Verfahren und Vorrichtung zur intermittierenden Okklusion des Koronarsinus
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur intermittierenden Okklusion des Koronarsinus, bei welchem abwechselnd der Koronarsinus mit einer Okklusions-Einrichtung okkludiert wird und die Okklusion aufgehoben wird sowie eine Vorrichtung für die intermittierende Okklusion des Koronarsinus.
Arterielles Blut, das den Herzmuskel versorgt, kann durch gesundes Herzgewebe hindurchtreten und es ernähren, hat jedoch Schwierigkeiten das ischämische Gewebe zu erreichen. Dadurch wird die Versorgung des ischämischen Gewebes mit Nährstoffen sowie das Abführen von Abbauprodukten des Meta- bolismus von dem ischämischen Gewebe behindert.
In diesem Zusammenhang ist bereits vorgeschlagen worden das ischämische Gewebe durch retrograde Perfusion mit Blut zu versorgen. Dabei wird versucht das Blut in Gegenrichtung von dem Koronarsinus zurück durch das koronare Venensystem fließen zu lassen, in dem man aus einer anderen Quelle Blut in den Koronarsinus einspeist, entweder durch permanente Verbindung einer Arterie mit dem Koronarsinus oder durch temporäres Einsetzen eines Katheters in den Sinus, der mit von einer entfernten Arterie entnommenem und mit Hilfe einer sich außerhalb des Körpers des Patienten befindlichen Blutpumpe beförderten Blut versorgt wird.
Bei einer anderen vorgeschlagenen Technik für die Retroper- fusion wird ein am Ende eines Katheters festgelegter aufblasbarer Ballon verwendet, um den Koronarsinus intermittierend zu okkludieren. Der Blutdruck im Koronarsinus steigt während der Okklusion bei jedem Herzschlag, sodass Blut, das durch das gesunde Gewebe des Herzmuskels in den Koronarsinus gelangt, in das ischämische Gewebe zurückgeschwemmt wird. Bei einer solchen intermittierenden Koronarsinusokklusion wird das Ballonende des Katheters perkutan oder durch eine
Operation eingesetzt. Das andere Ende des Katheters wird mit Gas oder Flüssigkeit durch eine Pumpe versorgt, die ein zyklisches Aufblasen und Zusammenfallen des Ballons bewirkt. Ein typisches Anwendungsgebiet für die Retroinfusion von Blut in Koronarvenen mittels intermittierender Koronarsinus- okklusion betrifft die Myokardprotektion während eines kurzfristigen Koronararterienverschlusses im Rahmen eines kar- diologischen Eingriffes. Ein typischer derartiger Eingriff ist beispielsweise die Ballondilatation einer arteriosklero- tisch verengten Koronararterie. Bei dieser auch als perkuta- ne transluminale Koronarangioplastie (PTCA) bekannten Methode wird ein Ballonkatheter unter Röntgenkontrolle in den Bereich der Stenose der Koronararterie geführt und die arteri- osklerotische Plaque durch Aufblasen des am Ende des Katheters befindlichen Ballons komprimiert. Während der Dilatation des Ballons findet stromabwärts in der Arterie keine Versorgung des Gewebes mit sauer-stoff altigem Blut statt, wobei sich bereits bei Dilatationen von länger als 30 Sekunden Dauer funktioneile Veränderungen im Ischämiegebiet ' des Myo- kards feststellen lassen. Entsprechende Probleme der Ischämieprotektion des Myokards stellen sich auch bei anderen Eingriffen zur Koronarvaskularisierung wie z.B. bei Atherek- to ie, Koronarendoprothesen, Laseranwendungen und perkutanen Herzklappenoperationen. Eine Vorrichtung zur Retroinfusion von Koronarvenen ist beispielsweise aus der EP 230 996 A2 bekanntgeworden, mit welcher eine druckgesteuerte intermittierende Koronarsinus- okklusion vorgenommen werden kann. Die Vorrichtung umfasst eine Einrichtung zum Okkludieren des Sinus wie z.B. einen aufblasbaren Ballonkatheter, eine Druckmesseinrichtung zum Messen des Flüssigkeitsdruckes innerhalb des Koronarsinus und ein Steuergerät, das Auslösesignale für die Okklusions- Einrichtung- erzeugt, um eine Okklusion auszulösen oder aufzuheben. Das Steuergerät ist hiebei derart ausgelegt, dass im Koronarsinus das Druckmaximum während jedes Herzschlages
gemessen, ein Plateauwert der Druckmaxima aufeinanderfolgender Herzschläge rechnerisch abgeschätzt und die Okklusion des Koronarsinus auf Basis des Plateauwertes der Druckmaxima aufgehoben wird.
