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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Planung von kombinierter Längs- und Querbewegung für Fahrzeuge gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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Für automatisierte Fahrfunktionen wie der aktiven Geschwindigkeitsregelung (ACC), Spurwechselassistenten (SWA), hochautomatisiertes Fahren (HAF) etc. werden vermehrt Ansätze zur Trajektorienplanung verwendet, um die zukünftige Längs- und/oder Querbewegung des Fahrzeugs zu berechnen.
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Bisher hat es sich dabei als zielführend erwiesen, die Trajektorienberechnung in sogenannten Frenet-Koordinaten durchzuführen. Ziel ist die Optimierung der Fahrzeugbewegung entlang einer Straße. Dabei ist in der Regel nicht der Abstand zum Ursprung des weltfesten Koordinatensystems relevant, sondern die Fahrzeugposition relativ zur Straße. Durch die Darstellung in Frenet-Koordinaten wird die Optimierung im Vergleich zur Berechnung in globalen Koordinaten erheblich vereinfacht. Dazu werden die Frenet-Koordinaten relativ zur Fahrspurmitte oder einer anderen Referenz, die von einem überlagerten Pfadplanungsalgorithmus stammen kann, beschrieben. Damit wird die Fahrzeugposition durch die Variablen d(t) in Querrichtung und s(t) in Längsrichtung beschrieben. Die Planung selbst findet also nicht in kartesischen Koordinaten statt, sondern in Frenet-Koordinaten [sr, dr]. Die Fahrzeugposition wird damit durch die Variablen s(t) in Längsrichtung und d(t) in Querrichtung beschrieben, wobei s(t) die Referenzbogenlänge und d(t) die Querablage bezüglich der Referenz bezeichnen. Die ersten Ableitungen ṡ(t) und ḋ(t) beschreiben folglich die Längs- und Quergeschwindigkeit, die zweiten Ableitungen und d̈(t) die Beschleunigungen und die dritten Ableitungen
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und den Längs- und Querruck. Sowohl die Fahrzeugeigenbewegung als auch die zu berücksichtigenden Verkehrsteilnehmer werden in diesem Koordinatensystem betrachtet. Anschaulich entspricht diese Transformation der Entkrümmung des Koordinatensystems und erlaubt so die getrennte Optimierung der Längs- und Querbewegung des Fahrzeugs. Detaillierte Beschreibungen zum Stand der Technik sowie weiterer Stand der Technik sind aus Christian Rathgeber, Dissertation „Trajektorienplanung und -folgeregelung für assistiertes bis hochautomatisiertes Fahren“, 30.9.2016, http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-5506 ersichtlich.
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Vorteilhaft bei dem bekannten Verfahren ist, dass damit eine geschlossene analytische Lösung existiert und die Trajektorienplanung erheblich einfacher als in globalen Koordinaten durchzuführen ist. Allerdings ist in bestimmten Situationen durchaus Verbesserungspotential vorhanden. Deshalb ist es eine Aufgabe dieser Erfindung, ein verbessertes Verfahren zur Trajektorienplanung bereitzustellen. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Vorgeschlagen wird ein Verfahren zur Trajektorienplanung von Fahrzeugen, bei dem die Planung der Längsbewegung und die Planung der Querbewegung in unterschiedlichen Koordinatensystemen erfolgt, wobei die Planung der Querbewegung in Frenet-Koordinaten und die Planung der Längsbewegung in Bahnkoordinaten erfolgt und daraus eine Gesamt-Trajektorie ermittelt wird.
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Durch die Längs- und Querplanung in unterschiedlichen Koordinatensystemen wird eine verbesserte Gesamt-Trajektorie zur Längs- und Querführung des Fahrzeugs bereitgestellt. Dazu erfolgt die Planung der Querbewegung in Frenet-Koordinaten und die Planung der Längsbewegung in Bahnkoordinaten, so dass unerwünschte Verkopplungseffekte in der Quer- und Längsplanung, welche die Führung des Fahrzeugs beeinflussen bzw. beeinträchtigen, eliminiert werden. D.h. es wird eine Unruhe in der Längsbewegung mindestens geglättet, wenn nicht gänzlich eliminiert.
