Ziel der vorliegenden Erfindung ist es, mit technischen Mitteln im Fahrzeug
ein Schleudern so weit als möglich zu verhindern.
Stand der Technik sind derzeit Systeme (bekannt unter den Abkürzungen
DSC, ASC, ESP etc.), die durch Bremseingriffe an einzelnen Rädern
Giermomente erzeugen, welche das Schleudern im vielen Fällen verhindern
können. Ein entsprechender System-Eingriff wird vom Fahrer bemerkt, da
hierdurch gezwungenermaßen die Geschwindigkeit reduziert wird und unter
Umständen unangenehme Geräusche und Vibrationen verursacht werden.
Diese Art des Eingriffs wird jedoch erst dann aktiv, wenn eine bestimmte
fahrdynamische Grenze überschritten worden ist.
Derzeit in der Entwicklung befinden sich Systeme, die durch einen der
Fahrerlenkeingabe überlagerten Lenkwinkel ein Giermoment erzeugen und
so ebenfalls das Schleudern in vielen Fällen verhindern können. Bekannt ist
in diesem Zusammenhang die sog. Überlagerungslenkung, bei der durch ein
im Lenkstrang installiertes spezielles Additionsgetriebe dem vom Fahrer
vorgegebenen Lenkradwinkel ein durch einen Aktuator erzeugter
Zusatzlenkwinkel hinzuaddiert wird. Bekannt sind ferner die sog. steer-by-wire-
Systeme, bei denen keine Lenksäule oder Lenkspindel mehr vorhanden
sind, sondern der Vorderrad-Lenkwinkel alleine durch einen Aktuator bzw.
Stellmotor erzeugt wird.
Diese lenkenden Systeme können ständig stabilisierend und somit quasi
kontinuierlich eingreifen, ohne dass der Fahrer den Eingriff bemerkt.
Dadurch versuchen sie, das Schleudern quasi bereist präventiv zu
verhindern, so dass die genannte fahrdynamische Grenze möglichst gar nicht oder
zumindest nur geringfügig überschritten wird. Die Zahl und Stärke der heute
noch üblichen stabilisierenden Bremseingriffe kann mit derartigen
Lenkeingriff-Systemen deutlich reduziert werden. Somit wird der Stand der Technik
durch Systeme mit Lenkeingriffen und Systeme mit Bremseingriffen
dargestellt, die sich in ihren Wirkungsbereichen vor und hinter der sog.
fahrdynamischen Grenze ergänzen.
In der eingangs genannten DE 100 09 921 A1 ist ein Algorithmus
beschreiben, mit Hilfe dessen Stellkommandos für den Aktuator (oder Stellmotor)
eines Lenksystems berechnet werden können, wobei es sich um den
Aktuator einer Überlagerungslenkung oder eines steer-by-wire-Systems
handeln kann. Dieser Algorithmus ist als Schaubild nochmals in der
beigefügten Fig. 1 dargestellt.
Dabei sowie im weiteren werden durch folgende Buchstaben die folgenden
Größen gekennzeichnet:
Fy Radseitenkraft
by Querbeschleunigung
r Gierrate
V Fahrzeug-Geschwindigkeit
deltaL Fahrer-Lenkwinkel
delta_c_ges Lenkaktuator-Kommando
delta_c_GRR Stellkommando der Gierratenregelung
I Radstand
Nun wird insbesondere wird auf den unteren als "Software" bezeichneten
Block in Fig. 1 verwiesen, wonach das berechnete stabilisierende
Stellkommando "delta_c_GRR" der Gierratenregelung für den Aktuator
gebildet wird aus einem Gierraten-Sollwert "rsoll_res", der für seinen Betrag
das Minimum der Beträge des lenkradwinkelabhängigen Sollwertes
"rsoll_acker" einerseits eines Wertes "r_by" andererseits nimmt.
Die genannten Werte werden dabei nach folgenden Gleichungen (GI.)
bestimmt:
(Gl. 1) rsoll_res = sign(rsoll_acker).MIN[abs(rsoll_acker), abs(r_by)]
Die Arbeitsweise dieser Minimumbildung ist in der beigefügten Fig. 3
gezeigt. Das Vorzeichen des Gierraten-Sollwerts "rsoll_res" entspricht dem
Vorzeichen von "rsoll_acker".
