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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Fehlererkennung in einem industriellen Prozess. Die Erfindung kann beispielsweise bei der Prozessüberwachung von industriellen Anlagen, wie z. B. Walzstraßen, verwendet werden.
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Aus der
WO 03/107 103 A1 ist ein on-line Optimierungsverfahren für Produktionsprozesse bekannt, bei welchem ein dynamisches Prozessmodell zeitabhängige Relationen zwischen manipulierten Variablen für Prozessabschnitte und Prozessausgangsvariablen einschließt, wobei unter Verwendung der gemessenen Prozessausgangsvariablen ein anfänglicher Zustand abgeschätzt wird.
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Aus der
DE 697 17 987 T2 sind eine Methode und eine Vorrichtung zur Simulation von dynamischen und stationären Prädiktions-, Regelungs- und Optimierungsverfahren bekannt. Anhand einer empfangenen Prozesseingangsgröße wird eine Ausgangsgröße der Prozessanlage vorhergesagt. Dabei erfolgt ein Modellieren sowohl des statischen als auch des dynamischen Betriebs der Anlage. Ein dynamischer Verstärkungsfaktor des dynamischen Vorhersagemodells wird verändert/angepasst.
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Im Bereich der Diagnose technischer Systeme können allgemein die ”signalbasierte Diagnose” und die ”modellbasierte Diagnose” unterschieden werden.
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In der ”signalbasierten Diagnose” wird ein Messsignal bezüglich des Überschreitens einer kritischen Schranke überwacht, beispielsweise ist ein Fehleralarm auszulösen, wenn der Füllstand eines Behälters eine maximale Höhe überschreitet. Mit Hilfe dieser Art der Prozessüberwachung auf Basis der statischen Betrachtung von Signalen können nur einfache Fehlerfälle erkannt werden. Die gleichzeitige Bewertung von mehreren Signalen ist für eine Diagnose (z. B. durch Kreuzkorrelation) nur schwierig anwendbar.
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In der ”modellbasierten Diagnose” wird ein dynamisches Modell des Prozesses verwendet, um den Zusammenhang zwischen den Eingangsgrößen u und den Ausgangsgrößen y zu überprüfen, wie in 1 skizziert, wobei f die auftretenden Fehler bezeichnet. Diese Art von Diagnose, z. B. in Form einer Residuenauswertung (Merkmalauswertung), ist dank der inneren (analytischen) Redundanz, die sehr häufig in physikalischen Systemen vorkommt, möglich.
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Bei einer besonderen Form der ”modellbasierten Diagnose”, der ”konsistenzbasierten Diagnose”, wird überprüft, ob ein Zustand x des gegebenen Modells existiert, der für den gemessenen Eingang u den gemessenen Ausgang y generieren kann. Eine Diagnoseaufgabe beruht also auf einer Zustandsbeobachtung (Beobachtung im regelungstechnischen Sinne der Zustandsrekonstruktion).
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Bei der ”modellbasierten Diagnose” werden immer Messsignale der Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen zusammen mit einem Prozessmodell verglichen. Bei der Anwendung auf eine reale Anlage wird das Diagnoseverfahren jedoch mit Messsignalen ausgeführt, deren Wert auf Grund von Messfehlern (Offsets, Drifts) und Messrauschen nie genau bekannt ist. Zusätzlich zu den Messunsicherheiten treten weitere Unsicherheiten in dem verwendeten Modell des Prozesses auf:
- • einige Parameter sind nicht genau bekannt,
- • die Struktur des Systems wurde bei der Modellbildung approximiert oder
- • nichtlineare Effekte wurden vernachlässigt.
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Diese Unsicherheiten, die bei der Implementierung des Diagnoseverfahrens unvermeidbar auftreten, stellen eine schwierige aber notwendige Voraussetzung (Forderung) an die Robustheit für die Diagnoseaufgabe dar. Ohne eine gewisse Robustheit werden viele falsche Fehleralarme generiert und/oder viele Fehler gar nicht erkannt.
