Beschreibung
Verfahren und Anordnung zur Erhöhung und Gewährleistung der Selektivität eines Schaltgerätes in einer Gruppe von Schalt- geraten sowie Verwendung der Anordnung beim Schalten in Stromkreisen
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Erhöhung und Gewährleistung der Selektivität eines Schaltgerätes in einer Gruppe von Schaltgeräten. Daneben bezieht sich die Erfindung auf eine Anordnung zur Erhöhung und Gewährleistung der Selektivität eines Schaltgerätes in einer Gruppe von hintereinander geschalteten Schaltgeräten sowie auf die Verwendung der Anordnung beim Schalten in Stromkreisen.
Speziell Leistungsschaltgeräte dienen vor allem dem Kurzschlussschutz. Zusätzlich ist damit aber auch ein Schutz vor Überlast, Fehlerstrom und/oder Unterspannung möglich. Im Zusammenwirken aller Schaltgeräte einer Anlage muss eine selek- tive Arbeitweise gegeben sein. Selektivität bedeutet, dass nur diejenigen Schutzorgane, die dem Fehler am nächsten liegen, in kürzester Zeit ansprechen, so dass keine unzulässigen Abschaltungen, z. B. von vorgeordneten Schaltgeräten, erfolgen. Insbesondere sollen damit nicht mehr Verbraucher als un- vermeidbar von einer Störung betroffen werden.
Daneben ist eine „Back up"-Schutzeinrichtung-/eigenschaft vorteilhaft. Damit darf das Ausschaltvermögen des nachgeord- neten Leistungsschalters kleiner sein als der Kurzschluss- ström an der Einbaustelle, was in de Fachliteratur im Einzelnen beschrieben ist [z.B. 1: „Schalten, Schützen, Verteilen in Niederspannungsnetzen"; Berlin, München; Siemens-Aktien- ges.1990, insb. Seiten 162 - 169] . Weiterhin übernimmt bei Versagen des nachgeordneten Schalters der vorgeordnete Schal- ter die Schutzfunktion. Dies erfolgt aber bei höherem Strom.
Die Selektivität von Schaltgeräten in einer Gruppe von Schaltgeräten wird bisher entweder durch Strom-/Zeit-
Staffelung oder durch eine Kommunikation zwischen den Schaltgeräten bewirkt. Bei der Strom-/Zeitstaffeiung sind die Auslösekennlinien so aufeinander abgestimmt, dass der nachgeord- nete Schalter schneller und bei kleinerem Strom auslöst. Die Staffelzeit ist z. B. 70 ms und ist damit auf keinen Fall so, dass eine Strombegrenzung durch eine Auslösung des vorgeordneten Schalters bewirkt werden kann und im Gegenteil eine sehr große Belastung der Betriebsmittel auftritt. Dies stellt einen großen Nachteil der Strom-/Zeitstaffeiung dar. Durch den Einsatz einer Kommunikation zwischen den Schaltgeräten lässt sich eine Staffelung vermeiden. Nachteilig ist hier jedoch der hohe und damit kostenintensive Verkabelungsaufwand. Der Back up-Schutz wird bisher ausschließlich durch die Auslösekennlinien bewirkt und unterliegt damit auch den Nachtei- len einer Strom-/Zeitstaffeiung, [s. 1]
Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein anderes Verfahren zur Erhöhung und Gewährleistung der Selektivität vorzuschlagen und eine zugehörige Anordnung zu schaffen. Gleichermaßen sol- len damit verbesserte Schaltmöglichkeiten angegeben werden.
Die Aufgabe ist erfindungsgemäß mit den Maßnahmen des Patentanspruches 1 gelöst. Ein zugehörige Anordnung ist Gegenstand des Patentanspruches 7. Weiterbildungen der Erfindung werden in den jeweils zugehörigen Unteransprüchen und insbesondere in den Verwendungsansprüchen, welche die Betriebsweise der Anordnung beim Schalten in Stromkreisen beinhalten, beinhalten.
Gegenstand der Erfindung ist ein neuartiges Verfahren zur
Verbesserung und Gewährleistung der Selektivität von Schaltgeräten, das aufgrund einer Impedanzanalyse gleichermaßen die Möglichkeit eines verbesserten „Back up"-Schutzes bietet. Die Erfindung ist insbesondere bei Anlagen mit Leistungsschalt- geraten einsetzbar.