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Das heißt, dass keine Quereinflüsse in Längsrichtung entstehen, so dass die Planung genauer wird und sich dadurch der Fahrkomfort erhöht. Bahnkoordinaten umfassen den Bahnruck r(t), die Bahnbeschleunigung a(t), die Bahngeschwindigkeit v(t) und die Bogenlänge x(t) entlang der geplanten Solltrajektorie.
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Des Weiteren ist vorgesehen, dass zur Ermittlung der Gesamt-Trajektorie eine Rücktransformation der ermittelten Frenet-Koordinaten in Querrichtung d(t) in ein für den Regler relevantes Koordinatensystem erfolgt, indem festgelegt wird, dass die Referenzbogenlänge s(t) im Frenet-Koordinatensystem dem vom Fahrzeug zurückzulegenden Weg x(t) in Bahnkoordinaten entspricht.
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Des Weiteren ist vorgesehen, dass zur Ermittlung der Gesamt-Trajektorie eine Rücktransformation der ermittelten Frenet-Koordinaten in Querrichtung in ein für den Regler relevantes Koordinatensystem erfolgt, indem die Referenzbogenlänge s(t) im Frenet-Koordinatensystem durch numerische Berechnung aus dem vom Fahrzeug zurückzulegenden Weg x(t) und dem lateralen Abstand d(t) zur festgelegten Referenz in Bahnkoordinaten erfolgt. Der laterale Abstand d(t) zur festgelegten Referenz in Bahnkoordinaten entspricht den ermittelten Frenet-Koordinaten in Querrichtung d(t).
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Des Weiteren ist vorgesehen, dass zur Ermittlung der Gesamt-Trajektorie eine Rücktransformation der ermittelten Frenet-Koordinaten in Querrichtung d(t) in ein für den Regler relevantes Koordinatensystem erfolgt, indem die Referenzbogenlänge s(t) im Frenet-Koordinatensystem durch analytische Bestimmung erfolgt.
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Des Weiteren ist vorgesehen, dass die analytische Bestimmung erfolgt, indem die Referenzbogenlänge s(t) im Frenet-Koordinatensystem durch Integration der Längsgeschwindigkeit ṡ(t) in Frenet-Koordinaten erfolgt, wobei ṡ(t) analytisch bestimmt wird. Die Bestimmung erfolgt aus d(t), ḋ(t), d̈(t),
x(t), v(t), a(t),r(t).
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Ferner wird ein Steuergerät vorgeschlagen, das dazu eingerichtet ist, das Verfahren durchzuführen.
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Ferner wird ein Fahrzeug vorgeschlagen, umfassend das beschriebene Steuergerät sowie durch das Steuergerät ansteuerbare Aktoren, die dazu eingerichtet sind, das Fahrzeug in Längs- und Querrichtung zu steuern.
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Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen der Erfindung, anhand der Figuren der Zeichnung, die erfindungsgemäße Einzelheiten zeigt, und aus den Ansprüchen. Die einzelnen Merkmale können je einzeln für sich oder zu mehreren in beliebiger Kombination bei einer Variante der Erfindung verwirklicht sein.
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Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnung näher erläutert.
- 1 zeigt einen Ablauf des Verfahrens gemäß einer Ausführung der vorliegenden Erfindung.
- 2a zeigt Verlaufsdarstellungen der Fahrzeugzustandsgrößen in Längs- und Querrichtung in Frenet-Koordinaten gemäß dem Stand der Technik.
- 2b zeigt Verlaufsdarstellungen der Fahrzeugzustandsgrößen in Längs- und Querrichtung nach Rücktransformation gemäß dem Stand der Technik.
- 2c zeigt Verlaufsdarstellungen der Fahrzeugzustandsgrößen in Längs- und Querrichtung bei Anwendung des Verfahrens gemäß einer Ausführung der vorliegenden Erfindung.
- 3 zeigt eine schematische Darstellung wichtiger Komponenten zur Durchführung des Verfahrens in einem Fahrzeug gemäß einer Ausführung der vorliegenden Erfindung.
