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Es wird ein Verfahren zum Einstellen einer Applikationseinrichtung zum Applizieren eines Applikationsmaterials angegeben. Bei dem Applikationsmaterial kann es sich z.B. um ein Dicht- und/oder Dämmmaterial, welches beispielsweise auf ein Fahrzeugbauteil appliziert werden soll, handeln.
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Im Fahrzeugbau werden häufig pastöse Medien appliziert, wie z.B. bei der Abdichtung von Karosserien in der Lackiererei.
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Aktuelle Applikationsmaterialien, wie z.B. spritzfähiges Polyvinylchlorid (PVC) oder spritzbares Dämmmaterial (SDM) haben trotz der gestellten Anforderungen immer wieder Schwankungen aufgrund des Herstellungs- und/oder Mischprozesses. Diese Toleranzen wirken sich durch die Toleranzkette (Roboter, Karosserie, und Material) negativ auf die Qualität der Applikation am Fahrzeug auf, und können unter Umständen z.B. bei einer Nichterreichung der Optimalbreite beim PVC zu undichten Stellen bei den Fahrzeuge führen. Beim SDM kann eine Überschreitung der Toleranzgrenzen, insbesondere bzgl. der Lage, zu Bauraumproblemen führen. Weitere Beispiele aus anderen Bereichen sind die Kleberdosierung und -applikation im Karosseriebau oder die Kleberdosierung und -applikation beim Frontscheiben-Einbau, d.h. in der Montage.
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Derzeit gibt es keinen Automatismus um den Materialeingangsschwankungen entgegenzuwirken. Es erfolgt gewöhnlicherweise lediglich ein manuelles Anpassen der Materialcharge durch den Anlagenführer der Applikationsanlage. Dieses manuelle Nachjustieren passiert oft über mehrere Schichten, wobei der Anpassungsprozess langwierig sein kann und menschlich verursachte Fehler beim Anpassungsprozess nicht ausgeschlossen werden können. D.h. generell ist der Mensch als Regelgröße für diese Prozesse zu langsam, da derzeit Nachjustierungsmaßnahmen erst eingeleitet werden, wenn die ersten Fehler an der Karosse sichtbar werden.
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Ausgehend vom Stand der Technik ist es daher eine Aufgabe zumindest einiger Ausführungsformen, ein Verfahren zum Einstellen einer Applikationseinrichtung anzugeben, durch welches zumindest einer der genannten Nachteile vermieden werden kann.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß dem unabhängigen Patentanspruch gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen und Weiterbildungen gehen weiterhin aus den abhängigen Patentansprüchen und aus der nachfolgenden Beschreibung hervor.
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Bei dem hier beschriebenen Verfahren wird eine Applikationseinrichtung zum Applizieren eines Applikationsmaterials auf einem Fahrzeugbauteil bereitgestellt. Bei dem Applikationsmaterial kann es sich z.B. um ein pastöses Material oder um ein Fluid handeln. Beispielsweise kann das Applikationsmaterial ein Dicht- und/oder Dämmmaterial sein. Bei dem Dicht- und/oder Dämmmaterial kann es sich z.B. um ein Material handeln, welches PVC (Polyvinylchlorid) aufweist oder aus PVC besteht. Weiterhin kann es sich bei dem Dicht- und/oder Dämmmaterial beispielsweise um ein spritzbares Dämmmaterial bzw. um ein Material, aus welchem sogenannte spritzbare Dämmmatten (SDM) gebildet werden können, handeln. Bei dem Fahrzeugbauteil, auf dem das Applikationsmaterial durch die Applikationseinrichtung aufgetragen werden soll, kann es sich z.B. um ein Karosseriebauteil handeln.
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Die Applikationseinrichtung weist vorzugsweise zumindest eine Applikationsdüse auf. Weiterhin kann die Applikationseinrichtung eine Dosiervorrichtung aufweisen.
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Bei dem Verfahren werden Materialdaten eines zu applizierenden Applikationsmaterials bzw. einer Charge eines zu applizierenden Applikationsmaterials empfangen und oder ausgelesen. Beispielsweise kann die Applikationseinrichtung eine Auslese- bzw. Scanvorrichtung zum Auslesen der Materialdaten aufweisen. Die Materialdaten können z.B. von einem Datenträger ausgelesen werden. Bei dem Datenträger kann es sich z.B. um einen sogenannten QR-Code („QR“, Quick Response) handeln. Der Datenträger kann beispielsweise an einem Behälter einer Charge des Applikationsmaterials angeordnet bzw. befestigt sein. Weiterhin kann der Behälter beispielsweise einen RFID-Transponder („RFID“, radio-frequency identification) bzw. RFID-Tag aufweisen, welcher durch die Auslesevorrichtung der Applikationseinrichtung auslesbar ist bzw. ausgewiesen werden kann.
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Das Applikationsmaterial kann beispielsweise vor Auslieferung durch den Hersteller in einem Labor des Herstellers getestet bzw. auf Prozessvorgaben überprüft werden. Die im Labor ermittelten Werte können dann auf den Datenträger übertragen werden. Alternativ kann eine Charge eines Applikationsmaterials vor einem Einbringen in die Applikationseinrichtung analysiert bzw. getestet werden und die Daten auf den Datenträger übertragen werden.
