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Die Erfindung betrifft ein Herstellverfahren für Verbundbauteile mit mindestens zwei Komponenten gemäß des ersten Patentanspruchs.
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Verbundbauteile der eingangs genannten Art sind Bauteile, die sich aus mindestens zwei Komponenten zusammensetzen. Diese Verbundbauteile schließen Bauteile mit ein, bei denen mindestens eine Komponente teilweise oder ganz formschlüssig von mindestens einer anderen Komponente umschlossen ist und eine Zerlegung ohne eine Zerstörung oder Verformung mindestens einer der Komponenten nicht möglich ist. Verbundbauteile umfassen ausdrücklich auch Halbzeuge mit mindestens zwei Komponenten, bei deren weiteren Bearbeitung mindestens eine der Komponente aus dem Verbund mit den anderen Komponenten vorzugsweise thermisch oder chemisch herausgelöst wird.
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DE 10 2005 043 772 A1 offenbart beispielhaft ein Zweikomponentenspritzgießen für die Herstellung von Mikrobauteilen als Verbundbauteile, jedoch einschränkend nur aus spritzgussfähigen, d. h. nicht sehr temperaturbeständigen Materialien. Alternativ lassen sich mit einer metallischen oder keramischen Spritzgussmasse, umfassend ein metallisches oder keramisches Pulver in einem spritzgussfähigen Bindemittel Grünlinge für metallische oder keramische Formkörper herstellen. Die Auslegung des Verfahrensablaufs ist jedoch sehr aufwendig, wobei ein Sinterschwund sowie sich bei der Sinterung bildende stoffliche Verbindungen den Anwendungsbereich erheblich einschränken.
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Ferner offenbart die
DE 198 58 531 C1 ein Verfahren zur Herstellung eines hochpräzisen keramischen oder metallischen Bauteils. Dabei kommt ein Einlegeteil mit einer geringen thermischen Ausdehnung zum Einsatz. Dieses wird als Füllkörper oder Kern in eine Spritzgussform eingelegt und von einer Spritzgussmasse umgossen. Die geringe thermische Ausdehnung des Einlegeteils verspricht Schwindungseffekte im Bauteil beim Spritzgießen und verbessert damit deren Reproduzierbarkeit und Genauigkeit.
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Die genannten Verfahren eignen sich jedoch nicht für eine Herstellung von Verbundbauteilen mit unterschiedlichen Materialien. Die vorgenannten Einlegeteile dienen lediglich der Schaffung von Kavitäten in einem ansonsten einstückigen Bauteil aus einem Material. Insbesondere spritzgegossene Metalle erfordern bei der Verarbeitung erhöhte Temperaturen, was nicht nur nennenswerte Schwindungen bewirkt, sondern auch die Kombinationsmöglichkeiten zum Einlegeteil erheblich einschränkt. Auch eine Verbindung ungleicher Materialpaarungen wie Keramik und Metalle ist aufgrund unterschiedlicher Verarbeitungsbedingungen, insbesondere bei einer Sinterung nicht oder nur in Einzelfällen möglich.
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Aus der
DE 197 46 871 C2 ist eine Fügeverfahren bekannt welches das Verbinden wenigstens zweier dreidimensionaler Funktionsteile, durch galvanisches abscheiden beschreibt. Hier wird jedoch nur eine stoffschlüssige Verbindung erreicht und beschreibt nicht die Herstellung einer Verbindung wenigstens zweier Komponenten die zueinander ein Relativbewegung (Gleiten) ausführen können.
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Ausgehend davon liegt die Aufgabe der Erfindung darin, ein Herstellverfahren für Verbundbauteile mit mindestens zwei Komponenten vorzuschlagen, das sich insbesondere für die formtreue Herstellung von Mikrostrukturen und Mikrokomponenten besonders für rotierende Anwendungen eignet und die vorgenannten Einschränkungen nicht aufweist.
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruch 1 gelöst. Die auf diesen rückbezogene Unteransprüche geben vorteilhafte Ausführungsformen des Verfahrens wieder.
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Die Lösung umfasst ein Herstellverfahren für Verbundbauteile mit mindestens zwei Komponenten. Wesentlich ist, dass eine zweite Komponente aus einer Keramik oder einem Metalls elektrophoretisch oder galvanisch um eine erste Komponente abgeschieden wird. Dies erfolgt vorzugsweise in einer Negativform, in der zunächst die erste Komponente eingelegt und von der zweiten Komponente bei der Abscheidung formschlüssig umwachsen wird.
