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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft Kraftfahrzeuge, und insbesondere Verfahren zur Manipulationserkennung von Einrichtungen von Kraftfahrzeugen. Weiterhin betrifft die vorliegende Erfindung insbesondere Abgasnachbehandlungseinrichtungen und Verfahren zur Erkennung einer Manipulation und zur Diagnose von Abgasnachbehandlungseinrichtungen.
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Technischer Hintergrund
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Aus der
DE 10 2018 221 441 A1 , der
US 2020 / 0 293 657 A1 , der D3
US 2003 / 0 195 718 A1 , der
DE 100 62 606 A1 und der
US 2014 / 0 149 325 A1 sind Verfahren zur Anomalieerkennung in technischen Systemen bekannt.
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In Schwerlastwagen mit Dieselverbrennungsmotoren sind sogenannte Selective Catalyst Reduction (SCR) Abgasnachbehandlungssysteme verbaut, deren Aufgabe es ist, die giftigen Stickoxide (NOx) mittels einer chemischen Reaktion abzubauen. Hierzu muss dem Abgas ein Gemisch aus Wasser und Harnstoff zugefügt werden (oft bekannt unter dem eingetragenen Markennamen Ad-Blue). Dieser zerfällt durch Thermolyse in Ammoniak. Im Katalysator findet daraufhin die Reaktion statt, die die Stickoxide in Wasser und Stickstoff überführt.
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Die Abgasnachbehandlungssysteme werden benötigt, um den jeweiligen gesetzlich vorgeschriebenen Abgasvorschriften zu genügen. So legt die Norm Euro 6 beispielsweise die Grenzwerte für einen WHSC mit 0.4g/kWh für Stickoxide bei LKWs fest.
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Für Speditionen stellt der ordnungsgemäße Betrieb der SCR Abgasnachbehandlungssysteme einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor dar.
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Technische Einrichtungen in Kraftfahrzeugen können in unerlaubter Weise manipuliert werden, um einen für den Fahrer vorteilhaften Betrieb zu erreichen. So kann eine Abgasnachbehandlungseinrichtung zur Leistungssteigerung des Motorsystems oder zur Reduzierung eines Materialverbrauchs, insbesondere von Harnstoff (Ad-blue), manipuliert werden.
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In der Regel sind Verfahren zur Erkennung einer Manipulation regelbasiert. Regelbasierte Manipulationsüberwachungsverfahren haben den Nachteil, dass nur bekannte Manipulationsstrategien erkannt bzw. bekannte Manipulationen abgefangen werden können. Somit ist eine solche Verteidigungsstrategie blind für neuartige Manipulationen. Zudem ist es aufwendig, ein komplexes technisches System mit seinen Abhängigkeiten in einem Regelsystem zu erfassen und entsprechende Regeln für das Erkennen einer Manipulation zu erstellen.
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Beispielsweise sind für eine Abgasnachbehandlungseinrichtung aufgrund deren dynamischen Verhaltens die Betriebszustände vielfältig und können insbesondere bei selten auftretenden Systemzuständen nicht zweifelsfrei dem Vorliegen einer Manipulation zugeordnet werden. Beispielsweise verfügen heutige SCR-Abgasnachbehandlungssysteme (SCR: Selective Catalytic Reduction) zur Denoxierung (Stickstoffreduktion durch Harnstoffeindüsung ins Abgas) über eine gesetzlich vorgeschriebene Überwachung der für einen fehlerfreien Betrieb relevanten Systemparameter. Diese Systemparameter werden im Rahmen einer Onboard-Diagnose auf Einhaltung von physikalisch sinnvollen Grenzwerten überwacht und dadurch plausibilisiert. Für systeminhärente Parameter, deren Werte sich aus der Kombination verschiedener Stellgrößen der SCR-Regelung ergeben, kann darüber hinaus geprüft werden, ob sich nach einem Systemeingriff die erwartete Systemreaktion einstellt. So ist beispielsweise bei einem Schließen eines Ventils eine Senkung des Druckes im hydraulischen System zu erwarten.
