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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung eines modifizierten Polymers ausgehend von einem unmodifizierten Polymer, wobei das modifizierte Polymer eine gewünschte physikalische Materialeigenschaft aufweist. Die Optimierung der physikalischen Materialeigenschaften eines Polymers durch Veränderung seiner molekularen Zusammensetzung ist eine komplexe technische Aufgabe, die experimentell nur mit einem hohen Zeit- und Entwicklungsaufwand gelöst werden kann. So müsste für jede Materialmodifikation ein neues oder angepasstes Herstellungs- und/oder Syntheseverfahren entwickelt werden.
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Zudem lassen sich viele makroskopische Materialeigenschaften von Polymeren, wie beispielsweise die Glasübergangstemperatur, nach dem Stand der Technik nicht durch eine analytische Rechnung vorhersagen, da diese auf der Wechselwirkung zwischen den Polymermolekülen im Detail basiert.
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Lösungen aus dem Stand der Technik verwenden Molekulardynamik- (MD-) Simulationen, um Vorhersagen für Materialien oder Materialkombinationen mit gewünschten physikalischen Materialeigenschaften zu erhalten. Beispielsweise beschreibt die Druckschrift
EP 2 819 042 A1 ein Verfahren zur Auswahl einer Polymer-Füllstoff-Kombination für die Produktion durch Berechnung molekularer Lennard-Jones-Wechselwirkungspotentiale eines Füllstoffs in einem Polymermaterial mittels MD-Simulationen.
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Die wissenschaftliche Veröffentlichung „Automatisiertes Erstellen von Simulationsmodellen für Flüssigkeiten und Polymersysteme“ von O. Biermann et al., erschienen 2001 bei Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH in „Forschung und wissenschaftliches Rechnen“, S. 49 - 63, offenbart eine Vorgehensweise, mit der sich generische Kraftfeldmodelle der computergestützten Chemie automatisiert durch eine Simplex-Optimierung parametrisieren lassen. Diese Methode erlaubt es, verschiedene Atom- oder Molekülmodelle an gewünschte physikalische oder chemische Eigenschaften anzupassen. Ein dazugehöriges Programmpaket ist modular aufgebaut und kann auf die verschiedenen Optimierungsprobleme abgestimmt werden. Einmal gestartet, läuft das Programm frei von Benutzereingaben automatisch zu Ende, bis ein Kraftfeld erzeugt ist. Auf diese Weise können Kraftfeldparameter für komplexe atomistische und vergröberte Modelle bestimmt werden. Der Ansatz wurde unabhängig von einzelnen Rechnerarchitekturen implementiert. Eine erweiterte Version läuft parallel unter einem Queueing-System, wodurch je nach Problem Zeitersparnis erzielt werden kann.
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Die wissenschaftliche Veröffentlichung „Simulation of polymer melts. I. Coarsegraining procedure for polycarbonates“ von W. Tschöp et al., erschienen 1998 in Acty Polymerica, 49. Jg., Nr. 2 - 3, S. 61 - 74, offenbart ein Verfahren, mit dem atomistische Polymermodelle grobkörnig in ein mesoskopisches Modell überführt werden können, das dann eine effektive und schnelle Simulation von Schmelzen ermöglicht. Das Verfahren, das sowohl Informationen über statische als auch dynamische Eigenschaften liefert, wird für drei verschiedene Modifikationen von Polycarbonat getestet. Die Modelle beschreiben erfolgreich die Variation der Vogel-Fulcher-Temperatur sowie die Gesamtkettenverlängerung. Die effektive Beschleunigung im Vergleich zur entsprechenden atomistischen Simulation liegt deutlich über 103.
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Die wissenschaftliche Veröffentlichung „Mapping atomistic to coarse-grained polymer models using automatic simplex optimization to fit structural properties“ von D. Reith et al., erschienen 2001 in Macromolecules, 34. Jg., Nr. 7, Preprint, S. 1 - 34, offenbart ein Verfahren zur Entwicklung grobkörniger Kraftfelder für Poly(vinylalkohol)- und Poly(acrylsäure)-Oligomere. In beiden Fällen wird ein Monomer auf ein grobkörniges Kügelchen abgebildet. Die neuen Kraftfelder sind so konzipiert, dass sie strukturellen Eigenschaften wie radialen Verteilungsfunktionen verschiedener Art entsprechen, die durch atomistische Simulationen dieser Polymere abgeleitet wurden. Die Abbildung ist daher so konstruiert, dass so viele atomistische Informationen wie möglich berücksichtigt werden. Auf der technischen Seite besteht der Ansatz aus einem Simplex-Algorithmus, der zur automatischen Optimierung sowohl der nicht gebundenen als auch der gebundenen Parameter verwendet wird. Neben ihrer ähnlichen Konformation (nur die funktionelle Seitengruppe unterscheidet sich) wurde Poly(acrylsäure) in wässriger Lösung im Gegensatz zu einer Poly(vinylalkohol)-Schmelze gewählt. Für Poly(vinylalkohol) erweist sich ein nicht optimiertes Bindungswinkelpotential in Verbindung mit einem speziellen, optimierten Nicht-Bindungspotential als ausreichend. Hier muss kein Torsionspotential angewendet werden. Für Poly(acrylsäure) wird gezeigt, dass jeder Peak der radialen Verteilungsfunktion in der Regel von einem oder mehreren spezifischen Modellparametern dominiert wird. Das grobkörnige Kraftfeld reproduziert den Trägheitsradius des atomistischen Modells. Als erste Anwendung wird das Kraftfeld verwendet, um längere Ketten zu simulieren und den hydrodynamischen Radius mit experimentellen Daten zu vergleichen.