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Selbst wenn ein Verfahren zur Fehlererkennung und -diagnose erweitert wird, um solche reale Prozessbedingungen zu berücksichtigen (z. B. die Residuenauswertung benutzt einen Schwellwert größer als Null oder sogar einen adaptiven Schwellwert) ist es immer noch schwierig, die bekannte Information über die Maße (Ausmaße) der Unsicherheit direkt in einer Anpassung des Diagnoseverfahrens umzuwandeln.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein dynamisch optimiertes Verfahren zur Fehlererkennung in einem industriellen Prozess anzugeben.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zur Fehlererkennung in einem industriellen Prozess mit Hilfe eines Intervallbeobachters,
- a) wobei aus einer Menge an möglichen Zuständen X[k] zu einem Zeitschritt k, einer Zustände x[k] , x[k + 1] des Prozesses beschreibenden ersten Zustandsgleichung x[k + 1] = Ax[k] + Bu[k] eines dynamischen Prozessmodells und einer in einem Eingangsintervall U[k] gemessenen Eingangsgröße u[k] die mögliche Zustandsmenge Xk+1|k für den nächsten Zeitschritt k + 1 berechnet wird,
- b) wobei beim nächsten Zeitschritt k + 1 die Ausgangsgröße in einem Ausgangsintervalls Y[k + 1] gemessen wird, mit deren Hilfe mittels einer zweiten Zustandsgleichung y[k + 1] = Cx[k + 1] des dynamischen Prozessmodells die Zustandsmenge Xm|k+1 aller derjenigen Zustände berechnet wird, welche die gemessene Ausgangsgröße y[k + 1] erzeugen können,
- c) wobei eine Schnittmenge Xk+1|k+1 = Xk+1|k ∩ Xm|k+1 der beiden berechneten Zustandsmengen Xk+1|k und Xm|k+1 berechnet wird,
- d) wobei die Schnittmenge Xk+1|k+1 durch eine größere Menge X ~k+1|k+1 approximiert wird, deren Form mathematisch einer Standardform entspricht, welche die gemäß c) erhaltene Schnittmenge umschließt,
- e) wobei bei Auftreten einer leeren Schnittmenge ein Fehler im Prozess detektiert ist und
- f) wobei A, B, C jeweils eine Matrix mit konstanten Werten sind, die es erlauben das dynamische Verhalten des betrachteten industriellen Prozesses über die Zustandsdifferentialgleichung und die Ausgangsgleichung wiederzugeben mit
A = Systemmatrix des Prozessmodells
B = Steuermatrix des Prozessmodells
C = Beobachtungsmatrix des Prozessmodells
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Die mit der Erfindung erzielbaren Vorteile bestehen insbesondere darin, dass die Möglichkeit eröffnet wird, aus den Messsignalverläufen von Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen das Auftreten eines Fehlers im laufenden Prozess zuverlässig und rasch zu erkennen. Das Verfahren ist sehr robust, d. h. auftretende Fehler werden sicher erkannt und die Erzeugung eines falschen Alarms wird zuverlässig verhindert.
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Weitere Vorteile sind aus der nachstehenden Beschreibung ersichtlich.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiele erläutert. Es zeigen:
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1 eine modellbasierte Diagnose,
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2a einen ersten Intervallbeobachtungsschritt: Anfangsmenge,
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2b einen zweiten Intervallbeobachtungsschritt: Prädiktion,
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2c einen dritten Intervallbeobachtungsschritt: Messung,
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2d einen vierten Intervallbeobachtungsschritt: Schnittmenge,
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3 die steigende Komplexität der zu beschreibenden Form der Schnittmenge, wenn keine Überschätzung der Zustandsmenge verwendet wird,
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4 eine Überschätzung der Zustandsmenge: Einschließung in einfacher Form,
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5 ein Beispiel des Abwicklers des Walzwerks,
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6a verwendete Signale für die Intervallbeobachtung an einem System zweiter Ordnung im fehlerfreien Fall: Eingang u,
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6b verwendete Signale für die Intervallbeobachtung an einem System zweiter Ordnung im fehlerfreien Fall: Ausgang y,
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7 Ergebnis der Intervallbeobachtung mit den Signalen aus 6a + b (fehlerfreier Fall),
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8a verwendete Signale für die Intervallbeobachtung mit Auftritt eines Fehlers: Eingang u,
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8b verwendete Signale für die intervallbeobachtung mit Auftritt eines Fehlers: Ausgang y,
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9 Ergebnis der Intervallbeobachtung mit den Signalen aus 8a + b (fehlerbehafteter Fall).
