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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur lokalen Wetterprognose in einem kleinräumigen geografischen Gebiet auf Basis von erfassten Wetterdaten einer oder mehrerer Wetterstationen; es eignet sich besonders für die Kürzestfrist- und Kurzfristprognose von Wetterereignissen in Gebieten mit mikroklimatischen Eigenheiten.
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Die allgemein bekannte Wetterprognose seitens der Wetterdienste basiert auf den Wetterdaten großräumig verteilter Wetterstationen und umfangreichen numerischen Berechnungen mittels komplexer und oft empirischer Wettermodelle deren Vorhersagegenauigkeit sich zwar in Folge der stetig wachsenden Leistungsfähigkeit der hierfür erforderlichen Hochleistungsrechentechnik in den letzten Jahrzehnten rasant verbessert hat, lokale Wetterphänomene dennoch oft unzureichend erfasst. Diese modellbasierte Wettervorhersage der Wetterdienste ist ausgesprochen ressourcenintensiv und erfordert einen großen gerätetechnischen Aufwand, insbesondere für die satellitengestützte Wetterdatenerfassung, und ist insofern an ein weltweit vernetztes System der Wetterdienste gebunden. Die zur präziseren lokalen Wetterprognose erforderliche Optimierung der Großraumprognosen erfolgt durch Modifikation mit Erfahrungswerten, die anhand von lokalen Begebenheiten ermittelt werden.
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Daneben existiert eine Vielzahl kleiner Wetterstationen für den gewerblichen oder privaten Gebrauch mit deren Hilfe lokale Wetterprognosen möglich sind, die jedoch zumeist auf einfachen Extrapolationen der gemessenen Luftdruckänderungen beruhen und lediglich eine pauschale, qualitative Aussage zur Wetterentwicklung ermöglichen.
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Weiterhin ist bekannt, Verfahren der künstlichen Intelligenz, wie zum Beispiel künstliche neuronale Netze, zu nutzen, um diese ähnlich dem menschlichen Gehirn zu trainieren und damit komplexe, kalkulatorisch sonst nicht erfassbare Vorhersagen zu treffen. Ein Verfahren zur Windenergievorhersage auf Basis eines neuronalen Netz beschreibt
WO 2014/063436 A1 : das neurale Netz wird mit historischen Daten der Windgeschwindigkeit und Windenergie trainiert und ermöglicht anschließend eine Vorhersage der Windenergie auf Basis der Windgeschwindigkeit, d. h., das neurale Netz wird zur Umrechnung einer komplexen Beziehung zwischen Windgeschwindigkeit und Windenergie verwendet.
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CN 1 03 616 734 A beschreibt ein System und ein Verfahren zur großreichweitigen synchronen meteorologischen Echtzeitmessung sowie Windgeschwindigkeits- und Windrichtungsvorhersage mittels neuronaler Netzwerke. Wettervorhersageverfahren auf Basis neuronaler Netzwerke bzw. künstlicher Intelligenz sind zudem aus NAR-VEKAR, Meera ; FARGOSE; Priyanca: „Daily Weather Forecasting using Artificial Neural Network“ in: International Journal of Computer Applications, Vol. 121, 2015, No. 22, S. 9-13 - ISSN 0975-8887, aus ZAYTAR, Mohamed Akram; EL AMRANI, Chaker: „Sequence to Sequence Weather Forecasting with Long Short-Term Memory Recurrent Neural Networks“ in: International Journal of Computer Applications, Vol. 143, 2016, No. 11, S. 7-11 - ISSN 0975 - 8887 und aus
US 2014/0 195 159 A1 bekannt.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zur lokalen Wetterprognose für ein kleinräumiges geografisches Gebiet bereitzustellen, mittels dem quantitativ Wetterdaten und spezifische Wetterereignisse auf Basis von erfassten Ist-Wetterdaten einer oder mehrerer Wetterstationen des Gebietes unter Berücksichtigung mikroklimatischer Eigenheiten prognostiziert werden. Insbesondere soll mittels des Verfahrens eine Kürzestfrist- und Kurzfristprognose ermöglicht werden.