Grundlage der Erfindung ist die Analyse der Impedanz auf der Abgangsseite des vorgeordneten Schalters im Falle eines Kurz-
Schlusses. Diese Impedanz wird einerseits durch die Elemente des Stromkreises - wie Sammelschienen, Leitungen u. dgl . - gebildet. Andererseits beeinflusst aber auch ein nachgeordne- ter Schalter die Höhe des Kurzschlussstromes infolge seines Innenwiderstandes - wie beispielsweise der Widerstand der Kontakt-Engestelle, eines etwaig vorhandenen Bimetall- oder Magnetauslösers - als auch insbesondere durch den in ihm erzeugten Lichtbogen während der Kurzschlussabschaltung.
Eine bevorzugte Ausprägung der Erfindung besteht darin, dass der vorgeordnete Schalter im Falle eines Kurzschlusses zunächst unverzögert öffnet und gleichzeitig die Impedanz auf der Abgangsseite detektiert. Öffnet der nachgeordnete Schalter ebenfalls, wird hierbei im nachgeordneten Schalter ein Lichtbogen erzeugt, was ein signifikantes Ansteigen der Impedanz in der Kurzschlussmasche zur Folge hat. Durch die Detek- tion des Vorhandenseins eines Lichtbogens erkennt der vorgeordnete Schalter also, dass der nachgeordnete Schalter ausgelöst hat. In diesem Fall kann der vorgeordnete Schalter den ÖffnungsVorgang der Kontakte unterbrechen und die Kontakte wieder schließen.
Eine andere Ausprägung der Erfindung besteht darin, dass der vorgeordnete Schalter eine Kontaktöffnung erst dann vornimmt, wenn die abgangsseitige Impedanz unter einem einzustellenden Schwellwert liegt. In diesem Fall kann der vorgeordnete Schalter davon ausgehen, dass der Kurzschluss von ihm auszuschalten ist. Liegt die Impedanz des Kurzschlussstromkreises über dem Schwellwert, dann geht das vorgeordnete Schaltgerät zunächst davon aus, dass der Kurzschluss von einem nachgeordneten Schaltgerät ausgeschaltet wird. Dem liegt die generelle Annahme zugrunde, dass die prospektiven Ströme bei Kurzschlüssen zwischen dem vorgeordneten Schalter und einem oder mehreren nachgeordneten Schaltern prinzipiell höher sind als bei Kurzschlüssen, die „hinter" dem nachgeordneten Schalter auftreten. Diese Annahme wird allein schon dadurch bestätigt, dass der nachgeordnete Schalter mit seinen Strombahnen, seinem Kontakt-Engewiderstand und den Widerständen von Bimetal-
len und Magnetauslösern einen signifikanten Beitrag zur Impedanz der Kurzschlussmasche gegenüber der ansonsten ohne ihn vorhandenen Innenimpedanz des Netzes darstellt.
Wird hinsichtlich des vorgeordneten Schalters zunächst entschieden, den Stromkreis nicht zu unterbrechen, wird dennoch mit der erfindungsgemäßen Anordnung die Impedanz des Kurzschlussstromkreises weiter beobachtet. Insbesondere kann hierdurch im vorgeordneten Schalter erkannt werden, ob der nachgeordnete Schalter eine zunehmende, strombegrenzende
Lichtbogenspannung erzeugt und damit insgesamt eine strombegrenzende Wirkung aufweist. Sollte innerhalb einer zu definierenden Zeit keine signifikante Lichtbogenspannung des nachgeordneten Schalters erkennbar sein, so öffnet der vorge- ordnete Schalter, um den Kurzschluss dennoch zu unterbrechen. Dieses Verfahren dient dem „Back up"-Schutz.
Des Weiteren erkennt der vorgeordnete Schalter mit beiden Verfahren aus der Analyse des Lichtbogens, ob der nachgeord- nete Schalter ein einem Sollverlauf folgendes Öffnungsverhalten aufweist. Gegebenenfalls kann der vorgeordnete Schalter hierdurch auch den Typ des nachgeordneten Schalters sowie Diagnose-Informationen bezüglich des Schaltvermögens des nachgeordneten Schalters ermitteln.
