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Die Erfindung betrifft allgemein ein Verfahren und eine Vorrichtung innerhalb eines Frühwarnsystems zur Berechnung von Warnungen oder Warnzeitpunkten für ein räumliches Gebiet basierend auf Informationen eines Sensorsystems. Insbesondere betrifft die Erfindung eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Berechnen von entscheidungsrelevanten Informationen, welche zum Auslösen eines Warn- oder Evakuierungssignals für verschiedene räumliche Teilbereiche eines zugrunde liegenden räumlichen Gebietes eines Frühwarnsystems in geeigneter Weise bereitgestellt werden.
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Ein Frühwarnsystem dient im Allgemeinen der rechtzeitigen Warnung vor Ereignissen, und insbesondere Naturkatastrophen, die einen Schutz von Menschen, Gütern und Umwelt oder deren Evakuierung erfordern. Hierzu zählen beispielsweise Naturkatastrophen tektonischer Ursachen, wie Tsunamis oder Erdbeben, und Naturkatastrophen klimatischer Ursachen, wie Tornados oder Schneelawinen. Die vorliegende Erfindung kann für Frühwarnsysteme für solche Naturkatastrophen verwendet werden. Ein Frühwarnsystem soll nach Erkennen eines solchen Ereignisses eine effektive Warnung veranlassen, um eine potenzielle Bedrohung frühzeitig zu erkennen und betroffene Regionen, insbesondere die dort lebende Bevölkerung, rechtzeitig vor Eintreten der Folgen des Ereignisses zu informieren und um Handlungen und Reaktionen zum Schutz von Mensch, Gütern und Umwelt rechtzeitig vornehmen zu können.
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In der Frühwarnung ist, neben der Ausgestaltung der Sensorsysteme, die Verdichtung von Sensorinformation und anderen Informationsquellen verknüpft mit dem Faktor Zeit von zentraler Bedeutung. Hierzu wird die Zeit vom Auftreten des Ereignisses bis zum Eintreffen der Auswirkung des Ereignisses in Zeitabschnitte, sog. Zeitkomponenten unterteilt. Die vorliegende Erfindung betrifft insbesondere die Möglichkeit zur Ermittlung der Reaktionszeit, d.h. die Zeit, die vom Aussenden der Warnung bis zum Eintreten des Auswirkung eines Ereignisses vergeht.
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Bestehende Frühwarnsysteme benutzen zur Ermittlung einer Warnentscheidung lediglich Sensorinformation, welche die anfängliche Ausprägungen eines Ereignisses detektieren und an eine zentrale Ermittlungs- oder Wamentscheidungseinheit übermitteln. Dabei müssen Warnentscheidungen getroffen werden, die aufgrund des oftmals kurzen Zeitraums zwischen erster Erkennung des Ereignisses und dem Eintreffen der Auswirkung des Ereignisses mit hohen Unsicherheiten behaftet sind oder gar zu falschen Warnungen führt, was zu großen materiellen und möglicherweise auch Personenschaden führt.
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Derzeit bekannte Frühwarnsysteme nutzen hierzu Sensorsysteme, welche aus mehreren Sensoren und/oder verschiedenen Sensortypen eine Vielzahl von Sensordaten liefern. Ein solches Frühwarnsystem ist beispielhaft in 1 dargestellt. Die Sensoren oder das Sensorsystem 120 besteht dabei aus verschiedenen Sensoren, welche z. B. verschiedene Bojen in Küstennähe sind, um Wellenhöhen zu messen. Die Sensoren können hierbei kontinuierlich oder in vordefinierten Zeitabständen Messsignale senden. Alternativ können die Sensoren bereits die gemessenen Werte vorverarbeiten und nur dann Signale an ein zentrales Sensorerfassungssystem 110 senden, wenn ein relevanter Messwert vorliegt. Beispielsweise können die Sensoren die gemessenen Werte anhand voreingestellter Schwellwerte klassifizieren und entsprechend der Klassifizierung entsprechender Signale an die zentrale Erfassungseinheit 110 senden. Wenn es sich bei den Sensoren um Bojen in Küstennähe handelt, kann z. B. eine Mindestwellenhöhe für jede Boje definiert werden, ab welcher die Boje ein entsprechendes Signal an die zentrale Erfassungseinheit 110 sendet. Darüber hinaus können verschiedene Signale gemäß verschiedener Schwellwerte der gemessenen Wellenhöhe an die zentrale Einheit 110 gesendet werden. Eine solche Quantifizierung der Messwerte kann in gleicher Weise für andere Sensortypen und andere Frühwarnsysteme verwendet werden. Diese für bekannte Frühwarnsysteme verwendeten Sensorsysteme können in gleicher Weise für die vorliegende Erfindung verwendet werden. Des Weiteren kann zwischen beweisgebenden oder direkten Sensorsystemen und indikatorgebenden oder indirekten Sensoren unterschieden werden. Direkte Sensorsysteme erfassen die Auswirkung eines Ereignisses unmittelbar (z.B. Messen der auftretenden Wellenhöhe eines Tsunamis) während indirekte Sensorsysteme nur Rückschluß auf ein Ereignis erlauben, beispielsweise durch Messung der Stärke eines Erdbebens an einem oder mehreren Orten, welches Ursache eines Tsunamis sein kann.
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In bekannten Frühwarnsystemen wird die zentrale Sensorerfassungseinheit 110 die empfangenen Signale der verschiedenen Sensoren verarbeiten und gemäß dieser Werte ein Warnsignal 130 ausgeben. Dieses Warnsignal kann entweder über ein Kommunikationssystem direkt an die betroffene Region und Bevölkerung gesendet werden, oder sie dient behördlichen Einrichtungen als Entscheidungsgrundlage zur Veranlassung von Schutz- oder Evakuierungsmaßnahmen in dem entsprechenden Gebiet. Im folgenden kann zwischen dem Beobachtungsgebiet und dem Wamgebiet unterschieden werden. Das Beobachtungsgebiet bezieht sich auf das von den Sensoren erfasste Gebiet, während sich das Warngebiet auf das Gebiet oder die Teilgebiete bezieht, für die ein Warnsignal oder mehrere Warnsignale erzeugt werden können.
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In solchen Frühwarnsystemen stellt sich das Problem, dass mit zunehmender Größe des abzudeckenden Gebiets die Anzahl der Sensoren steigt und es sehr schwierig ist, aus der Vielzahl von Sensorinformationen zu entscheiden, ob ein Ereignis vorliegt, zu dem eine entsprechende Warnung ausgegeben werden muss. Des Weiteren stellt sich das Problem, dass trotz einer Vielzahl von Sensoren für ein Beobachtungsgebiet Lücken in der sensortechnischen Erfassung liegen, sodass eine Entscheidung, ob ein Warn- und/oder Evakuierungsereignis vorliegt, grundsätzlich nicht genau berechnet werden kann. Demnach stellt sich das Problem, wie eine Naturkatastrophe trotz der Fülle an Sensorinformation und der sensortechnischen Erfassungslücken hinreichend genau vorhergesagt werden kann und wie jedoch Fehlalarme durch eine „übervorsichtige“ Warnung des Frühwarnsystems verhindert werden können. Diese Schwierigkeiten und Nachteile von bekannten Frühwarnsystemen werden durch die vorliegende Erfindung erheblich reduziert oder vermieden.