Der Wert "rsoll_acker" wird mit Hilfe des Fahrer-Lenkwinkels "deltaL" aus der
Multiplikation von "deltaL" mit "h_acker" und zumeist einer anschließenden
PT1-Filterung gebildet, wobei für "h_acker" die folgende Gleichung (2) gilt:
(Gl. 2) h_acker = V/(I.(1+(V/Vchar)2))
"Vchar" ist dabei die sog. charakteristische Geschwindigkeit, die
fahrzeugabhängig ist und für ein untersteuerndes Fahrzeug die Stationärverstärkung für
Gierrate etc. mitbestimmt. Je größer der Wert von "Vchar" ist, desto größer
ist auch die Stationärverstärkung.
Schließlich stellt die Größe "r_by" den Quotienten aus der gemessenen
Fahrzeug-Querbeschleunigung und der aktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit
dar, gemäß der folgenden Gleichung (3):
(Gl. 3) r_by = by/V.
Wie aus Fig. 1 weiter hervorgeht, wird der Sollwert "rsoll_res" schließlich
mit der aktuell gemessenen Gierrate (diese ist mit dem Buchstaben r
bezeichnet) verglichen und bildet die Regeldifferenz "rdiff'. Aus dieser
berechnet der Regeldifferenzzweig, hier durch eine einfache Verstärkung k
dargestellt, das Stellkommando "delta_c_GRR" der Gierratenregelung für
den Lenkaktuator.
Durch die in (Gl. 1) vorgenommene Minimumbildung wird dabei erreicht, dass
auch im Falle einer Reifensättigung ein geeigneter Sollwert "rsoll_res" für die
Gierrate entsteht, um das Fahrzeug zu stabilisieren. Das ist besonderes
wichtig bei niedrigen Fahrbahnreibwerten, da dann sehr häufig
Reifensättigung entsteht (vgl. Fig. 2). Würde man nämlich den Sollwert "rsoll_acker"
verwenden, so würde der Regler bei Reifensättigung eine zu große
Sollgierrate mit der gemessenen Gierrate vergleichen und so zu einem zu
starken Stellkommando kommen, das die Reifensättigung an den
Vorderrädern verschlimmern und damit das Fahrzeugverhalten nicht verbessern,
sondern verschlechtern würde.
Die Berücksichtigung von rsoll_acker geschieht aus dem folgenden Grund:
Erzeugt der Fahrer selbst stabilisierende Lenkeingriffe durch "Gegenlenken"
zum ausbrechenden Fahrzeugheck, so beeinflusst er über "rsoll_acker" den
Giersollwert "rsoll_res" und wird damit von der Gierratenregelung durch ein
entsprechendes Stellkommando "delta_c_GRR" bei seinem Gegenlenken
unterstützt, wie dies ausführlicher in der bereits mehrfach genannten
DE 100 09 921 A1 erläutert ist.
Grundsätzlich besteht bei diesem vorbekannten Stand der Technik durch
entsprechende Parametrierung der Sollwertberechnung für "rsoll_acker" die
Wahlmöglichkeit, ob bei einer stationären Fahrzeug-Kurvenfahrt in der
genannten Minimumbildung die Größe "rsoll_acker" oder die Größe "r_by" für
den Betrag von "rsoll_res" wirksam sein, d. h. zugrunde gelegt werden soll.
Dies hängt offensichtlich davon ab, welcher der beiden genannten Beträge
der kleinere ist.
Wird dabei die Größe "r_by" ausgewählt, so ist neben der
Gierratenrückführung folglich als zweite die Rückführung der Querbeschleunigung wirksam,
wie aus der beigefügten Fig. 1 hervorgeht. Das bedeutet, dass dann die
Regeldifferenz "rdiff" wegen der folgenden Gleichung (4)
(Gl. 4) beta_dot = by/V - r
die Schwimmwinkelgeschwindigkeit "beta_dot" darstellt. Die beiden
Rückführungen stellen also zusammen eine Rückführung der
Schwimmwinkelgeschwindigkeit "beta_dot" dar.
Diese Variante hat den Vorteil, dass bei stationärer Kurvenfahrt das
Stellkommando "delta_c_GRR" wegen "beta_dot" = 0 ebenfalls den Wert
"Null" annimmt, d. h. dass seitens des Gierratenreglers kein Stellkommando
ausgegeben wird. In dieser stabilen Fahrsituation ist ein Aktivwerden des
Gierrartenreglers und somit ein Stellkommando delta_c_GRR ≠ 0 nicht
erwünscht, da ein Eingreifen der Gierratenregelung nicht erforderlich ist.