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Für die elektrophoretische oder galvanische Abscheidung der zweiten Komponente ist eine Elektrode erforderlich. Eine Ausführung sieht eine erste Komponente mit elektrisch leitfähiger Oberfläche als Elektrode für die elektrophoretische oder galvanische Abscheidung vor. Die Oberfläche wird entweder durch das Material der ersten Komponente oder bevorzugt durch eine elektrisch leitfähige Beschichtung gebildet. Die Abscheidung der zweiten Komponente beginnt dann in vorteilhafter Weise direkt an der Materialübergangsfläche zur ersten Komponente und begünstigt damit nicht nur eine gleiche Gefügeausbildung in diesem Bereich der zweiten Komponente, sondern verringert in diesem Bereich auch die Entstehung von Gefügeeinschlüssen und Hohlräumen. Ein besonderer Vorteil besteht insbesondere bei einer galvanischen Abscheidung außerdem in der Ausbildung eines homogenen, fehlerarmen und sehr feinkörnigen Gefüges und damit von guten mechanischen Eigenschaften, insbesondere einer hohen Festigkeit und Zähigkeit direkt an der Materialübergangsfläche in der zweiten Komponente. Die Gefahr eines Versagens der zweiten Komponente z. B. durch Belastungsbruch ausgehend von der Materialübergangsfläche wird hierdurch signifikant reduziert.
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Eine weitere Ausführung sieht mindestens eine Elektrodenfläche alternativ oder ergänzend in einer Negativform für die Abscheidung vor, vorzugsweise im Bodenbereich gegenüber der offenen Seite der Negativform. Vorzugsweise dient der Bodenbereich als Substrat, auf das Kunststoffstrukturen vorzugsweise als seitliche Wandungen der Negativform orthogonal aufgesetzt sind.
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Eine Materialübergangsfläche ist als formschlüssige oder stoffschlüssige Verbindung oder als Gleitfläche zwischen zwei Komponenten eines Verbundbauteils konzipierbar. Eine Gleitfläche setzt eine Geometrie der Materialübergangsfläche voraus, die eine Gleitbewegung nicht formschlüssig behindert. Geeignet sind beispielsweise um einen Punkt oder eine Achse rotierbare Mantelflächen wie z. B. Kugelführungen oder Rotationskörperflächen oder -teilkörperflächen wie z. B. Zylinder, Kegelflächen, Kugelsegmente oder ebene Scheiben. Eine bevorzugte Ausführungsform sieht dabei vor, die Gleitfläche (Materialübergangsfläche) auf der ersten Komponente zu beschichten und die zweite Komponente erst anschließend auf der Beschichtung abzuscheiden. Die Gleitbeschichtung besteht vorzugsweise aus einem Teflon, Graphit oder Fluorkunststoffen. Eine Gleitbeschichtung aus Metall z. B. Aluminium, Kupfer, Nickel(-legierungen), Titan(-legierungen) ist zudem in vorteilhafter Weise als Elektrode für eine galvanische oder elektrophoretische Abscheidung nutzbar. Zur Einstellung einer Spielpassung auf der Gleitfläche ist es zudem vorteilhaft, eine nach der Abscheidung thermisch oder bevorzugt chemisch entfernbare Beschichtung vorzusehen, beispielsweise aus Wachs oder einem Polyoxyethylen (POM). Durch die Beschichtungsdicke ist das Passungsspiel einstellbar.
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Das dargestellte Verfahren macht es möglich, dreidimensionale Mikrobauteile mit höchsten Oberflächenqualitäten ohne komplizierte Montageschritte, Fertigungsverfahren oder Verklebungen herzustellen. Dabei sind bewegliche Kombinationen aus Metall mit Metall, Metall mit Keramik und/oder Keramik mit Keramik herstellbar.
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Weitere Vorteile liegen in dem hier vorgestellten Verfahren in den Abbildungsgenauigkeiten der Galvanik, und im Fall der Elektrophorese in der Verwendung von kleineren Pulverpartikeln. Das Verfahren eignet sich besonders für die Herstellung von Verbundbauteilen in der Mikrosystemtechnik. Da das Verfahren im Falle einer galvanischen Abscheidung um eine keramische oder metallische Komponente grundsätzlich ohne thermische Prozesse auskommt, bestehen gegenüber bekannten Verfahren praktisch keine Einschränkungen bei der Kombination eines metallischen mit einem keramischen Werkstoff. Außerdem kommt das Verfahren vorteilhaft mit einer reduzierten Anzahl von Fertigungsschritten aus, was eine wirtschaftliche Fertigung vor allem von Mikrobauteilen begünstigt.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Ausführungsbeispielen mit Figuren näher erläutert. Es zeigen
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1a und b beispielhaft eine Schnittdarstellung einer Negativform (a) für die Herstellung von rotierenden Teilen (b) wie Zahnräder,
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2 beispielhaft eine Schnittdarstellung einer Negativform für die Herstellung von schwenkbaren Kugelkopfführungen sowie
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3a bis g den prinzipiellen Verfahrensablauf für die Herstellung einer zweiseitigen Negativform sowie einer hierin abgeschiedenen Zahnraddoppel auf einer gemeinsamen Welle.