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Des Weiteren soll ein Frühwarnsystem lediglich entscheidungsrelevante Signale oder entscheidungsrelevante Informationen ausgeben. Aufgrund dieser Informationen soll entschieden werden können, ob und ggf. wie, eine Schutz- oder eine Evakuierungsmaßnahme von Menschen, Gütern und Umwelt erfolgen soll. Diese entscheidungsrelevanten Informationen des Frühwarnsystems werden üblicherweise unmittelbar nach deren Erfassung weitergegeben, um die größtmögliche Zeit zur Entscheidung, ob eine Evakuierung erforderlich ist und ggf. für entsprechende Schutz- oder Evakuierungsmaßnahmen zu Verfügung zu haben. Es stellt sich jedoch das Problem, dass eine sofortige Einleitung von Schutz- oder Evakuierungsmaßnahmen nicht gewünscht wird, da solche Maßnahmen kostenintensiv und mit erheblichen betriebswirtschaftlichen Nachteilen und organisatorischem Aufwand betrieben werden müssen. Um daher mögliche Fehlalarme auszuschließen, werden oftmals weitere Informationen oder Signale des Frühwarnsystems abgewartet, welche entweder das Naturereignis bestätigen oder eine vorherige Warnung als Fehlalarm erkennen lassen. Jedoch verstreicht hierdurch im Falle eines tatsächlichen Naturereignisses wertvolle Zeit zur Einleitung von Schutz- und Evakuierungsmaßnahmen, was eine Verbesserung der bekannten Frühwarnsysteme dahin erfordert, dass es genauere und gesichertere Informationen und Warnsignale liefert.
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GFZ, Helmholtz-Zentrum Potsdam: Tsunami-Warnung: Wie viel Mathematik steckt in der Welle? Stand 05/08, Potsdam, 2008. URL: http://www.gitews.de/fileadmin/documents/content/press/FaltblGITEWS-dt-05-08a-web.pdf offenbart ein Warnsystem, dass aus verschiedenen voneinander unabhängigen Sensorsystemen besteht. Dazu werden gemessene Parameter mit Werten aller Szenarien in einer Datenbank verglichen, um eine Simulation mit den geringsten Abweichungen auszuwählen. Diese Simulation wird in eine Gefährdungskarte mit zu erwarteten Wellenhöhen und Ankunftszeiten für die verschiedenen Küstenbereiche umgesetzt. Die Warnmeldungen werden mit weiteren Daten, wie Evakuierungskarten, Information über Bevölkerungsdichten und kritische Infrastrukturen verschnitten. Im Voraus berechnete Szenarien werden genutzt, um die Einsatzplanung für die Hilfskräfte zu optimieren. Verschiedene Ausbreitungsszenarien werden im Voraus berechnet und in der Datenbank abgelegt.
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GeoForschungszentrum Potsdam: GITEWS. Das Tsunami-Frühwarnssystem für den Indischen Ozean. 2. Auflage, Juni 2008, Potsdam, 2008. URL: http://www.bmbf.de/pubRD/GITEWS Broschuere DE 08.pdf offenbart ein Tsunamifrühwarnsystem in dem Modellierungen der Wellenausbreitung bereits im Vorfeld für die gesamte Region erstellt werden.
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GITEWS-Konsortium: Neuartiges Tsunami-Frühwarnsystem geht in Betrieb. Presse-Information. Sperrfrist: 11.11.2008, 10:00 MEZ, Potsdam, 2008. URL: http://www.gitews.de/fileadmin/documents/content/press/GITEWS_operationell_ de_nov-2008.pdf offenbart ein Tsunamifrühwarnsystem bei der mit Hilfe von Computermodellen Ankunftszeiten und Wellenhöhen ermittelt werden. Eine vorab entwickelte Modellierung stellt die Wellenausbreitung und die Überflutung an Land dar. Aufgrund aller Sensordaten und der Daten mit den vorberechneten Simulationen werden die Warnmeldungen erstellt.
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US 2007 / 0 044 539 A1 betrifft ein System zur visuellen Darstellung von Bedrohungsereignissen, welche mittels eines Sensornetzwerks erfasst und verarbeitet werden.
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Es besteht daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, ein Verfahren und ein System für ein Frühwarnsystem bereitzustellen, mit welchem genauere und gesichertere Informationen und Warnsignale zu möglichen Ereignissen basierend auf Sensorinformationen bereitgestellt werden können, um die zuvor genannten Nachteile bestehender Frühwarnsysteme zu überwinden.
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Diese Aufgabe wird durch die vorliegende Erfindung und insbesondere durch den Gegenstand der nebengeordneten Patentansprüche gelöst. Weitere bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche und werden unter Bezugnahme auf die Zeichnungen näher erläutert.
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Eine Ausführungsform der Erfindung betrifft ein System zum computergestützten Verarbeiten und Auswerten von Informationen, die von einer Vielzahl von Sensoren in einem Frühwarnsystem zum Erkennen von Naturereignissen oder technischen Ereignissen erzeugt werden, wobei die Vielzahl von Sensoren des Frühwarnsystems einem vorgegebenen räumlichen Gebiet zugeordnet sind. Das System kann eine Erfassungseinheit, eine Berechnungseinheit und eine oder mehrere Datenspeichereinheiten umfassen.
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Die Erfassungseinheit wird zum Erfassen der Informationen der Vielzahl von Sensoren verwendet, wobei die Informationen geeignet sind ein Ereignis direkt oder indirekt anzuzeigen, das zumindest einen Teil des vorgegebenen räumlichen Gebiet betrifft. Das vorgegebene räumliche Gebiet kann hierzu in eine Vielzahl von Teilgebieten unterteilt sein. Eine Datenspeichereinheit speichert eine oder mehrere Ausbreitungsmodellen, wobei die Ausbreitungsmodelle einen oder mehrere räumlich und zeitlich differenzierte Auswirkungsverläufe für die Vielzahl von Teilgebieten in Abhängigkeit von verschiedenen vorgegebenen Informationen der Vielzahl von Sensoren angeben. Die Ausbreitungsmodelle können vorab ermittelt und in der Datenspeichereinheit gespeichert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung berechnet die Berechnungseinheit einen räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlauf für die Vielzahl von Teilgebieten basierend auf den erfassten Informationen der Erfassungseinheit und den in der Datenspeichereinheit gespeicherten Ausbreitungsmodellen. Hierzu kann die Berechnungseinheit Daten von der Erfassungseinheit empfangen und die empfangenen Daten auf die Ausbreitungsmodelle anwenden, um ein den empfangenen Daten entsprechenden wahrscheinlichen Auswirkungsverlauf für eine oder mehrere Teilgebiete zu berechnen. Eine Datenspeichereinheit speichert einem oder mehreren Reaktionsmodellen, wobei die Reaktionsmodelle mindestens eine Zeitspanne für jedes der Vielzahl von Teilgebieten in Abhängigkeit von verschiedenen vorgegebenen Auswirkungsverläufen oder verschiedenen vorgegebenen Ausbreitungsmodellen angeben.