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Jedoch kommt es zusehends zum Einsatz sogenannter SCR-Emulatoren, die in der Lage sind, Daten in einem Programmcode des Überwachungssystems oder von Sensorwerten, die das Überwachungssystem verwendet, so zu verändern, dass Fehlererkennungen durch das Überwachungssystem ausgeschlossen werden, obwohl das SCR-System nur eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr aktiv ist. Dadurch lassen sich im Fahrzeugbetrieb der Wartungsaufwand reduzieren und Kosten für die Betankung von Harnstoff einsparen unter Inkaufnahme einer erhöhten Stickoxidemission. Die herkömmlichen Diagnosefunktionen werden mit den emulierten Sensorsignalen getäuscht, was eine Erkennung der Manipulation erschwert.
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Offenbarung der Erfindung
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Erfindungsgemäß sind ein Verfahren zur Manipulationserkennung in einer technischen Einrichtung, insbesondere einer technischen Einrichtung in einem Kraftfahrzeug, insbesondere einer Abgasnachbehandlungseinrichtung, gemäß Anspruch 1, sowie eine Vorrichtung und ein technisches System gemäß den nebengeordneten Ansprüchen vorgesehen.
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Weitere Ausgestaltungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Gemäß einem ersten Aspekt ist ein Verfahren zur Manipulationserkennung einer technischen Einrichtung, insbesondere einer technischen Einrichtung in einem Kraftfahrzeug, insbesondere einer Abgasnachbehandlungseinrichtung, mit folgenden Schritten:
- - Ermitteln eines jeweiligen Modellaggregationswerts abhängig von Werten eines Verlaufs einer modellierten Überwachungsgröße innerhalb mehrerer Zeitfenster für jeweils mehrere Auswertungszeiträume, wobei Werte des Verlaufs der modellierten Überwachungsgröße abhängig von einem datenbasierten Manipulationserkennungsmodell abhängig von einem zeitlichen Verlauf von mehreren Systemgrößen und mindestens einer Stellgröße der technischen Einrichtung bestimmt werden;
- - Ermitteln eines jeweiligen Messaggregationswerts abhängig von Werten eines Verlaufs einer gemessenen oder auf Messungen basierenden Überwachungsgröße innerhalb der mehreren Zeitfenster für die jeweils mehreren Auswertungszeiträume;
- - Mithilfe eines statistischen Tests auf Übereinstimmung der jeweiligen Werteverteilungen der Modellaggregationswerte und der Messaggregationswerte in einem Auswertungszeitraum mit mehreren Zeitfenstern, Bestimmen einer jeweiligen Manipulationsangabe, die angibt, ob eine mögliche Manipulation der technischen Einrichtung vorliegt oder nicht, für jeden der Auswertungszeiträume;
- - Signalisieren einer Manipulation abhängig von der Anzahl von Auswertungszeiträumen, in denen eine Manipulation erkannt worden ist.
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Es kann vorgesehen sein, dass die technische Einrichtung eine Abgasnachbehandlungseinrichtung umfasst, wobei der Eingangsvektor als die Stellgröße eine Stellgröße für ein Harnstoffeindüssystem umfasst.
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Gemäß dem obigen Verfahren wird vorgeschlagen, ein Machine-Learning-Verfahren zu nutzen, um eine Manipulationserkennung einer technischen Einrichtung in einem Kraftfahrzeug vorzunehmen. Mit Hilfe eines datenbasierten Manipulationserkennungsmodells wird ein Normalverhalten der zugrunde liegenden technischen Einrichtung modelliert und eine Abweichung von ihrem Normalverhalten als Folge einer Manipulation ausgewertet.
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Mit Hilfe des trainierbaren datenbasierten Manipulationserkennungsmodell kann das Systemverhalten der technischen Einrichtung, die für die zugrunde liegende Manipulationserkennung wichtig sind, mit Trainingsdaten, die das reale Systemverhalten widerspiegeln, trainiert und zur Auswertung modelliert werden. Dies hat den Vorteil, dass auch neue und bislang unbekannte Manipulationsversuche durch ein solches Manipulationserkennungsmodell erkannt werden können.