Ein Nachteil dieser Variante ist, dass die Regelverstärkung k relativ klein und
insbesondere kleiner ist als bei der im folgenden Absatz beschriebenen
Variante ist, so dass das stabilisierende gegenlenkende Stellkommando
insbesondere bei auftretender Reifensättigung kleiner ist. Der Grund dafür
ist, dass sich wegen der Reifensättigung die Querbeschleunigung trotz der
instabilen Gierbewegung nicht mehr ändert und somit durch sie das
Stellkommando nicht mehr verändert wird.
Die zweite Variante ist, dass durch entsprechende Parametrierung der
Berechnung von "rsoll_acker" im Stationärfall die Größe "rsoll_acker" und
folglich nur die Rückführung der Gierrate wirksam ist. Diese Variante ist
grundsätzlich wegen der höheren Reglerverstärkung gegenüber der
erstgenannten Variante zu bevorzugen, weshalb sich die vorliegende
Erfindung nur mit dieser (zweitgenannten) Variante befasst. Wenn also bei
der Berechnung von "rsoll_acker" im Stationärfall die Größe "rsoll_acker" und
folglich nur die Rückführung der Gierrate wirksam ist, so ergibt sich eine
bessere Stabilisierung bei Reifensättigung, ferner eine bessere
Störunterdrückung (bspw. bei Seitenwind, bei Spurrillen etc.) und vorteilhafterweise
auch eine bessere Unterdrückung der Störungen aufgrund Straßen-
Unebenheiten im Messsignal der Querbeschleunigung "by".
Nicht unerwähnt bleiben soll ein Nachteil dieser sog. zweiten Variante in
ihrer bislang beschriebenen Form. Dieser Nachteil, der mit der vorliegenden
Erfindung aufgehoben werden soll, ist darin zu sehen, dass im Stationärfall,
wenn die Schwimmwinkelgeschwindigkeit beta_dot den Wert "0" annimmt,
wegen Gleichung (5)
(Gl. 5) r_by = by/V = r
und mit Gleichung (6)
(Gl. 6) rsoll_acker < r_by = by/V = r
eine stationäre Regeldifferenz "rdiff" gemäß Gleichung (7) entsteht (vgl.
hierzu auch Fig. 3):
(Gl. 7) rdiff = rsoll_acker - r < 0
Diese stationäre Regeldifferenz "rdiff" erzeugt auch im Stationärfall
unerwünschterweise ein Stellkommando im Sinne eines stationären
Gegenlenkens.
Wie bereits erwähnt, ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine
Maßnahme zur Vermeidung dieses unerwünschten Verhaltens aufzuzeigen.
Zur Lösung dieser Aufgabe ist vorgesehen, dass bei einem Verfahren nach
dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ein kleinerer Gierraten-Sollwert und ein
größerer Gierraten-Sollwert berücksichtigt wird, wobei kein Regeleingriff
erfolgt, wenn die tatsächliche Gierrate (r) zwischen diesen beiden Gierraten-
Sollwerten liegt. Vorteilhafte Weiterbildungen sind Inhalt der
Unteransprüche.
Erfindungsgemäß werden zwei Sollwerte für die Gierrate herangezogen, die
sich in ihrer Größe bzw. ihrem Wert unterscheiden. Im wesentlichen
entsprechen diese beiden Gierraten-Sollwerte dem Gierverhalten des
Fahrzeugs in unterschiedlichen Konfigurationen. Es wurde nämlich erkannt,
dass die weiter oben bereits angeführte Ungleichheit der Größen
"rsoll_acker" und "r_by" deutlich durch die vorliegende sog. Fahrzeug-
Konfiguration beeinflusst wird. Diese sog. Fahrzeug-Konfiguration beinhaltet
dabei den Beladungszustand (und somit die Fahrzeug-Masse, dessen
Trägheitsmoment sowie die Schwerpunktlage) und ferner insbesondere den
Reifenzustand, nämlich ob es sich um Sommerreifen oder Winterreifen
handelt, sowie den Reifendruck und das Alter der Fahrzeug-Reifen.
In der beigefügten Fig. 4 ist für einige bei einem Fahrzeug mögliche
extreme Fahrzeugkonfigurationen deren Einfluss auf die Querdynamik am
Beispiel einer Sprunganregung im Lenkwinkel und der Sprungantwort von
"r_by" dargestellt. Die durchgeführte Simulation benutzt dabei ein lineares
Modell ohne Reifensättigung. Wie ersichtlich unterscheiden sich diese
Konfigurationen nicht nur in ihrem dynamischen Verhalten, sondern auch
deutlich im Stationärverhalten. Die mit der Nr. 18 bezeichnete
Fahrzeugkonfiguration hat dabei die kleinste Stationärantwort und die mit der Nr. 32
bezeichnete Fzg.-Konfiguration hat die größte Stationärantwort. Somit
müsste "rsoll_acker" im Stationärfall kleiner sein als das Signal für "r_by" von
der Konfiguration mit der Nr. 18.
