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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems gemäß Anspruch 1.
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Bei Fahrerassistenzsystemen mit wenigstens teilweise autonomen Fahrfunktionen wie einem System zur elektronischen Kopplung von Fahrzeugen zu einem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) muss sichergestellt werden, dass durch deren Einsatz keine Unfälle entstehen. Dies ist insbesondere bei einem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) zu beachten, da die Abstände zwischen den elektronisch gekoppelten Fahrzeugen kürzer als der übliche Sicherheitsabstand gewählt werden. Bei Vollbremsungen des elektronisch gekoppelten Fahrzeugverbands (Platoon) muss daher gewährleistet sein, dass keine Auffahrunfälle innerhalb der Fahrzeuge des Fahrzeugverbands entstehen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt demgegenüber die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems derart weiter zu bilden, dass es eine höhere Sicherheit gewährleistet.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale von Anspruch 1 gelöst.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Erfindung löst unter anderem das Problem, dass beispielsweise in einem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverbands (Platoon) der Abstand zwischen den Fahrzeugen ihrem jeweiligen Bremsvermögen angepasst wird.
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Die Erfindung offenbart hierzu ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines auf einer Fahrstrecke fahrenden Ego-Fahrzeugs, wobei bei dem Verfahren
- a) wenigstens ein Referenz-Fahrzeug wenigstens eine Position auf der Fahrstrecke und für diese Position wenigstens eine Größe ermittelt oder schätzt, welche ein Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs an der wenigstens einen Position repräsentiert, und wobei
- b) die Größe wenigstens mittels mindestens eines Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs in einem Modell derart normiert wird, dass wenigstens der Einfluss des Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs auf die wenigstens eine Größe wenigstens teilweise eliminiert wird, und wobei
- c) das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs wenigstens abhängig von der durch das Modell normierten Größe eingestellt oder kalibriert wird.
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Der Begriff „Bremsvermögen“ bedeutet insbesondere ein maximales Bremsvermögen des wenigstens einen Referenz-Fahrzeugs, d.h. insbesondere eine Verzögerung des wenigstens einen Referenzfahrzeugs, welche beispielsweise während einer Notbremsung oder während einer Vollbremsung des Referenz-Fahrzeugs auftritt oder aufgetreten ist.
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Unter einem Einstellen oder Kalibrieren des Fahrerassistenzsystems soll insbesondere verstanden werden, dass eine Funktion des Fahrerassistenzsystems abhängig von der durch das Modell normierten Größe beeinflusst wird, beispielsweise ein Einstellen oder Einregeln eines Mindestabstands, Relativabstands und/oder einer Relativgeschwindigkeit in Bezug zu einem vorausfahrenden Fahrzeug.
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Da das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs wenigstens abhängig von der durch das Modell normierten Größe eingestellt oder kalibriert wird und dabei die normierte Größe auf eine bestimmte Position der Fahrstrecke bezogen und damit positionsbezogen ist, erfolgt auch das Einstellen oder Kalibrieren des Fahrerassistenzsystems positionsbezogen, d.h. abhängig von der jeweiligen Position des Ego-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke.
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Mit anderen Worten wird bevorzugt bei einem (beispielsweise zeitlich vorangehenden) Befahren der Fahrstrecke durch wenigstens ein Referenz-Fahrzeug eine Größe ermittelt oder geschätzt, welche das (insbesondere maximale) Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs an wenigstens einer Position des Referenz-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke repräsentiert, um das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs vor oder während eines (insbesondere zeitlich nachfolgenden) Befahrens der Fahrstrecke abhängig von der Position des Ego-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke einzustellen oder zu kalibrieren.
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Weil dabei die Größe mittels des wenigstens einen Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs in dem Modell derart normiert wird, dass der Einfluss des wenigstens einen Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs auf die wenigstens eine Größe wenigstens teilweise oder vollkommen eliminiert wird, stellt die normierte Größe eine (weitgehend) fahrzeugunabhängige Größe dar. Die derart normierte Größe wird dann für das Einstellen oder Kalibrieren eines in Bezug auf das Referenzfahrzeug anderes Fahrzeug, nämlich das Ego-Fahrzeug herangezogen.