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Prinzipiell beruht das erfindungsgemäße Verfahren auf einem Intervallbeobachter, welcher zusammen mit einem konsistenzbasierten Ansatz benutzt wird, um eine robuste Prozessüberwachung zu gewährleisten.
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Beim Luenberger-Beobachter (linearer Störgrößen-Beobachter) wird ein eindeutiger Näherungswert x ^ für den inneren Zustand x berechnet, ohne Berücksichtigung der Güte der Messsignale. Hiermit ist überhaupt keine Information ermittelbar, wie groß die Abweichung vom tatsächlichen inneren Zustand x des Prozesses ist.
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Der Intervallbeobachter ist eine Verallgemeinerung des Luenberger-Beobachters, wobei Unsicherheiten bei der Messung der Ein- und Ausgänge berücksichtigt werden. Bei der Intervallbeobachtung werden Güteschranken für die Unsicherheit der Messsignale an genommen (z. B. Eingangsgröße u ist in der Schranke von ±4% und Ausgangsgröße y in der Schranke ±10% bekannt). Ähnliche Schranken beschreiben die Unsicherheiten der Modellparameter. Auf Grund dieser Unsicherheiten kann kein eindeutiger Zustand x ^ geschätzt werden. Vielmehr wird eine Menge von möglichen Zuständen X berechnet, die mit dem aktuellen Verhalten des Prozesses konsistent ist. Der Intervallbeobachter wird auch als Zustandsmengenbeobachter bezeichnet, im Gegensatz zum Luenberger-Beobachter.
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Nachstehend folgt eine allgemeine Beschreibung der Intervallbeobachtung:
Für die Beobachtung wird ein zeitdiskretes Prozessmodell für die Beschreibung des vorliegenden dynamischen Systems mit den Zustandsgleichungen (1) und (2) benötigt (Zustandsdifferentialgleichungen in diskretisierter Form): x[k + 1] = Ax[k] + Bu[k], (1) y[k + 1] = Cx[k + 1]. (2) wobei
- x
- = Zustandsvektor
- u
- = Eingangsvektor
- y
- = Ausgangsvektor
- k
- = Abtastzeitpunkt, Zeitschritt
- A
- = Systemmatrix des Prozessmodells
- B
- = Steuermatrix des Prozessmodells
- C
- = Beobachtungsmatrix des Prozessmodells
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Die eckigen Klammern kennzeichnen jeweils die Zeitdiskretisierung der Signale u, y, x usw.
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Der Figurenbeschreibung ist vorauszuschicken, dass in den 2a–d, 3 und 4 ein zweidimensionaler Fall (d. h. es werden zweidimensionale Zustandsvektoren betrachtet) gezeigt ist, d. h. die möglichen Zustände können jeweils durch zweidimensionale Zustandsvektoren x mit den Koordinaten x1, x2 dargestellt werden. Allgemein gilt das vorgeschlagene Verfahren selbstverständlich auch für höherdimensionale Fälle.
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Der Intervallbeobachter benutzt eine Anfangsmenge für den Zustand X[k] = Xk|k (initial guess) oder auch X[0], welche den wahren Anfangszustand x[k] oder auch x[0] beinhalten muss, siehe 2a. Kann keine Aussage über den wahren Anfangszustand getroffen werden, so wird die Anfangsmenge gleich dem gesamten Zustandsraum (ist gleich der unendlichen Menge aller möglichen Zustände) gesetzt.