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Des Weiteren kann die Zeitspanne einer zuvor festgelegten Zeit entsprechen, die zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen in dem entsprechenden Teilgebiet benötigt wird und die Reaktionsmodelle können vorab ermittelt und in der Datenspeichereinheit gespeichert werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform berechnet die Ermittlungseinheit ein Warninformationssignal basierend auf dem von der Berechnungseinheit berechnetem räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlaufs für die Vielzahl von Teilgebieten und den in der Datenspeichereinheit gespeicherten Reaktionsmodellen. Die Ermittlungseinheit kann hierzu Daten von der Berechnungseinheit empfangen, die den berechneten räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlaufs anzeigen, die empfangenen Daten auf die Reaktionsmodelle anwenden, um für eine wahrscheinliche Zeitspanne für eine oder mehrere Teilgebiete zu ermitteln, und ein Warninformationssignal basierend auf der wahrscheinlichen Zeitspanne für eine oder mehrere Teilgebiete ermitteln. Das Warninformationssignal kann an eine Ausgabeeinheit oder eine Speichereinheit übermittelt werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform berechnet die Ermittlungseinheit des Weiteren aus der ermittelten wahrscheinlichen Zeitspanne für jede der einen oder mehreren Teilgebiete eine verbleibende Zeitspanne , nach dessen Ablauf eine Warnung zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen in den einen oder mehreren Teilgebieten erfolgen muss.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform entspricht das Warninformationssignal einem Hinweis auf eine empfohlene Ergreifung von Schutzmaßnahmen oder einer Information bezüglich eines erfassten Ereignisses in dem einen oder mehreren Teilgebieten, und das Warninformationssignal wird erst nach Ablauf der verbleibende Zeitspanne an die Ausgabeeinheit oder eine Speichereinheit übermittelt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform entspricht das Warninformationssignal einem Hinweis auf eine empfohlene Ergreifung von Schutzmaßnahmen in den einen oder mehreren Teilgebieten und die Ermittlungseinheit entscheidet gemäß voreingestellter Parameter und/oder Schwellwerte der Reaktionsmodelle für jedes der einen oder mehreren Teilgebieten, ob ein Warninformationssignal zu erzeugen und zu übermitteln ist. Hierzu kann das Warninformationssignal erst nach Ablauf der verbleibenden Zeitspanne an die Ausgabeeinheit oder Speichereinheit übermittelt werden, sofern nach Ablauf der verbleibenden Zeitspanne anhand der voreingestellten Parameter und/oder Schwellwerte der Reaktionsmodelle ermittelt wird, dass ein Warninformationssignal zu erzeugen und zu übermitteln ist.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform wird die berechnete Information der Berechnungseinheit an die Erfassungseinheit zurückgeführt und die Erfassungseinheit benutzt die zurückgeführte Information zum Erfassen weiterer Sensorinformationen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform wird die berechnete Information der Ermittlungseinheit an die Berechnungseinheit zurückgeführt, und die Berechnungseinheit benutzt die zurückgeführte Information zum weiteren Berechnen des räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlaufs, wobei die Ausbreitungsmodelle zurückgeführte Informationen der Ermittlungseinheit berücksichtigen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform berechnet die Ermittlungseinheit des Weiteren aus der ermittelten wahrscheinlichen Zeitspanne für die betroffenen Teilgebiete eine zu erwartende Auswirkung auf die betroffenen Teilgebiete.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform ist das Frühwarnsystem ein Tsunamifrühwamsystem.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung und deren Details werden unter Bezugnahme auf die Zeichnungen näher erläutert.
- 1 zeigt ein Blockschaltbild eines Frühwarnsystems gemäß dem Stand der Technik.
- 2 zeigt ein Blockschaltbild eines Frühwarnsystems gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.
- 3 zeigt eine Darstellung zur Illustration einer räumlichen Aufteilung eines Wamgebietes in verschiedene Bereiche eines Frühwarnsystems gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.
- 4 zeigt ein Flussdiagram zur Illustration beispielhafter Schritte zur Ermittlung von Warnzeitpunkten gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.
- 5 zeigt eine schematische Darstellung eines Beispiels zur Bestimmung einer potentiell gefährdeten Fläche.
- 6 zeigt ein Beispiel einer räumliche Lage von Zugangspunkten, die an die potentiell betroffene Fläche angrenzen.
- 7 zeigt die räumliche beispielhafte Darstellung der Evakuierungsgeschwindigkeitsverteilung hinsichtlich der Bevölkerungsdichte.
- 8 zeigt ein Flussdiagramm zur Berechnung der Evakuierungszeit gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.
- 9 zeigt eine exemplarische Darstellung einer errechneten inversen Geschwindigkeitsverteilung.
- 10 zeigt beispielhaft für t=60 Minuten Flächen, die eine längere Evakuierungszeit aufweisen (dunkel), sowie Flächen, die eine geringere Evakuierungszeit aufweisen (hell).
- 11 zeigt ein Beispieldiagramm zur Bestimmung die Anzahl von betroffenen Menschen in Abhängigkeit der für die Evakuierungshandlung zur Verfügung stehenden Zeit.
- 12 illustriert eine beispielhafte Implementierung einer Ausführungsform der Erfindung als Bildschirmkopie einer Einbettung der responseabhängigen Warnzeitpunkte in das GITEWS Entscheidungsunterstützungssystem.
- 13 zeigt eine schematische Darstellung mit Zeitkomponenten in einer Wamkette gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.
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2 zeigt ein Frühwarnsystem 200 gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung. Das Frühwarnsystem benutzt ein Sensorsystem 120, welches Informationen von verschiedenen Sensoren bereitstellt. Dieses Sensorsystem kann wie in den zuvor beschriebenen üblichen Frühwarnsystemen ausgebildet sein. Ein Aspekt der vorliegenden Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass eine bloße Erhöhung der Anzahl der Sensoren die oben genannten Nachteile bekannter Frühwarnsysteme nicht vermeiden kann. Eine Erhöhung der Anzahl der Sensoren erhöht gleichzeitig die Anzahl der Informationen, die das Frühwarnsystem in Echtzeit oder in sehr kurzer Zeit verarbeiten muss, ohne jedoch eine vollständige und lückenlose Erfassung der gemessenen Eigenschaften, wie z. B. Wellenhöhe, Vibration oder Bewegung, bereitstellen zu können. Dies führt zu einer stark steigenden Komplexität der Berechnung, die in Echtzeit oder sehr kurzer Zeit zu realisieren ist. Des Weiteren ist aus Kostengründen eine möglichst geringe Anzahl von Sensoren wünschenswert.
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Die vorliegende Erfindung verknüpft die Sensorsysteme mit verschiedenen zuvor ermittelten Modellen zur räumlich und zeitlich differenzierten Berechnung von Wamentscheidungen. So wird das zu beobachtende Gebiet in verschiedene Bereiche unterteilt und es werden gemäß der vorliegenden Erfindung für jedes Warngebiet eine prognostizierte Auswirkung der von den Sensoren 120 und von dem Sensorerfassungssystem 210 vorverarbeiteten Sensorinformationen berechnet. Hierzu können gemäß einer Ausführungsform der Erfindung verschiedene Ausbreitungsmodelle 220 in einem Datenspeicher gespeichert werden. Anhand dieser Ausbreitungsmodelle und den ermittelten Sensordaten des Sensorerfassungssystems 210 wird durch ein Auswirkungsermittlungssystem oder Berechnungseinheit 230 ein Ausbreitungsszenario ermittelt. Hierzu kann aufgrund der topographischen Lage und Beschaffenheit des von dem Frühwarnsystem Beobachtungsgebietes in verschiedene Bereiche unterteilt werden.