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Technische Einrichtungen weisen häufig ein stark dynamisches Verhalten auf, wobei eine zu überwachende Überwachungsgröße von zahlreichen Eingangsgrößen abhängt. Die Eingangsgrößen umfassen Systemgrößen und mindestens eine Stellgröße der technischen Einrichtung. Das datenbasierte Manipulationserkennungsmodell umfasst ein datenbasiertes Regressionsmodell, das basierend auf den Systemgrößen und der mindestens einen Stellgröße die Überwachungsgröße generiert. Aufgrund von nach dem Training des datenbasierten Manipulationserkennungsmodells noch verbleibenden Modellfehlern und aufgrund von unvollständigen Trainingsdaten, die den Eingangsgrößenraum nicht vollständig abdecken, kann es aufgrund des dynamischen Verhaltens zu kurzzeitigen Abweichungen der modellierten Überwachungsgröße von der auf Messungen basierenden (gemessenen) Überwachungsgröße kommen. Eine Auswertung sollte daher zeitliche Verläufe der modellierten und gemessenen Überwachungsgröße bewerten.
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Das Manipulationserkennungsmodell kann als datenbasiertes trainierbares Regressionsmodell ausgebildet sein, wobei das Manipulationserkennungsmodell trainiert ist, um für aufeinander folgende Zeitschritte jeweils einen Wert der modellierten Überwachungsgröße abhängig von einem zeitlichen Verlauf von mehreren Systemgrößen und mindestens einer Stellgröße der technischen Einrichtung zu bestimmen.
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Das datenbasierte Manipulationserkennungsmodell weist zur Modellierung des dynamischen Verhaltens der technischen Einrichtung eine geeignete Struktur auf, die eine Modellierung eines dynamischen Verhaltens zulässt. Beispielsweise kann das datenbasierte Manipulationserkennungsmodell ein neuronales Netz mit rekurrenten Bestandteilen aufweisen, beispielsweise eine Kombination aus „fully connected“-Schichten und rekurrenten Schichten, wie es beispielsweise bei LSTM- oder GRU-Modellen bekannt ist. Alternativ können auch datenbasierte Modelle wie NARX-Gaußprozessmodelle vorgesehen sein, um das dynamische Verhalten der technischen Einrichtung abzubilden.
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Die Modellierung ist trotz der guten Trainierbarkeit eines solchen als Regressionsmodell ausgebildeten Manipulationserkennungsmodells schwierig und kann betriebsbereichsweise zu großen Abweichungen des vorhergesagten Werts der Überwachungsgröße vom tatsächlichen Wert der Überwachungsgröße führen. Häufig werden Manipulationen durch Anomalieerkennungen erkannt, die jedoch aufgrund der bereichsweisen, stark abweichenden Vorhersage des verwendeten Modells nicht zielführend sind, da der Anomaliewert mit einem Schwellwert verglichen werden muss, der angesichts der Ungenauigkeiten der Modellierung des Manipulationserkennungsmodells nur schwierig festzulegen ist. Daher sind fehlerhafte Werte nicht zuverlässig von korrekten tatsächlichen Werten unterscheidbar.
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Das obige Verfahren sieht vor, den vorhergesagten Verlauf der Überwachungsgröße mit einem tatsächlichen Verlauf der Überwachungsgröße zu vergleichen. Die grundlegende Idee ist, dass für die Manipulationserkennung nicht notwendigerweise zu jedem Zeitschritt eine genaue Vorhersage des Werts der Überwachungsgröße erforderlich ist, da die Erkennung einer möglichen Manipulation in der Regel nicht in Echtzeit erfolgen muss und eine Bewertung des Verlaufs der Überwachungsgröße rückwirkend in einem Auswertungszeitreitraum erfolgt. Dazu sieht das obige Verfahren vor, anstatt der zeitschrittgenauen Evaluierung der Vorhersage des Manipulationserkennungsmodells für aufeinanderfolgende Zeitfenster aggregierte Werte der modellierten Überwachungsgröße und der gemessenen Überwachungsgröße zu verwenden und die Verläufe der aggregierten Werte der modellierten Überwachungsgröße und der gemessenen Überwachungsgröße innerhalb eines Auswertungszeitraums mithilfe eines statistischen Tests auf Übereinstimmung der jeweiligen Werteverteilungen durchzuführen. Beispielsweise kann ein solcher Test mit einem Kolmogorow-Smirnov-Test durchgeführt werden.