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Wie beschrieben, ist die Größe bzw. die normierte Größe von der jeweiligen Position auf der Fahrstrecke abhängig und/oder kann insbesondere einen funktionalen Zusammenhang mit dieser bilden. Die wenigstens eine normierte Größe stellt daher einen durch Befahren der Fahrstrecke durch das wenigstens eine Referenz-Fahrzeug ermittelten oder geschätzten Erfahrungswert dar. Es versteht sich daher, dass die Güte der wenigstens einen Größe umso größer ist, desto größer die Anzahl der Referenz-Fahrzeuge ist, welche die Fahrstrecke befahren oder befahren haben, oder je häufiger das Referenz-Fahrzeug die Fahrstrecke befahren hat.
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Mit dem Verfahren wird daher das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs derart eingestellt oder kalibriert, dass das Fahrerassistenzsystem abhängig von der Position des Ego-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke bedarfsweise unterschiedlich reagiert, weil die Größe bzw. die normierte Größe selbst abhängig von dieser Position ist.
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Beispielsweise kann eine Funktion zum Halten eines (Mindest-)Abstands und/oder einer Relativgeschwindigkeit zu einem vorausfahrenden Fahrzeug, wie sie bei einer adaptiven Geschwindigkeitsregelung (ACC) oder in einem System zur elektronischen Kopplung von Fahrzeugen zu einem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) zum Einsatz kommt, entlang der der Fahrstrecke abhängig von der aktuellen Position des Ego-Fahrzeugs angepasst oder eingestellt werden. Beispielsweise kann an einer Position der Fahrstrecke, bei welcher sich herausgestellt hat, dass das wenigstens eine Referenz-Fahrzeug einen gegenüber anderen Positionen ein geringeres Bremsvermögen und damit einen größeren Bremsweg aufweist, der Relativabstand des Ego-Fahrzeugs zu einem vorausfahrenden Fahrzeug größer eingestellt werden. Umgekehrt kann an einer Position der Fahrstrecke, bei welcher sich herausgestellt hat, dass das wenigstens eine Referenz-Fahrzeug einen gegenüber anderen Positionen ein größeres Bremsvermögen und damit einen kleineren Bremsweg aufweist, der Relativabstand des Ego-Fahrzeugs zu einem vorausfahrenden Fahrzeug kleiner eingestellt werden.
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Durch das Bestimmen oder Schätzen der wenigstens einen Größe, welche das (insbesondere maximale) Bremsvermögen des wenigstens einen Referenz-Fahrzeugs charakterisiert oder repräsentiert, kann daher eine Art Karte der Fahrstrecke nach dem Kriterium des Bremsvermögens von die Fahrstrecke befahrenden Fahrzeugen erstellt werden.
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Der wenigstens eine Fahrzeug-Parameter des wenigstens einen Referenz-Fahrzeugs kann wenigstens Folgendes umfassen: Eine Fahrzeugbeladung, eine Fahrzeugmasse, ein Reifentyp, eine Konfiguration des Referenz-Fahrzeugs. Der Fahrzeugparameter ist insbesondere ein aktueller Fahrzeugparameter. Aktuell meint, dass der Fahrzeug-Parameter zum Zeitpunkt des Befahrens der Fahrstrecke durch das Referenz-Fahrzeugs aktuell ist oder war. Durch den wenigstens einen Fahrzeug-Parameter kann daher eine aktuell vorliegende Fahrdynamiksituation des Referenz-Fahrzeuges wenigstens teilweise definiert werden, z. B. wie schnell kann das Referenz-Fahrzeug an der aktuellen Position von der dort aktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit ausgehend abgebremst werden kann.
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Der wenigstens eine Fahrzeug-Parameter kann von dem Referenz-Fahrzeug an der wenigstens einen Position ermittelt oder geschätzt und/oder aus einem Datenspeicher des Referenz-Fahrzeugs ausgelesen werden, insbesondere zur weiteren Verarbeitung in einem noch später beschriebenen Modell.
