beispielsweise die Hilfskraftlenkung (EPS), das Aktivlenkungssystem (AFS), das Bremssystem und/oder das Dämpfungssystem des Kraftfahrzeugs.
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Dies bedeutet, dass auf Verlangen eine oder mehrere Komponenten des Kraftfahrzeugs angesteuert werden, um einen kritischen Fahrzustand bzw. eine Störung oder eine Störgröße zu simulieren. Hat eine Störgröße unterschiedliche Auswirkungen auf das Fahrverhalten werden entsprechend Komponenten des Kraftfahrzeugs angesteuert, um diese Störgröße bzw. die Auswirkungen der Störgröße zu simulieren. Selbstverständlich ist es auch möglich, mehrere Störgrößen zu simulieren. Insbesondere ist es möglich, Dauer und Intensität sowie einen zeitlichen Verlauf der Störung vorzugeben.
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In Ausgestaltung bewirkt das wenigstens eine Signal ein Zusatzmoment am Lenkrad.
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Alternativ oder ergänzend kann das Signal einen Zusatzwinkel an den angelenkten Rädern bewirken.
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Weiterhin kann das wenigstens eine Signal auf das Fahrwerk und/oder auf das Bremssystem des Kraftfahrzeugs einwirken. Bei einer typischen Anwendung wird eine durch eine Windböe verursachte kritische Fahrsituation simuliert.
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Alternativ oder ergänzend kann eine durch eine Fahrbahnunebenheit verursachte kritische Fahrsituation simuliert werden. Grundsätzlich können kritische Fahrsituationen, wie bspw. eine Windböe, eine Fahrbahnunebenheit, ein Untersteuern oder ein Übersteuern simuliert werden.
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Das beschriebene Steuergerät für ein Kraftfahrzeug dient insbesondere zur Durchführung des vorstehend beschriebenen Verfahrens. Das Steuergerät ist dazu ausgebildet, eine Anweisung zu einer Störgröße aufzunehmen, diese Anweisung in wenigstens ein Signal umzusetzen und dieses wenigstens eine Signal an mindestens eine Komponente des Kraftfahrzeugs weiterzuleiten.
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Es wird außerdem eine Nutzerschnittstelle zur Eingabe einer Anweisung bezüglich einer Störgröße vorgestellt, wobei die Nutzerschnittstelle dazu ausgebildet ist, die Anweisung an ein Steuergerät weiterzugeben.
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Die Nutzerschnittstelle, die bspw. als ein Joystick oder eine graphische Nutzerschnittstelle ausgebildet ist, kann auch ein Lenken des Kraftfahrzeugs ermöglichen, unabhängig davon, wie der Lenkradwinkel vom Fahrer eingeregelt wird.
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Die Nutzerschnittstelle kann die Möglichkeit zur Einstellung der Störgröße bzw. der Störeinwirkung in Art, Intensität und/oder Dauer bieten.
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Zusätzlich kann die Nutzerschnittstelle mit einem Bedienelement ausgestattet. sein, das das Lenken des Kraftfahrzeugs, bspw. durch Ansteuerung einer Einrichtung zur Bereitstellung einer Aktivlenkung bzw. eines AFS-Getriebes, ermöglicht.
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Es wird somit berücksichtigt, dass moderne Lenksysteme auf funktionaler Ebene Raum für neue Freiheitsgrade bieten. Es kann beispielsweise mit Hilfe einer Hilfskraft- bzw. Elektrolenkung (EPS) das Lenkradmoment unabhängig von der Fahrsituation, d. h. unabhängig von den an den Trägern wirkenden Kräften, frei gestaltet werden. Mit Hilfe der Aktivlenkung hingegen lässt sich der Radlenkwinkel unabhängig vom Lenkradwinkel frei gestalten. Durch einen zusätzlichen Eingriff kann beispielsweise der Fahrkurs des Fahrzeugs beeinflusst werden.
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Die vorstehend genannten Störungen führen im allgemeinen zu Kräften, die auf das Fahrzeug bzw. auf einzelne Komponenten des Fahrzeugs wirken, die sich durch verschiedene Merkmale für den Fahrer äußern. So wirken beispielsweise beim Überfahren einer einseitigen Bodenwelle oder beim Durchfahren einer seitlich angreifenden Windböe Kräfte an den Rädern bzw. am Fahrzeug, die sich in Form eines überlagerten Lenkradmoments für den Fahrer bemerkbar machen. Beim Untersteuern, das beispielsweise beim Durchfahren einer Autobahnausfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit eintritt, nimmt das Rückstellmoment der Räder aufgrund der einbrechenden Seitenkraft stark ab. Dies hat zur Folge, dass die Lenkung leichtgängiger wird.