Solange sich das Fahrzeug also in einer stabilen Kurvenfahrt befindet und
somit keine Stabilisierung durch die Gierratenregelung benötigt wird, soll
somit das Stellkommando der Gierratenregelung entsprechend der
folgenden Gleichung (8)
(Gl. 8) delta_c_GRR = k.rdiff
vom Wert "Null" sein. Ziel ist es somit, ein grundsätzlich unerwünschtes
stationäres Stellkommando bei stabiler Kurvenfahrt zu beseitigen.
Der Kernpunkt zur Vermeidung eines stationären Regel-Eingriffs besteht nun
darin, im Stationärfall eine Regeldifferenz vom Wert "Null" zu erhalten. Nutzt
man die Information aus der bereits erläuterten Fig. 4, dass sich im Falle
eines linearen Fahrzeugverhaltens die Gierrate nur im Bereich zwischen den
Verläufen der beiden Konfigurationen mit den Nummern 18 und 32 befinden
kann, so ist ein Herauslaufen der Gierrate aus diesem Band ein eindeutiges
Zeichen einer Abweichung vom linearen Verhalten, z. B. durch
Reifensättigung. In diesem Falle ist ein Eingreifen des Reglers durch einen
entsprechenden Verlauf der Regeldifferenz wieder erforderlich.
Die Lösung besteht somit im Erzeugen nicht nur eines, sondern zweier
Sollwerte für die Gierrate. Der erste Sollverlauf stellt den sog. minimalen
linearen Verlauf dar, und kann ähnlich der Konfiguration Nr. 18 in der
Simulation von Fig. 4 sein). Der zweite Sollverlauf stellt den sog.
maximalen linearen Verlauf dar (und kann ähnlich der Konfiguration Nr. 32 in der
Simulation von Fig. 4 sein). Beispielsweise entspreche der größere
Gierraten-Sollwert einem wenig beladenen Fahrzeug, das mit Sommerreifen
bestückt ist, während der kleinere Gierraten-Sollwert für das gleiche
Fahrzeug, jedoch extrem hoch beladen und mit Winterreifen ausgerüstet
zutreffe. In diesem Zusammenhang sei drauf hingewiesen, dass diese
Sollwerte durchaus experimentell unter den geschilderten Randbedingungen
ermittelt werden können.
Mit Hilfe dieser zwei lenkwinkelabhängigen Sollgierraten, die im weiteren als
"rsoll_acker_max" und "rsoll_acker_min" bezeichnet werden, kann man eine
lenkwinkelabhängige Totzone schaffen, die die Regeldifferenz berechnet.
Hierzu wird auf die beigefügte Fig. 5 verwiesen, in der über der Gierrate "r"
(aufgetragen auf der Abszisse) die Regeldifferenz "rdiff" auf der Ordinate
aufgetragen ist. Grau unterlegt dargestellt ist dabei die konventionelle
Regeldifferenz-Bildung, während in schwarzen Linien die Regeldifferenz-
Bildung mit erfindungsgemäßer sollwertabhängiger Totzone dargestellt ist.
Liegt die gemessene Gierrate "r" zwischen "rsoll_acker_min" und
"rsoll_acker_max", so nimmt - wie gewünscht - die Regeldifferenz "rdiff" den
Wert "Null" an. Erst, wenn die Gierrate "r" außerhalb des von
"rsoll_acker_min" und "rsoll_acker_max" aufgespannten Bandes liegt, ist die
Regeldifferenz "rdiff' ungleich "Null".
Im übrigen gilt dann, wenn der Fahrer-Lenkwinkel den Wert "Null" besitzt und
damit auch "rsoll_acker_min" gleich "rsoll_acker_max" gleich "Null" ist, dass
sich die Regeldifferenz wieder wie die normale Regeldifferenzbildung verhält,
was in Fig. 5 zum Vergleich als unterlegter breiterer grauer Graph
dargestellt ist.