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3 zeigt eine beispielhafte Darstellung, bei der das Wamgebiet des Frühwarnsystems 310 in acht Gebiete 320 bis 327 unterteilt ist. Des Weiteren dargestellt sind die verschiedenen Sensoren 120, welche im Fall eines Tsunami-Frühwamsystems Bojen vor dem Küstenabschnitt 310 sein können. Entsprechend der Unterteilung des Gebietes in verschiedene Zonen oder Teilgebiete werden vorab ein oder mehrere Ausbreitungsmodelle 220 ermittelt, um für jedes dieser Teilgebiete aufgrund der Information der Sensoren 120 eine zu erwartenden Auswirkung zu liefern. Darüber hinaus stellen die Ausbreitungsmodelle 220 gemäß einer Ausführungsform der Erfindung einen zeitlichen Verlauf der Auswirkungen, beispielsweise eines Tsunamis, auf die Küste 310 für jeden der Bereiche 320 bis 327 bereit. Dies kann durch Berechnungen und Simulationen anhand der Art und Beschaffenheit des Gebietes 310 und dessen Bereichs, wie z. B. die Topographie und optional auch die Landnutzung/Landbedeckung (bewaldetes Gebiet, städtische Bebauung, landwirtschaftliche Felder, Sumpflandschaften usw.) erfolgen. Da die Lage der Sensoren bezüglich des unterteilten Gebietes 310 vorab bekannt und festgelegt wird, können solche Ausbreitungsmodelle ebenfalls vorab erstellt und in einem entsprechenden Speichermedium abgelegt werden. Anhand dieser Ausbreitungsmodelle kann ein Auswirkungsermittlungssystem 230 des Frühwarnsystems anhand der Sensordaten einen räumlich und zeitlich differenzierten Ausbreitungsverlauf des von den Sensoren erkannten Ereignisses ermitteln.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform werden die erhaltenen Sensordaten von dem Sensorerfassungssystem 210 so aufbereitet, dass das Auswirkungsermittlungssystem 230 diese Sensordaten mit den verschiedenen gespeicherten Ausbreitungsmodellen abgleichen kann. Hierzu können verschiedene logische Verknüpfungen und Filterfunktionen verwendet werden, welche ihrerseits bereits ein Ausbreitungsmodell 220 beschreiben, die örtliche Begebenheiten und Zusammenhänge zwischen den Positionen der Sensoren 120 und der entsprechenden betroffenen Bereiche 320 bis 327 berücksichtigen. Liefern einige oder alle der Sensoren Signale, die auf ein Naturereignis hindeuten, kann anhand der Ausbreitungsmodelle das wahrscheinlichste Ausbreitungsszenario ermittelt werden. Dieses gibt für jede der Regionen 320 bis 327 einen zeitlichen Verlauf an, wie sich das Ereignis in den Bereichen entsprechend ausbreiten wird. In dem Beispiel eines Tsunami-Frühwarnsystems entspricht dies einem zeitlichen Verlauf hinsichtlich der Größe und eventuell der Richtung einer Welle in den jeweiligen Bereichen der Küste 310.
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Anhand des räumlich und zeitlich differenzierten Ausbreitungsszenarios, das von dem Auswirkungsermittlungssystem 230 ermittelt wird, kann für jedes der Bereiche 320 bis 327 ermittelt werden, ob das Gebiet von dem prognostizierten Ereignis betroffen ist, oder ob es sich um ein so genanntes „sicheres Gebiet“ handelt, in welchem das Ereignis keinen direkten Einfluss haben wird. Des Weiteren ermöglicht das räumlich und zeitlich differenzierte Ausbreitungsszenario des Auswirkungsermittlungssystems eine Berechnung oder Voraussage, wann und ggf. in welcher Reihenfolge die Gebiete von dem Ereignis (z. B. der einer Tsunami-Welle) betroffen werden. Es kann somit die Zeit berechnet werden, die verbleibt, bis das Ereignis in jedem Teilgebiet auftritt. Aufgrund dieser Zeiten, die für jedes Gebiet bis zum Auftreten des Ereignisses verbleibt, können eine Rangliste oder eine Prioritätenliste der betreffenden Regionen erstellt werden. Beispielsweise können die Regionen, welche zuerst von dem Ereignis betroffen sind, eine höhere Priorität erhalten als jene Regionen, die später oder garnicht von dem Ereignis betroffen sein werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform kann die Rangliste oder die Priorität der einzelnen Regionen auch anhand der verbleibenden Zeitkomponenten bis zur Auswirkung des prognostizierten Ereignisses ermittelt werden. Beispielsweise kann bei einer verbleibenden Zeit von mehr als drei Stunden bis zum Auftreten des Ereignisses im Gebiet G (326) eine geringe Prioritätsstufe zugewiesen werden, wohingegen Gebiet B (321) eine höhere Priorität zugewiesen wird, wenn die Auswirkung des prognostizierten Ereignisses bereits innerhalb von einer Stunde dieses Gebiet erreicht.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung werden diese beiden Aspekte miteinander kombiniert. Es werden demnach sowohl die erwartete verbleibende Zeit bis zum Auftreten des Ereignisses als auch die Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Regionen von dem prognostizierten Ereignis betroffen sind, zur Priorisierung der verschiedenen Gebiete berücksichtigt. Beispielsweise kann eine zeitliche Quantisierung in Stundenabschnitten erfolgen. Wenn die Ausbreitungsmodelle anhand der aktuellen Sensorinformationen ein Eintreffen des Ereignisses in den Bereichen A, B, C und F innerhalb von zwei Stunden sowie in den Bereichen E, G und D innerhalb von drei Stunden ermitteln, könnten die Gebiete A, B, C und F eine höhere Priorität erhalten als die Gebiete E, G, D, welche wiederum höher ist als die Priorität des Gebiets H, welches nicht von dem prognostizierten Ereignis betroffen sein wird. Wird des Weiteren die Reihenfolge in der die Auswirkung des Ereignisses die betroffenen Gebiete trifft berücksichtigt, sodass beispielsweise erst Region A, danach Region B, danach Region F und danach Region C betroffen sein wird, könnte diese Reihenfolge zu einer weiteren Unterscheidung in der Klassifikation oder Priorisierung der Gebiete benutzt werden, sodass Region A die höchste Priorität besitzt, Region die B die zweithöchste Priorität, gefolgt von Region F und C, sowie den Regionen E, G, D und der Region H.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung können zusätzlich zu den Ausbreitungsmodellen weitere Reaktionsmodelle bzw. Lagebeschaffenheits- und Evakuierungsmodelle vorab für die verschiedenen Regionen des Gebiets 310 ermittelt und in einem Datenspeicher 240 abgelegt werden. Diese zusätzlichen Modelle können von einem Warnsignalermittlungssystem oder Ermittlungseinheit 250 zum Berechnen eines Warninformationssignals dazu verwendet werden, die räumlich und zeitlich differenzierten Ausbreitungsszenarien, welche von dem Auswirkungsermittlungssystem 230 ermittelt wurden, weiter zu bearbeiten, um weiter verbesserte und optimierte Warnsignale und warnrelevante Informationen bereitzustellen. Wie zuvor beschrieben wurde, kann mit den Ausbreitungsmodellen 220 eine räumliche und zeitliche differenzierte Ausbreitungsprognose erstellt werden. Hierzu werden vorab gespeicherte Modelle auf die Sensorinformationen des Sensorsystems 120 angewendet, um das wahrscheinlichste Ausbreitungsszenario zu ermitteln. Dadurch wird die Genauigkeit des Warnsignals bereits verbessert, da nicht die reinen Sensordaten benutzt werden, sondern diese Sensorinformation mittels bereits vorab ermittelter, theoretisch möglicher Ausbreitungsszenarien für verschiedene mögliche Ereignisse ausgewertet und verarbeitet werden. Jedoch kann man diese Berechnung möglicher Ausbreitungsszenarien noch weiter verbessern, wenn weitere Informationen zur Lage und Beschaffenheit der einzelnen Regionen benutzt werden. Diese Parameter können unter anderem die Anzahl der zu evakuierenden Bevölkerung, die Anzahl der kritischen Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Schulen oder Flughäfen, die Anzahl und Beschaffenheit von zur Evakuierung zur Verfügung stehender Straßen und Wege sowie die Betroffenheit der benachbarten Regionen umfassen. Weitere Parameter können auch die Alters- und Geschlechtsverteilung der Bevölkerung sowie die räumliche Lage von möglichen Evakuierungsorten und Evakuierungswegen umfassen.