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Auch können bei der oder für die Einstellung oder Kalibrierung des Fahrerassistenzsystems des Ego-Fahrzeugs aktuelle Umgebungsdaten der Fahrstrecke erfasst werden, wenn das Ego-Fahrzeug die Fahrstrecke befährt. Die aktuellen Umgebungsdaten der Fahrstrecke können beispielsweise wenigstens Folgendes umfassen: Eine aktuelle Umgebungstemperatur und/oder eine aktuelle Luftfeuchtigkeit. Die aktuellen Umgebungsdaten der Fahrstrecke können von dem Ego-Fahrzeug und/oder von einer externen Instanz ermittelt oder zur Verfügung gestellt werden.
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Gemäß einer besonders zu bevorzugenden Ausführungsform des Verfahrens
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- a) sendet das Referenz-Fahrzeug die wenigstens eine Position und die wenigstens eine Größe an eine Cloud, und
- b) in der Cloud ist oder wird das Modell zur Normierung der wenigstens einen Größe implementiert, und
- c) die Cloud sendet ein Signal an das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs, um das Fahrerassistenzsystem abhängig von der normierten Größe einzustellen oder zu kalibrieren.
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Dieses Modell stellt dann insbesondere ein Bremsvermögen- oder Bremsperformance-Modell dar, welches auf mathematischen Methoden basiert, beispielsweise auf einem Gauß-Prozess oder auf einem neuronalen Netz.
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Bei dem Verfahren kann die Ermittlung oder Schätzung der wenigstens einen Größe mit Hilfe eines Fahrdynamikmodells des Referenz-Fahrzeugs erfolgen, welches eine positive oder negative Beschleunigung und/oder eine Geschwindigkeit und/oder wenigstens eine Raddrehzahl eines Rades des Referenz-Fahrzeugs an der wenigstens einen Position als Eingangsgröße verwendet und die wenigstens eine Größe, welche das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs an der wenigstens einen Position repräsentiert, als Ausgangsgröße ausgibt.
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Die wenigstens eine Größe, welche das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs an der wenigstens einen Position repräsentiert, kann insbesondere Folgendes umfassen: Eine (insbesondere maximale) Verzögerung des Referenz-Fahrzeugs während eines Bremsvorgangs des Referenz-Fahrzeugs, einen Bremsweg des Referenz-Fahrzeugs während eines Bremsvorgangs des Referenz-Fahrzeugs, insbesondere infolge oder während einer Voll- oder Notbremsung. Der Bremsvorgang kann daher beispielsweise eine vom Fahrer oder automatisch ausgelöste Voll- oder Notbremsung sein. Bei der Voll- oder Notbremsung kann wird insbesondere eine maximale Bremskraft eingesetzt werden.
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Auch kann bei dem Verfahren eine Güte (γest) der Ermittlung oder Schätzung der wenigstens einen Größe ermittelt wird. Die Güte (γest) der Ermittlung oder Schätzung der wenigstens einen Größe kann dann in dem Modell berücksichtigt werden.
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Auch können an der wenigstens einen Position des Referenz-Fahrzeugs vorliegende Umgebungsdaten herangezogen werden, um die wenigstens eine Größe zu normieren. Dann kann bei dem Verfahren das Modell bei der Normierung der wenigstens einen Größe die Umgebungsdaten des Referenz-Fahrzeugs berücksichtigen, welche an der wenigstens einen Position des Referenz-Fahrzeugs vorliegen oder vorlagen. Die aktuellen Umgebungsdaten des Referenz-Fahrzeugs können von dem Referenz-Fahrzeug ermittelt oder von einer externen Instanz ermittelt und/oder zur Verfügung gestellt werden. Die externe Instanz kann insbesondere ein Wetterdienst oder eine öffentliche Einrichtung sein.