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Diese Aufgabe wird durch das Verfahren zur lokalen Wetterprognose in einem kleinräumigen geografischen Gebiet mit den kennzeichnenden Merkmalen nach Anspruch 1 gelöst; zweckmäßige Weiterbildungen der Erfindung sind in den Ansprüchen 2 bis 5 beschrieben.
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Nach Maßgabe der Erfindung werden Prognose-Wetterdaten für das kleinräumige geografische Gebiet mittels eines künstlichen neuronalen Netzes berechnet, dass durch fortlaufende Erfassung von Ist-Wetterdaten einer oder mehrerer Wetterstationen des Gebietes trainiert wird.
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Den Ausgangspunkt des Verfahrens bilden die Momentan-Messwerte der unmittelbar messbaren, für das Wetter relevanten Größen, wie sie bei lokalen Wetterstationen üblicherweise bestimmt werden. Dies umfasst über den Mindestmessumfang von Lufttemperatur und Luftdruck hinaus auch Größen wie Luftfeuchtigkeit, Sichtweite, solare Strahlungsstärke, Niederschlagsmenge sowie Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Zudem kann, zum Beispiel mittels Kameras, eine Bilderfassung des Himmels erfolgen und durch nachfolgende Bildauswertung der Bedeckungsgrad des Himmels oder Typ, Form und Größe der Wolken bestimmt werden.
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Die momentanen Messwerte bzw. die aus den Messwerten generierten Werte werden zusammenfassend als die von der Wetterstation erfassten Ist-Wetterdaten bezeichnet und von der Wetterstation an das künstliche neuronale Netz übermittelt.
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Anschließend werden vom künstlichen neuronalen Netz auf Basis der Ist-Wetterdaten Prognose-Wetterdaten für einen zukünftigen Zeithorizont errechnet. Der Zeithorizont eines bestimmten Zeitpunktes ist ein diesem jeweiligen Zeitpunkt - mit einem vorgegebenen Zeitabstand zugeordneter - zukünftiger Zeitpunkt. Mit dem Fortschreiten der Zeit läuft der Zeithorizont dem momentanen Messzeitpunkt stetig voraus. Folglich liegen für den momentanen Zeitpunkt die Prognose-Wetterdaten zwischen dem momentanen Zeitpunkt und dem momentanen Zeithorizont vor. Die Prognose-Wetterdaten dieses Zeitraums einschließlich deren zeitlichen Verlaufs werden zur Wetterprognose bereitgestellt. Dieser Berechnungsprozess des künstlichen neuronalen Netzes wird als Prognose-Teilprozess bezeichnet.
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Wird - nach dem Fortschreiten der Zeit - der Zeithorizont eines (vorherigen) Zeitpunktes erreicht, für den bereits Prognose-Wetterdaten berechnet wurden, werden diese Prognose-Wetterdaten mit den momentan erfassten Ist-Wetterdaten der Wetterstation(en) abgeglichen. Dieser Prozess findet fortlaufend statt, wobei das künstliche neuronale Netz unter kontinuierlicher Minimierung der Abweichung der Prognose-Wetterdaten von den Ist-Wetterdaten trainiert wird. Dieser Prozess wird als Lern-Teilprozess bezeichnet und folgt der Optimierungsmethode des „deep learning“ künstlicher neuronaler Netze (dt. „tiefergehendes Lernen“).
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Basis für das Trainieren des künstlichen neuronalen Netzes bildet eine vorgegebene Zeitreihe der Ist-Wetterdaten, d. h., das künstliche neuronale Netz wird über einen vorgegebenen Zeitraum trainiert, zum Beispiel bis die Qualität der Wetterprognose zufriedenstellende Ergebnisse liefert.