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Während mit den Ausbreitungsmodellen 220 eine verbesserte Vorhersage der Auswirkungen der mittels der Sensorinformation detektierten prognostizierten Ereignisse erreicht wird, können mit den weiteren Lage-, Beschaffenheits- und Evakuierungsmodellen 240 die Maßnahmen zum Schutz und zur Evakuierung einzelner Regionen bei der Ermittlung von Warnsignalen bereits mitberücksichtigt werden. Damit kann die räumlich und zeitlich differenziert ermittelte Ausbreitung des prognostizierten Ereignisses in den einzelnen Regionen, insbesondere die verbleibende Zeit bis zum Auftreten des Ereignisses, mit der benötigten Zeit möglicher Schutz- und Evakuierungsmaßnahmen verknüpft werden. Dies ist vergleichbar mit einer Kostenfunktion oder einer Gewichtung der von der Einheit 230 ermittelten räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsberechnung durch das Frühwarnsystem. Ermittelt das System 230 beispielsweise ein auftretendes Ereignis in den Regionen A, B und F in 2 Stunden sowie in den Regionen E, C und G in drei Stunden, so ergibt sich hieraus, wie zuvor erläutert, bereits eine Klassifizierung oder Priorisierung der verschiedenen Regionen. Durch die zusätzlichen Lage-, Beschaffenheits- und Evakuierungsmodellen 240 kann diese Priorisierung und zeitliche Warnzeitermittlung für die Regionen nochmals verbessert werden. Gibt es in der Region B beispielsweise eine erhöhte Anzahl kritischer Einrichtungen, wie z. B. Schulen, Flughäfen oder Krankenhäuser oder eine hohe Bevölkerungsdichte, ist die benötigte Evakuierungszeit entsprechend hoch. Sind dagegen die Regionen A und F lediglich dünn besiedelt, kann hier eine wesentlich kürzere Evakuierungszeit angenommen werden. Basierend auf der durch die Auswirkungsermittlungseinheit 230 berechneten Ankunftszeit der Auswirkung des Ereignisses in zwei Stunden in den Regionen A, B und F kann mittels der Modelle 240 die bis zur Warnung verfügbaren Zeit für jede Region anhand der benötigten Evakuierungszeit geändert werden. So könnten in dem vorangegangenen Beispiel für die Region B trotz des derzeit erwarteten Eintreffens des Ereignisses in zwei Stunden lediglich 50 Minuten verbleiben, bis eine entsprechende Warnung ausgegeben werden muss, da die Evakuierungszeit für diese Gegend 1 Std. 10 Min. beträgt. Für die Regionen A und F kann die verfügbare Zeit bis eine Warnung erfolgen muss entsprechend der geringeren Evakuierungszeit wesentlich länger sein. Als weiteres Beispiel kann das Auswirkungsermittlungsystem 230 eine prognostizierte Ankunftszeit des Ereignisses in der Region G mit drei Stunden ermitteln. Wenn jedoch die Modelle 240 besagen, dass hier eine sehr lange Evakuierungszeit benötigt wird, da z. B. keine geeigneten Straßen zur Evakuierung vorhanden sind, kann die verbleibende Zeit, bis zu der eine Warnung für die Region G ausgegeben werden muss, geringer sein als in den Gebieten A und B, in welchen das Ereignis bereits in zwei Stunden eintrifft.
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Ein weiterer Vorteil der Ausbreitungsmodelle 220 und der Evakuierungsmodelle 240 besteht darin, dass eine Zeit ermittelt werden kann, bis zu welcher eine entsprechende Warnung für jedes Gebiet ausgegeben werden muss. Dies hat zum Vorteil, dass eine Warnung nicht sofort ausgegeben werden muss und weitere Daten des Sensorsystems 120 abgewartet werden können. Wenn das Frühwarnsystem für eine Region ein Ereignis prognostiziert hat, kann es damit gleichzeitig ermitteln, dass eine Warnung noch nicht erforderlich ist. Daher können weitere Sensordaten abgewartet werden, um das prognostizierte Ereignis eventuell noch als Fehlalarm erkennen zu können. Das Frühwarnsystem kann daher entscheiden, ob eine Warnung für ein erkanntes Ereignis bereits ausgegeben werden muss, oder ob weitere Sensordaten abgewartet werden können.
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Diese dynamische Verarbeitung der Sensorsysteme anhand von den Modellen 220 und/oder 240 erlaubt gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung die dynamische Berechnung von räumlich und zeitlich differenzierten Warnungen unter Berücksichtigung von zuvor ermittelten Daten. Dies ist durch die Rückführung der Informationen 270 und 280 in 2 beispielhaft dargestellt. Somit können die Ausbreitungsmodelle 220 und die Lage-, Beschaffungs- und Evakuierungsmodelle 240 derart ausgebildet sein, dass sie zeitliche Änderungen von Sensorinformationen berücksichtigt. Dies ist möglich, da das Warnsignalermittlungssystem 250 selbständig ermitteln kann, ob eine Warnung bereits erfolgen muss, oder ob weitere zeitlich nachfolgende Sensordaten berücksichtigt werden können, bevor ein Warnsignal ausgegeben werden muss.
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Die von dem Wamermittlungssystem und dem Auswirkungsermittlungssystem berechneten Informationen können an ein Anzeige- oder Warnsystem 260 übermittelt werden, um diese entsprechend einem Benutzer anzuzeigen, oder um diese direkt an die entsprechenden Gebiete zu senden. Der Benutzer hat damit die Möglichkeit, die betroffenen Gebiete differenziert zu betrachten, und die verschiedenen Gebiete können bereits durch das System und die zugrunde liegenden Modelle so priorisiert werden, dass die verbleibende Zeit, in der eine Warnung erfolgen muss, von dem Frühwarnsystem bereits mit ausgegeben werden kann. Dies verringert die Anzahl der Fehlalarme, verbessert die Genauigkeit der Voraussagen und zeigt gleichzeitig an, welche Schutz- oder Evakuierungsmaßnahmen wann und in welchem Gebiet erfolgen sollten.
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4 zeigt ein beispielhaftes Verfahren gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung zur Berechnung eines Wamzeitpunktes in einem Frühwarnsystem. Das Verfahren beginnt mit dem Erfassen von Sensordaten von verschiedenen Sensoren eines Sensorsystems (Schritt 410). In Schritt 420 werden die Sensorinformationen mit den Ausbreitungsmodellen 220 abgeglichen bzw. korreliert, um einen räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlauf für die betroffenen Teilgebieten zu berechnen, der den erfassten Sensordaten erfassten Sensordaten am wahrscheinlichsten entspricht.