Bei der weiteren Berechnung sollte die bereits genannte Minimumbildung,
die mit Hilfe der Querbeschleunigung "by" bzw. dem Signal "r_by" die
Sollgierrate "r_soll_acker" im Falle einer Reifensättigung verkleinert,
angepasst werden, da nun nicht nur eine einzige Sollgierrate "rsoll_acker",
sondern zwei unterschiedlich große Sollgierraten vorliegen. Dieser
Sachverhalt ist in der beigefügten Fig. 6 dargestellt. Wie im bekannten Stand der
Technik die Größe "rsoll_acker", so wird jetzt die "kleinere" Sollgierrate
rsoll_acker_min mit dem Signal für "r_by" minimiert. Bezüglich der
erfindungsgemäßen größeren Sollgierrate "rsoll_acker_max" wird eine andere,
folgende Reduzierung vorgeschlagen:
Die Minimierung von "rsoll_acker_min" bewirkt immer eine Verkleinerung um
einen festen Prozentsatz (bspw. x %). Die größere Sollgierrate
"rsoll_acker max" wird nun verkleinert, indem sie prozentual ebenfalls um
diesen gleichen Prozentsatz (x%) reduziert wird.
Durch diese Modifizierung wird die Größe "rsoll_acker_min" zu
"rsoll_acker_min_Min", und die Größe "rsoll_acker_max" wird zu
"rsoll_acker_max_Min", so wie dies in Fig. 6 und insbesondere auch in
Fig. 7 dargestellt ist.
Fig. 7 zeigt dabei die soweit eingeführten Punkte und basiert auf dem
"Software"-Teil der bereits erläuterten Fig. 1, die den bekannten Stand der
Technik wiedergibt. Wie ersichtlich liefern nun zwei Sollwertbildner die
beiden erfindungsgemäßen Giersollwerte, die dann in der Minimumbildung
mit Hilfe von "r_by" gegebenenfalls modifiziert werden. Diese werden dann
zur Regeldifferenzbildung geschickt, die mit Hilfe der gemessenen Gierrate
die Regeldifferenz bildet (vgl. auch Fig. 5).
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dann, wenn die Größe "r_by"
den Wert "Null" annimmt. Aufgrund Gleichung (9) gilt:
(Gl. 9) 0 = r_by = rsoll_acker_min_Min = rsoll_acker_max_Min,
und zwar unabhängig davon, welchen Wert "rsoll_acker_min" und
"rsoll_acker_max" haben.
Liegt "r_by" zwischen "rsoll_acker_min" und "rsoll_acker_max", so gelten
Gleichungen (10) und (11):
(Gl. 10) rsoll_acker_min = rsoll_acker_min_Min
(Gl. 11) rsoll_acker_max = rsoll_acker_max_Min.
Es kann sich als störend erweisen, dass aufgrund der erläuterten sog.
sollwertabhängigen Totzone in der Regeldifferenzbildung bei einem
Ausbrechen des Fahrzeug-Hecks sich dies zwar sofort in der Gierrate
bemerkbar macht, dass aber der Regler erst dann reagiert, wenn die
Gierrate das sog. Totzonen-Band verlässt und die Regeldifferenz von Null
abweicht. Durch dieses verzögerte Eingreifen des Reglers könnte sich somit
die Stabilisierungswirkung des Reglers in unerwünschter Weise verringern.
Kompensiert werden kann dies durch Einführung einer Vorsteuerung, die
unabhängig von der gemessenen Gierrate ein stabilisierendes
Lenkkommando abgibt, welches somit unverzögert eine sofortige Stabilisierung
bewirken kann. Hierzu wird auf die beigefügte Fig. 8 verwiesen, in der
diese Merkmal - ergänzend zur Darstellung von Fig. 7 - aufgenommen ist
(vgl. den schattierten Block).
Wie dargestellt besteht das Stellkommando der solchermaßen um eine
Vorsteuerung ergänzten Gierratenregelung aus zwei Teilen, nämlich dem
Kommando des Regeldifferenzzweigs delta_c_RF und dem Kommando der
Vorsteuerung delta_c_VS. Die Vorsteuerung kann zum Beispiel ein
dynamischer Filter sein, dessen Parameter mit der Geschwindigkeit V
angepasst werden und wobei aus dem Fahrer-Lenkwinkel deltaL das
entsprechende Vorsteuerkommando berechnet wird.
Dabei kann die Auslegung der Vorsteuerung auf einem linearem Modell des
Fahrzeugs beruhen, das keine Reifensättigung berücksichtigt, also
beispielsweise auf dem bekannten Einspurmodell mit linearen
Schräglaufsteifigkeiten. Somit ist immer dann, wenn das reale Fahrzeug sich im linearen
Bereich der Reifenkennlinie (vgl. Fig. 2) befindet und das reale Fahrzeug
der Modellannahme der Vorsteuerung entspricht, das Stellkommando der
Vorsteuerung völlig ausreichend, um das Fahrzeug präventiv im linearen
Bereich zu stabilisieren, d. h. den Überschwinger oder Überschießer im
hinteren Schräglaufwinkel zu vermeiden.