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Die Auswertung kann für unmittelbar oder mit Abstand aufeinanderfolgende Zeitfenster mit jeweils einer vorgegebenen Anzahl von Zeitschritten, insbesondere von zwischen 20 und 200 Zeitschritten, durchgeführt werden. Die Anzahl der Zeitschritte kann für jedes Zeitfenster gleich oder unterschiedlich sein.
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Die modellierten und tatsächlichen Verläufe der Überwachungsgröße werden aggregiert, insbesondere in Form eines Mittelwerts, eines Integralwerts, eines Perzentilwerts, eines Medians oder einer Varianz, sodass für jedes Zeitfenster ein Modellaggregationswert aus den aggregierten Werten der modellierten Überwachungsgröße und ein Messaggregationswert aus den aggregierten Werten der modellierten Überwachungsgröße und der gemessenen Überwachungsgröße zur Verfügung steht. Die Auswertung mithilfe eines statistischen Verteilungstests erfolgt nun basierend auf einer vorgegebenen Anzahl von Zeitfenstern innerhalb eines Auswertungszeitraums. Die Anzahl der betrachteten Zeitfenster kann vorzugsweise zwischen 50 und 150 betragen.
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Zum Feststellen einer Manipulation werden die Modellaggregationswerte und die Messaggregationswerte mithilfe eines statistischen Verteilungstests überprüft. Dazu können ein Zweistichproben-Kolmogorow-Smirnow-Test (zweiseitiger Kolmogorow-Smirnow-Test), ein Zweistichproben-Cramer-von-Mises-Test oder ein Zweistichproben-Chi-Quadrat-Test verwendet werden.
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Für das obige Verfahren hat sich der zweiseitige Kolmogorow-Smirnov-Test als praktikabel herausgestellt. Durch den zweiseitigen Kolmogorow-Smirnov-Test wird die Hypothese, dass die Stichproben, die von zwei statistischen Verteilungen stammen, dieselbe Verteilung haben, überprüft und gegebenenfalls entsprechend einem Signifikanzkriterium (vorgegeben durch ein Signifikanzniveau) angenommen oder abgelehnt. Über einen zu bestimmenden Zeitraum werden nun wiederholt für verschiedene Auswertungszeiträume der zweiseitige Kolmogorow-Smirnov-Test auf die Verteilungen der Modellaggregationswerte und der Messaggregationswerte der Zeitfenster durchgeführt und jeweils das Ergebnis des Verteilungstests, nämlich ob die statistischen Verteilungen übereinstimmen oder nicht, ausgewertet.
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Insbesondere kann für mehrere Auswertungszeiträume ein Anteilsschwellenwert vorgegeben sein, der angibt, welcher Anteil von positiven zweiseitigen Kolmogorow-Smirnov-Tests vorhanden sein muss, damit keine Manipulation vorliegt.
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Es kann eine Manipulation signalisiert werden, wenn ein Anteil von Auswertungszeiträumen, für die die Manipulationsangabe angibt, ob eine mögliche Manipulation der technischen Einrichtung vorliegt, an der Gesamtanzahl der betrachteten Auswertungszeiträume einen vorgegebenen Anteilsschwellenwert übersteigt.