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In den nachfolgenden Figurenbeschreibungen sind gleiche Elemente bzw. Funktionen mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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Wie in
1 gezeigt erfolgt zur Querplanung zuerst eine Zustandstransformation FHT der Ausgangs-Koordinaten in Querrichtung, mit denen die Fahrzeugposition in Querrichtung bezüglich einer vorgegebenen Referenz, z.B. der Fahrspurmitte, beschrieben wird. Die Transformation erfolgt derart, dass Frenet-Koordinaten d für die Querrichtung resultieren. Dabei entsprechen d
0 dem Ausgangszustand, d.h. dem Startpunkt, ḋ
0 der Ausgangs-Quergeschwindigkeit, d̈
0 der Beschleunigung, und
dem Querruck.
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Zur Beschreibung der Position und Bewegung des eigenen Fahrzeugs und anderer Verkehrsteilnehmer, hier auf die Querplanung TBQ bezogen, werden die Koordinaten über die Zeit betrachtet, d.h. während des Fahrens des Fahrzeugs. Dabei beschreibt ḋ(t) als erste Ableitung die Quergeschwindigkeit, d̈(t) beschreibt die Beschleunigung, und
beschreibt den Querruck, d.h. die Ableitung der Querbeschleunigung, welche einem Maß entspricht, das den Komfort des Manövers ausprägt. Die Planung in Querrichtung erfolgt wie bereits bekannt und wird hier nicht näher beschrieben. Zur endgültigen Regelung des Fahrzeugs werden die ermittelten Werte in das für den Regler relevante Koordinatensystem rücktransformiert, so dass Bewegungskoordinaten, welche zur Regelung des Fahrzeugs verwendet werden können, resultieren. Dies sind Querablage zur Referenz d
r(t), der Kurswinkel zur Referenz bzw. die Winkelabweichung θ
r(t), die Krümmung der geplanten Trajektorie κ(t), und die zeitliche Ableitung der Krümmung κ̇(t).
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Je nach verwendetem Regler können auch andere relevante Koordinaten oder eine Kombination davon verwendet werden. Beispielhaft können für den Querregler Fahrspurkoordinaten und für den Längsregler Ego-Koordinaten verwendet werden. Es können aber auch für beide Regler Odometrie-Koordinaten verwendet werden.
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Zur Längsplanung TBL werden Bahnkoordinaten verwendet. Das heißt, dass hier zur Längsplanung die Bahnkoordinaten x(t) in x-Richtung, d.h. in Fahrtrichtung, die Geschwindigkeit v(t), die Beschleunigung a(t) und der Ruck r(t) zum Anfangszeitpunkt (Index 0) und zu einem Zeitpunkt t verwendet werden.
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Um eine Kombination zwischen Längs- und Querplanung zu erreichen, müssen einheitliche Koordinaten vorliegen, d.h. dass die in Frenet-Koordinaten vorliegenden Querrichtungsdaten in für den Regler relevante Koordinaten, z.B. in Fahrzeugkoordinaten, rücktransformiert werden müssen. Dazu wird s(t) benötigt, welches zuerst aus den Längsdaten, welche in Bahnkoordinaten vorliegen, ermittelt werden muss. Hierzu sind unterschiedliche Verfahren möglich. Einerseits kann die für die Rücktransformation FRT benötigte Größe s(t) in Frenet-Koordinaten als gleich dem zurückzulegenden Weg x(t) festgelegt werden, d.h. x(t) = s(t). Alternativ kann s(t) über numerische Berechnungen aus dem vom Fahrzeug zurückzulegendem Weg x(t) und dem lateralen Abstand d(t) zur Referenz berechnet werden. In einer weiteren Alternative kann s(t) analytisch bestimmt werden, insbesondere über Integration der analytisch bekannten Darstellung der Längsgeschwindigkeit ṡ(t).
