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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kalibrierung eines Radarsensors.
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Stand der Technik
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In Fahrerassistenzsystemen für Kraftfahrzeuge, beispielsweise in Systemen zur automatischen Abstandsregelung oder in Kollisionswarnsystemen, werden häufig Radarsensoren zur Erfassung des Verkehrsumfelds eingesetzt. Neben dem Abstand und der Relativgeschwindigkeit ist in der Regel auch der Azimutwinkel der georteten Objekte von Bedeutung, da beispielsweise bei der Ortung von vorausfahrenden Fahrzeugen anhand des Azimutwinkels eine Fahrspurzuordnung ermöglicht wird. Auch der Elevationswinkel der georteten Objekte kann von Bedeutung sein, da er eine Aussage über die Relevanz des Ziels erlaubt, beispielsweise ob das Ziel überfahrbar oder unterfahrbar ist oder ein potenziell kollisionsgefährdendes Hindernis darstellt.
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Azimut- und Elevationswinkel der Ziele können aus Amplituden und/oder Phasenunterschieden von Sende- und/oder Empfangsantennen eines Antennenarrays ermittelt werden. Bei der Winkelschätzung werden die Empfangssignale mit einem vorher vermessenen winkelabhängigen Antennendiagramm verglichen. Für den Fall, dass ein einziges Ziel geortet wird, oder für den Fall, dass mehrere Ziele, die sich anhand des Abstands und der Relativgeschwindigkeit klar voneinander unterscheiden lassen, geortet werden, ergibt sich der geschätzte Winkel als Position der besten Übereinstimmung (Korrelation) zwischen dem Empfangssignal und dem Antennendiagramm. Für den allgemeinen Fall der Mehrzielschätzung sind spezielle Schätzalgorithmen bekannt, die Schätzwerte für die Ortungswinkel aller beteiligten Ziele liefern.
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Bisher ist es üblich, die Antennendiagramme für jeden einzelnen Radarsensor werkseitig vor Inbetriebnahme des Radarsensor zu vermessen. Die Messdaten werden hierfür in ein vordefiniertes Format konvertiert, um auf einem Steuergerät abgespeichert und ausgewertet werden zu können. Dabei werden Normierungen durchgeführt. Alternativ kann das Antennendiagramm auch analytisch definiert werden. Dabei wird angenommen, dass die relativen Phasen über die Beziehung 2π · sin(dRX,TX/λ), wobei dRX,TX der Abstand der betrachteten Sende-Empfänger-Kombinationen im virtuellen Array ist, gegeben sind. Ein solches analytisches Antennendiagramm ist rein rechnerisch ermittelt.
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Alterungseffekte, Temperatureffekte und der verdeckte Verbau des Radarsensors, beispielsweise bei einem Kraftfahrzeug hinter einem Stoßfänger oder hinter einem Emblem des Kraftfahrzeugherstellers, können zu einer Abweichung zwischen dem vermessenen Antennendiagramm und den tatsächlich auftretenden Amplituden- und Phasenunterschieden zwischen den Sende- und/oder Empfangsantennen führen. Solche Abweichungen können prinzipiell auch aufgrund einer Dejustage des Radarsensors (z.B. Elevationsdejustage: Die Mehrzahl der Ziele hat deutlich vom Azimut-Kalibrierschnitt abweichende Elevationswinkel) oder aufgrund einer imperfekten Kalibration (z. B. bei einer geringen Anzahl von Kalibrierungsmessungen des Azimutwinkels und/oder des Elevationswinkels) auftreten. Diese Abweichungen können zu Winkelfehlern und zu einer Degradation des Korrelationswerts führen.
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Der Korrelationswert wird beispielsweise verwendet, um eine Überlagerung mehrerer Ziele innerhalb einer Mess-Zelle zu erkennen und entsprechend Mehrziel-Winkelschätz-Algorithmen zu aktivieren, um eine distortive Blindheit, d.h. eine Beeinträchtigung der Winkelmessfähigkeit aufgrund eines Belags auf dem Radarsensor (z.B. Eis, Schnee, Matsch), zu erkennen, um als Gütekriterium für die Zuverlässigkeit des Schätzwerts zu dienen und /oder um als Kriterium bei der Objektbildung (Tracking) zu dienen. Somit kann eine Degradation des Korrelationswert aufgrund der oben beschriebenen Effekte einerseits zu einer fälschlicherweise vermehrten Aktivierung der Mehrziel-Winkelschätz-Algorithmen (Geisterziele mit großen Winkelfehlern von mehreren Grad) und andererseits zu einer fälschlicherweise vermehrten Erkennung von distortiver Blindheit führen. Außerdem kann eine Degradation des Korrelationswerts die Objektbildung beeinträchtigen.