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Gemäß einer Ausführungsform kann eine erkannte Manipulation signalisiert werden oder die technische Einrichtung abhängig von der erkannten Manipulation betrieben werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt ist eine Vorrichtung zur Manipulationserkennung einer technischen Einrichtung, insbesondere einer technischen Einrichtung in einem Kraftfahrzeug, insbesondere einer Abgasnachbehandlungseinrichtung, wobei die Vorrichtung ausgebildet ist zum:
- - Ermitteln eines jeweiligen Modellaggregationswerts abhängig von Werten eines Verlaufs einer modellierten Überwachungsgröße innerhalb mehrerer Zeitfenster für jeweils mehrere Auswertungszeiträume, wobei Werte des Verlaufs der modellierten Überwachungsgröße abhängig von einem datenbasierten Manipulationserkennungsmodell abhängig von einem zeitlichen Verlauf von mehreren Systemgrößen und mindestens einer Stellgröße der technischen Einrichtung bestimmt werden;
- - Ermitteln eines jeweiligen Messaggregationswerts abhängig von Werten eines Verlaufs einer gemessenen oder auf Messungen basierenden Überwachungsgröße innerhalb der mehreren Zeitfenster für die jeweils mehreren Auswertungszeiträume;
- - Bestimmen einer jeweiligen Manipulationsangabe, die angibt, ob eine mögliche Manipulation der technischen Einrichtung vorliegt oder nicht, für jeden der Auswertungszeiträume mithilfe eines statistischen Tests auf Übereinstimmung der jeweiligen Werteverteilungen der Modellaggregationswerte und der Messaggregationswerte in einem Auswertungszeitraum mit mehreren Zeitfenstern; und
- - Signalisieren einer Manipulation abhängig von der Anzahl von Auswertungszeiträumen, in denen eine Manipulation erkannt worden ist.
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Figurenliste
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Ausführungsformen werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung einer Abgasnachbehandlungseinrichtung als Beispiel für eine technische Einrichtung;
- 2 ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens zur Manipulationserkennung der Abgasnachbehandlungseinrichtung der 1.
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Beschreibung von Ausführungsformen
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Abgasnachbehandlungssystems 2 als eine technische Einrichtung für ein Motorsystem 1 mit einem Verbrennungsmotor 3. Die Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 ist zur Abgasnachbehandlung von Verbrennungsabgasen des Verbrennungsmotors 3 ausgelegt. Der Verbrennungsmotor 3 kann als Dieselmotor ausgebildet sein.
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Die Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 weist einen Partikelfilter 21 und einen SCR-Katalysator 22 auf. Stromaufwärts des Partikelfilters 21, stromabwärts des Partikelfilters 21 und stromabwärts des SCR-Katalysators 22 wird die Abgastemperatur mit einem jeweiligen Temperatursensor 23, 24, 25 und stromaufwärts und stromabwärts des SCR-Katalysators 22 der NOx-Gehalt mit einem jeweiligen NOx-Sensor 26, 27 gemessen und in einer Steuereinheit 4 verarbeitet. Die Sensorsignale werden als Systemgrößen G der Steuereinheit bereitgestellt.
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Es ist ein Harnstoffreservoir 51, eine Harnstoffpumpe 52 und ein steuerbares Eindüssystem 53 für den Harnstoff vorgesehen. Das Eindüssystem 53 ermöglicht es, gesteuert durch die Steuereinheit 4 mithilfe einer Stellgröße S Harnstoff in vorbestimmter Menge in das Verbrennungsabgas stromaufwärts des SCR-Katalysators 22 zuzuführen.
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Die Steuereinheit 4 steuert nach bekannten Verfahren die Zufuhr von Harnstoff stromaufwärts des SCR-Katalysators 22 durch Vorgabe einer Stellgröße für das Eindüssystem 53, um eine bestmögliche Katalysator des Verbrennungsabgases zu erreichen, sodass der Stickoxidgehalt möglichst reduziert wird.
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Herkömmliche Manipulationsvorrichtungen manipulieren Sensorsignale und/oder Stellsignale, um den Verbrauch von Harnstoff zu reduzieren oder vollständig zu stoppen.