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Beispiel 1:
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1a repräsentiert den grundlegenden Verfahrensablauf zur Herstellung eines Verbundbauteils. Es zeigt eine Schnittdarstellung einer Negativform 1 für eine galvanische oder elektrophoretische Abscheidung mit einem elektrisch leitendem Substrat 2 und einer auf diesen aufgesetzten nicht elektrisch leitenden Struktur 3 (Kunststoffstruktur). In eine Aufnahme 4 im Substrat 2 ist eine Welle 5 als Einlegeteil (erste Komponente) eingesetzt. Das Mikrobauteil 6 (zweite Komponente) ist im Beispiel um die Welle rotationssymmetrisch, beispielsweise ein Zahnrad. Vorzugsweise erfolgt hierdurch ein Einbringen einer Keramikwelle in ein metallisches Zahnrad (vgl. 1b).
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Durch Materialauswahl, Oberflächenrauhigkeit oder Formgebung, wie eine Verzahnung, Nut oder Ecken der eingebrachten Welle 5 sind sowohl kraft- als auch stoffschlüssige Verbindungen zum Mikrobauteil 6 erstellbar. Wird das Substrat 2 und die Struktur 3 in jeweils einem Spritzgussschritt eines Zweikomponentenspritzgießprozesses zur Herstellung der Negativform 1 hergestellt, wird die Welle vorzugsweise als Einlegeteil in die Spritzgussform für das Substrat integriert.
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Bei einer galvanischen Abscheidung des Mikrobauteils 6 hat eine Keramikwelle als nicht leitende Struktur keinen Einfluss auf die Galvanoformung. Sie wird von dem Metall lediglich umwachsen. Nach der Galvanoformung werden Kunststoffstruktur und Substrat chemisch oder durch thermische Prozesse aufgelöst. Das metallische Zahnrad mit keramischer Welle ist vereinzelt (1b).
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Ein feinkörniger Gefügezustand im Mikrobauteil im Bereich der Welle ist durch eine Verwendung einer Welle mit elektrisch leitfähiger Oberfläche (Beschichtung oder elektrisch leitfähiges oder metallisches Wellenmaterial) als Elektrode für eine Abscheidung in bereits beschriebener Weise einstellbar und/oder optimierbar.
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Beispiel 2:
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Neben diesem Herstellverfahren von festen Verbindungen zwischen der Keramik und dem Metall sieht das Verfahren noch eine weitere Möglichkeit vor, bewegliche Verbindungen zu erstellen. 2 repräsentiert wie 1 einen Verfahrensablauf für die Herstellung eines Verbundbauteils, umfassend eine Bettung 7 (zweite Komponente) mit einem schwenkbar in diesem eingeformten Kugelelement 8 mit Hebel 9 (erste Komponente). Das Kugelelement wird durch eine nicht weiter dargestellte Vorrichtung in der Negativform für eine Abscheidung fixiert und von der galvanisch abgeschiedenen Bettung in vorgenannter Weise umwachsen. Eine optionale nicht weiter dargestellte Beschichtung wie z. B. eine Gleitbeschichtung oder eine Opferschicht auf dem Kugelelement verbessert die Schwenkbarkeit des Kugelelements nach Fertigstellung des Verbundbauteils (z. B. nach Herauslösung der Opferschicht). Die Beschichtung ist vorzugsweise aus einem nichtleitfähigen Material aufgebaut.
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Beispiel 3:
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3a bis f zeigen die Herstellung von Negativform mit beidseitig einer elektrisch leitfähigen Folie (Elektrode) angeordneten Negativformen für eine galvanische oder elektrophoretische Abscheidung von Mikrobauteilen wie im Beispiel von Zahnrädern. Dabei sind jeweils zwei Zahnräder auf einer gemeinsamen Welle beidseitig der als Elektrode dienende Folie positioniert.