Das Okkludieren des Koronarsinus bewirkt einen Druckanstieg und in der Folge eine Retroperfusion von Blut über die entsprechende Vene in die nutritiven Kapillaren des Ischämiegebietes, sodass diese Gebiete mit Nährstoffen versorgt werden können. Bei Aufheben der Okklusion wird das retroperfundier- te Blut ausgeschwemmt, wobei gleichzeitig die Abfallprodukte des Metabolismus abgeführt werden. Bei dem Verfahren gemäß der EP 230 996 A2 wird somit aufgrund der Messung des Druckmaximums im Koronarsinus während jedes Herzschlages rechner- isch eine systolische Druckkurve abgeschätzt, wobei die Okklusion des Koronarsinus in Abhängigkeit von dem Plateauwert der systolischen Druckkurve aufgehoben wird.
Zur Bestimmung des Zeitpunkts, zu welchem die Okklusion wie- der eingeleitet wird, wird gemäß dem Verfahren der EP 230 996 A2 eine empirisch gewonnene Formel vorgeschlagen, mit welcher der Intervall zwischen dem Ende der Okklusion und dem Spitzenwert der reaktiven Hyperämie abgeschätzt werden kann. Die empirisch gewonnene Formel basiert auf Parametern der für den okkludierten Koronarsinus bestimmten systolischen und diastolischen Druckkurve, wobei in der Folge eine lineare Regression vorgenommen wird. Mit dem Verfahren gemäß der EP 230 996 A2 wurde zwar erreicht, dass die Okklusion erst zu einem Zeitpunkt wieder eingeleitet wird, welcher nach dem Auftreten des Spitzenwertes der reaktiven Hyperämie, d.h. nach dem Ausströmen des aufgestauten Blutes aus dem Koronarsinus, liegt. Die üngenauigkeit der empirisch bestimmten Formel hat jedoch zur Folge, dass mitunter aus Sicherheitsgründen der Zeitraum bis zur erneuten Okklusion des Koronarsinus zu groß gewählt wird und somit zu lange zugewartet wird bis die nächste Okklusion eingeleitet wird. Dadurch wird das Verfahren ineffizient, wobei sich zu allem
fiberfluss herausgestellt hat, dass die rechnerische Durchführung des Verfahrens umständlich und nicht mit hinreichender Geschwindigkeit gelingt.
Die vorliegende Erfindung zielt nun darauf ab, ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung für die intermittierende Okklusion des Koronarsinus vorzuschlagen, bei welchen eine höhere Genauigkeit der Bestimmung des optimalen Zeitpunkts der Einleitung der nächsten Okklusion erreicht wird und welche unmittelbar auf die Druckverhältnisse im nicht okkludierten Koronarsinus Rücksicht nimmt.
Zur Lösung dieser Aufgabe besteht das erfindungsgemäße Verfahren im Wesentlichen darin, dass der Verlauf des nach Auf- hebung der Okklusion im Koronarsinus auftretenden Flüssig- keitsdrucks rechnerisch abgeschätzt wird und der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit vom geschätzten Druckverlauf bestimmt wird. Die entsprechende erfindungsgemäße Vorrichtung weist hierbei eine Okklusions- Einrichtung zum abwechselnden Okkludieren des Koronarsinus und Aufheben der Okklusion und eine Steuerungseinrichtung zur Abgabe von Steuersignalen an die Okklusions-Einrichtung zur Steuerung des Zeitpunkts des Beginns und des Aufhebens der Okklusion und zeichnet sich dadurch aus, dass mit der Steuerungseinrichtung eine Recheneinheit verbunden ist, welche zur rechnerischen Abschätzung des Verlaufs des nach Aufhebung der Okklusion im Koronarsinus auftretenden Flüssig- keitsdrucks ausgebildet ist, wobei der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit vom geschätzten Druckverlauf bestimmt wird. Erfindungsgemäß werden somit zur Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns der nächsten Okklusion unmittelbar die Druckverhältnisse im Koronarsinus während der nicht okkludierten Phase (Releasephase) abgeschätzt und es ist somit nicht mehr erforderlich auf empirisch gewonnene Formeln zurückzugreifen, sodass die Genauigkeit des Verfahrens erhöht wird. Die Kenntnis bzw. die Vorhersage des Verlaufs des während der Releasephase im Koronarsinus herr-
sehenden Drucks erlaubt unmittelbare Rückschlüsse auf verschiedene andere für das Verfahren entscheidende Parameter, wie beispielsweise das Durchflussvolumen und den Spitzenwert der reaktiven Hyperämie, und erlaubt die präzise Steuerung der Okklusions-Einrichtung.