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Zwar können derartige Manipulationen durch regelbasiertes Überwachen von Betriebszuständen der Abgasnachbehandlungseinrichtung erkannt werden, jedoch können nicht alle entsprechenden unerlaubten Betriebszustände auf diese Weise überprüft werden. Daher wird ein Manipulationserkennungsverfahren basierend auf einem Manipulationserkennungsmodell vorgeschlagen. Dies kann in der Steuereinheit 4 ausgeführt werden.
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Das Manipulationserkennungsverfahren wird nachfolgend anhand des Flussdiagramms der 2 beispielhaft erläutert. Das Verfahren kann in der Steuereinheit 4 als Software und/oder als Hardware implementiert sein. Das Verfahren basiert auf einer Überwachung des Sensorwerts des stromabwärtigen Stickoxidsensors als Überwachungsgröße.
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In Schritt S1 werden in jedem Zeitschritt Eingangsvektoren aus Systemgrößen G und einer oder mehreren Stellgrößen S, zum Beispiel die Stellgröße für das Eindüssystem 53 für den Harnstoff, erfasst.
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Die Systemgrößen S können eine oder mehrere der folgenden Größen umfassen: die obigen Abgastemperaturen, die obigen NOx-Konzentrationen, ein momentanes Motormoment, eine momentane Luftfüllung des Verbrennungsmotors 3, eine Drehzahl des Verbrennungsmotors 3, eine eingespritzte Kraftstoffmenge des Verbrennungsmotors 3, einen Druck im Abgassystem, eine NH3 Konzentration, eine Sauerstoffkonzentration im Verbrennungsabgas, eine DeNOX-Effizienz (DeNOx Effizienz wird anhand der NOx-Konzentrationen vor und nach dem SCR Katalysator ermittelt), eine Motortemperatur, ein Fahrerwunschmoment, z. B. vorgegeben durch eine Fahrpedalstellung, eine Fahrzeuggeschwindigkeit, einen Umgebungsdruck, eine Umgebungstemperatur, eine gewählte Fahrstufe der Gangschaltung, ein Fahrzeuggewicht, eine Stellung eines Abgasrückführungsventils, und eine Rußmenge im Verbrennungsabgas.
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Dem Manipulationserkennungsmodell wird zu jedem Zeitschritt der Eingangsvektor aus Systemgrößen G und der mindestens einen Stellgröße S zugeführt. Das Manipulationserkennungsmodell ist trainiert, um die Überwachungsgröße, d. h. in diesem Ausführungsbeispiel die stromabwärtige Stickoxidkonzentration, zu modellieren. Weitere Überwachungsgrößen können die stromaufwärtige Stickoxidkonzentration, der Denox-Systemdruck, die stromaufwärtige und die stromabwärtige Sauerstoffkonzentration sowie Gas- und Komponententemperaturen umfassen
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Das Manipulationserkennungsmodell ist als datenbasiertes trainierbares Regressionsmodell ausgebildet, das in der Lage ist, dynamisches Verhalten zu modellieren. Diesbezüglich kann das datenbasierte Manipulationserkennungsmodell als neuronales Netz mit zumindest einem rekurrenten Teil (wie z.B. mit einem LSTM oder GRU) ausgebildet sein. Alternativ kann das Manipulationserkennungsmodell auch als NARX-Gaußprozessmodell oder dergleichen ausgebildet sein.
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In Schritt S2 wird der aktuelle Wert der stromabwärtigen Stickoxidkonzentration mithilfe des entsprechenden Stickoxidsensors 27 gemessen.
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In Schritt S3 werden die modellierte Stickoxidkonzentration und die gemessene Stickoxidkonzentration gespeichert.
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In Schritt S4 wird überprüft, ob eine vorgegebene Anzahl von Zeitschritten für eine Aggregation der Werte erreicht worden ist. Ist dies nicht der Fall (Alternative: Nein), wird zu Schritt S1 zurückgesprungen, anderenfalls (Alternative: Ja) wird das Verfahren mit Schritt S5 fortgesetzt.