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Das vorgestellte Verfahren bietet die Möglichkeit, Auswirkungen einer kritischen Fahrsituation künstlich zu erzeugen, so dass der Fahrschüler einer Störeinwirkung ausgesetzt werden kann. Diese künstliche Erzeugung hat den Vorteil, dass sie vom Fahrlehrer bei Bedarf zu jeder Zeit reproduzierbar eingeleitet werden kann. Der Fahrschüler hat dann die Möglichkeit, den Eintritt in eine solche Gefahrensituation bereits in der Fahrschule zu üben und notwendige Erfahrungen im Hinblick auf ein korrektes Fahrverhalten, beispielsweise dem Lenken, zu erlernen.
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Es ist somit ebenfalls eine Nutzerschnittstelle, bspw. ein zusätzliches Bedienelement für den Fahrlehrer, Gegenstand der Erfindung, mit dem er die Auswahl bestimmter Störungen, beispielsweise Windböe, Bodenwelle, Untersteuern, oder andere Störgrößen vornehmen kann. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit, mit weiteren Einstellungen die Intensität bzw. Dauer des Störvorgangs zu bestimmen. Erlaubt es die Fahrsituation, so leitet der Fahrlehrer eine solche Störung ein. Hierzu wird typischerweise ein Algorithmus gestartet, der sich vorzugsweise im Steuergerät des Lenksystems befindet. Der Algorithmus steuert zur Erzeugung des Manövers notwendige Komponenten des Fahrzeugs, vorzugsweise die Lenkung, aber auch andere Systeme, wie Fahrwerk oder Bremsen, an, so dass das gewünschte Manöver erzeugt wird.
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Nachfolgend werden Beispiele für kritische Fahrsituationen veranschaulicht:
Eine Windböe erzeugt zwei wesentliche Ereignisse auf das Fahrzeugverhalten. Zum einen entsteht ein überlagertes Moment am Lenkrad. Diesem muss der Fahrer entgegenwirken, damit das Lenkrad nicht in die Richtung des anliegenden Momentes gedreht wird. Zum anderen wirkt durch den Wind eine seitliche Kraft auf das Fahrzeug. Sie wirkt sich in einem resultierenden Spurversatz aus, ohne dass das Lenkrad dabei bewegt wird. Je nach Stärke und Angriffswinkel des Winds kann sich dabei ein Fahrzeugverhalten einstellen, das vom Fahrer eine deutliche Reaktion zur Stabilitätssicherung des Fahrzeugs verlangt. Solche Ereignisse können nur auf besonderen Testgeländen mit Windkanälen geübt werden und sind somit im Rahmen des Fahrschulunterrichts nicht zu realisieren. Bietet das Fahrzeug die Möglichkeit der dargestellten Erfindung, so kann der Fahrlehrer zu einem angemessenen Zeitpunkt ein Fahrzeugverhalten einleiten, das durch die Einwirkung einer Windeböe entstehen würde. Hierzu wird mit Hilfe der EPS das Zusatzmoment am Lenkrad erzeugt. Ist das AFS-Getriebe vorhanden, kann auch die resultierende Spurabweichung erzeugt werden.
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Im Falle einer Kurvenfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit kann der Fahrzustand Untersteuern, d. h. das Fahrzeug rutscht über die Vorderachse nach Kurvenaußen, eintreten, der sich durch einen Abfall des Lenkmoments bemerkbar macht. Geübte Fahrer nehmen diesen Abfall wahr, deuten die Gefahr der Fahrsituation und lenken frühzeitig zurück, um die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. Ein Fahranfänger hingegen, der diese Fahrsituation noch nicht erlebt hat, wird entweder den Momentenrückgang nicht wahrnehmen oder aber nicht wissen, welche korrekte Reaktion er ausführen soll.
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Das Üben dieses Manövers während der Fahrschulzeit erfordert ein abgesperrtes Gelände, um die Gefahr auszuschließen, bei einem Kontrollverlust größeren Schaden anzurichten. Der hinzukommend hohe Reifenverschleiß, der mit diesem Manöver verbunden ist, macht eine Anwendung in der Fahrschule zu kostspielig.