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Bei der Betrachtung der Menge von möglichen Zuständen X sind stets Annahmen über die Güte der Messsignale berücksichtigt. Es sind
- • eu die angenommenen Unsicherheitsschranken (Messunsicherheit) der Eingangsmessungen (Koordinaten des Eingangsvektors) und
- • -ey die angenommenen Unsicherheitsschranken (Messunsicherheit) der Ausgangsmessungen (Koordinaten des Ausgangsvektors).
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Die Unsicherheitsschranken eu und ey sind ebenfalls Vektoren. Desgleichen können Unsicherheitsschranken eA, eB, eC der System-, Eingangs- und Ausgangsmatrizen angesetzt werden.
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In jedem Zeitschritt werden also die Messungen von u[k] und eu in Eingangsintervallen U[k] bzw. von y[k] und ey in Ausgangsintervallen Y[k] umgewandelt, die die wahren Werte der Ein- bzw. Ausgangssignale und den wahren Eingangsvektor bzw. den wahren Ausgangsvektor beinhalten.
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Das Ziel des Intervallbeobachters ist es also, aus dem dynamischen Prozessmodell und aus den Intervallmessungen die Menge aller Zustände X[k] zu berechnen, die für das jeweilige Eingangsintervall U[k] und Ausgangsintervall Y[k] möglich sind. Die Intervallbeobachtung beruht auf den folgenden vier Schritten:
- a) Prädiktion-Schritt (Vorhersage): Bei der Prädiktion wird aus der Anfangsmenge X[k] oder auch X[0], der Zustandsgleichung (1) und dem gemessenen Eingangsvektor u[k] im Eingangsintervall U[k] eine Schätzung der möglichen Menge der Zustände beim nächsten Zeitschritt k + 1 berechnet. Diese Menge der Zustände beim nächsten Zeitschritt wird als Xk+1|k bezeichnet, weil sie ausschließlich aus Informationen zum Zeitschritt k ermittelt wird, siehe 2b. Vorteilhaft lassen sich die Unsicherheiten im dynamischen Prozessmodell bereits während der Prädiktion berücksichtigen.
- b) Messung-Schritt (Measurement): Beim nächsten Zeitschritt k + 1 wird der Ausgangsvektor y[k + 1] des Ausgangsintervalls Y[k + 1] aus dem Prozess gemessen. Die zweite Zustandsgleichung oder auch Ausgabegleichung (2) ermöglicht dann die Beschreibung aller Zustände x[k + 1], die diesen gemessenen Ausgangsvektor (gemessene Ausgabe) generieren können. Diese Menge wird als Xm|k+1 bezeichnet (”m” für ”measurement”), siehe 2c.
- c) Schnittmenge (Intersection): Aus dem obengenannten Prädiktions-Schritt a) und dem Messung-Schritt b) sind nunmehr zwei unabhängige Schätzungen Xk+1|k und Xm|k+1 der möglichen Zustandsmenge zum Zeitschritt k + 1 ermittelt. Die beste Schätzung der Zustandsmenge berechnet sich aus der Schnittmenge Xk+1|k+1 dieser beiden Schätzungen – siehe 2c und 2d: Xk+1|k+1 = Xk+1|k ∩ Xm|k+1. Da die Komplexität der mathematischen Beschreibung dieser Messung mit zunehmendem Zeitschritt k ständig ansteigen würde – siehe Beispiel in 3 mit nach mehreren Zeitschritten auftretender und mathematisch kompliziert zu berechnender Schnittmenge X, wird ein vierter Schritt in der Intervallbeobachtung eingeführt, um eine rechentechnische Erleichterung zu realisieren:
- d) Überschätzung (Overbounding): Wie in 4 zu erkennen ist, werden hinsichtlich der Schnittmenge Xk+1|k+1 sowohl Minimalwert x1a als auch Maximalwert x1b bezüglich der Koordinate x1 und sowohl Minimalwert x2a als auch Maximalwert x2b bezüglich der Koordinate x2 ermittelt. Die vier Punkte mit den Koordinaten x1a/x2a, x1a/x2b, x1b/x2a, x1b/x2b stellen nun die Eckpunkte eines die Überschätzung definierenden Rechtecks dar, welches die Schnittmenge Xk+1|k+1 umschließt. Die Schätzung der Zustandsmenge Xk+1|k+1 wird demnach durch eine zwar größere Menge approximiert, deren Form aber mathematisch einfacher zu beschreiben ist. Mit anderen Worten wird die kleinste mathematische, rechteckförmige Standardform gewählt, welche die gemäß c) erhaltene Schnittmenge beinhaltet. Damit wird nach jedem Schritt der Intervallbeobachtung die rechentechnische Realisierung vorteilhaft auf gleichem Niveau gehalten, d. h. die zu beschreibende Zustandsmenge ist bei unterschiedlichen Zeitschritten stets gleich kompliziert. Die Auswahl der Form für die Überschätzung ist ein sehr wichtiger Teil des Algorithmus, um den Verlust an Beobachtungsgenauigkeit zu minimieren. Es werden lineare Matrizenungleichungen ”LMI” (Linear Matrix Inegualities) genutzt, da diese eine hohe Flexibilität der Einschließungsform bei geringer mathematischer Komplexität bieten.
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Der Schritt von der Intervallbeobachtung zur Prozessdiagnose ergibt sich dadurch, dass, sobald die Schnittmenge leer wird Xk+1|k+1 = {⌀}, es keinerlei Zustand x[k + 1] gibt, der das Verhaften der Anlage zum Zeitschritt k + 1 beschreiben kann. Es wird damit eindeutig, dass die reale Anlage sich nicht wie ihr durch die Zustandsgleichungen (1) und (2) beschriebenes Prozessmodell verhält: Ein Fehler f ist aufgetreten. Um eine genaue Aussage übenden Fehler f treffen zu können, werden zweckmäßig mehrere Fehlermodelle des Prozesses für die Erfassung unterschiedlicher Fehlerfälle f = {0, 1, 2, ...} modelliert:
erstes Fehlermodell x[k + 1] = Af1x[k] + Bf1u[k] Y[k + 1] = Cf1x[k + 1], zweites Fehlermodell x[k + 1] = Af2x[k] + Bf2u[k] Y[k + 1] = Gf2x[k + 1] usw., wobei
- Af1, Af2 ...
- = Systemmatrix, modelliert für einen bestimmten Fehlerfall
- Bf1, Bf2 ...
- = Steuermatrix, modelliert für einen bestimmten Fehlerfall
- Cf1, Cf2 ...
- = Beobachtungsmatrix, modelliert für einen bestimmten Fehlerfall
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Ein großer Vorteil des vorgeschlagenen Verfahrens ist es, dass die Unsicherheitsschranken (Messunsicherheiten) eu und ey sich sofort parametrieren lassen: Es wird keine weitere Änderung oder Anpassung des Diagnosealgorithmus benätigt. Die Zustandsmengen werden dann mit diesen neuen Unsicherheitsschranken berechnet. Es ist dabei selbstverständlich, dass je größer die Unsicherheiten sind, desto größer die Zustandsmengen werden. Bei einem residuenbasiertem Diagnoseansatz (Merkmalgenerierung, Merkmalauswertung) müsste aber in Abhängigkeit von neuen Schranken ein neuer Schwellwert berechnet werden. Dies würde eine große Anzahl an Simulationen erfordern. Dies entfällt vorteilhaft mit dem vorgeschlagenen Intervallbeobachtungsansatz.
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Zur näheren Erläuterung wird nachfolgend als spezielles Ausführungsbeispiel ein System zweiter Ordnung vorgestellt, welches aus einem größeren Modell eines Abwicklers einer Kaltwalzwerkanlage abstrahiert ist. Der Einfachheit halber ist dieses Beispiel auf zwei Ordnungen begrenzt, das vorgeschlagene Verfahren bleibt jedoch selbstverständlich allgemein für Systeme höherer Ordnung anwendbar. Allgemein lässt sich das Verfahren auch auf nichtlineare Prozessmodelle erweitern.