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Auch kann das Fahrerassistenzsystem des Ego-Fahrzeugs wenigstens abhängig von der durch das Modell normierten Größe kalibriert oder eingestellt werden, um das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs abhängig von der Position des Ego-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke zu bestimmen oder zu schätzen. Das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs kann insbesondere auf der Basis einer insbesondere maximal aufbringbaren Verzögerung amax und/oder eines insbesondere minimal erzielbaren Bremswegs dbrk,p des Ego-Fahrzeugs geschätzt oder vorausgesagt werden.
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Das Modell kann daher beispielsweise für eine Prädiktion des Bremswegs dbrk,p des wenigstens einen Ego-Fahrzeugs herangezogen werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht insbesondere in einem Platoon die Fahrzeugabstände dem maximalen Bremsvermögen der Ego-Fahrzeuge anzupassen, bevor oder während die jeweilige Fahrstrecke befahren wird.
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Bei Fahrerassistenzsystemen mit Fahrsicherheitsfunktionen kann mit dem mit Hilfe des Verfahrens ermittelten Bremsvermögen von wenigstens zwei Ego-Fahrzeugen eines Platoons eine positionsbezogene Parametrierung erfolgen, d.h. sie ist abhängig von der jeweiligen Position der Ego-Fahrzeuge in Bezug auf die Fahrstrecke.
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Bevorzugt kann das Fahrerassistenzsystem einen Autopiloten, einen Notbremsassistenten, eine adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC) und/oder ein System zur elektronischen Kopplung von wenigstens zwei Fahrzeugen zu einem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) umfassen. Dabei können die wenigstens zwei Fahrzeuge des elektronisch gekoppelten Fahrzeugverbands jeweils Ego-Fahrzeuge sein, für welche jeweils die durch das Modell normierte Größe bestimmt oder geschätzt wird.
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Bevorzugt kann der wenigstens eine Fahrzeug-Parameter des wenigstens einen Referenz-Fahrzeugs wenigstens Folgendes umfassen: Eine Fahrzeugbeladung, eine Fahrzeugmasse, einen Reifentyp, eine aktuelle Konfiguration des Referenz-Fahrzeugs, ein aktuell maximal verfügbares Bremsmoment, eine aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit, wobei sich „aktuell“ auf die jeweilige Position des Referenz-Fahrzeugs bezieht.
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Zeichnung
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Nachstehend ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung in der Zeichnung dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. In der Zeichnung zeigt
- 1 eine schematische Darstellung eines Referenz-Fahrzeugs, einer Cloud sowie eines Ego-Fahrzeugs;
- 2 ein Diagramm, in welchem ein Zusammenhang zwischen einem Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs und Eigenschaften einer Fahrbahn dargestellt ist, auf welcher sich das Referenz-Fahrzeug bewegt;
- 3 ein Diagramm, in welchem ein Zusammenhang zwischen einem Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs und einer Position auf der Fahrbahn dargestellt ist;
- 4 ein Ablaufplan einer bevorzugten Ausführungsform eines Verfahrens zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines auf einer Fahrstrecke fahrenden Ego-Fahrzeugs gemäß der Erfindung.
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Beschreibung des Ausführungsbeispiels
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1 ist eine schematische Darstellung eines Referenz-Fahrzeugs 1, einer Cloud 2 und eines Ego-Fahrzeugs 3 sowie von dem zwischen diesen Stationen sattfindenden Signal- und Datenaustausch im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens. Das Ego-Fahrzeug 3 soll hier beispielsweise von gleicher Bauart und vom gleichen Typ in Bezug auf das Referenz-Fahrzeug 1 und beispielsweise ein schweres Nutzfahrzeug sein. Das Referenz-Fahrzeug 1 ist hier in einer Situation dargestellt, in welcher es eine bestimmte Fahrstrecke 4 befährt. Ebenso soll auch das Ego-Fahrzeug 3 beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt oder Zeitraum dieselbe Fahrstrecke 4 befahren, allerdings vorzugsweise erst, nachdem das Referenz-Fahrzeug die Fahrstrecke befahren hat.