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Im Schritt 430 wird eine oder mehrere Warninformationen basierend auf dem berechnetem räumlich und zeitlich differenzierten Auswirkungsverlaufs für die betroffenen Teilgebiete und den gespeicherten Reaktionsmodellen berechnet. In einem weiteren Schritt 440 können diese Warnzeitpunkte zusammen mit dem zeitlichen und räumlichen Verlauf des prognostizierten Ereignisses dargestellt oder an eine Benutzerschnittstelle, ein Ausgabegerät 250 oder eine Speichereinheit übermittelt werden. Die verschiedenen Ausbreitungsmodelle und die Evakuierungsmodelle werden vorab ermittelt und können in Form von zeitabhängigen Kostenfunktionen oder in Form von Look-up-Tabellen als auch in Form von Stützpunkten hinterlegt sein, aus der sich die entsprechende Kostenkurve rekonstruieren und abfragen lässt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der vorliegenden Erfindung umfasst der Schritt 430 des Berechnens von Warninformationen mindest einen der drei folgenden optionalen Schritte. In Schritt 450 könne betroffene Regionen eines zu erwartenden Ereignisses ermittelt werden. Des Weiteren können in Schritt 460 eine räumliche und zeitliche Auswirkung eines prognostizierten Ereignisses für verschiedene Regionen des Gebietes, wie oben beschrieben, ermittelt werden. In einem weiteren Schritt 470 kann anhand der Lage-, Beschaffenheits- und Evakuierungsmodelle (oder auch Reaktionsmodelle) 240 und der ermittelten zeitlichen und räumlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Regionen 320 bis 327 ein spätester Warnzeitpunkt für jede betroffene Region ermittelt werden.
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Die zuvor beschriebenen Aspekte der Erfindung erlauben sowohl eine „Rückwärtsnutzung“, indem der späteste Warnentscheidungszeitpunkt ermittelt werden kann, indem z. B. eine vorgegebene Mindestanzahl von Menschen und Gütern aus einem bestimmten Gebiet gesichert oder evakuiert werden können, als auch eine „Vorwärtsnutzung“, indem berechnet werden kann, wie viele Personen oder Güter aus einem entsprechenden Gebiet zu einer gewissen Zeit gesichert oder evakuiert werden können.
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Die in 2 gezeigten verschiedenen Systeme 210, 230, 250 und 260 können gemäß weiterer Ausführungsformen der Erfindung auch mittels einer oder mehrerer Systeme oder Systemkomponenten verwirklicht werden. Darüber hinaus können die Ausbreitungsmodelle 220 und die Evakuierungsmodelle 240 mittels eines Modells nachgebildet werden. Die zuvor beschriebenen funktionalen Merkmale des Frühwarnsystems 200 können auch als computer-implementierte Schritte oder als computerlesbare Instruktionen eines computer-lesbaren Mediums realisiert werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung können die Ausbreitungsmodelle und die Reaktionsmodelle als ein einheitliches Modell ausgebildet und in einer einzelnen Datenspeichereinheit gespeichert werden.
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Im folgenden wird die Ermittlung der räumlich und zeitlich differenzierten Kosten ausführlicher gemäß weiterer Ausführungsformen der Erfindung beschrieben. Hierzu wird beispielhaft ein Tsunamiwarnsystem beschrieben. Der Fachmann wird jedoch erkennen, dass die nachfolgend beschriebenen Ausführungsformen auch auf andere Naturereignisse oder technische Ereignisse eines sensorgestützten Frühwarnsystems angewendet werden können. Ausgehend von zuvor erläuterten vorberechneten Szenarien oder Modellen wird für jedes annehmbare Ereignis die von dem Ereignis betroffene Landfläche ermittelt, die es gilt beim tatsächlichen Eintreten des Ereignisses zu evakuieren. Dann erfolgt die Ermittlung der Lage von sicheren Gebieten, die im Falle einer Evakuierung als Rückzugsraum für die betroffenen Landfläche genutzt werden können. Im einfachsten Fall grenzen die sicheren Gebiete an die betroffenen Landflächen, das heisst der Rückzugsraum ergibt sich aus der nicht betroffenen Landfläche.
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5 zeigt am Beispiel der möglichen Ausbreitungsszenarien die Nutzung einer sogenannten Tsunami Szenariendatenbank 510. In einer möglichen Abfrage kann das Gefährdungsgebiet für einen bestimmten Warnlevel (in der Figur als „Warning level“ bezeichnet) ermittelt werden 560. Als Beispiel zur besseren Illustration wird eine Wellenhöhe an der Küste kleiner oder gleich 3 Meter dargestellt. Aus der Szenariendatenbank 510 werden so die Szenarien 1, 4 und 5 ermittelt 570, die betroffenen Landpunkte werden berechnet 580 und ein hier als Karte dargestelltes Gefährdungsgebiet 590 ermittelt. Gemäß dieses Beispiels wird das Gefährdungsgebiet für eine weiteres Warnlevel (in der Figur als „Major Warning Level“ bezeichnet) ermittelt 520, welcher im gewählten Beispiel für eine Wellenhöhe an der Küste größer 3 Meter gilt. Aus der Szenariendatenbank 510 werden diesmal die Szenarien 2 und 3 ermittelt 530, die betroffenen Landpunkte werden berechnet 540 und ein hier als Karte dargestelltes Gefährdungsgebiet 550 ermittelt. Die Szenariendatenbank entspricht dem Datenspeicher zu Speicherung der Ausbreitungsmodelle 220 und/oder der Modelle 240. Der Fachmann wird erkennen, dass die in der Figur gewählte kartografische Darstellung in einer tatsächlichen Umsetzung der Erfindung mittels eines digitalen Kartenformats erfolgen kann.
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6 zeigt in einer kartografischen Darstellung 600 ein Gefährdungsgebiet 630 mit möglichen Zugangs- bzw. Eintrittspunkten 620 in das Gefährdungsgebiet.
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Gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung werden jedoch in vorteilhafterweise weitere Kriterien berücksichtigt, die durch räumliche Analysen mit Hilfe von Algorithmen in Geografischen Informationssystemen (GIS) umgesetzt werden. Beispielsweise könne folgende Kriterien berücksichtigt werden : Geeignete Landnutzung (z.B. kein dichter Wald oder kein Gewässer), geeignete Topographie (z.B. Hangneigung nicht größer als 20°), Mindestausmaße einer Fläche (z.B. größer als 10 000 m2), Erreichbarkeit über befestigte Straßen oder Wege oder räumliche Nähe zu der betroffenen Landfläche. Außerdem können sogenannte Eintrittspunkte aus der Gefahrenzone in ein sicheres Gebiet definiert werden, die sich als Schnittpunkte von Strassen und Wegen mit der Grenzlinie zwischen betroffener Landfläche und sicheren Gebieten ergeben.
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Darüber hinaus kann die zeitliche Erreichbarkeit eines sicheren Gebietes berücksichtigt werden, die sich im Wesentlichen aus der Distanz eines Ortes zu dem nächsten sicheren Gebiet sowie der potentiellen Evakuierungsgeschwindigkeit ergibt. Hieraus errechnet sich für jeden Ort die Zeit, die ein Mensch benötigt, um sich in Sicherheit zu bringen.
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Folgende Faktoren können die Evakuierungsgeschwindigkeit beeinflussen:
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Dichte von Kritischen Einrichtungen (wie z.B. Schulen und Krankenhäusern), Bevölkerungsdichte, Alters- und Geschlechtsverteilung, Topographie und Landbedeckung. Dabei wirken Topographie, Landbedecken sowie die Dichte der kritischen Einrichtungen reduzierend auf die Evakuierungsgeschwindigkeit. Bevölkerungsdichte sowie Alters- und Geschlechtsverteilung werden für jeweilige Klassen aus empirischen Daten charakteristische Geschwindigkeiten zugeordnet. Die jeweiligen räumlichen Daten in den entsprechenden Klassifizierungen werden dann die jeweiligen Evakuierungsgeschwindigkeiten bzw. Reduzierungsfaktoren (vgl. Tabellen 1 bis 4) zugewiesen und gehen in die weiteren Berechnungen ein.
