[Patentanmeldung]
[Bezeichnung der Erfindung:] Lagestabilisiertes Trägersystem mit Bildwanderungsausgleich
[Beschreibung]
Die Erfindung betrifft ein lagestabilisiertes Trägersystem (Mount) für Luftbildkameras in Verbindung mit einer Einrichtung zur Kompensation der durch die Vorwärtsbewegung des Flugapparates bedingten Bildwanderung.
[Stand der Technik] Für in Flugapparaten montierte Kameras zur Luftbildaufnahme ist es unbedingt erforderlich, eine von den Eigenbewegungen dieser Fahrzeuge entkoppelte, stabile Lage zu gewährleisten. Hierzu verwendet man heute Einrichtungen zur aktiven horizontalen Stabilisierung des Kamera-Trägersystems mit einer beispielsweise über direkt angetriebene Kippachsen bewegten Kameraplattform. Trotz häufig auftretender Lageänderungen des Flugapparates, verursacht zumeist durch von Luftturbulenzen hervorgerufene zufällige Roll-, Neige- und Gierbewegungen, lässt sich so die Position der Aufnahmekamera weitgehend stabil halten.
Mit derartigen Systemen, die oft als automatisch arbeitende, kreiselgestützte Baueinheiten ausgebildet sind, kann die Bildbewegung soweit minimiert werden, dass die Bildauflösung wesentlich verbessert und scharfe Aufnahmen selbst bei länge- ren Belichtungszeiten noch möglich sind. Auch deutlich verringerte Überlappungsdifferenzen zwischen den Einzelbildern einer Bildfolge sowie eine verbesserte Abdeckung des Zielgebiets der Luftaufnahme lassen sich so erzielen. Eine Vorrichtung zur Horizontalstabilisierung von optischen oder funktechnischen Einrichtungen beschreibt die Druckschrift DE 20 2007 005 801 Ul, bei der ein aktiv einstellbarer, horizontal stabilisierter Träger ein kardanisches Ringsystem enthält, welches einen Kardaninnenring aufweist, der in einem dazu konzentrisch angeordneten Kardanaußenring
drehbeweglich aufgehängt ist, wobei der Kardanaußenring wiederum im Gehäuse der Vorrichtung um eine Achse senkrecht zur Achse des Kardaninnenringes aufgehängt ist. Die Azimutverstellungen des Kardaninnen- und des Kardanaußenringes erfolgen über Motor-Getriebeeinheiten, die direkt mit den Kippachsen der kardanischen Aufhängung gekoppelt sind. Bei anderen bereits bekannten lagestabilisierten Plattformen werden zur Winkelbewegung um die Raumachsen aber auch andere mechanische Mittel, so z.B. nach EP 0504 930 motorgesteuerte Spindeln, nach DD 254 079 hydraulische Systeme oder noch andere Verstellmittel in Verbindung mit geeigneten elektrischen/elektronischen Komponenten eingesetzt.
Um eine scharfe Abbildung des Zielgebietes zu ermöglichen, sollte ferner die bei der Vorwärtsbewegung des Flugapparates in der Abbildungsebene der Kamera zu beobachtende Bildwanderung während der Öffnungszeit des Kameraverschlusses weitgehend eliminiert sein. Auch hierzu wurden bereits mehrere technische Lösungen bekannt. So gibt es konstruktive Ausfüh- rungsformen, bei denen zur Kompensation der Bildwanderung die Kamera selbst bzw. deren Bildebene während der Verschlussöffnung mit mechanischen Mitteln um einen definierten Betrag in Flugrichtung verschoben wird. Eine andere Möglichkeit offenbart dagegen die Druckschrift DD 239 034 mit einer Vorrich- tung zur Ausschaltung der Bildwanderung, bei welcher der
Aufnahmefilm in gleicher Richtung und Geschwindigkeit wie das sich während der Aufnahme bewegende Bild transportiert wird. Die Filmbewegung wird z. B. dadurch realisiert, dass man eine Ansaugplatte zusammen mit dem darauf anliegenden Film ver- schiebt. Bekannt sind auch noch andere technische Lösungen, wie sie beispielsweise in der Multispektralkamera MKF 6 (VEB Carl Zeiss Jena) zur Anwendung gelangten und bei denen die Kamera während der Belichtungszeit um eine Achse, welche senkrecht zur Flugrichtung ausgerichtet ist, gekippt wird.
Damit die üblicherweise nach der Beendigung der Filmbelich- tung notwendige Rückführung der Kompensationsmittel in die Ausgangslage vermieden werden kann, werden in einer in DD 149 176 vorgeschlagenen Vorrichtung zur Kompensation der Bildwan- derung durch einen elektronisch gesteuerten Regelkreis zusätzliche, den eigentlichen motorgesteuerten Filmtransport überlagernde Bewegungen ausgelöst.