Eine Verfeinerung des Verfahrens ergibt sich gemäß einer bevorzugten "Ausbildung dadurch, dass die nach Aufhebung der Okklusion im Koronarsinus während aufeinanderfolgender Herz- schlage auftretenden Druckmaxima rechnerisch abgeschätzt werden und .der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit von den geschätzten Druckmaxima bestimmt wird. Ähnlich kann auf vorgegangen werden, wenn anstatt der Druckmaxima die Druckminima herangezogen werden. Zur Durch- führung dieses bevorzugten Verfahrens ist die Ausbildung derart weitergebildet, dass die Recheneinheit zur Abschätzung der nach Aufhebung der Okklusion im Koronarsinus während aufeinanderfolgender Herzschläge auftretenden Druckmaxima ausgebildet ist, wobei der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit von den geschätzten
Druckmaxima bestimmt wird.
Nach Aufhebung der Okklusion findet im Koronarsinus ein Re- laxationsprozess statt, wobei der Druckverlauf durch eine Exponentialfunktion angenähert werden kann. Gemäß einer bevorzugten Verfahrensweise ist daher vorgesehen, dass die nach Aufhebung der Okklusion im Koronarsinus während aufeinanderfolgender Herzschläge auftretenden Druckmaxima durch eine Exponentialfunktion angenähert werden und. der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit vom Plateauwert der Exponentialfunktion bestimmt wird. Die entsprechende Vorrichtung ist hierbei derart weitergebildet, dass die Recheneinheit zur Approximation der nach Aufhebung der Okklusion im Koronarsinus während aufeinanderfolgender Herzschläge auftretenden Druckmaxima durch eine Exponentialfunktion ausgebildet ist, wobei der Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion in Abhängigkeit vom Plateauwert der
Exponentialfunktion bestimmt wird. Dabei kann wiederum in analoger Weise bei der Annäherung der Druckminima vorgegangen werden. Die Exponentialfunktion,, welche die Druckmaxima bzw. Druckminima verbindet und daher die s stolische bzw. diastolische Druckkurve wiedergibt, nähert sich asymptotisch einem Plateauwert, welcher dem niedrigsten Druck im Koronarsinus nach der Aufhebung der Okklusion bzw. dem Ausgangsdruck im Koronarsinus vor Einleitung der intermittierenden Okklusion entspricht. Dieser Plateauwert eignet sich daher besonders gut für die Bestimmung der Okklusions- intervalle. Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform kann beispielsweise derart vorgegangen werden, dass die Okklusion des Koronarsinus aufgehoben wird, wenn die Exponentialfunktion ein definiertes Vielfaches des prognos- tizierten Plateauwertes erreicht. In diesem Fall wird die Releasephase dann beendet, wenn der Druck im Koronarsinus gemäß dem prognostizierten exponentiellen Verlauf einen gewissen Prozentsatz über dem Plateauwert liegt. Die Exponentialfunktion kann hierbei besonders bevorzugt definiert wer- den durch: p(t) = a+b-e -t./c, wobei a der systolische bzw. diastolische Druck im Koronarsinus vor der intermittierenden Okklusion, b die Differenz, zwischen dem systolischen bzw. diastolischen Druck am Ende der Okklusion und dem Druck a, c eine Zeitkonstante darstellen. Dabei sind lediglich die drei Parameter a, b und c zu bestimmen, wobei zwei der drei ' Parameter, nämlich die Parameter a und b, messbare Größen sind, welche während des Eingriffes ermittelt werden können. C entspricht hierbei einer Zeitkonstante, welche der Zeit entspricht, in welcher der Koronarsinusdruck auf 1/e = 36,8% seines maximalen Werts abfällt. Dadurch, dass zwei der drei Parameter messbaren Größen darstellen, welche individuell für jeden Patienten bestimmt werden können, wird mit der oben genannten Exponen-
tialfunktion ein Verfahren geschaffen, welches besonders stabil ist und reproduzierbare Werte für die Okklusions- intervalle ergibt. Die Zeitkonstante c kann hierbei hinsichtlich einer möglichst genauen Annäherung der Exponen- tialfunktion an die tatsächlich auftretenden Druckmaxima bzw. Druckminima unter Verwendung eines Approximations- algorithmus bestimmt werden.
Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispieles näher erläutert. In dieser zeigen Fig.l eine Diagrammansicht eines Herzens mit einer Vorrichtung zum intermittierenden Okkludieren des Koronarsinus, Fig.2 eine graphische Darstellung des Koronar- sinusdruckverlaufes und Fig.3 die obere Hüllkurve des Druck- Verlaufes.