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Bietet das Fahrzeug die Möglichkeit der dargestellten Erfindung, so kann der Fahrlehrer bei einer Kurvenfahrt den Fahrzustand Untersteuern durch das zusätzliche Bedienelement künstlich einleiten. Hierbei nimmt der Algorithmus das Lenkmoment zurück, was dazu führt, dass die Situation Untersteuern für den Fahrer verdeutlicht wird, ohne dass sie eingetreten ist.
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Eine weitere Ausführung der Erfindung ist eine Nutzerschnittstelle, nämlich ein zusätzliches Bedienelement, das beispielsweise in Form eines Joysticks realisiert werden kann. Mit diesem Element hat der Fahrlehrer die Möglichkeit, unabhängig von dem vom Fahrer aufgebrachten Lenkwinkel am Lenkrad die Fronträder des Fahrzeugs anzusteuern. Äußert der Fahrlehrer den Wunsch einer Lenkbewegung an diesem Bedienelement, so wird die Information an das Steuergerät des Lenksystems weitergeleitet. Dieses steuert das Überlagerungsgetriebe oder ein Steer by wire System an und setzt schließlich den Lenkwunsch an den gelenkten Rädern um. Somit wird dem Fahrlehrer die Möglichkeit zum Lenken des Fahrzeugs gegeben, die, wenn notwendig, die Lenkeingabe des Fahrers übersteuert.
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Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und der beiliegenden Zeichnung. Es versteht sich, dass die voranstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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Die Erfindung ist anhand von Ausführungsformen in der Zeichnung schematisch dargestellt und wird unter Bezugnahme auf die Zeichnung ausführlich beschrieben.
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1 zeigt eine Ausführung der erfindungsgemäßen Anordnung.
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In 1 ist eine Ausführungsform einer Anordnung, insgesamt mit der Bezugsziffer 5 versehen, schematisch dargestellt, die in einem Lenksystem 10 eingesetzt ist. Dieses Lenksystem 10 umfasst eine Lenkhandhabe 12, eine Lenkstange 14 und eine Zahnstange 16, über die zwei dargestellte Vorderräder 18 angelenkt werden.
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Das Lenksystem 10 umfasst zusätzlich eine Einrichtung 20 zur Bereitstellung einer Aktivlenkung (AFS) und eine Einrichtung 22 zur Bereitstellung einer Hilfskraftlenkung (EPS). Die Aktivlenkung bewirkt eine Winkelüberlagerung, die Hilfskraftlenkung verursacht eine Momentenüberlagerung.
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Die Einrichtung 20 für die Aktivlenkung umfasst ein Getriebe 24 und einen Motor 26 zur Bereitstellung eines Überlagerungswinkels M(Pfeil 28), der mit Hilfe des Getriebes 24 einem an der Lenkhandhabe 12 eingestellten Lenkradwinkel S(Pfeil 30) überlagert wird. Hieraus ergibt sich der Ritzelwinkel G(Pfeil 32), der an die Zahnstange 16 gegeben wird.
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Die Einrichtung 22 für die EPS bringt je nach Bedarf ein Zusatzmoment auf, so dass eine Kraft FG(Pfeil 34) auf die Zahnstange 16 übertragen wird.
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Die Einrichtung 20 und die Einrichtung 22 sind über ein Bussystem 36 miteinander verbunden, so dass Informationen ausgetauscht werden können, um flexibel auf unterschiedliche Fahrbedingungen reagieren zu können.
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Es ist nunmehr ein Steuergerät 50 vorgesehen, das mit einer Nutzerschnittstelle 52 gekoppelt ist. Über die Nutzerschnittstelle 52 kann nunmehr der Bediener, Fahrlehrer, Beifahrer oder auch Fahrer eine Anweisung zu einer Störgröße vorgeben. Je nach Art der Störung werden ein oder mehrere Signale in dem Steuergerät 50 erzeugt, die an entsprechende Komponenten des Kraftfahrzeugs, in diesem Fall an die Einrichtung 22 für die EPS und die Einrichtung 20 für die Aktivlenkung, gegeben werden. Hierzu leitet das Steuergerät 50 gezielt die Signale an die entsprechenden Komponenten des Fahrzeugs.