[Aufgabe der Erfindung] Der Erfindung liegt nunmehr die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung für Luftbildkameras zu schaffen, bei der die Lagestabilisierung des Trägersystems gegen unerwünschte Positionsschwankungen infolge von zufälligen Roll-, Nick- und Gierbewegungen des Flugapparates in Verbindung mit einer Kompensation der Bildwanderungseffekte bei der Aufnahme von relativ zur Kamera bewegten Objekten erfolgen kann. Der dafür benötigte gerätetechnische Aufwand, der Platzbedarf wie auch das Gerätegewicht sollen im Vergleich zu den bereits bekannten Entwicklungen möglichst gering ausfallen. Zur Realisierung dieser Aufgabe wird von der technischen
Lösung nach DE 20 2007 005 801 Ul für die elektrisch/ mechanisch stabilisierte Plattform ausgegangen, bei der ein karda- nisches Ringsystem mit drehmomentstarken und spielfreien Motor-Getriebeeinheiten verbunden ist. Als horizontal stabi- lisiertes Trägersystem soll dessen lagestabilisierte Plattform auch für handelsübliche Großformatkameras oder die Simultanstabilisierung von mehreren Klein- oder Mittelformatkameras geeignet sein.
Gemäß der vorliegenden Erfindung wird diese Aufgabe durch eine Vorrichtung mit den aus dem ersten Patentanspruch ersichtlichen Merkmalen gelöst. Weitere vorteilhafte Merkmale der Erfindung sind der Gegen-
stand von mehreren Unteransprüchen.
[Beispiel]
Die Erfindung wird nachstehend anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels und von mehreren Abbildungen näher erläutert. Die Abbildungen zeigen:
Fig. Ia und b die Ausrichtung des Flugapparates um seine Längs-, Quer- und Hochachse, Fig.2 die Bildpunktwanderung während der Zeitdauer der Verschlussöffnung der Kamera im bewegten Flugapparat, Fig. 3 eine mögliche Vorhaltepositionierung der Kamera bei der Luftbildaufnahme, Fig. 4 eine im wesentlichen schematische Ansicht des für das erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel verwendeten stabilisierten Trägersystems bei Weglassen der Geräteplattform im verkleinerten Maßstab,
Fig. 5 ein vereinfachtes Schnittbild des Ringsystems nach Fig. 4 im Hinblick auf mögliche Winkelbewegungen um die Geräteachsen φ1, ω1 und χ1 und
Fig. 6 beispielhaft den Algorithmus für eine definierte Plattformbewegung mit Vorwärtsbewegungs-Kompensation.
Lagestabilisierte Plattformen als Bestandteil von im Flug- apparat eingebauten Trägereinheiten für Luftbildkameras sollen beim Bildflug auftretende zufällige Positionsschwankungen ausgleichend korrigieren. Die Fig. Ia und b dienen der Veranschaulichung der hierbei im Flugapparat auftretenden möglichen Nick-, Roll- und Gierbewegungen um die Längsachse ω, Querachse φ und Hochachse χ. Hierbei muss die jeweilige Anordnung dieser Raumachsen keineswegs mit der Anordnung der Gerätekomponenten für die Kompensation der mit den vorgenannten Bewegungen verknüpften Winkelbewegungen der lagestabili-
sierenden Plattform mit Geräteachsen φ1, ω' und χ' überein¬ stimmen.
Die Erklärung der Bildpunktwanderung im bewegten Flugapparat und der für deren Kompensation erforderlichen zusätzlichen Ausgleichsbewegungen der Kamera dient die Darstellung nach Fig. 2. Danach wandert der Bildpunkt P1 während der Belichtungszeit tb und bei einer Fluggeschwindigkeit vg nach P' ' und erzeugt dadurch eine Bildunschärfe w. Die Hauptebenen des Kameraobjektivs legen dabei einen Weg s mit s = vg»tb zurück. Der Betrag der Bildwanderung w berechnet sich nach dem Strahlensatz zu:
W = Vg'tb'f'/hg = Vg'tb-mB
Hierbei bedeuten: f die Objektivbrennweite hg die Flughöhe und mB den Bildmaßstab.
Erfolgt die Kompensation der Bildwanderung durch Kippen der Luftbildkamera während des Belichtungsvorgangs, so gilt für den Kipp- oder Korrekturwinkel α:
α = 2 arctan s/[2(hg+f')] mit s = vg »tb.