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Aus der
DE 10 2014 208 899 A1 ist ein Verfahren bekannt, mit dem bei einem MIMO-Radarsensor (multiple-input-multiple-output, d.h. mehrere Sendeantennen und mehrere Empfangsantennen) mithilfe von SIMO-Winkelschätzungen (singleinput-multiple-output, d.h. eine Sendeantenne und mehrere Empfangsantennen) bzw. MISO-Winkelschätzungen (multiple-input-single-output, d.h. mehrere Sendeantennen und eine Empfangsantenne) eine Kompensation von Amplituden- und/oder Phasenunterschieden durchgeführt wird.
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Offenbarung der Erfindung
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Es wird ein Verfahren zur Kalibrierung eines Radarsensors vorgeschlagen, bei dem vor Inbetriebnahme des Radarsensors in an sich bekannter Weise ein Antennendiagramm für den Radarsensor ermittelt und gespeichert wird. Das Antennendiagramm weist jedem von mehreren Winkeln oder Winkelkombinationen bestehend aus Azimut-Elevationswinkelpaaren einen Steuerungsvektor zu. Dabei können auch nur einige wenige Koeffizienten abgespeichert werden, aus denen dann die Steuerungsvektoren rekonstruiert werden können. Ein vollständiges Abspeichern kompletter Antennenkalibrationskurven kann vorgesehen sein, ist jedoch nicht notwendig.
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Nach Inbetriebnahme des Radarsensors führt dieser Radarmessungen für eines oder mehrere Ziele aus. Dabei können geeignete Ziele für die Kalibrierung ausgewählt werden. Beispielsweise können nur Ziele bei der Messung berücksichtigt werden, deren Signal-Rausch-Verhältnis einen Schwellenwert übersteigt. Die bei der Radarmessung erhaltenen Empfangssignale werden in einem Messwertevektor für das jeweilige Ziel gespeichert.
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Für jedes Ziel wird dann die Abweichung des Messwertevektors von dem Steuerungsvektor des Antennendiagramms berechnet. Hierfür kann vorzugsweise das Skalarprodukt ŝ aus dem hermitesch konjugierten Steuerungsvektor
a H(θ̂̇̇) für den Winkel θ̂ und dem Messwertevektor
x gemäß der nachfolgenden Formel 1 berechnet werden. Die Abweichung Δ
x kann dann als Differenz zwischen dem Messwertevektor x und dem mit dem berechneten Skalarprodukt ŝ multiplizierten Steuerungsvektor
a(θ̂) gemäß Formel 2 berechnet werden.
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Das Skalarprodukt ŝ kann auch für eine Winkelkombination bestehend aus einem Azimut-Elevationswinkelpaar θ̂, ϕ̂ gemäß Formel 1* aus dem hermitesch konjugierten Steuerungsvektor (
a H (θ̂, ϕ̂) für das Azimut-Elevationswinkelpaar θ̂,ϕ̂ und dem Messwertevektor
x berechnet werden. Die Abweichung Δ
x kann dann als Differenz zwischen dem Messwertevektor x und dem mit dem berechneten Skalarprodukt ŝ multiplizierten Steuerungsvektor
a(θ̂, ϕ̂) gemäß Formel 2 berechnet werden.
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Im Anschluss erfolgt eine statistische Auswertung der berechneten Abweichungen für alle ausgewählten Ziele. Dabei können die berechneten Abweichungen gemittelt werden oder es kann der Median der berechneten Abweichung berechnet werden. Bei der Mittelung können die berechneten Abweichungen zusätzlich über das jeweilige Signal-Rausch-Verhältnis des zugehörigen Ziels gewichtet werden. Alternativ kann für die statistische Auswertung ein Histogramm erstellt werden.
