NOTFALL-ANHALTESYSTEM EINES NICHT SPURGEBUNDENEN KRAFTFAHRZEUGES
Die Erfindung betrifft ein Lenksystem eines nicht spurgebundenen Kraftfahrzeuges, mit einem lenkbare Fahrzeugräder steuernden motorischen Lenkstellaggregat, welches von einer Lenkregelanordnung in Abhängigkeit von einem Soll-Istwert-Vergleich zwischen Lenkwinkel-Istwertsignalen eines mit den lenkbaren Fahrzeugrädern betätigen Istwertgebers und Lenkwinkel-Sollwertsignalen einer Sollwert-Vorgabeeinheit betätigt wird.
Bei üblichen Kraftfahrzeugen ist die Lenkhandhabe, in der Regel ein Lenkhandrad, mit den lenkbaren Fahrzeugrädern zwangsgekoppelt, so dass die Lenkhandhabe und die lenkbaren Fahrzeugräder immer zueinander analoge Verstellbewegungen ausführen. Im übrigen wird durch Servoaggregate regelmäßig gewährleistet, dass die an der Lenkhandhabe aufzubringenden Handkräfte gering bleiben.
Inzwischen werden jedoch auch Lenksysteme entwickelt, bei denen die Lenkhandhabe und die lenkbaren Fahrzeugräder lediglich funktional über eine Regelstrecke miteinander gekoppelt sind. Dabei betätigen die lenkbaren Fahrzeugräder bzw. damit gekoppelte Teile einen Lenkwinkel-Istwertgeber. Die Lenkhandhabe wirkt auf einen Lenkwinkel-Sollwertgeber ein. Ein Regler vergleicht die vom Sollwertgeber gelieferten Sollwertsignale mit dem vom Istwertgeber gelieferten IstwertSignalen und betätigt in Abhängigkeit von einem Soll- Istwert-Vergleich ein mit den lenkbaren Fahrzeugrädern zu deren Lenkverstellung gekoppeltes motorisches Stellaggregat. Bei diesem auch als „Steer-by-Wire" bezeichneten Konzept
besteht der grundsätzliche Vorteil, dass sich bei der Betätigung des Stellaggregates neben der Betätigung der Lenkhandhabe durch den Fahrer vielfältige weitere Parameter berücksichtigen lassen. Im übrigen entfällt die bei Kollisionen des Fahrzeuges prinzipiell Gefahr bringende Lenksäule .
Insbesondere ist ein solches Lenksystem für automatische Lenkeingriffe geeignet, beispielsweise um Seitenwindeinflüsse oder dergleichen auf den gewünschten Fahrweg des Fahrzeuges zu verringern.
Aus der DE 198 41 914 AI ist ein automatisches Lenksystem bekannt, welches bei einer Fahrt des Fahrzeuges in einer Richtung, etwa bei Vorwärtsfahrt, wesentliche Daten für die zurückgelegte Wegstrecke sowie die dabei ausgeführten Lenkmanöver registrieren kann, derart, dass nachfolgend eine Fahrt in umgekehrter Fahrtrichtung, etwa in Rückwärtsrichtung, automatisch auf dem zuvor bei der Fahrt in der einen Fahrtrichtung zurückgelegten Weg erfolgen kann.
Aufgabe der Erfindung ist es nun, bei einem Lenksystem der eingangs angegebenen Art die Sicherheit bei fahrerseitig nicht mehr beherrschbaren Fahrsituationen deutlich zu erhöhen.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass das Fahrzeug mit einem System für einen automatischen Bremseingriff, einem System zur Erkennung fahrerseitig nicht beherrschbarer Fahrzustände und einer Vorgabe- bzw. Speicheranordnung mit Vorgabedaten für ein Notfall- Anhaltemanöver ausgerüstet ist, und dass das Lenkstellaggregat sowie das System für automatische Bremseingriffe bei einem der fahrerseitig nicht beherrschbaren Fahrzustände automatisch den Notfall-Vorgabedaten folgen.