Dies genau ist das Regelungsziel, so lange das Fahrzeug ein lineares
Verhalten aufweist, d. h. keine Reifensättigung zeigt. Voraussetzung ist, dass
sich eine Änderung des Fahrzeugverhaltens durch Beladung, Reifen, oder
ähnliches nicht derart stark auswirkt, dass die Modellannahme für die
Vorsteuerung nicht mehr genau genug ist. Ein weiterer Vorteil der
Vorsteuerung ist, dass ihr Stellkommando nur von den unverrauschten Signalen des
Lenkwinkels und der Geschwindigkeit abhängt und somit kein Messrauschen
zeigt. Dadurch ist das Stellkommando delta_c_VS ein sehr "glattes" Signal
und ist bei Benutzung einer Überlagerungslenkung im allgemeinen für den
Fahrer im Lenkradmoment im Gegensatz zu dem messrauschbehafteten
Signalanteil delta_c_RF des Regeldifferenzzweigs nicht oder sehr wenig
spürbar.
Die in Fig. 8 gezeigte getrennte Realisierung von Vorsteuerung und
Sollwertbildung kann sich jedoch als aufwendig erweisen, da die
Sollwertbildungen auf die Vorsteuerung abgestimmt werden müssen. Grund dafür ist,
dass sich durch den Einfluss der Vorsteuerung die Fahrzeug-Gierrate ändert
und sich damit bei gleichbleibender Sollwertbildung unerwünschterweise
eine Regeldifferenz einstellen würde. Hier kann ein Konzept einer sog.
"Modellvorsteuerung" eingesetzt werden, bspw. wie es im DLR
Forschungsbereicht "Ein neues Konzept zur Rekonfiguration von Flugreglern", 1996, von
Götz Baumgarten, beschrieben ist. Dieses integriert die Vorsteuerung und
die Sollwertbildung, so dass eine gegenseitige Anpassung unnötig wird, was
in der beigefügten Fig. 9 gegenüber Fig. 8 ergänzend dargestellt ist. In
dieser Fig. 9 wurde dabei die Berücksichtigung des Parameters V aus
Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen.
Konkret kann im Rahmen einer "Modellvorsteuerung" ein explizit im
Regelalgorithmus dargestelltes Modell der Regelstrecke, z. B. ein
Einspurmodell, mit einem Regelkreis versehen werden, der dem Modell ein
wünschenswertes Führungsverhalten aufprägt. Da man aus diesem
geregelten Modell alte Größen abgreifen kann, kann es als Sollwertgeber
und als Vorsteuerung gleichzeitig dienen. Fig. 9 zeigt zwei
Modellvorsteuerungen, um die zwei Sollwerte "rsoll_acker_min" und "rsoll_acker_max" zu
generieren. Beide bieten mit ihrem Modellreglerausgang ein verwendbares
Vorsteuerkommando für das reale Fahrzeug an. Hier wurde willkürlich das
obere für die kleine Sollgierrate für das Vorsteuerkommando ausgewählt.
Aus der Notwendigkeit für eine gute Vorsteuerung heraus, dass das Modell
möglichst genau die Regelstrecke darstellt, ist auch ein drittes Modell
denkbar, das in seinem Verhalten bzw. seinen Parametern für Masse,
Gierträgheitsmoment, Schräglaufsteifigkeiten und Schwerpunktlage quasi die
Mittelwerte darstellt und einzig für die Bereitstellung des
Vorsteuerkommandos vorgesehen ist. Die beiden anderen geregelten Modelle würden dann
nur für die beiden Gierratensollwerte herangezogen werden.