Die Lagestabilisierung wie auch die Vorwärtsbewegungskompensation erfolgt durch Stellbewegungen der Vorrichtung nach Fig. 4. Hierbei ist ein Kardaninnenring 1 drehbeweglich um die Achse φ angeordnet. Der Kardaninnenring trägt die hier nicht dargestellte Adapterplatte mit der Aufnahmekämera und ist in einem diesen konzentrisch umgebenden Kardanaußenring 2 aufgehängt. In gleicher Weise ist der Kardanaußenring, der wiederum um eine zur Achse φ' senkrecht orientierte Achse ω1 drehbeweglich ist, am Gehäuse 3 der Vorrichtung kardanisch aufgehängt. Als Antrieb für die Verstellbewegungen beider
Kardanringe und damit der Geräteplattform für die Aufnahmekamera um die Kippachsen dienen Antriebsbaugruppen 4 und 5. Diese enthalten in ihrer kompakten Bauform Antriebsmotoren 6 und 6', geregelt durch Regeleinrichtungen 8 und 8', sowie Präzisionsgetriebe 7 und 7 ' . Durch die direkte Kopplung ihrer zentralen Antriebswellen mit den Kippachsen der Kardanringe erfolgen die Drehbewegungen des Kardanaußen- und des Karda- ninnenringes. Dadurch lässt sich die Geräteplattform auf dem Kardaninnenring stabil positionieren und der Winkel nach dem jeweiligen Sollwert ausrichten. Zum Antrieb werden im Ausführungsbeispiel drehmomentstarke Servoantriebe sowie Präzisionsgetriebe eingesetzt, die sich durch ihre geringe Baugröße und hervorragende Steifigkeit und Wiederholgenauigkeit auszeichnen. Das Trägersystem ist für die Stabilisierung von Aufnahmegeräten mit einer Gesamtmasse bis etwa 50 kg ausgelegt.
Die Geräteachsen cp1 und ω1 der Geräteplattform 9 (Figur 5) sind dabei so angeordnet, dass sie sich mit den Achsen φ und ω des Flugapparates (pitch, roll) decken; sie können aber auch versetzt dazu liegen. In jedem Fall übernehmen bei der erfindungsgemäßen Lösung die Verstellelemente für die Lagestabilisierung zugleich den Bewegungsablauf der Bildwanderungskompensation. Die Verstellelemente zur Lagestabilisierung gegen die zufälligen Positionsschwankungen des Flugappa- rates und zur Bildwanderungskompensation sind somit identische Elemente. Dadurch lässt sich eine beträchtliche Einsparung an gerätetechnischem Aufwand und damit an Gesamtgewicht sowie eine Minimierung des Platzbedarfs für das Gesamtgerät erreichen. Bei der erfindungsgemäßen Lösung kann manuell zwischen einer normalen Stabilisierung und einer Stabilisierung mit Bildwanderungsausgleich umgeschaltet werden. Da der Bildwanderungsausgleich nur die φ'-Achse (pitch) betrifft, funktioniert die Lagestabilisierung durch die ω-Achse (roll) weiterhin.
Bei ausreichend langem Bildfolgezyklus (z.B. tf-ls) und maximalen Belichtungszeiten (z.B. tB-0,l s) kann durch Synchronisation zwischen den Befehlen "Bildwanderungskompensati- on ein" und "Bildwanderungskompensation aus" und dem Auslöseimpuls für den Befehl "Aufnahme" ein automatisches Umschalten erfolgen.
Der Kippwinkel α und die Kippwinkelgeschwindigkeit α" werden mit inkrementellen und/oder absoluten Gebern erfasst, welche in den Geräteachsen angebracht bzw. bereits in den Antrieben integriert sind. Die Parameter zur Berechnung der Winkel für die Bewegungskompensation (Flughöhe, Fluggeschwindigkeit und Belichtungszeit) können manuell eingegeben oder auch automatisch durch Abgleich mit der Bildauslösesteuerung der Kamera und durch Bildauswertung eines zusätzlichen CCD-Chips erfasst werden.