Wesentlich für die Funktionsweise des Verfahrens ist in jedem Fall die Kenntnis der Impedanzen von Leitungen/Stromschienen der Verteilung. Durch den Einsatz DV-gestützter Projektierungsverfahren stehen diese Daten heute vorteilhafterweise bereits in digitaler Form zur Verfügung oder können sehr leicht ermittelt werden. Die relevanten Daten müssen den Auslösern der Schaltgeräte - ggf. in aufbereiteter Form - während der Inbetriebnahme der Anlage oder bei Änderungen an der Anlage übermittelt werden.
Wie bereits erwähnt, kann mit der Erfindung vorteilhafterweise gleichermaßen Selektivität und Back up-Schutz bewirkt werden: Durch die Feststellung des ordnungsgemäßen Öffnens des
nachgeordneten Schalters kann der vorgeordnete Schalter durch ein Blockieren des Auslösers - wie bei der Selektivität durch Kommunikation zwischen den Schaltgeräten - die Selektivität bewirken. Ebenso kann ein Versagen d. h. Nicht-Öffnen des nachgeordneten Schalters detektiert werden. Durch Feststellung der nach dem vorgeordneten Schalter vorhandenen Stromkreisimpedanz, die aus Impedanzen von Leitungen/Stromschiene und Lichtbogenimpedanz ermittelt wird, kann der prospektive Kurzschlussstrom ermittelt und somit ein äußerst wirksamer „Back up"-Schutz bewirkt werden. Vorteilhaft ist weiterhin, dass sich damit auch beim Schalten des vorgeordneten Schalters eine Strombegrenzung erzielen lässt.
Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Figurenbeschreibung eines Ausführungsbeispiels anhand der Zeichnung in Verbindung mit den Patentansprüchen. Die einzige Figur zeigt ein zugehöriges Blockschaltbild.
In der Figur sind in einem Stromkreis 1 mit Einspeisequelle zwei Schaltgeräte 10 und 20 hintereinander geschaltet, wobei der erste Schalter 10 einen „vorgeordneten" Schalter mit Schalteinrichtung 11 und der zweite Schalter 20 einen „nachgeordneten" Schalter bilden. Der vorgeordnete Schalter 10 enthält neben den üblichen, in der Figur nicht dargestellter Einrichtungen, wie z. B. Auslöser, noch Messeinrichtungen 12 und 13 zur Messung des Stromes iM und der Spannung uM gegen MP/N bzw. anderen Phasen sowie einen ausreichend leistungsfähigen μP/Signalprozessor 15. Der Prozessor 15 erfasst iM und uM. Die jeweiligen komplexen Impedanzen der Stromschienen bzw. der Leitungen im Stromkreis sind durch RL und LL gegeben, womit ein Ersatzschaltbild definierbar ist.
Bei Bedarf lassen sich aber auch komplexere Ersatzschaltbil- der mit Berücksichtigung einer Leitungskapazität, ideale Leitungen o. ä. einsetzen. Der Lichtbogen des nachgeordneten Schalters 20 wird durch einen veränderlichen Widerstand RB beschrieben.
Die Maschengleichung ergibt sich bei Anwendung auf die vorstehend erläuterte Figur zu:
uM = LL -^- + R iM mitR = RL + RB ( 1 ) dt
In Anlehnung an bekannte Verfahren des digitalen Distanzschutzes [s.2: H.Clemens, K. Rothe „Schutztechnik in Elektroenergiesystemen"; vde-verlag gmbH, Berlin - Offenbach 1991, insb. Seiten 350 - 358] werden iM und uM zu mehreren, z. B. drei, Zeitpunkten gemessen und wird das Gleichungssystem nach R und UB aufgelöst. Allerdings funktionieren die klassischen Verfahren des Distanzschutzes in diesem Fall nicht, da der Lichtbogenwiderstand RB ein zeitvarianter Parameter ist und nicht, wie bei der Anwendung von Distanzschutzverfahren sonst üblich, zeitlich konstant ist. Alternativ kann folgendes Verfahren angewandt werden: Es wird angenommen, dass äquidistant aufeinander folgende Lichtbogenwiderstände einer arithmetischen Reihe gehorchen, also RB(n+l) = RB(n) + ΔRB und damit gilt:
R(n+1) = R(n) + ΔRB . (2)
Durch Auflösung der entsprechenden Differenzengleichungen ist es mit dieser Annahme bei vier Abtastungen möglich, die nunmehr vier Unbekannten UB, LL, ΔRB und R(O) zu bestimmen.