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Lage und Ausprägung von kritischen Einrichtungen:
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Kritische Einrichtungen wie z.B. Schulen und Krankenhäuser weisen spezifische Eigenschaften hinsichtlich des Evakuierungsverhaltens auf. Gebiete mit einer hohen Dichte an kritischen Einrichtungen sind demnach in Ihren Evakuierungsverhalten limitiert. Je nach Dichte (Anzahl Einrichtungen pro Hektar) der Einrichtungen kann die jeweilige potentielle Evakuierungsgeschwindigkeit reduziert werden (z.B. mittels eines Faktors zwischen 0 und 100 Prozent).
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Tabelle 1 zeit ein Parametrisierungsbeispiel zum Einfluss der Dichte kritischer Einrichtungen auf die Evakuierungsgeschwindigkeit. Hierbei bedeuten „PS“ Schule und „KiGa“ Kindergarten. Der Reduzierungsfaktor richtet sich insgesamt danach, ob in einem Gebiet Krankenhäuser sind oder nicht. Bei einer Dichte der Krankenhäuser pro Hektar gleich null ergibt sich der Reduzierungsfaktor nach der mittleren Spalte („kein Krankenhaus“), bei einer Krankenhausdichte größer null nach der rechten Spalte („Dichte > 0 Krankenhäuser./ha“).
Tabelle 1
| Kein Krankenhaus | Dichte > 0 Krankenhaus/ha |
kein PS / KiGa | 100 | 50 |
Dichte bis zu 0.01 KiGa + PS/ha | 100 | 50 |
Dichte bis zu 0.03 KiGa + PS/ha | 70 | 45 |
Dichte > 0.03 KiGa + PS/ha | 50 | 40 |
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Bevölkerungsverteilung und demographische Faktoren:
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Aus zur Verfügung stehenden Daten zur Bevölkerungsverteilung können spezifische Dichteklassen (Menschen pro ha) abgeleitet werden. Diesen können basierend auf empirischen Studien charakteristische Evakuierungsgeschwindigkeiten zugrunde gelegt werden. Tabelle 2 zeigt ein Parametrisierungsbeispiel.
Tabelle 2
Bevölkerungsdichte [per ha] | Geschwindigkeit [m/s] |
0 - 2.5 | 3.0 |
2.5 - 7.5 | 1.2 |
> 7.5 | 0.7 |
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In 7 ist beispielhaft eine Geschwindigkeitsverteilung hinsichtlich der Bevölkerungsdichte räumlich dargestellt.
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Neben der Bevölkerungsdichte kann die Alters- und Geschlechtsverteilung einen Einfluss auf die potentielle Evakuierungsgeschwindigkeit aufweisen. Basierend auf empirischen Studien sowie auf räumlich aufgelösten Daten zur Alters- und Geschlechtsverteilung können spezifischen Alters- sowie Geschlechtsverteilungsklassen jeweilige Evakuierungsgeschwindigkeiten zugeordnet werden.
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Topographie:
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Es kann ein eindeutiger Bezug zwischen Hangneigung (Topographie) sowie Evakuierungsgeschwindigkeit hergeleitet werden. Je stärker die Hangneigung desto geringer die Evakuierungsgeschwindigkeit. Diese kann in der Analyse durch einen Reduktionsfaktor berücksichtigt werden.
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Tabelle 3 zeigt ein Parametrisierungsbeispiel zum Einfluss der Hangneigung als Reduktionsfaktor (Kosten) auf die Evakuierungsgeschwindigkeit.
Tabelle 3
Hangneigung [Winkel] | Hangneigung [%] | Kosten |
0 | 0 | 100 |
0-5 | 0-8.75 | 94 |
5-15 | 8.75 - 26.8 | 88 |
15 - 30 | 26.8 - 57.75 | 73 |
30 - 45 | 57.75 -100 | 46 |
> 45 | >100 | 20 |
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Landnutzung:
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Die Landnutung / Landbedeckung kann ebenfalls die Evakuierungsgeschwindigkeit hemmen. So kann eine Evakuierung auf einer Strasse schneller als durch dichten Wald erfolgen. Dieser Reduktionseffekt der Landbedeckung kann durch Reduktionsfaktoren berücksichtigt werden. Tabelle 4 zeigt ein Parametrisierungsbeispiel zum Einfluss der Landbedeckung als Reduktionsfaktor (Kosten) auf die Evakuierungsgeschwindigkeit.
Tabelle 4
Kosten | Klassifizierung der Flächennutzung |
1 | Weiher; Kanal; Sumpf, See, Mangroven, Fluss; Wasserfläche, Moorgebieet; Torfgebieet |
40 | Dichtes Pflanzenwachstum, Wald, Primärwald; Sekundärwald |
50 | Reisfeld, , Bodensenkung, Hafen, Strauch; sonstiges Pflanzenwachstum, sonstiges; unbekannt, Wolken |
60 | landwirtschaftliche Fläche, Ackerbau, Ernte, Erntefläche; Plantaqe |
80 | Fußweq; Pfad |
90 | Sand; Strand; Nebenstraße; Sonstige Straße; nicht-klassifizierte Straße |
95 | Offenes Gelände, Grasfläche |
100 | Hauptstraße; Brücke; Fernstraße |
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Basierend auf den räumlich aufgelösten Reduzierungsfaktoren, den Geschwindigkeitsverteilungen sowie der Lage der Eintrittspunkte kann nun die inverse Geschwindigkeit errechnet werden, wie in 8 beispielhaft dargestellt ist. Diese kann benutzt werden, um über einen „Inverse-Distance-Weighting“-Ansatz beispielsweise mit Hilfe eines Geographischen Informationssystems eine räumliche aufgelöste Quantifizierung der Zeit zu erhalten, die man von einem beliebigen Ort in der Gefahrenzone zu einem sicheren Gebiet benötigt. Das Geographische Informationssystem enthält hierfür beispielsweise Landnutzungs-, Bevölkerungs- und Topographiedaten sowie Daten über kritische Einrichtungen und eine Alters- und Geschlechterverteilung 810. Über sogenannte Reklassifizierungsparameter 820 erhält man die zugeordneten Kosten 830.
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Der vorgenannte Distance-Weighting Ansatz kann mathematisch beispielsweise wie folgt ausgedrückt werden:
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Ein Cost-Distance-Algorithmus 850 kann von jedem Punkt den bestmöglichen Weg zu einem Eintrittspunkt berechnen 860. Über diese Distanz bzw. Strecke und einem Datensatz, der die inverse Geschwindigkeit anzeigt, kann die benötigte Zeit errechnet werden 870. 9 zeigt beispielhaft eine inverse Geschwindigkeitsverteilung für das beispielhafte Gebiet aus 7.
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Angenommene Ankunftszeit eines Ereignisses:
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Aus einem vorberechneten Satz von Szenarien kann für jedes Warnsegment (im Sinne einer kleinsten warnbaren Einheit bezüglich eines Wamprozesses) die mittlere und minimale Ankunftszeit einer Auswirkung eines Ereignisses bestimmt werden. Beispielsweise kann diese Zeit in Minuten die maximal zur Verfügung stehende Zeit zur Evakuierung der Menschen oder Güter darstellen, die sogenannte Reaktionszeit. Da man für jeden Landpunkt die notwendige Evakuierungszeit errechnet hat, kann man nun für bestimmte Zeitscheiben bis zur mittleren erwarteten Ankunftszeit die Fläche angeben, in der die Evakuierungszeit nicht ausreicht.