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Ausgehend von einer Folie 10 (3a) mit zwei elektrisch leitfähigen Oberflächen (erste und zweite Seite 11 bzw. 12) und zwei Durchbrüchen 13 wird auf die erste Seite 11 ein mikrostrukturierter Formeinsatz 14, auf der zweiten Seite 12 ein flächig aufliegender Formeinsatz 15 aufgesetzt. Die Mikrostrukturen 16 des ersten Formeinsatzes 14 decken dabei die Durchbrüche 13 und einen Bereich der leitfähigen Folie ab.
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In einem ersten Spritzgießschritt werden die Mikrostrukturen 16 auf der ersten Seite mit einer Spritzgießmasse umspritzt; es entsteht auf der ersten Seite 11 der Folie ein die Mikrostrukturen umgebender erster Spritzgussformkörper 17 (3b).
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Darauf wird auf die zweite Seite 12 der Folie nach Entfernung des flächigen Formeinsatzes 15 ein weiterer (zweiter) mikrostrukturierter Formeinsatz 18 aufgesetzt, so dass auch hier die Mikrostrukturen die Durchbrüche 13 und einen Bereich der leitfähigen Folie abdecken. Im darauf folgenden zweiten Spritzgießschritt erfolgt eine Aufbringung eines zweiten Spritzgussformkörpers 19 um die Mikrostrukturen 16 des zweiten Formeinsatzes 18 (3c). Nach Entformen der Formeinsätze 14 und 17 entsteht eine beidseitig der Folie 10 strukturierte Form mit beidseitig offenen Durchbrüchen 13, in die Wellen 5 als Einsetzteile eingesetzt werden (3d) und damit die Negativformen für die Galvanoformung oder elektrophoretischen Abscheidung zweier Zahnräder mit Welle komplettiert.
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3e und f geben perspektivisch einen Ausschnitt um eine der beiden Wellen 5 der in 3d dargestellten Negativform wieder, wobei 3e den Verfahrensstand gem. 3d darstellt.
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Nach der anschließenden galvanischen oder elektrophoretischen Abscheidung von zwei Zahnrädern 20 und 21 auf der Welle 5 in den Negativformen beidseitig der Folie 10 (3f) erfolgt eine chemische und/oder thermische Entfernung der Spritzgussformkörper 17 und 19 sowie der Folie 10 von der Welle 25 mit den abgeschiedenen Zahnrädern 20 und 21 (3g).
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Weitere Beispiele:
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Eine weitere Verfahrensvariante sieht ein Einbringen der erste mikrostrukturierte Komponente während der Galvanoformung vor, wobei die Mikrostrukturen bereits vor dem Einbringen eine galvanisch aufgebrachte Beschichtung aufweist, die die Mikrostrukturen ausfüllt. Im Galvanoformungsbad erfolgt eine weitere Umwachsung der ersten Komponente.
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Für alle Verfahrensvarianten gilt, dass anstatt der Keramik auch ein metallisches Mikrobauteil als nicht elektrisch leitende erste Komponente eingebracht werden kann, indem es zuvor mit einer nicht leitfähigen Schicht versehen wird. Auch bei einer Elektrophorese zur Abscheidung der zweiten Komponente ist dieses Verfahren möglich, wobei hier Materialien Anwendung finden müssen, die im folgenden Entbinderungs- und Sinterschritt ihre Bauteilform nicht verlieren dürfen.
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Ferner sind auch ungesinterte Grünkörper, d. h. Formkörper aus einem sinterfähigen Metall oder Keramik mit einem Bindemittel als erste Komponente für eine Elektrophorese oder Membran-EPD einsetzbar. Diese werden dann gemeinsam mit der zweiten Komponente einer gemeinsamen Sinterung zugeführt. Diese Vorgehensweise ist beispielsweise bei der Herstellung von Verbundbauteilen mit mehreren Komponenten gleichen oder ähnlichen Materials, jedoch unterschiedlicher Dichte und/oder Gefügestruktur sinnvoll.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Negativform
- 2
- Substrat
- 3
- Struktur
- 4
- Aufnahme
- 5
- Welle
- 6
- Mikrobauteil
- 7
- Bettung
- 8
- Kugelelement
- 9
- Hebel
- 10
- Folie
- 11
- erste Seite
- 12
- zweite Seite
- 13
- Durchbruch
- 14
- erster Formeinsatz
- 15
- flächig aufliegender Formeinsatz
- 16
- Mikrostruktur
- 17
- erster Spritzgussformkörper
- 18
- zweiter Formeinsatz
- 19
- zweiter Spritzgussformkörper
- 20
- Zahnrad auf erster Seite
- 21
- Zahnrad auf zweiter Seite