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Das Ego-Fahrzeug 3 stellt hier beispielsweise einen Teilnehmer eines elektronisch gekoppelten Fahrzeugverbands (Platoon) dar, wobei die weiteren Teilnehmer des Platoons aus Übersichtlichkeitsgründen nicht dargestellt, aber ohne weiteres vorstellbar sind. Ein Fahrerassistenzsystem 5, hier insbesondere ein System zur elektronischen Kopplung von Ego-Fahrzeugen zu dem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) ist beispielsweise an Bord des Ego-Fahrzeugs 3 verbaut und ausgebildet, um einen bestimmten Relativabstand und/oder eine bestimmte Relativgeschwindigkeit zu einem vorausfahrenden Ego-Fahrzeug einzuhalten.
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Um wie eingangs beschrieben Auffahrunfälle zwischen den Teilnehmern des Platoons zu vermeiden, wenn diese Teilnehmer die Fahrstrecke 4 befahren, sollen Erfahrungswerte des Referenz-Fahrzeugs 1 hinsichtlich dessen Bremsvermögen beim Befahren dieser Fahrstrecke 4 genutzt werden. Anstatt nur ein Referenz-Fahrzeug 1 können beliebig viele Referenz-Fahrzeuge 1 herangezogen werden, um Erfahrungswerte hinsichtlich des Bremsvermögens beim Befahren der Fahrstrecke 4 zu sammeln. Der Begriff „Bremsvermögen“ schließt insbesondere ein maximales Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 ein, d.h. insbesondere die maximale Verzögerung des Referenz-Fahrzeugs 1 beispielsweise während einer Voll- oder Notbremsung.
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Die Fahrstrecke 4 weist hier beispielsweise eine Fahrbahn 6 auf einer öffentlichen Straße auf, welche positionsabhängige Fahrbahnparameter, wie beispielsweise einen Reibwert, eine (seitliche) Neigung, eine Steigung, ein Gefälle usw. aufweist. Diese FahrbahnParameter beeinflussen daher das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1, indem beispielsweise eine glatte Fahrbahn 6 mit niedrigem Reibwert das Bremsvermögen, insbesondere die Verzögerung des Referenz-Fahrzeugs 1 bezogen auf eine bestimmte Bremskraft verringert und eine raue Fahrbahn 6 mit hohem Reibwert erhöht. Der Reibwert der Fahrbahn 6 stellt jedoch lediglich eine Einflussgröße auf das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 dar. Weitere Einflussgrößen sind Fahrzeug-Parameter des Referenz-Fahrzeugs wie beispielsweise die spezifische Bremsausrüstung einschließlich Verschleißzustand, die Masse und die Beladung des Referenz-Fahrzeugs 1.
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Das Referenz-Fahrzeug 1 schätzt beim Befahren der Fahrstrecke 4 beispielsweise aufgrund von Fahrmanövern wie Anfahren, Bremsen ein lokales Bremsvermögen oder eine lokale Bremsperformance abhängig von seiner jeweiligen Position auf der Fahrstrecke 4, insbesondere mit einer gewissen Güte γest. Dies geschieht bevorzugt basierend auf einem Fahrdynamikmodell an Bord und ermöglicht somit eine Erkennung geänderter Fahrbahnverhältnisse wie den Reibwert der Fahrbahn 6, deren Neigung, deren Steigung, deren Gefälle etc.. Neben dem Fahrdynamikmodell wird bevorzugt ein dynamischer Zustandsschätzer, insbesondere unter Verwendung von positionsabhängigen Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- und Raddrehzahl-Werten des Referenz-Fahrzeugs 1 an Bord verwendet. Die Güte γest. dient zur Beurteilung, wie zuverlässig der jeweils geschätzte Wert ist. Bevorzugt diese Schätzwerte sendet das Referenz-Fahrzeug 1 im Beispiel an die Cloud 2. Außerdem werden die Position (z.B: durch GPS), Fahrzeugdaten und -parameter (Beladung, Reifentypen, Fahrzeugkonfiguration usw.) und auch beispielsweise vom Referenz-Fahrzeug 1 gemessene Umgebungsdaten (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, z.B. anhand einer Auswertung von Daten eines Regensensors und/oder eines Scheibenwischers) sowie beispielsweise Fahrdynamik-Daten (Beschleunigungen, Geschwindigkeiten etc.) vom Referenz-Fahrzeug 1 bevorzugt als positionsbezogene Mess- oder Schätzwerte an die Cloud 2 übermittelt oder bereits in die Schätzung des Bremsvermögens an Bord des Referenz-Fahrzeugs einbezogen. Daher stellt das Referenz-Fahrzeug 1, wie in 1 bezeichnet, einen „lokalen Schätzer“ dar.