Die Erfindung beruht auf dem allgemeinen Gedanken, ein automatisches Notfall-Anhaltemanöver des Fahrzeuges dadurch zu
ermöglichen, dass ständig für ein solches Manöver geeignete Steuerdaten gesammelt, bzw. bereit gehalten werden, um ein fahrzeugseitig vorhandenes Systems für einen automatischen Bremseingriff und das motorisch Lenkstellaggregat notfallgerecht steuern zu können.
Zur Verwirklichung der Erfindung kann vorteilhafterweise von fahrzeugseitig vorhandenen bzw. grundsätzlich bekannten Systemteilen Gebrauch gemacht werden.
So sind beispielsweise Systeme für einen automatischen Bremseingriff grundsätzlich bekannt und in vielen Fahrzeugen bereits serienmäßig vorhanden, um beispielsweise durch selektiven Bremseingriff an einzelnen Fahrzeugrädern vom Fahrer eingeleitete Lenkmanöver zu unterstützen bzw. die Gefahr eines Ausbrechens des Fahrzeuges bei schneller Kurvenfahrt zu vermindern. Derartige Systeme sind bei entsprechender Steuerung grundsätzlich geeignet ein Fahrzeug bei einen Notfall-Anhaltemanöver automatisch zum Stillstand zu führen.
Ähnliches gilt für das bei Lenksystemen der eingangs angegebenen Art ohnehin notwendige motorische
Lenkstellaggregat, welches während des Notfall-Anhaltemanövers ebenso wie das System für die automatischen Bremseingriffe erfindungsgemäß nur den Befehlen für den Notfall-Anhalteweg folgen muss .
Neben den Lenk- und Bremssystemen können auch andere Systeme bei der Ausführung des Notfallmanδvers automatisch angesteuert werden, z.B. kann in aktive Feder-Dämpfer-Systeme des Fahrwerks, in Motor-Steuersysteme und/oder Getriebe- Steuersysteme des Fahrzeugantriebes od.dgl. eingegriffen werden.
Im Ergebnis lässt sich also das Fahrzeug bei einem Notfallmanöver durch entsprechende Vorgabe-Daten in Längs-, Quer- und/oder Hochrichtung beschleunigen bzw. verzögern.
Grundsätzlich ist die Erfindung für vielfältige Notfallsituationen geeignet, und zwar sowohl für fahrerseitig als auch fahrzeugseitig verursachte Notfälle.
Falls mit entsprechender Sensorik ein extremer Schwächeanfall des Fahrers registriert wird, kann ein erfindungsgemäßes Fahrzeug selbsttätig anhalten. Wenn andererseits der an sich höchst unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass die Signalstrecke zwischen Lenkstellaggregat und Regler abreißt, steht noch die Speicheranordnung mit Vorgabedaten für das Notfall-Anhaltemanover zur Verfügung. Diese Speicheranordnung ist gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung parallel zum Signalweg zwischen Regler und Lenkstellaggregat sowie separat vom Regler angeordnet .
Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden die Vorgabedaten für das Notfall- Anhaltemanöver mittels entsprechender Sensorik ständig aktualisiert, so dass bei tatsächlichem Eintritt des Notfalls ein optimales Anhaltemanöver automatisch ausgeführt wird.
In diesem Zusammenhang kann die vorgenannte Sensorik beispielsweise ständig die Daten eines Navigationssystems (GPS-System) auswerten, um den Straßenverlauf immer für eine für ein Anhaltemanöver ausreichenden Fahrstrecke zu speichern. Des weiteren können Mittel zur Erkennung anderer Fahrzeuge und Hindernisse vorhanden sein, so dass bei einem Notfall- Anhaltemanöver immer der letzte Zustand der Umgebung des Fahrzeuges vor Eintritt des Notfalles berücksichtigt werden kann, wobei gegebenenfalls bei beweglichen Hindernissen, d.h. insbesondere bei vom System registrierten anderen Fahrzeugen, deren gegebenenfalls zuletzt ermittelte Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit erfaßt wird, um eine Extrapolation des
zuletzt ermittelten Zustandes für ein zukünftiges Zeitintervall zu ermöglichen.
Im Übrigen wird hinsichtlich bevorzugter Merkmale der Erfindung auf die Ansprüche und die nachfolgende Erläuterung der Zeichnung verwiesen, anhand der eine besonders bevorzugte Ausführungsform der Erfindung näher beschrieben wird.