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In Schritt S5 werden die gemessenen Stickoxidkonzentrationswerte und die modellierten Stickoxidkonzentrationswerte jeweils zu einem einzigen Wert aggregiert. Dies kann beispielsweise durch Mittelwertbildung, durch Bildung des Medians, durch Ermittlung eines Perzentilwerts, durch Ermittlung eines Integralwerts oder einer Varianz durchgeführt werden. Man erhält so einen Modellaggregationswert für die Werte der modellierten Überwachungsgröße innerhalb des Zeitfensters und einen Messaggregationswert für die Werte der gemessenen Überwachungsgröße innerhalb des Zeitfensters. Der Messaggregationswert und der Modellaggregationswert werden in Schritt S6 zwischengespeichert.
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In einem nachfolgenden Schritt S7 wird überprüft, ob eine vorbestimmte Anzahl von Messaggregationswerten und Modellaggregationswerte für eine vorgegebene Anzahl von Zeitfenstern ermittelt worden ist. Ist dies nicht der Fall (Alternative: Nein), wird das Verfahren mit Schritt S1 fortgesetzt, anderenfalls wird das Verfahren mit Schritt S8 fortgesetzt. Die vorgegebene Anzahl von Zeitfenstern bestimmt ein Auswertungszeitraum, der so gewählt ist, dass eine Manipulation zuverlässig erkannt werden kann.
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Die zeitliche Länge des Auswertungszeitraums kann zum Beispiel entsprechend einer durch den Gesetzgeber vorgeschriebene Maximalweglänge bzw. Maximalzeitdauer, innerhalb der eine Manipulation erkannt werden muss, bestimmt sein. Des Weiteren kann die zeitliche Länge des Auswertungszeitraums so kalibriert werden, dass man eine höhere Robustheit erzielt. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass die Manipulationserkennung durch Auswertung während eines höheren Zeitraums zuverlässiger wird.
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In Schritt S8 werden die Modellaggregationswerte und Messaggregationswerte innerhalb des Auswertungszeitraums mithilfe eines zweiseitigen Kolmogorow-Smirnov-Tests ausgewertet. Der Kolmogorow-Smirnov-Test ist ein statistisches, nicht-parametrisches Testverfahren, das überprüft, ob die Stichproben zweier Zufallsvariablen dieselbe Verteilungsfunktion haben. Dieser Test nimmt für die Modellaggregationswerte und die Messaggregationswerte innerhalb des Auswertungszeitraums jeweils eine zufällige Verteilung an und ermittelt, ob die Verteilungen von zwei Datensätzen übereinstimmen.
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Beim Kolmogorow-Smirnov-Test werden zunächst jeweils die n Modellaggregationswerte X und die m Messaggregationswerte Y sortiert. Es wird eine Nullhypothese H
0: F
X(x) = F
Y(x) überprüft, indem durch Vergleich der relativen Summenfunktionen für die empirische Verteilungsfunktion F
X der Modellaggregationswerte X und die empirische Verteilungsfunktion F
Y der Messaggregationswerte Y anhand ihrer absoluten Differenzen mittels der Teststatistik ermittelt wird:
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Für große Werte von n und m wird die Nullhypothese abgelehnt, falls
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Hierzu wird das Signifikanzniveau α vom Anwender so vorgegeben wird, dass eine Manipulation im betreffenden Auswertungszeitraum sicher erkannt werden kann. In der Regel wird α als zwischen 0,01 bis 0,05 gewählt. Analog wird die Nullhypothese für kleine Werte von n und m bei gegebenen Signifikanzniveau α abgelehnt, abhängig von einem Schwellwertvergleich von dn,m mit einem vertafelten Wert.
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Im vorliegenden Fall wird die Verteilung der Modellaggregationswerte und der Messaggregationswerte überprüft, und abhängig von einer Annahme oder Ablehnung der Nullhypothese dem Auswertungszeitraum eine Manipulationsangabe zugeordnet.