Die Bestimmung der Stromsteilheit dim/dt erfolgt vorzugsweise durch magnetische Spannungsmesser oder Rogowski-Wandler, an deren Ausgang ein der Stromsteilheit proportional Spannung ansteht. Der Wert des Stromes kann hieraus durch an sich bekannte Integrationsverfahren vorgenommen werden.
Eine Ausweitung des Verfahrens auf Mehrphasensysteme ist im Rahmen der Erfindung ohne weiteres durchführbar.
Beim Schalten in einem Stromkreis 1 mit wenigstens zwei Schaltern 10 und 20, wobei der erste Schalter 10 den vorgeordneten Schalter und der zweite Schalter 20 den nachgeordne- ten Schalter darstellt, und an der Stelle 5 ein Kurschluss auftritt, wird folgendermaßen vorgegangen:
Der vorgeordnete Schalter 10 öffnet im Falle des Kurzschlusses zunächst unverzögert. Gleichzeitig wird der Widerstand RB und die Bogenspannung Uo auf der Abgangsstelle detektiert.
Beim Öffnen des nachgeordneten Schalters 20 wird der im nach- geordneten Schalter 20 erzeugte Lichtbogen im vorgeordneten Schalter 20 erkannt. Der Lichtbogen zeigt ein signifikantes Ansteigen der Lichtbogenspannung, was ein Ansteigen der Impe- danz in der Kurzschlussmasche zur Folge hat.
Alternativ nimmt der vorgeordnete Schalter 10 eine Kontaktöffnung erst dann vor, wenn die abgangsseitige Impedanz unter einem einzustellenden Schwellwert liegt.
Mit der oben erläuterten Anordnung ist neben der selektiven Schaltung der Schaltgeräte in Stromkreisen mit einer Gruppe von Schaltgeräten gleichermaßen ein „Back up"-Schutz möglich. Dabei erfolgt der „Back up"-Schutz durch Erfassung des pro- spektiven Kurzschlussstromes, wobei dann ggf. der vorgeordnete Schalter mit auslöst.
Durch Impedanzberechnung mit abgewandeltem Distanzschutzalgorithmus ist weiterhin eine Bestimmung von RB möglich.
Es kann vorgesehen sein, dass bei entsprechender Impedanzüberschreitung der vorgeordnete Schalter 10 wieder schließt. Aus der Analyse des Lichtbogens kann nämlich erkannt werden, ob der nachgeordnete Schalter 20 ein einem Sollverlauf fol- gendes Öffnungsverhalten aufweist. Ggf. kann der vorgeordnete Schalter 10 hierdurch auch den Typ des nachgeordneten Schalters 20 ermitteln sowie Diagnose-Informationen bzgl. des Schaltvermögens des nachgeordneten Schalters 20 geben.
Für die Praxis ist es möglich, dass aus dem DV-gestütztem Projektierungsverfahren Daten für RL und LL in den Mikroprozessor (μP) 15 übertragen werden.
Insgesamt ist nochmals folgender technische Fortschritt herauszustellen: Mit der vorstehend beschriebenen Vorgehensweise wird gleichermaßen die Erhöhung und Gewährleistung der Selektivität der Schalter und ein „Back up"-Schutz bewirkt: Durch die Feststellung des ordnungsgemäßen Öffnens des nach- geordneten Schalters kann der vorgeordnete Schalter durch ein Blockieren des Auslösers - wie bei der Selektivität durch Kommunikation zwischen den Schaltgeräten - bereits die Selektivität realisieren. Dabei wird gleichermaßen ein Versagen d. h. Nicht-Öffnen des nachgeordneten Schalters, detektiert.
Durch Feststellung der nach dem vorgeordneten Schalter vorhandenen Stromkreisimpedanz, die aus Impedanzen von Leitungen/Stromschiene und Lichtbogenimpedanz ermittelt wird, kann auch der prospektive Kurzschlussstrom ermittelt werden und somit ein äußerst wirksamer „Back up"-Schutz bewirkt werden. Damit lässt sich auch beim Schalten des vorgeordneten Schalters eine Strombegrenzung erzielen.