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Im Anschluss kann das derart trainierte künstliche neuronale Netz zu einer autarken kontinuierlichen Wetterprognose des kleinräumigen geografischen Gebietes verwendet werden, ohne das ein weiteres Trainieren des künstlichen neuronalen Netzes zwingend erforderlich wäre. Dies ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn das künstliche neuronale Netz mittels der Ist-Wetterdaten einer komplexeren Wetterstation trainiert und anschließend (ausschließlich) zur Prognose mit einer einfacheren Wetterstation, die zum Beispiel weniger Ist-Wetterdaten erfasst, verwendet wird. Das trainierte neuronale Netz kann unbenommen dessen fortgesetzt trainiert werden.
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Erfindungsgemäß wird das Verfahren mit zwei der künstlichen neuronalen Netze durchgeführt, wobei das erste künstliche neuronale Netz mit einem Zeithorizont von einer Stunde und das zweite künstliche neuronale Netz mit einem Zeithorizont von 24 Stunden trainiert werden, und wobei die Wetterprognose auf Basis der gemittelten Prognose-Wetterdaten beider künstlicher neuronaler Netze erfolgt. Durch die Kombination eines auf den Tages- und eines auf den Stundenrhythmus trainierten neuronalen Netzes wird die Vorhersagequalität des Verfahrens verbessert.
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Ein Vorteil des Verfahrens zur lokalen Wetterprognose mittels des künstlichen neuronalen Netzes ist der geringe gerätetechnische Aufwand, d. h., es sind weder Hochleistungsrechentechnik noch satellitengestützte Wetterdatengewinnung erforderlich, sodass die Wetterprognose auch autark - zum Beispiel im Falle einer zeitweiligen Störung bei den Wetterdiensten - verlässliche aktuelle Wettervorhersagen für das entsprechende Gebiet gewährleistet.
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Dies ist insbesondere für die Planung von lokal verorteten Aktivitäten im Freien von Bedeutung, insbesondere in wetterabhängigen Branchen wie der Land- und Forstwirtschaft. Zudem erleichtert es konkrete örtliche Vorkehrungen für den Katastrophenschutz im Fall drohender Unwetter ebenso wie die Gebietskategorisierung für Versicherer von Elementarschäden.
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Im Unterschied zum sporadisch gesammelten Erfahrungswissen wettererfahrener Anwohnern einer Örtlichkeit ermöglicht das Verfahren aufgrund der ununterbrochenen Wetterbeobachtung und infolge der stetigen, automatischen Überprüfung der Prognose-Wetterdaten anhand der momentanen Ist-Wetterdaten eine quantitative Wetterprognose hoher Vorhersagequalität.
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Es kann vorgesehen sein, dass die erfassten Ist-Wetterdaten neben Größen wie Lufttemperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Sichtweite, solarer Strahlungsstärke, Niederschlagsmenge, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Bewölkungsgrad weitere bzw. spezifisch räumlich verteilte Mess- und Auswertegrößen umfassen. Die Lufttemperatur wird in 2 m Höhe ermittelt, kann aber auch in Bodennähe bei 0,05 m bestimmt werden. Neben der Strahlungsstärke können weitere Strahlungswerte, zum Beispiel spektrale Strahlungsverteilungen, als Ist-Wetterdaten erfasst werden. Auch die Tropfengrößenverteilung von Niederschlägen kann als Eingangsgröße dienen.
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Gleiches gilt für die Prognose-Wetterdaten: diese umfassen vorrangig Lufttemperatur und Luftdruck; aber auch weitere Größen können für die Wetterprognose vom künstlichen neuronalen Netz berechnet werden, zum Beispiel Niederschlagsmenge, Bewölkungsgrad und Windgeschwindigkeit.
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Der Zeithorizont des Verfahrens zur lokalen Wetterprognose beträgt vorzugsweise bis zu 72 Stunden, insbesondere bis zu 12 Stunden, sodass eine für lokale Bedürfnisse besonders wichtige Kurzfrist- bzw. Kürzestfristprognose ermöglicht wird. Kürzestfristprognosen, engl. auch als Nowcasting bezeichnet, sind von besonderer Bedeutung für Sicherungsmaßnahmen bei drohenden Gefahrwetterlagen.