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Die Manipulationsangabe wird als das Ergebnis des Kolmogorow-Smirnov-Tests in Schritt S9 bezogen auf den Auswertungszeitraum zwischengespeichert. Weiterhin wird die Gesamtanzahl der durchgeführten Kolmogorow-Smirnov-Tests bzw. die Gesamtanzahl der ausgewerteten Auswertungszeiträume ebenfalls gespeichert. Es können dazu zu jedem Auswertungszeitraum ein Gesamtzähler inkrementiert und ein Fehlerzähler inkrementiert werden, wenn eine Manipulationsangabe, die eine mögliche Manipulation angeben, erkannt worden ist.
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In Schritt S10 wird überprüft, ob eine zur Manipulationserkennung ausreichende Anzahl von Auswertungszeiträumen überprüft worden ist. Ist dies der Fall, wird ein Anteil von Manipulationsangaben, die eine mögliche Manipulation angeben, an der Gesamtanzahl der durchgeführten Kolmogorow-Smirnov-Tests bzw. der Gesamtanzahl der Auswertungszeiträume bestimmt und gegen einen Anteilsschwellenwert überprüft. Liegt dieser Anteil über dem vorgegebenen Anteilsschwellenwert (Alternative: Ja), so kann auf eine Manipulation bzw. eine Anomalie geschlossen werden. Diese kann in geeigneter Weise in Schritt S11 signalisiert werden. Liegt dieser Anteil unter dem vorgegebenen Anteilsschwellenwert (Alternative: Nein), so können die Anzahl von Manipulationsangaben, die eine mögliche Manipulation angeben, und die Gesamtanzahl von ausgewerteten Manipulationszeiträumen zurückgesetzt werden und das Verfahren mit Schritt S1 erneut durchgeführt werden.
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Das Training des datenbasierten Manipulationserkennungsmodells kann über mehrere Epochen in an sich bekannter Weise erfolgen. Dabei werden in jeder Epoche alle Trainingsdaten verarbeitet. Die Anzahl der Epochen kann fest vorgegeben sein, oder durch ein Abbruchkriterium, wie zum Beispiel Early Stopping gesteuert werden.
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Die Trainingsdaten entsprechen Zeitreihen von Eingangsvektoren, deren Elemente die Systemgrößen und die mindestens eine Stellgröße umfassen, die in einer manipulationssicheren Betriebsumgebung der Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 aufgezeichnet wurden. Zudem werden in den Trainingsdaten den jeweiligen Zeitreihen der Eingangsvektoren eine entsprechende Zeitreihe der Überwachungsgröße, d. h. im dargestellten Ausführungsbeispiel der stromabwärtigen Stickoxidkonzentration, zugeordnet.
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Zum Training können die Trainingsdaten in Batches unterteilt sein, die Zeitreihen darstellen. Die Zeitreihen des Eingangsvektors (Systemgrößen G und der Stellgröße S) für die Trainingsdaten können Werte von z. B. 500 bis 3.000 Zeitschritte umfassen. Die Batchgröße kann vom User vorgegeben werden, üblicherweise wird eine 2er-Potenz gewählt, um eine optimale Parallelisierbarkeit zu erreichen.
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Zum Training des Manipulationserkennungsmodells kann das neuronale Netz des Manipulationserkennungsmodells so trainiert werden, dass der Eingangsvektor E zu jedem Zeitschritt dem zugehörigen Wert der Überwachungsgröße wird. Die Fehlerfunktion zum Trainieren des Manipulationserkennungsmodells kann dann den Mean Squared Error, der der Mean Squared Logarithmic Error (MSLE) oder den Root-Mean-Squared Error zwischen dem modellierten Wert der Überwachungsgröße und dem gemessenen bzw. tatsächlichen Wert der Überwachungsgröße für jeweils denselben Zeitschritt oder alternative Fehlermaße verwendet werden.
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Der ermittelte Fehlerwert kann mittels Backpropagation zum Trainieren der Netzwerkparameter propagiert werden, wobei als Optimierstrategie ein für neuronale Netze übliches Gradientenabstiegsverfahren, wie SGD, Adam, AdamW oder AdaGrad, verwendet werden kann.