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In 2a bis 2c sind jeweils die Berechnung der Längsbewegung (links) und der Querbewegung (rechts) grafisch dargestellt. In 2a ist die Berechnung der Längsbewegung und der Querbewegung jeweils in Frenet-Koordinaten gezeigt entsprechend dem Stand der Technik. Hier ist beispielhaft ein sehr dynamisches Quermanöver angenommen, d.h. z.B. ein Spurwechsel, Ausweichen etc. Aufgabe der Trajektorienplanung ist es, längsdynamisch die Geschwindigkeit konstant zu halten. Damit ergibt sich der d(t)-Verlauf und s(t) in Frenet-Koordinaten. Der s(t)-Verlauf entspricht einer Geraden, da der ṡ(t)-Verlauf konstant ist. Werden diese Bewegungen in für den Regler relevante Koordinaten, z.B. in Fahrzeugkoordinaten bzw. Bewegungskoordinaten, zurücktransformiert, ergeben sich die in 2b gezeigten Verläufe, wobei sichtbar ist, dass sich beide Bewegungen beeinflussen. Die Längsgeschwindigkeit ist somit nicht konstant, was für den Fahrer als unangenehm wahrgenommen werden kann.
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Da dieses Problem entweder nicht bekannt war oder ignoriert wurde bzw. angenommen wurde, dass ein Planungsfehler bei der Berechnung, ein Regelungsfehler eines Aktors oder ein anderes Problem vorliegt, wurde bisher auch keine Lösung vorgeschlagen oder für nötig gehalten. Da aber aufgrund der Verkopplungseffekte, vor allem bei dynamischeren Manövern, eine Unruhe in der Längsbewegung aufgrund der nicht konstanten Längsgeschwindigkeit nach Rücktransformation auftritt und somit auch der Fahrkomfort beeinträchtigt wird, wird im Nachfolgenden als Lösung des Problems vorgeschlagen, die Berechnung der Quertrajektorie in Frenet-Koordinaten und die Planung der Längstrajektorie in Bahnkoordinaten durchzuführen. Der Vorteil der Verwendung von Bahnkoordinaten gegenüber der Verwendung von Frenet-Koordinaten für die Längsplanung ist aus dem Vergleich von 2b und 2c ersichtlich. In 2c sind keine unerwünschten Beschleunigungen in der Längsbewegung (linke Abbildung) zu sehen, da direkt in Bahnkoordinaten gerechnet wird. Auch wenn im Vergleich zur Verwendung von Frenet-Koordinaten für Längs- und Querplanung in Kauf genommen werden muss, dass keine geschlossene Lösung vorliegt, kann jedoch der Vorteil, dass keine Verkopplungen entstehen, überwiegen. Um nun die nötige Rücktransformation der in Frenet-Koordinaten vorliegenden Querplanungsdaten in für den Regler relevante Koordinaten durchzuführen, ist es nötig, s(t) zu bestimmen, wie oben bzgl. der Verwendung von Frenet-Koordinaten beschrieben. Wie bereits oben beschrieben gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, s(t) aus den Bahnkoordinaten zu bestimmen. Beispielsweise kann als eine Näherung angenommen werden, dass der zurückzulegende Weg x(t) des Fahrzeugs in Bahnkoordinaten s(t) entspricht. Dies ist vor allem auf geraden Strecken eine sehr einfache Methode, um unerwünschte Verkopplungseffekte zu minimieren. Außerdem kann s(t) durch numerische Berechnung aus dem zurückzulegenden Weg x(t) des Fahrzeugs und dem lateralen Abstand (dt) zur Referenz oder analytisch bestimmt werden.
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In Querrichtung werden also die Vorteile der Frenet-Transformation, und in Längsrichtung die Vorteile der Bahnkoordinaten genutzt. Für den Fahrer oder Fahrzeuginsassen ergeben sich damit mehr Komfort und reproduzierbares Verhalten. Die Gesamt-Trajektorie wird dann in für den vorhandenen Regler relevante, d.h. geeignete, Bewegungskoordinaten transformiert.
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Das Verfahren wird bevorzugt auf einem Steuergerät 10 ausgeführt, welches in dem Fahrzeug 100 verbaut ist. Das Steuergerät 10 kann bevorzugt Aktoren 101-103 zur Längs- und Quersteuerung des Fahrzeugs 100 ansprechen, so dass diese die vom Steuergerät 10 bestimmte Gesamt-Trajektorie in die gewünschte Fahrposition umsetzen. Dazu sind als Aktoren beispielsweise die Lenkung 101, Steuerung der Vorder- und/oder Hinterachse 102, 103, also z.B. Bremsen, Antrieb etc. durch das Steuergerät 10 steuerbar.