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Weiterhin kann das Referenz-Fahrzeug 1 von der Cloud 2 für die aktuelle Position des Referenz-Fahrzeugs 1 auf der Fahrstrecke 4 in der Cloud 2 gespeicherte Referenzwerte zur Plausibilisierung der Schätzung und zur Erkennung von potentiellen systematischen Abweichungen der Schätzwerte von den in der Cloud 2 gespeicherten Werten erhalten. Solche systematischen Abweichungen können beispielsweise durch verschlissene Reifen des Referenz-Fahrzeugs 1 entstehen.
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Alternativ oder zusätzlich können auch externe Daten 7 verwendet werden, um die Umgebungsdaten zu erhalten, wenn das Referenz-Fahrzeug die Fahrstrecke befährt, insbesondere auch positionsabhängig. Diese Umgebungsdaten können beispielsweise Daten über das lokale Wetter, den lokalen Zustand der Fahrbahn 6 (Verschmutzung) und/oder das Verkehrsgeschehen (Baustelle, Unfall) und/oder Änderungen in der Straßenführung umfassen. Die Umgebungsdaten können beispielsweise von einer externen Instanz 8 wie einem Verkehrs- oder Wetterdienst bezogen werden. Die Umgebungsdaten können beispielsweise aus dem Internet oder von Messstationen oder Satelliten bezogen werden.
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Die Cloud 2 erstellt aus der empfangenen lokalen Schätzung des Bremsvermögens des Referenz-Fahrzeugs 1 mit entsprechender Güte γest und optional auch aus den von der externen Instanz 8 empfangenen externen Daten wie Umgebungsdaten ein Bremsvermögen-Modell (1: „BP-Modell“) mittels mathematischer Methoden, wie beispielsweise mit einem Gauß-Prozess oder mit einem neuronalen Netz. Darin wird eine (weitgehende) Elimination der Fahrzeug-Parameter (Beladung etc.) von den Schätzwerten durchgeführt. Das Modell berücksichtigt auch die externen Daten, insbesondere die Umgebungsdaten, so dass in dem Modell für verschiedene Umgebungsdaten, insbesondere für verschiedene Wetterverhältnisse jeweils ein normiertes Bremsvermögen bestimmt wird.
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2 zeigt ein Diagramm, in welchem ein Zusammenhang zwischen dem Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 und Eigenschaften der Fahrbahn 6 dargestellt ist, auf welcher sich das Referenz-Fahrzeug 1 bewegt. Die Eigenschaften der Fahrbahn 6 sind hier beispielsweise „trocken“, „feucht“, „nass“, Schnee" und „Eis“. Erkennbar ist, dass das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 in der oben genannten Reihenfolge der Eigenschaften abnimmt. Die in 2 dargestellten vertikalen Bänder anstelle von exakten Werten entstehen durch Einflüsse, die sich nicht anhand von Fahrzeug-Parametern eliminieren lassen. Das solchermaßen normierte Bremsvermögen stellt eine Vorhersage des Bremsvermögen-Modells dar, woraus bevorzugt eine globale Prädiktion des Bremsvermögens abhängig von den externen Daten (Umgebungsdaten), Fahrzeugdaten und -parametern und der jeweiligen Position auf der Fahrstrecke hergeleitet wird. Dazu wird mit Hilfe der externen Daten (Umgebungsdaten) und der Ausgangsgröße des Bremsvermögen-Modells in Form des normierten Bremsvermögens für verschiedene Positionen der Fahrstrecke ein Band 10 möglicher Bremsvermögen für das Ego-Fahrzeug 3 prädiziert, wie es durch die horizontal aneinander gereihten vertikalen Einzelbänder schematisch in 3 gezeigt ist.