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Das beispielhafte System ist in 5 dargestellt. Als Zustandsvektoren x, Eingangsvektoren u und Ausgangsvektoren y (ausnahmsweise ist beim Ausführungsbeispiel y lediglich eindimensional) werden x = [ϕ, ϕ .]τ, u = [Ft, θ, θ .]τ, y = vstrip = ϕ .(5) benutzt. Es gilt:
- θ
- = Winkelposition des Antriebs
- θ .
- = Winkelgeschwindigkeit des Antriebs
- ϕ
- = Winkelposition des Abwicklers
- ϕ .
- = Winkelgeschwindigkeit des Abwicklers
- vstrip
- = Bandgeschwindigkeit
- Rcoil
- = Radius des Abwicklers
- Ft
- = Bandzug
- τ
- = Transposition eines Vektors bzw. einer Matrix
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Aus der rotatorischen Bewegungsgleichung ergibt sich das kontinuierliche Zustandsraummodell für dieses Ausführungsbeispiel. Dies kann dann in ein diskretes Modell überführt werden:
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Es gilt:
- Rcoil
- = Radius des Abwicklers
- Jcoil
- = Massenträgheitsmoment des Abwicklers
- i
- = Getriebeübersetzung
- c
- = Federkonstante
- d
- = Dämpfungskonstante
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Die Anfangsmenge X[0] oder auch X[k] wird beim Ausführungsbeispiel zum Teil aus der Messung y[0] definiert und zum Teil auf der Grundlage von Expertenwissen geschätzt. im ungünstigsten Fall (ohne weiteres Wissen) wird der gesamte Zustandsraum für die Anfangsmenge X[0] angenommen.
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Für die Unsicherheitsschranken (Messunsicherheiten) werden eu = 0 und ey = 10% gesetzt, so dass gilt Y[k] = [0.9y[k],1.1y[k]].
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Da das Prozessmodell, eine Anfangsmenge X[0] und Unsicherheitsschranken (Messunsicherheiten) eu und ey definiert sind, kann die intervallbeobachtung angewendet werden. Es werden keine Modellunsicherheiten berücksichtigt.
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6a, 6b zeigen die zeitlichen Verläufe der Messsignale bzw. Vektor-Koordinaten u1, u2, u3 der Eingangsgröße (Vektor) u(t) und den zeitlichen Verlauf des Messsignals bzw. Vektor-Koordinate y1 der Ausgangsgröße y(t), die dem Intervallbeobachter zugeführt werden. Die Intervallbeobachtung liefert das Ergebnis, das in 7 zu sehen ist. 7 zeigt die Zustandsmengenfolge im durch die Koordinaten x1, x2 aufgespannten Zustandsraum. Die Messung in 6b definiert zusammen mit der berücksichtigten Unsicherheitsschranke (Messunsicherheit) ey die Intervallbreite der Zustandsmenge bezüglich der Koordinate x2 des Zustandsvektors x (da in diesem Beispiel die Messung y1 informationen über x2 gibt). Durch die Beobachtung wird eine Schätzung der Koordinate x1 des Zustandes ausgerechnet und als intervallbreite bezüglich der Koordinate xi des Zustandsvektors x ausgegeben.
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Die 8a, 8b und 9 zeigen das Verhalten des Beobachtungsalgorithmus im Fehlerfall – siehe Pfeile, die einen zum Zeitpunkt t = 4s auftretenden Fehler (beispielsweise ein abschnittsweises Durchrutschen des Bandes) kennzeichnen. In 9 sieht man, dass die Zustandsmenge ab x1 = 5,8 rad verschwindet. Auf Grund des Konsistenzprinzips kann damit geschlossen werden, dass das System sich nicht wie das bekannte fehlerfreie Modell verhält. Es ist also ein Fehler aufgetreten.