Bei der Kompensation der Bildwanderung zur Verbesserung der Bildschärfe der photographischen Aufnahme wird man zweckmäßigerweise die Kamera zunächst durch eine Vorhaltebewegung in eine Ausgangsstellung bringen und in dem sich anschließenden Belichtungsvorgang mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit α1 in eine Endstellung bewegen. Einen entsprechenden Algorithmus für den hierfür erforderlichen zeitlichen Ablauf der Plattformbewegung zeigt beispielhaft die Fig. 6. Danach erfolgt nach der Erfassung der Fluglage (pitch, roll) die rechnerische Ermittlung des Vorhaltewinkels, wobei sich die Winkelgröße für die Kamerakippung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit aus der Belichtungszeit, der Objektivbrennweite der Kamera sowie der Flughöhe und -geschwindigkeit, für die Beschleunigungs- und Bremsphase unter Einbeziehung des Antriebmomentes und der Trägheitsmomente für die Kamera und den Antrieb berechnen lässt. Nach Einstellung des Vorhalte- und Endwinkels für die Kippbewegung erfolgt nach Auslösen des mit der Belichtungssteuerung synchronisierten Startsignals in der
Phase gleichförmiger Ausgleichbewegung der Geräteplattform mit dem Kameraschwenk auch die Bildbelichtung. Vorteilhafterweise sollte bei der Vorwärtsbewegungskompensation, also der Schalterstellung "Bildwanderungskompensation ein", für den Belichtungsbeginn automatisch ein fest eingestellter Vorhaltewinkel α/2 gewählt werden, um im Belichtungsschwerpunkt eine annähernd senkrechte Stellung der Aufnahmekamera für den achsnahen Projektionsstrahl PS zu erhalten (Fig. 3) .
Bei der Vorwärtsbewegungskompensation (Forward Motion Compen- sation FMC) auftretende Winkelwerte für die Kamerakippung, darunter den Korrektionswinkel α und die Korrekturgeschwindigkeit α', enthält die Tabelle 1 für den Fall eines maximalen Kompensationswinkels und die Tabelle 2 für einen minima- len Kompensationswinkel.
Tabelle 1: maximaler Kompensationswinkel
Eingangsgrößen:
Flughöhe hg 300,00 m
Brennweite f 75,00 mm
Fluggeschwindigkeit Vg 320,00 km/h
Beilichtungszeit tb 0,020 = 1/ 50 s
Bildgröße s1 50 mm
Bildfolgezeit T 1,50 s
Trägheitsmoment Kamera JK 5,00 kgm2
Trägheitsmoment Antrieb JAΠ 6,60 kgm2
Antriebsmoment M 40,0 Nm
Sicherheit Beschleunigung S 2,0
Zwischenergebnisse:
Geländestrecke S 200,00 m s-s'*hg/f
Bildmaßstab M 1/ 4000 m=f/hg
Blldwanderung W 0,44 mm w=f1hg*vgtb
Längsüberdeckung q 33% q=1-(Tvgc/s'hg)
Ergebnisse:
Korrekturwinkel α 0,34° a=2arctan(v gW(2(hg+f)))
Korrekturgeschwindigkeit Dα/dt 16,97 ,. Dα/dt=αΛb=4vg(hg+f)/((vgt)2+4(hg+ Beschleunigungs-,
Bremswinkel O an 1,46° αan=(dα/dt)2*J/2M
Gesamtwinkel für FMC Cl ges 3,26° αges=S(α+2αan)
Winkelreserve (pitch gesamt) Cl Rest 16,74° α Rest=20<>-α ges
Tabelle 2:
minimaler Kompensationswinkel
Eingangsgrößen:
Flughöhe hg 3000,00 m
Brennweite f 250,00 mm
Fluggeschwindigkeit V9 320,00 km/h
Belichtungszeit tb 0,001 s = 1/ 1000 s
Bildgröße s1 50 mm
Bildfolgezeit T 1,00 s
Trägheitsmoment Kamera JK 5,00 kg2
Trägheitsmoment Antrieb JAΠ 6,60 kgm2
Antriebsmoment M 40,0 Nm
Sicherheit Beschleunigung S 2,0
Zwischenergebnisse:
Geländestrecke S 600,00 m
Bildmaßstab M 1/ 12000
Blldwanderung W 0,01 mm
Längsüberdeckung q 85%
Ergebnisse:
Korrekturwinkel α 0,002°
Korrekturgeθchwlndlgkeit dα/dt 1,70°/s
Beschleunigungs-,
Bremswinkel Cl an 0,01°
Gesamtwinkel für FMC d ges 0,03°
Winkelreserve (pitch gesamt) Q Rest 19,97°
OO
[Bezugszeichenliste]
φ, ω und χ Raumachsen des Flugapparates
«P ' r ω ' und x ' Geräteachsen (Drehachsen) α Kippwinkel (Korrekturwinkel) α ' Kippwinkelgeschwindigkeit
Vg Fluggeschwindigkeit hg Flughöhe
PS Projektionsstrahl
W Bildwanderung
H , H ' Objektivhauptebenen
FUq Wirkmomente 1 Kardaninnenring
2 Kardanaußenring
3 Gehäuse
4 , 5 Antriebsbaugruppen
6, 6 ' Antriebsmotoren 7 , 7 1 Präzisionsgetriebe
8 , Regeleinrichtungen
9 Geräteplattform