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Weiterhin erfolgt bei dem Verfahren ein automatisches Einstellen zumindest eines Applikationsparameters der Applikationseinrichtung in Abhängigkeit der empfangenen bzw. ausgelesenen Materialdaten. Bei dem zumindest einen Applikationsparameter kann es sich z.B. um eine Applikationsgeschwindigkeit des Applikationsmaterials, beispielsweise bei einem Austritt aus der Applikationsdüse bzw. die Geschwindigkeit der Dosierhalterung (z.B. Roboter oder Portalmaschine), um einen Applikationsfluss des Applikationsmaterials, beispielsweise bei einem Austritt des Applikationsmaterials aus der Applikationsdüse oder aus der Dosiervorrichtung, oder um einen Applikationsabstand, beispielsweise einem Abstand zwischen der Applikationsdüse und der Oberfläche des Fahrzeugbauteils, auf welcher das Applikationsmaterial appliziert werden soll, handeln. Weiterhin kann bei dem Verfahren ein automatisches Einstellen von zumindest zwei der genannten Applikationsparameter oder von drei der genannten Applikationsparameter erfolgen. Je nach Anwendungszweck können der bzw. die Applikationsparameter als solche und/oder auch die Anzahl der Parameter individuell bestimmt werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform werden bei dem Verfahren die Materialdaten an eine Recheneinrichtung übertragen, mittels der anhand der Materialdaten der zumindest eine Applikationsparameter bzw. die Mehrzahl von Applikationsparametern errechnet werden. Die Recheneinrichtung, welche hier und im Folgenden auch als Umrechner bezeichnet werden kann, kann beispielsweise ein Teil der Applikationseinrichtung sein. In der Recheneinrichtung kann z.B. ein Algorithmus hinterlegt sein, durch den anhand der empfangenen bzw. ausgelesenen Materialdaten eine Einstellung eines oder mehrere Applikationsparameter berechnet werden kann. Bei dem Verfahren können von der Recheneinrichtung nach erfolgter Berechnung der Applikationsparameter Signale an ein oder mehrere Stelleinrichtungen übermittelt werden, durch welche die Applikationsparameter der Applikationseinrichtung gezielt in Abhängigkeit der Berechnung verändert bzw. eingestellt werden können.
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Bei den Materialdaten, welche empfangen bzw. ausgelesen werden, kann es sich z.B. um ein Mischungsverhältnis und/oder um eine Viskosität und/oder um einen Wassergehalt und/oder einen Weichmachergehalt des Applikationsmaterials handeln.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform kann der Algorithmus der Recheneinrichtung durch Versuche bzw. Erprobungen, beispielsweise zum Beantworten der Frage welche Materialeigenschaften welche Applikationsänderung, bspw. in Breite, Höhe, und Qualität der Applikation, erzeugt, angepasst bzw. verbessert werden. Dabei kann insbesondere auch künstliche Intelligenz („KI“) eingesetzt werden. Der Algorithmus bzw. die Software kann auch nach dem Beantworten „der ersten Fragen“ mit Daten, welche im Serienprozess erzeugt werden, versorgt werden. D.h. der Algorithmus bzw. die Software kann sich immer weiter dem Serienprozess anpassen, so dass die Prozessgenauigkeit erhöht wird (selbstlernende Software / KI).
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Weiterhin ist es möglich, dass durch die Applikationseinrichtung bzw. durch die Recheneinrichtung der Applikationseinrichtung ein Warnsignal bzw. eine Warnanzeige ausgegeben wird, wenn die empfangenen bzw. ausgelesenen Materialdaten außerhalb eines Sollbereichs liegen. Dabei ist es z.B. möglich, dass das Warnsignal ausgegeben wird, wenn eine einzelne Material Information der Materialdaten außerhalb eines Sollbereichs liegt. Darüber hinaus ist es auch möglich, dass das Warnsignal ausgegeben wird, wenn durch die Recheneinrichtung errechnet wird, dass durch eine Kombination einer Mehrzahl von Materialdaten ein Sollbereich überschritten wird. Bei dem Warnsignal kann es sich z.B. um ein akustisches Signal und/oder um ein optisches Signal und/oder um ein haptisches Signal handeln. Somit kann die Recheneinrichtung bzw. der Umrechner Alarm schlagen, falls eine n.i.O. („nicht in Ordnung“) Charge angeschlossen wird. Dadurch spart man sich vorteilhafterweise aufwendiges und zeitintensives Ausspülen einer vorher angeschlossenen und nicht bemerkten n.i.O. Charge. Darüber hinaus werden weniger Ausschuss-Karossen produziert, die mit einer n.i.O. Charge appliziert wurden, da der Mensch als Regelgröße zu langsam ist, insbesondere da Fehler oftmals erst auf der Karosse sichtbar werden.
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Durch das hier beschriebene Verfahren können die Materialdaten eines Applikationsmaterials an der Anlage bzw. Applikationseinrichtung eingelesen werden und entsprechend der Umrechnung können Applikationsparameter an der Applikationsanlage automatisch nachjustiert werden. Somit wird vorteilhafterweise die Prozessstabilität, insbesondere auch bei schwankenden Materialchargen, erhöht.