Dabei zeigt die einzige Figur ein schematisiertes Blockschaltbild des erfindungsgemäßen Lenksystems.
Ein nicht näher dargestelltes Kraftfahrzeug besitzt Vorder- und Hinterräder 1, wobei die lenkbaren Vorderräder mit einem motorischen Lenkstellaggregat 2 zu ihrer Lenkverstellung gekoppelt sind. Außerdem ist den Vorderrädern 1 bzw. dem Lenkstellaggregat 2 ein Istwertgeber 3, dessen Signale den jeweiligen Istwert des Lenkwinkels wiedergeben, sowie ein Druck- bzw. Kraftmesser 4 zugeordnet, dessen Signale die zwischen den lenkbaren Vorderrädern 1 und dem Lenkstellaggregat 2 wirksamen Lenkkräfte darstellen.
Ein vom Fahrer zu betätigendes Lenkhandrad 5 ist mit einem Handkraftsteller 6 gekoppelt, welcher zur Veränderung der am Lenkhandrad aufzubringenden Handkräfte dient . Die zwischen dem Handkraftsteller 6 und dem Lenkhandrad wirksamen Drehmomente werden mittels eines Drehmoment-Messers 7 erfaßt. Außerdem wirkt das Lenkhandrad 5 mit einem Winkelmesser 8 zusammen, dessen Signale den vom Fahrer gewünschten Lenkwinkel wiedergeben.
Eine RegelVorrichtung 9 ist eingangsseitig mit dem Istwertgeber 3, dem Druck- bzw. Kraftmesser 4, dem Drehmomentmesser 7 sowie dem Winkelmesser 8 verbunden. Ausgangsseitig sind das Lenkstellaggregat 2 und der Handkraftsteller 6 angeschlossen. Zusätzlich kann die RegelVorrichtung 9 eingangsseitig mit weiterer Sensorik 10 verbunden sein, mittels der Parameter des Fahrzustandes des
Fahrzeuges erfaßt werden können, beispielsweise Gierbewegungen und Querbeschleunigungen des Fahrzeuges sowie Seitenwindeinflüsse .
Bei normalen Fahrsituationen wird das Signal des Winkelmessers 8, welches den vom Fahrer am Lenkhandrad 5 vorgegebenen Lenkwinkel wiedergibt, als Basis-Sollwert für den Lenkwinkel verarbeitet. Soweit die Sensorik 10 vorhanden ist, können deren Signale für eine Modifikation des Basis-Sollwertes herangezogen werden, um die jeweilige besondere Fahrsituation bzw. die jeweils erfaßten Parameter des Fahrzustandes im jeweiligen Lenkwinkel-Sollwert zu berücksichtigen. Dieser Lenkwinkel-Sollwert wird mit dem vom Istwertgeber 3 erfaßten Lenkwinkel-Istwert verglichen. Entsprechend dem Soll-Istwert- Vergleich steuert die RegelVorrichtung 9 das Lenkstellaggregat 2 an. Im Ergebnis folgt damit der Lenkwinkel-Istwert dem Lenkwinkel-Sollwert .
Die jeweils zwischen dem Lenkstellaggregat 2 und den lenkbaren Vorderrädern 1 wirksamen, und vom Druck- bzw. Kraftmesser 4 erfaßten Lenkkräfte bzw. die diese Kräfte wiedergebenden Signale werden von der Regelvorrichtung 9 als Sollvorgabe für die Betätigung des Handkraftstellers 6 verarbeitet, so dass die Regelvorrichtung 9 durch entsprechende Betätigung des Handkraftstellers 6 einen der jeweiligen Fahrsituation angemessene Kraft, welche einer Drehbetätigung des Lenkhandrades 5 entgegenwirkt, einzustellen vermag. Dabei werden die jeweils zwischen Handkraftsteller 6 und Lenkhandrad 5 wirksamen' Ist-Kräfte vom Drehmomentmesser 7 erfaßt und der Regelvorrichtung 9 „gemeldet".
Grundsätzlich kann die Regelvorrichtung 9 mittels des Handkraftstellers 6 gegebenenfalls auch Drehstöße oder sonstige bei herkömmlichen Lenksystemen auftretende Effekte simulieren.