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Schließlich erfolgt ein Kompensieren des Antennendiagramms oder der Radarmessungen mit der statistisch ausgewerteten Abweichung. Dabei wird entweder das im Vorhinein berechnete bzw. gemessene Antennendiagramm kompensiert oder es werden direkt zukünftige Radarmessungen kompensiert. Bei Radarsensoren, die gleichzeitig eine Mehrzahl von Zielen erfassen können, kann ein weiterer Prozessierungsschritt vorgesehen sein, bei dem im selben Zyklus, in dem die statistisch ausgewerteten Abweichung berechnet werden, die Kompensation der aktuellen Radarmessungen durchgeführt wird. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn ein Belag (z.B. Eis, Schnee, Matsch) auf dem Radarsensor erkannt wurde und die Radarmessungen trotzdem bestmöglich durchgeführt werden sollen.
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Eine Dejustage des Radarsensors führt dazu, dass die meisten Objekte sich nicht mehr in der Kalibrierebene (beispielsweise bei einem Elevationswinkel von 0° in Sensorkoordinaten) befinden. Dies führt zu Winkelfehlern, die auch bei perfekt ermittelter Dejustage nicht kompensiert werden können. Da nicht zwischen physikalischer Dejustage und Verzerrung des Antennendiagramms unterschieden werden kann, werden die Winkelfehler durch Verzerrung des Antennendiagramms nicht direkt kompensiert. Durch die beschriebene Kalibrierung des Radarsensors werden Amplituden- und/oder Phasenabweichungen zum Antennendiagramm kompensiert und somit die Degradation des Korrelationswerts kompensiert. Dadurch wird die Aktivierung der Mehrziel-Winkelschätz-Algorithmen und die Erkennung von distortiver Blindheit verbessert. Außerdem wird die Objektbildung, welche ebenfalls durch die Degradation des Korrelationswerts die Objektbildung beeinträchtigt wird, verbessert.
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Es kann nur der Azimutwinkel oder gegebenenfalls der Elevationswinkel bei der Kompensation betrachtet werden. Alternativ können auch Azimut- und Elevationswinkelpaare bei der Kompensation betrachtet werden. In diesem Fall wird eine zweidimensionale Kompensation (2D-Kompensationskarte), die vom Azimutwinkel und vom Elevationswinkel abhängig ist, erreicht.
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Die Kompensation kann auf alle Winkel angewendet werden, sodass die Amplituden- und/oder Phasenabweichungen für den gesamten Winkelbereich, über den der Radarsensor misst, kompensiert werden. Eine solche globale Kompensation kann, wie oben beschrieben, sowohl auf das Antennendiagramm als auch auf die Radarmessungen angewendet werden. Bei der globalen Kompensation ist bereits die Radarmessung für ein Ziel ausreichend, um die Abweichung zu berechnen.
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Alternativ kann eine winkelabhängige Kompensation vorgesehen sein, bei der die Amplituden- und/oder Phasenabweichungen für vorgegebene Winkelintervalle kompensiert werden. Dadurch können die unterschiedlichen Winkelbereiche mit verschiedenen Abweichungen individuell kompensiert werden. Eine solche Kompensation kann nur auf das Antennendiagramm angewendet werden. Bei der winkelabhängigen Kompensation werden Radarmessungen für mehrere Ziele durchgeführt. Insbesondere wird für jedes Winkelintervall ein oder mehrere Ziele gemessen.
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Um zu vermeiden, dass die Kompensation fälschlicherweise bei einer distortiven Blindheit anschlägt, können die Abweichungen über einen deutlichen längeren Zeitraum aufgenommen und statistisch ausgewertet werden als für die Erkennung von distortiver Blindheit vorgesehen ist.
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Die Kalibrierung kann auch für unterschiedliche Temperaturbereiche individuell durchgeführt werden. Dabei wird für jeden Temperaturbereich separat, wie oben beschrieben, die Abweichung berechnet und die Kompensierung durchgeführt. Dadurch können auch Temperatureffekte, die zu schnellen Änderungen führen, kompensiert werden. Die Temperatur wird vorzugweise mittels eines Temperatursensors ermittelt, der typischerweise bereits im Radarsensor zur Verfügung steht.
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Figurenliste
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert.
- 1 zeigt ein Ablaufdiagramm eines ersten Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens.