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Zusammenfassend besteht die Erfindung in der Nutzung des Intervallbeobachters zur Prozessdiagnose, z. B. von Walzstrassen. Die Intervallbeobachtung stellt einen robusten Ansatz zur Fehlererkennung dar. Um genauere Information über den Fehler zu haben (also für eine Fehlerdiagnose oder Fehleridentifikation), muss das Verhalten des Systems mit mehreren Fehlermodellen überprüft werden. Aus den Fehlermodellen, die mit dem Fehlerverhalten konsistent sind, erhält man die möglichen Fehlerkandidaten.
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Die Prozessdiagnose mit intervallbeobachter benötigt folgende Angaben:
- • die dynamischen Modelle des zu diagnostizierenden Prozesses (im fehlerfreien und fehlerbehafteten Fall): siehe A, B, C, Af1, Bf1, Cf1, Af2, Bf2, Cf2 ...
- • eine Anfangszustandsmenge, die den wahren Zustand beinhalten muss: siehe X[0]
- • gegebene Schranken der Prozessunsicherheiten (Unsicherheitsschranken): siehe eu, ey
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Da das Prinzip der Intervallbeobachtung allgemein ist, lässt sich die intervallbeobachterbasierte Diagnose auf andere Diagnoseaufgaben übertragen.
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Bezugszeichenliste:
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- A
- Systemmatrix des Prozessmodells
- Af1
- Systemmatrix im Fehlerfall (Prozessmodell)
- B
- Steuermatrix des Prozessmodells
- Bf1
- Steuermatrix im Fehlerfall (Prozessmodell)
- C
- Beobachtungsmatrix des Prozessmodells
- Cf1
- Beobachtungsmatrix im Fehlerfall (Prozessmodell)
- c
- Federkonstante
- d
- Dämpfungskonstante
- eu, ey
- angenommene Unsicherheitsschranke (Messunsicherheit) der Eingangsmessung bzw. Ausgangsmessung
- eA, eB,
- Unsicherheitsschranken der
- eC
- System-, Eingangs- und Ausgangsmatrizen
- f
- Fehler
- Ft
- Bandzug
- i
- Getriebeübersetzung
- Jcoil
- Massenträgheitsmoment des Abwicklers
- k
- Abtastzeitpunkt, Zeitschritt
- Rcoil
- Radius des Abwicklers
- t
- Zeit
- u
- Eingangsvektor, Eingangsgröße, gemessener Eingang
- U
- Eingangsintervall
- u1, u2, u3
- Koordinaten des Eingangsvektors bzw. Messsignale
- x
- Zustandsvektor, (innerer) Zustand
- x1, x2
- Koordinaten des Zustandsvektors
- x[0]
- Anfangszustand zum Zeitschritt k = 0
- x[k]
- Zustand zum Zeitschritt k
- x[k + 1]
- Zustand zum nächsten Zeitschritt k + 1
- x ^
- Näherungswert für den Zustand x
- X
- Menge von möglichen Zuständen, Zustandsmenge
- Xk|k
- Menge von möglichen Zuständen, bestimmt bei k für k
- Xk+1|k
- Menge von möglichen Zuständen, berechnet bei k für k + 1
- Xm|k+1
- Menge von möglichen Zuständen, berechnet mit Hilfe der gemessenen Ausgangsgröße bei k + 1
- Xk+n|k+1
- Schnittmenge, beste Schätzung
- X ~k+1|k+1
- Menge von möglichen Zuständen nach erfolgter Überschätzung
- X[k]
- Rekursive Zustandsmenge, die während der Intervallbeobachtung rekonstruiert wird
- y
- Ausgangsvektor, Ausgangsgröße, gemessener Ausgang
- y1
- Koordinate des Ausgangsvektors bzw. Messsignal
- Y
- Ausgangsintervall
- θ
- Winkelposition des Antriebs
- θ .
- Winkelgeschwindigkeit des Antriebs
- ϕ
- Winkelposition des Abwicklers
- ϕ .
- Winkelgeschwindigkeit des Abwicklers
- vstrip
- Bandgeschwindigkeit