Erfindungsgemäß besitzt das Fahrzeug zusätzlich eine Vorgabebzw. Speicheranordnung 11, welche dazu dienen soll, dass in extremen Gefahrenzuständen ein automatisiertes Anhaltemanöver des Fahrzeuges ohne fahrerseitige Mitwirkung durchgeführt werden kann.
Diese Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 ist ausgangsseitig parallel zur Regelvorrichtung 9 mit dem Lenkstellaggregat 2 verbunden. Außerdem ist an die Ausgangsseite der Vorgabe- bzw. Speieheranordnung 11 ein System 12 für einen automatischen Bremseingriff angeschlossen, welches Radbremseinrichtungen 15 rad- und/oder achsweise ansteuern kann, um das Fahrzeug zu verzögern bzw. zu stabilisieren. Bei entsprechender Betätigung des Lenkstellaggregates 2 sowie des Systems 12 für den automatischen Bremseingriff kann also die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 ein Anhaltemanöver des Fahrzeuges ausführen.
Eingangsseitig ist die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 mit prinzipiell beliebigen, insbesondere sensorischen Systemen verbunden, deren Signale zur Ermittlung eines optimalen Anhalteweges geeignet oder nützlich sind.
Dementsprechend kann die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 ständig mit der Regelvorrichtung 9 kommunizieren, um alle dort vorliegenden Daten, insbesondere auch die Signale der mit der Regelvorrichtung 9 zusammenwirkenden Sensororgane berücksichtigen zu können. Zusätzlich oder alternativ kann die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 mit den vorgenannten Sensororganen auch direkt kommunizieren.
Des Weiteren kann die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 mit sensorischen Vorrichtungen 13 zur Erfassung des jeweiligen Fahrweges verbunden sein. Ein Beispiel einer solchen Vorrichtung ist Navigationssystem, welches einerseits die geographische Position des Fahrzeuges und andererseits den Verlauf der vom Fahrzeug befahrenen Straße erfassen bzw. in
Form entsprechender Signale wiedergeben kann. Ein weiteres Beispiel ist ein Erkennungssystem für vorausfahrende Fahrzeuge bzw. in Fahrtrichtung vorhandene Hindernisse.
Vorzugsweise ist noch ein System 16 zur Erkennung fahrerseitig nicht beherrschbarer Fahrzustände vorgesehen. Dieses System 16 kann also mit nicht dargestellter Sensorik erkennen, ob der Fahrer wegen technischer Defekte oder wegen äußerer Umstände, z.B. Schwächeanfall des Fahrers, die Beherrschung des Fahrzeuges verloren hat. Im dargestellten Beispiel ist das System 16 in die Lenkregelanordnung 9 integriert und überwacht die Kommunikation zwischen der Lenkregelanordnung 9 und dem Lenkstellaggregat . Außerdem kann das System noch mit einer Sensorik zur Fahrerüberwachung, z.B. mit einer Einschlafwarnvorrichtung, verbunden sein.
Alle Daten der mit der Vorgabe- bzw. Speicheranordnung kommunizierenden Systeme 9,13 und 16 werden zu Steuerdaten für einen optimalen Notfall-Anhalteweg verarbeitet und gespeichert, wobei diese Daten ständig aktualisiert werden. In der Regel sind also zu verschiedenen Zeitpunkten Steuerdaten für voneinander abweichende Notfall-Anhaltemanöver gespeichert. Die Daten nicht mehr aktueller Notfall- Anhaltemanöver werden ständig gelöscht bzw. aus dem entsprechenden Datenspeicher ausgeschoben.
Bei normalen Fahrsituationen wird die Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 nicht wirksam.
Erst wenn ein extremer Gefahrenzustand auftritt, beispielsweise wenn ein Abriß der Signalstrecke zwischen Regelvorrichtung 9 und Lenkstellaggregat 2 erkannt wird, werden die in der Vorgabe- bzw. Speicheranordnung 11 vorhandenen Steuerdaten für ein Notfall-Anhaltemanöver wirksam bzw. an das Lenkstellaggregat 2 sowie das System 12 für den automatischen Bremseingriff weitergeleitet. Damit führt das
Fahrzeug ein Lenk- und Bremsmanöver bis zum Stillstand des Fahrzeuges aus .