Es hat sich gezeigt, dass bei der - wie weiter oben erläutert wurde -
grundsätzlich zu bevorzugenden Variante, nämlich im Stationärfall die Größe
"rsoll_acker" und folglich nur die Gierrate zurückzuführen, eine
unterschiedliche Dynamik der beiden Eingangsgrößen bei der genannten
Minimumbildung in (Gl. 1) vorliegt. Dies geht auch aus den Verläufen von "rsoll_acker"
und "r_by" in Fig. 3 hervor, insbesondere im linearen Querdynamikbereich
des Fahrzeugs, der mit dem linearen Teil der Reifenkennlinie (vgl. Fig. 2)
gleichgesetzt werden kann. Während nämlich der Verlauf von "rsoll_acker"
gleichmäßig durch die PT1-Filterung ansteigt, zeigt der Verlauf von "r_by"
einen Einbruch zwischen (bspw.) 0,15 s und 0,88 s (Sekunden), der in
diesem Zeitraum den Betrag des Sollwertes "rsoll_res" bestimmt. In diesem
Beispiel, bei dem wegen nicht vorhandener Reifensättigung eine
Verkleinerung des Gierraten-Sollwertes rsoll_acker durch r_by in der Minimumbildung
nicht nötig ist, wäre eine Dynamik für r_by wie vom rsoll_acker-Signal
wünschenswert, so dass r_by bei dynamischen Übergängen ohne
Reifensättigung keinen Einfluß auf den Giersollwert rsoll_res hat. Optimal wäre ein
Verlauf von r_by, wie er in Fig. 3 als "r_by_wunsch" (mit -o-o-o-o-
gekennzeichnet) dargestellt ist, mit einem dynamischen Verhalten wie rsoll_acker (in
Fig. 3 mit -x-x-x- gekennzeichnet) und mit einem Stationärverhalten wie
Gierrate r (in Fig. 3 breit - - -) und r_by (in Fig. 3 in dünn ausgezogener Linie
dargestellt).
Im Rahmen einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann nun dem
Signal der Querbeschleunigung "r_by" das dynamische Verhalten der Größe
"rsoll_acker" aufgeprägt werden, d. h. es erfolgte ein Dynamikangleich von
"r_by" an die Gierratensollwerte der Modellvorsteuerungen.
Im linearen Fall sollte das Signal "r_by" keinen Einfluss auf das
Stellkommando haben. Erst wenn die Reifensättigung wirksam wird und der Wert von
"r_by" absinkt, sollte "r_by" in der Minimumbildung die Sollgierraten
reduzieren. Durch das charakteristische "Aufziehen" der
Querbeschleunigung, sichtbar in einer Sprunganregung, würde auch im linearen Fall r_by in
der Minimumbildung Einfluss bekommen, da es im dynamischen Übergang
auf den neuen Stationärwert kurzzeitig unter den Wert von "rsoll_acker_min"
absinken kann (vgl. Sprungantwort des Signals "r_by" in Fig. 3). Um dies zu
verhindern, wird vorgeschlagen, die Dynamik des Signals "r_by", jedoch nicht
seine stationären Eigenschaften, an die Dynamik der Gierratensollwerte
"rsoll_acker_min" und "rsoll_acker_max" anzupassen. Das kann geschehen,
indem dem Signal "r_by" ein anderes Signal hinzuaddiert wird, das durch die
in den Modellvorsteuerungen enthaltenen Einspurmodelle ohne
Schwierigkeiten zur Verfügung steht, nämlich die Schwimmwinkelgeschwindigkeit
≙( = beta_pkt_Mod).
Aufgrund der kinematischen Gleichung (12)
wird die Rolle der Schwimmwinkelgeschwindigkeit ≙ zur Veränderung der
Dynamik von "r_by" für die Minimumbildung deutlich; vgl. Gleichung (13):
(13) r_by - beta_pkt_Mod = r_by-vorhalt
Die Größe "r_by_vorhalt" besitzt dabei die dynamischen Eigenschaften der
Sollgierraten. Da die Schwimmwinkelgeschwindigkeit "beta_pkt_Mod" im
Stationärfall Null ist, ist sichergestellt, dass das für die Minimumbildung
wichtige Stationärverhalten der Größe "r_by" nicht verändert wird. Das Signal
"r_by" erfährt hierdurch eine Phasenanhebung im mittleren Frequenzbereich.
Da die Addition von beta_pkt_Mod neben dem Geschwindigkeitsparameter
nur vom Lenkwinkel abhängig ist, verändert sie das Stabilitätsverhalten des
Reglers nicht. Sie stellt einen sog. "Lenkvorhalt" für r_by dar.
Fig. 9 zeigt dabei zwei Modellvorsteuerungen. Hier sind zwei
Modellvorsteuerungen notwendig, da zwei Giersollwerte generiert werden müssen,
nämlich "rsoll_acker min" und "rsoll_acker max". Der Vorteil der
vorgeschlagenen Regelungsstrategie liegt hier also darin, dass die für den
beschriebenen Lenkvorhalt notwendige Schwimmwinkelgeschwindigkeit von
den Modellvorsteuerungen zur Verfügung gestellt werden kann.