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Ferner können zur Verbesserung der Prognosequalität die Ist-Wetterdaten mehrerer im kleinräumigen geografischen Gebiet vernetzter Wetterstationen als separate Ist-Wetterdaten an die zwei künstlichen neuronalen Netze übermittelt werden.
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Die erfassten Ist-Wetterdaten können zu vorgegebenen Taktzeiten und zeitlich im Taktintervall gemittelt an das künstliche neuronale Netz übermittelt werden. Beispielsweise kann die Erfassung mit einer Taktzeit bzw. einem Taktintervall von fünf Minuten oder einer Stunde erfolgen.
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Es kann weiterhin vorgesehen sein, dass auf Basis des zeitlichen Verlaufs der Prognose-Wetterdaten zwischen dem momentanen Zeitpunkt und dem momentanen Zeithorizont komplexe Wetterereignisse und Wetterwarnungen prognostiziert werden.
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Die Erfindung ist nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels und mit Bezug auf die schematische Zeichnung näher erläutert. Dazu zeigt die
- Fig.: ein Flussdiagramm zum Ablauf des Verfahrens.
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Nach dem Start 1 des Verfahrens erfolgt die Messung 2 der Messwerte in der Wetterstation. Im Anschluss erfolgt deren Auswertung 3, zum Beispiel in Form einer zeitlichen Mittelung über ein vorgegebenes Taktintervall, oder durch kalkulatorische Bestimmung nur indirekt messbarer Größen. Zum Beispiel kann der Bewölkungsgrad durch Bildauswertung der von einer Kamera der Wetterstation erfassten Kamerabilder bestimmt werden.
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Diese erfassten Ist-Wetterdaten Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlagsmenge und Bewölkungsgrad werden zeitlich fortlaufend an das künstliche neuronale Netz 4 übermittelt, wobei zwei Teilprozesse im künstlichen neuronalen Netz 4 angesteuert werden: Auf Basis der momentanen Ist-Wetterdaten werden für den vorgegebenen Zeithorizont Prognose-Wetterdaten kalkuliert.
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Der zukünftige zeitliche Verlauf der Prognose-Wetterdaten wird zur Wettervorhersage bereitgestellt (Prognose-Teilprozess 5).
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Die Prognose-Wetterdaten werden zudem gespeichert und zum späteren Zeitpunkt, nämlich nach Erreichen des Zeithorizonts, für den diese Prognose-Wetterdaten kalkuliert wurden, mit den nun vorliegenden momentanen Ist-Wetterdaten verglichen.
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Im Rahmen des Lern-Teilprozesses 6 wird das künstliche neuronale Netz 4 fortlaufend angepasst, d. h., es wird unter kontinuierlicher Minimierung der Abweichung der Prognose-Wetterdaten von den Ist-Wetterdaten trainiert.
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Nach Bereitstellung der Prognose-Wetterdaten erfolgt die Abfrage 7, ob der Betrieb des künstlichen neuronalen Netzes 4 beendet werden soll. Soweit die vorgegebene Zeitreihe noch nicht abgeschlossen ist, wird das System weiter genutzt.
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Optional kann nach Abschluss der Zeitreihe das Training des künstlichen neuronalen Netzes 4 abgeschlossen werden und dieses zur dauerhaften, kontinuierlichen Wetterprognose verwendet werden, d. h., es wird nur noch der Prognoseteilprozess des künstlichen neuronalen Netzes 4 genutzt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Start
- 2
- Messung der Ist-Wetterdaten
- 3
- Auswertung der Messwerte
- 4
- künstliches neuronales Netz („künstliche Intelligenz“)
- 5
- Prognose-Teilprozess
- 6
- Lern-Teilprozess
- 7
- Abfrage, ob weiter gearbeitet werden soll
- 8
- Ende
- y
- ja
- n
- nein