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Daher findet in dem Referenz-Fahrzeug 1 eine von der jeweiligen Position des Referenz-Fahrzeug 1 abhängige lokale Prädiktion des Bremsvermögens statt. Dabei kann eine insbesondere systematische Abweichung der Prädiktion von vorherigen Schätzungen bestimmt werden. Bevorzugt über eine Langzeitbeobachtung kann der Einfluss der Fahrzeugdaten und -parameter wie Beladung, Reifentyp usw. und der Umgebungsdaten auf das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 ermittelt werden. Die Abweichung kann dann verwendet werden, um mittels Extrapolation aus der globalen Prädiktion auf das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs 3 zu schließen, das dieselbe Fahrstrecke 4 befährt oder befahren wird. Dieses Vorgehen ist beispielhaft in 3 illustriert. Die in durchgezogener Linie gezeichnete Kurve 9 stellt den Verlauf der lokalen Schätzung des Referenz-Fahrzeugs 1 über den Positionen auf der Fahrstrecke 4 dar, wobei diese Kurve 9 an der aktuellen Position endet, an welcher sich das Referenz-Fahrzeug zuletzt befindet. Die vertikalen Einzelbänder stellen horizontal gesehen zusammen das Band 10 der globalen Prädiktion dar und die in gestrichelter Linie gezeichnete Kurve 11 hinter der aktuellen Position 12 den Verlauf der lokalen Prädiktion des Bremsvermögens des Referenz-Fahrzeugs 1 über den Positionen der Fahrstrecke. Da in diesem Fall das geschätzte Bremsvermögen stets in einem unteren Bereich der globalen Prädiktion 10 liegt, liegt die Kurve 11 der lokalen Prädiktion 11 des Bremsvermögens auch im unteren Bereich des global vorhergesagten Bandes 10.
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Das Fahrerassistenzsystem 5 des Ego-Fahrzeugs, d.h. hier das System zur elektronischen Kopplung von Fahrzeugen zu dem elektronisch gekoppelten Fahrzeugverband (Platoon) wird dann abhängig von der durch das Modell normierten Größe kalibriert oder eingestellt, um das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs 3 abhängig von der Position des Ego-Fahrzeugs 3 auf der Fahrstrecke 4 zu bestimmen oder zu schätzen. Das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs 3 kann insbesondere durch eine (insbesondere maximale) Verzögerung amax und/oder durch einen (insbesondere minimalen) Bremsweg dbrk,p des Ego-Fahrzeugs 3 charakterisiert werden.
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Das Modell kann beispielsweise für eine Prädiktion des Bremswegs dbrk,p des wenigstens einen Ego-Fahrzeugs 3 abhängig von der jeweiligen Position des Ego-Fahrzeugs auf der Fahrstrecke 4 herangezogen werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht insbesondere in einem Platoon, der die Fahrstrecke 4 befährt oder befahren wird, die Fahrzeugabstände dem Bremsvermögen der Ego-Fahrzeuge 3 positionsabhängig anzupassen.