Im Sinne einer vorteilhaften Weiterbildung kann noch eine weitere
Verbesserung zur Vermeidung von unerwünschten Stellkommandos bei
hochfrequenten Lenkradanregungen und bei geneigten Fahrbahnen eingeführt werden.
Bei seitlich geneigten Fahrbahnen erfährt nämlich die
Querbeschleunigungsmessung und damit auch das Signal für die Größe "r_by" einen sog.
Offset durch die Gravitationskraft, der bei kleinen Fahrbahnneigungswinkeln
etwa proportional zum Neigungswinkel φ ist, vgl. Gleichung (14):
Sind die Giersollwerte aus den Modellvorsteuerungen ungleich Null, wie
bspw. in einer stationären Kurve, so kann sich dieser Offset auf das
Stellkommando in unerwünschter Weise auswirken. Um dies zu verhindern,
kann die Größe "rsoll_acker_min" vorab um einen mit der Größe
"r_by_offset" gleichbedeutenden Betrag "r_by_offset_par" reduziert werden,
wozu auch auf die beigefügte Fig. 10 verwiesen wird. Es entsteht das
Signal "rsoll_acker_min_offset", dessen Betrag gebildet wird durch
Gleichungen (15), (16):
Das Vorzeichen von "rsoll_acker_min_offset" entspricht dem Vorzeichen von
"rsoll_acker_min". Ein geringer Nachteil besteht darin, dass die im Falle einer
Reifensättigung wichtige Reduzierung des Gierratensollwertes
abgeschwächt wird, weshalb die Größe "r_by_offset_par" nicht zu groß gewählt
werden sollte.
Ein Vorteil dieser vorgeschlagenen Maßnahme besteht darin, dass
unerwünschte Stellkommandos unterdrückt werden, die im Falle hochfrequenter
Lenkwinkelverläufe, bspw. bei einer Lenkwinkel-Sinusanregung mit 3 Hz,
entstehen. In diesem hochfrequenten Bereich wird die Abweichung zwischen
der Regelstrecke und den Einspurmodellen in den Modellvorsteuerungen,
die die Regelstrecke darstellen sollen, besonders deutlich. Gründe dafür sind
zum einen die in den Einspurmodellen vernachlässigten dynamische Effekte,
wie bspw. die seitliche Reifenbewegung auf der Felge, die Achskinematik
und der Einfluss des Wankens auf die Querbeschleunigungsmessung. Ein
anderer Grund ist es die meist vorhandene parametrische Abweichung
bezüglich der Masse, der Schwerpunktlage, des Gierträgheitsmomentes und
der Schräglaufsteifigkeiten in den Einspurmodellen der
Modellvorsteuerungen.
Aus diesen Gründen wird insbesondere bei hohen Frequenzen der mit der
Schwimmwinkelgeschwindigkeit beta_pkt_Mod (vgl. Fig. 9) arbeitende
Lenkvorhalt ungenau. Die Folge ist, dass im linearen Fall das Signal
"r_by_vorhalt" nicht mehr stets zwischen "rsoll_acker_min" und
"rsoll_acker max" liegt, sondern zeitweise zwischen "rsoll_acker_min" und
dem Wert "Null" bzw. in der graphischen Darstellung der Zeitachse. Dadurch
würde "r_by_vorhalt" in die Sollwertbildung unerwünschterweise eingreifen
(vgl. Fig. 11). Letzteres kann zu einer Vergrößerung der Regeldifferenz und
damit zu unerwünschten Stellkommandos bei einer hochfrequenten
Lenksinus-Anregung führen. Durch Einführung des Offsets auf der kleinen
Sollgierrate durch obige Gleichung (Gl. 15) kann dieses Problem jedoch
beseitigt werden, wie auch aus der genannten Fig. 11 hervorgeht. Dann
greift "r_by_vorhalt" im linearen Fall nicht mehr in die Sollwertbildung ein, da
"rsoll_acker_min_offset" bereits vom Wert "Null" ist, wenn "r_by_vorhalt" den
Wert Null bzw. die in der Figur dargestellte Zeitachse kreuzt.
Es sei darauf hingewiesen, dass durchaus eine Vielzahl von Details auch
abweichend von obigen Erläuterungen gestaltet sein kann, ohne den Inhalt
der Patentansprüche zu verlassen. Stets erhält man jedoch ein Verfahren,
mit dem die Schleuderneigung eine Fahrzeugs durch aktive Lenkeingriffe
sicher reduziert werden kann.