- 2 zeigt ein Ablaufdiagramm eines zweiten Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung
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In den 1 und 2 ist jeweils ein Ablaufdiagramm eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Kalibrierung eines Radarsensors dargestellt. In beiden Fällen wird vor Inbetriebnahme des Radarsensors ein Antennendiagramm für den Radarsensor gespeichert 1. Das Antennendiagramm weist jedem von mehreren Winkeln θ̂ einen Steuerungsvektor a(θ̂) zu. Der Winkel θ̂ ist in diesem Ausführungsbeispiel der Azimutwinkel. In weiteren, nicht gezeigten Ausführungsbeispielen kann der Winkel auch der Elevationswinkel sein. In anderen, ebenfalls nicht gezeigten Ausführungsbeispielen werden anstelle der mehreren Winkeln θ̂ mehrere Winkelkombinationen des Azimutwinkels und des Elevationswinkels verwendet.
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Im ersten Ausführungsbeispiel in
1 führt der Radarsensor nach dessen Inbetriebnahme Radarmessungen 10 in diesem Ausführungsbeispiel für eines oder mehrere Ziele aus. Dabei werden geeignete Ziele für die Kalibrierung ausgewählt, beispielsweise Ziele, deren Signal-Rausch-Verhältnis einen Schwellenwert übersteigt. Die bei der Radarmessung 10 erhaltenen Empfangssignale werden in einem Messwertevektor
x für das jeweilige Ziel gespeichert 11. Es wird das Skalarprodukt ŝ aus dem hermitesch konjugierten Steuerungsvektor
a H(θ̂) des Antennendiagramms und dem Messwertevektor
x gemäß Formel 1 berechnet 12. Anschließend wird die Differenz aus dem Messwertevektor
x und dem mit dem Skalarprodukt ŝ multiplizierten Steuerungsvektor
a(θ̂) des Antennendiagramms gemäß Formel 2 gebildet 13 und somit eine Abweichung Δ
x berechnet:
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Im Anschluss werden die berechneten Abweichungen Δ
x über alle Ziele gemittelt 14 und eine gemittelte Abweichung
erhalten. Bei der Mittelung können die berechneten Abweichungen über das jeweilige Signal-Rausch-Verhältnis des zugehörigen Ziels gewichtet werden. Alternativ können andere Arten der statistischen Auswertung, beispielsweise eine Median-Berechnung oder ein Histogramm, verwendet werden.
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In diesem ersten Ausführungsbeispiel erfolgt eine globale Kompensation 15, bei der die Amplituden- und/oder Phasenabweichungen für alle Winkelbereiche kompensiert werden. Dabei wird entweder das Antennendiagramm mit der gemittelten Abweichung
kompensiert 16. Oder es werden zukünftige Radarmessungen mit der gemittelten Abweichung
kompensiert 17. Zudem werden, wenn der Radarsensor gleichzeitig eine Mehrzahl von Zielen erfasst, die aktuellen Radarmessungen im selben Zyklus kompensiert 18.
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Das zweite Ausführungsbeispiel in
2 unterscheiden sich vom ersten Ausführungsbeispiel dadurch, dass unterschiedliche Winkelbereiche individuell untersucht werden. Nach Inbetriebnahme des Radarsensors führt dieser Radarmessungen 20 in diesem Ausführungsbeispiel an mehreren Zielen aus, die in unterschiedlichen Winkelbereichen liegen. Anschließend werden die Empfangssignale ebenfalls für jedes Ziel in einem Messwertevektor
x gespeichert 21, für jedes Ziel eine Abweichung Δ
x gemäß den obengenannten Formeln 1 und 2 berechnet 22, 23 und die Abweichungen Δ
x über alle Ziele gemittelt 24, um eine gemittelte Abweichung
zu erhalten, oder in andere Weise, wie oben beschrieben, statistisch ausgewertet. Es wird auf die Beschreibung zum ersten Ausführungsbeispiel verwiesen.
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In diesem zweiten Ausführungsbeispiel erfolgt eine winkelabhängige Kompensation 25, bei der die Amplituden- und/oder Phasenabweichungen nur für vorgegebene Winkelintervalle kompensiert werden. Dabei wird das Antennendiagramm mit der gemittelten Abweichung
kompensiert 26.
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Bei beiden Ausführungsbeispielen können die Schritte 10 bis 18 bzw. 20 bis 26 für unterschiedliche Temperaturbereiche wiederholt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102014208899 A1 [0007]