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Wird beispielsweise eine maximale Verzögerung a
max des Ego-Fahrzeugs 3 an einer bestimmten Position der Fahrstrecke 4 bestimmt, geschätzt oder ermittelt, kann der (dann minimale) Bremsweg d
brk,p des Ego-Fahrzeugs 3 bei einer Geschwindigkeit v
veh,0 an der betreffenden Position und bei Bremsbeginn mittels der folgenden Beziehung ermittelt oder vorhergesagt werden:
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Daher kann hier beispielsweise auf der Basis des berechneten Bremswegs dbrk,p des Ego-Fahrzeugs 3, welcher dann das Bremsvermögen des Ego-Fahrzeugs 3 an der bestimmten Position der Fahrstrecke 4 repräsentiert, der innerhalb des Platoons elektronisch geregelte oder gesteuerte Abstand des Ego-Fahrzeugs 3 zu einem vorausfahrenden Fahrzeug positionsabhängig eingestellt werden. Folglich kann dann der Abstand zwischen insbesondere allen Ego-Fahrzeugen 3 des Platoons ihrem jeweiligen Bremsvermögen angepasst werden.
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4 zeigt einen Ablaufplan einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems 5 eines auf einer Fahrstrecke fahrenden Ego-Fahrzeugs 3.
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In einem Schritt 100 nach dem Start ermittelt das Referenz-Fahrzeug 1 eine Position auf der Fahrstrecke 4, z.B. mittels eines an Bord verbauten GPS-Systems und schätzt für diese Position eine Größe, welche das Bremsvermögen des Referenz-Fahrzeugs 1 an der Position repräsentiert, beispielsweise dadurch, dass an der betreffenden Position ein Bremsvorgang, insbesondere ein Notbremsvorgang mit maximaler Bremskraft notwendig stattgefunden hat. Das Bremsvermögen an dieser Position entspricht dann beispielsweise einer (maximalen) Verzögerung, welche von der Voll- oder Notbremsung des Referenz-Fahrzeugs 1 herrührt.
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Die Ermittlung oder Schätzung des Bremsvermögens des Referenz-Fahrzeugs 1 kann insbesondere mit Hilfe eines Fahrdynamikmodells erfolgen, welches eine positive oder negative Beschleunigung und/oder eine Geschwindigkeit und/oder wenigstens eine Raddrehzahl eines Rades des Referenz-Fahrzeugs 1 an der aktuellen Position als Eingangsgröße verwendet und das Bremsvermögen, hier beispielsweise die Verzögerung als Ausgangsgröße ausgibt.
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In einem Schritt 200 wird dann das positionsbezogene Bremsvermögen (maximale Verzögerung) mittels wenigstens eines Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs 1 in einem Modell insbesondere in der Cloud 2 derart normiert, dass wenigstens der Einfluss des Fahrzeug-Parameters des Referenz-Fahrzeugs 1 auf die wenigstens eine Größe weitgehend eliminiert wird.
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Der wenigstens eine Fahrzeug-Parameter des wenigstens einen Referenz-Fahrzeugs 1 kann wenigstens Folgendes umfassen: Eine aktuelle Fahrzeugbeladung, eine aktuelle Fahrzeugmasse, ein aktueller Reifentyp, eine aktuelle Konfiguration des Referenz-Fahrzeugs usw. Der wenigstens eine aktuelle Fahrzeug-Parameter kann von dem Referenz-Fahrzeug 1 an der aktuellen Position ermittelt oder geschätzt und/oder aus einem Datenspeicher des Referenz-Fahrzeugs 1 ausgelesen werden.
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In einem Schritt 300 wird dann das Fahrerassistenzsystem 5 des Ego-Fahrzeugs 3 abhängig von der durch das Modell normierten Größe eingestellt oder kalibriert. Zusätzlich können bei dem Einstellen oder Normieren des Fahrerassistenzsystems des Ego-Fahrzeugs 3 optional auch die externen Daten 7 wie Umgebungsdaten berücksichtigt werden, welche beispielsweise die Umgebungstemperatur und/oder die Luftfeuchtigkeit in der Umgebung umfassen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Referenz-Fahrzeug
- 2
- Cloud
- 3
- Ego-Fahrzeug
- 4
- Fahrstrecke
- 5
- Fahrerassistenzsystem
- 6
- Fahrbahn
- 7
- externe Daten
- 8
- externe Instanz
- 9
- Kurve in durchgezogener Linie
- 10
- Band
- 11
- Kurve in gestrichelter Linie
- 12
- aktuelle Position