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10 zeigt hierzu ein Beispiel. Die dunkel gekennzeichnete Fläche weist das Gebiet aus, in dem die dort lebende Bevölkerung keine Möglichkeit hat, in der zur Verfügung stehenden Zeit ein sicheres Gebiet zu erreichen. Als helle Fläche ist gekennzeichnet wo dies potentiell möglich ist.
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Errechnung der entscheidungsrelevanten Kosten:
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Mit Hilfe von Bevölkerungsdaten kann nun die Anzahl der Menschen in der jeweiligen Fläche errechnet werden. Für ein gegebenes Raumelement sowie verschiedene Zeitscheiben kann nun der zeitliche Verlauf der Zunahme der Personenanzahl dargestellt werden, die ein sicheres Gebiet nicht mehr erreichen können und somit direkt von der Auswirkung eines Ereignisses betroffen sind. Exemplarisch ist dies in 11 dargestellt.
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Technische Umsetzung am Beispiel eines Tsunamifrühwarnsystems:
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Die Quantifizierung der Zunahme betroffener Menschen in Abhängigkeit der response Zeit stellt eine wichtige Entscheidungsgröße im Frühwarnprozess dar. Dies fließt als Kostenfaktor in den Entscheidungsunterstüzungsprozess ein.
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In 12 ist beispielhaft zu sehen, wie in der „Decision Perspective“ (der Anzeige, in der alle warnentscheidungsrelevanten Informationen und Handlungsvorschläge zusammengefasst werden) des Tsunami-Entscheidungsunterstützungssystems (GITEWS DSS) Risikoinformationen eingebettet sind und sowohl dem System bei der technischen Ermittlung optimaler Entscheidungsvorschläge als auch bei der Darstellung derselben nutzbar gemacht werden können.
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Die Erfassung der Kosten stellt dann eine wichtige Entscheidungsgrundlage im Frühwamprozess bei der Tradeoff-Abschätzung „Warten auf nächste Observation“ versus „früher warnen“ dar, die sogar auf Wamsegmentebene individuell erfolgen kann und der Heterogenität der Warnsegmente Rechnung trägt.
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Ein Entscheidungsunterstützungssystem wie beispielsweise das GITEWS DSS kann die oben beschriebenen Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung nutzen, um in einer gegebenen Lage individuell je Warnsegment zu ermitteln, wann der späteste Warnzeitpunkt ist, der einen Mindestevakuierungsgrad aus einem fallspezifisch oder allgemein bestimmten Evakuierungsgebiet gewährleistet (Rückwärtsnutzung). Die hierbei zu definierenden Schwellwerte können anwendungsfallspezifisch festzulegt werden (z.B. mind. X % der Bevölkerung, max. X % oder X Nichtevakuierte, etc.).
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Das GITEWS DSS wird damit in die Lage versetzt, für schneller evakuierbare Warnsegmente eine Warnmeldung ggf. später und damit auf Basis weiterer oder besserer Sensor- oder Lageinformation zu versenden, wodurch sich auch die Fehlalarmrate und damit die Fehlalarmkosten (Schäden, Verletzte oder Tote durch die Evakuierung an sich) senken lässt.
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In einer Vorwärtsnutzung kann ein DSS das neue Verfahren nutzen, um bei gegebenem Lagebild (und geschätzten Hazard-Ankunftszeiten in den Wamsegmenten) und gegebenen (oder angenommenen) Warnzeitpunkten die Response abzuschätzen (wie sieht die Response aus, wie viele Menschen können bis wann aus welchem Gebiet evakuiert werden etc.).
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Wie oben beschrieben kann die Kostenfunktion auf ein Warnsegment bezogen werden, welches im Rahmen des Wamprozesses als kleinste adressierbare/warnbare Einheit gesehen wird. Das Verfahren erlaubt es jedoch auch, die Kostenfunktion auch für beliebige andere räumliche Einheiten zu ermitteln, wenn dies erforderlich ist.
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Die beschriebenen Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung können ferner dazu genutzt werden, bei gegebenem Beurteilungsgebiet sowie gegebener Evakuierungszeit und ggf. für eine gegebene Zahl an gefährdeten Menschen das Gefährdungsgebiet dynamisch zu ermitteln. Dies kann zur Lösung des technischen Problems genutzt werden, ohne entsprechende Echtzeitinformationen aus den gefährdeten Gebieten eine Gefährdungsabschätzung zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. der Echtzeit) abzuleiten.
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13 zeigt Zeitkomponenten in einer Wamkette und ihre Darstellung auf einer Zeitachse 1310. Eine IDT (Institutional Decision Time) bedingt die Zeit der Sensorerfassung des Ereignisses bis zum „Drücken des Warnknopfes“. Die INT (Institutional Notification Time) ist die Zeit, die das Signal braucht, bis die Warndisseminierungsgeräte die Bevölkerung benachrichtigen. Während die IDT nicht weiter unterteilt wird, kann die INT räumlich und in Abhängigkeit der verwendeten Wamtechnologien (Sirenen, Lautsprecher, Radio, SMS, TV usw.) differenziert werden. Die Reaktionszeit ist räumlich verteilt, da sie von soziologischen und anderen Eigenschaften abhängt, die aber schwer zu quantifizieren sind. Derzeit wird im oben beschriebenen Verfahren nur zwischen einer guten, mittleren und schlechten Reaktionszeit unterschieden, kann aber bei Vorliegen detaillierterer Daten genauer modelliert werden.
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Im konkreten Fall der Tsunamifrühwarnung in Indonesien werden derzeit 5 Minuten für IDT und 3 Minuten für INT angenommen; die derzeitige Annahme RT = 0 Minuten (aller Menschen reagieren direkt und richtig) ist noch anzupassen.
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Wenn die ETA und der Warnzeitpunkt gegeben sind, hängt die Response time nur noch von der Reaktionszeit der Menschen ab. Nimmt man eine direkte Reaktion (RT = 0 Minuten) an, so kann man die Fläche 1320 eingrenzen, wo die vorberechnete Evakuierungszeit (ET) > RsT ist. Diese Fläche kann nach dem oben beschriebenen Verfahren dynamisch ermittelt werden. Somit hätte man auch zu jedem möglichen Warnzeitpunkt die Beschreibung der Fläche 1330, wo die Bevölkerung verbleibt und nicht evakuieren kann. Die Summierung der Bevölkerung in dieser Fläche ergibt Anzahl, die absolut oder relativ dargestellt werden kann.
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Die auf Basis des Phasenmodells durchzuführende Rechnung kann angewendet werden, um von der Warnauslösungszeit oder der Warnsignalauslösungszeit auf den Start der Evakuierungszeit zu kommen oder umgekehrt.
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Die vorliegende Erfindung wurde anhand der bevorzugten Ausführungsform mit Verweis auf die Figuren erläutert. Der Fachmann erkennt jedoch, dass diverse Modifizierungen, Variationen und Verbesserungen der vorliegenden Erfindung im Lichte der obigen technischen Lehren und innerhalb des Bereichs der angefügten Patentansprüche möglich ist, ohne von dem Grundgedanken und dem beabsichtigten Schutzbereich der Erfindung abzuweichen. Ferner wurden jene Bereiche, von denen angenommen wird, dass der Fachmann damit vertraut ist, hierin nicht beschrieben, um die hierin beschriebene Erfindung nicht unnötig zu verdunkeln. Daher ist die Erfindung nicht als durch die speziellen anschaulichen Ausführungsformen eingeschränkt zu betrachten, sondern lediglich durch den Bereich der angefügten Patentansprüche.