In Fig. 1 ist schematisch die Vorrichtung zum intermittierenden Okkludieren des Koronarsinus dargestellt, wobei ein Multilumen-Katheter 1, dessen distales Ende 2 in den Koro- narsinus des Herzens 3 über das Atrium eingesetzt wird, ersichtlich ist. Das proximale Ende 4 des Katheters 1 hat ein Ballonaufblaslumen 5, das mit einer Pumpe 6 verbunden ist. Der am distalen Ende 2 des Katheters 1 herrschende Druck wird von einer Druckmesseinrichtung 7 erfasst, wobei die Druckmesseinrichtung auch einen Speicher für die ermittelten Messwerte aufweist. Die jeweiligen Druckmesswerte werden einer Steuerungseinrichtung 8 umfassend eine Recheneinheit zugeführt, welche Steuersignale über die Leitung 9 zum Starten und Anhalten der -Pumpe 6 liefert.
In Fig. 2 ist der von der Messeinrichtung 7 erfasste Druckverlauf dargestellt, wobei der Beginn der Okklusion mit T0, das Ende der Okklusion mit Tl und der Beginn der nächsten Okklusion mit T2 dargestellt ist. Es ist eine Reihe von systolischen Druckspitzen 10 und eine Reihe von dias- tolischen Tälern 11 ersichtlich. Die Pulsperiode 12 des Herzschlages wird durch die Zeit zwischen aufeinander-
folgenden Spitzen oder aufeinanderfolgenden Tälern dargestellt. Die Okklusionsphase ist mit 13 und die Releasephase mit 14 bezeichnet.
In Fig.3 ist für die Releasephase 14 die Hüllkurve 15 dargestellt, welche die Druckmaxima 10 verbindet und welche eine Exponentialfunktion darstellt. Die Exponentialfunktion 15 ist definiert durch: p(t) = a+b • e_t,c , wobei a der systolische Druck im Koronarsinus vor der intermittierenden Okklusion, b die Differenz zwischen dem systolischen Druck am Ende der Okklusion und dem Druckniveau a, c eine Zeitkonstante und t die Zeit gemessen vom Beginn der Releasephase darstellen.
Ausgehend von dieser Exponentialfunktion 15 kann das untere Plateau 16 des Druckverlaufs bestimmt werden und in der Fol- ge auch die Zeit, welche benötigt wird, um den Plateauwert zu erreichen. Der tiefste Wert der Funktion p(t), d.h. der Plateauwert, wird ermittelt, in dem t = ∞ (unendlich) gesetzt wird. Für t = ∞ errechnet sich: p(t) = a. Dies bedeutet, dass die Druckkurve 15 sich dem Druckniveau asympto- tisch nähert. Es kann daher nicht abgewartet werden bis die Druckkurve den Wert a erreicht, sondern es wird ein Vielfaches dieses Plateauwerts, beispielsweise das 1,01 fache des Plateauwerts, definiert, welcher den Zeitpunkt des Beginns der nächsten Okklusion bestimmt. Die Zeit, zu welcher das 1,01 fache des Plateauwerts erreicht wird, errechnet sich gemäß folgenden Gleichungen:
P(tιr0ι) = 1,01-P( 00 ' c 1.01 • a = a+b ■ e
tι,oι = c-ln 0,01-a
Entsprechend den Bedürfnissen können dieselben Rechenschritte für andere Vielfache des Plateauwerts vorgenommen werden.
Insgesamt erlaubt es die vorliegende Erfindung, den optimalen Zeitpunkt der Auslösung der Okklusion sehr genau zu bestimmen und somit die Dauer der Releasephase zu steuern. Dabei wird sichergestellt, dass die Okklusion erst nach Auftreten des Spitzenwertes der reaktiven Hyperämie wieder ausgelöst wird, wobei die Steuerung derart erfolgen kann, dass die Okklusion unmittelbar nach Auftreten diese Spitzenwerts ausgelöst wird, sodass die Dauer der Releasephase auf das notwenige Minimum reduziert werden kann. Durch Minimierung der Dauer der Releasephase wird das Verhältnis der Okklusi- onszeit zur Releasezeit erhöht und somit insgesamt über einen längeren Zeitraum die Okklusion durchgeführt, sodass ü- ber längere Zeit hindurch ein höherer Druck im Koronarsinus auftritt. Die möglichst lang andauernde Druckerhöhung führt hierbei vermehrt zur Freisetzung von gefäßbildenden Genen (VEGF-Gene, den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor kodierende Gene) kommt, sodass auch die Regeneration der Herz- gefäße begünstigt wird.