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Die
US 2012 / 0 108 686 A1 offenbart ein Verfahren zur Bestimmung der Leistung eines superabsorbierenden Polymermaterials unter Verwendung eines virtuellen Modells des superabsorbierenden Polymermaterials, das die folgenden Schritte umfasst: Eingeben von Werten eines oder mehrerer erster molekularer Parameter in das virtuelle Modell; Berechnen des Wertes / der Werte eines oder mehrerer erster Leistungsausgabeparameter; Eingeben von Werten eines oder mehrerer zweiter molekularer Parameter in das virtuelle Modell; Berechnen des / der Wert(e) eines oder mehrerer zweiter Leistungsausgabeparameter; und Bestimmen der Variation zwischen dem / den Wert(en) des / der einen oder mehreren ersten Leistungsausgabeparameter(s) und des / der Wert(e) des / der einen oder mehreren zweiten Leistungsausgabeparameter(s).
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Die
EP 2 819 042 A1 offenbart ein Verfahren zur Berechnung eines Wechselwirkungspotentials zwischen Füllstoffteilchen in einem Polymermaterial unter Verwendung eines Computers. Das Verfahren umfasst: Anordnen von Füllstoffmodellen und Polymermodellen in einem virtuellen Raum; Berechnen einer freien Energie in dem virtuellen Raum auf der Grundlage einer Theorie des mittleren Feldes; Erhalten von Parametern des Lennard-Jones-Potentials durch Annäherung der freien Energie an das Lennard-Jones-Potential.
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Der Erfindung liegt demgegenüber die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung eines modifizierten Polymers mit einer gewünschten physikalischen Materialeigenschaft zu schaffen. Die der Erfindung zugrundeliegenden Aufgaben werden jeweils mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Ausführungsformen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Unteransprüche.
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Ein beispielhafter Anwendungsbereich der vorliegenden Erfindung liegt in der industriellen Fertigung von laminierten Dokumenten, wie beispielsweise Personalausweisen oder Reisepässen. Durch eine gezielte Optimierung der für den Laminierungsprozess verwendeten Polymere könnte beispielsweise die Durchmischung von Polymermolekülen aus aneinander angrenzenden Laminierungsschichten erhöht werden, sodass eine Manipulation des Dokuments durch Erhitzen und Trennen der Laminierungsschichten nicht mehr möglich ist, ohne das Dokument sichtbar und irreversibel zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Zudem ließe sich die Fälschungssicherheit laminierter Buchdokumente erhöhen, indem die Materialien der Laminierungsschichten und des Bindungsklebers so aufeinander abgestimmt werden, dass beim Herstellungsprozess eine Verschränkung und/oder Vernetzung der Materialien auf molekularer Ebene stattfindet. Somit ließen sich das laminierte Dokument und die Buchbindung nicht mehr nachträglich durch Schmelzen voneinander trennen, ohne das Dokument hierbei sichtbar und irreversibel zu verändern.
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Unter einem „Polymer“ wird vorliegend ein molekularer chemischer Stoff verstanden. Die Moleküle eines Polymers sind Ketten von chemisch miteinander verbundenen Kopien eines oder mehrerer Monomere. Ein Monomer wiederum ist aus chemisch miteinander verbundenen Atomen aufgebaut, welche sich zu Atomgruppen zusammenfassen lassen. Insbesondere kann es sich bei den Polymeren um Kunststoffe handeln, insbesondere thermoplastische Kunststoffe. Für den Anwendungsbereich laminierter Wert- oder Sicherheitsdokumente sind insbesondere Polymere aus den Stoffgruppen der Polycarbonate, Polyvinylchloride (PVC), thermoplastische Polyurethane (TPU), Polyethylenterephthalate (PET) und Polyacrylate relevant. Unter einem „Dokument“ werden papierbasierte und/oder kunststoffbasierte Dokumente verstanden, wie zum Beispiel elektronische Ausweisdokumente, insbesondere Reisepässe, Personalausweise, Visa sowie Führerscheine, Fahrzeugscheine, Fahrzeugbriefe, Firmenausweise, Gesundheitskarten oder andere ID-Dokumente sowie auch Chipkarten, insbesondere mit RFID- und/oder NFC-Schnittstelle, Zahlungsmittel, insbesondere Bankkarten und Kreditkarten, Frachtbriefe oder sonstige Berechtigungsnachweise.
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Unter einem „unmodifizierten Polymer“ wird hier ein Polymer verstanden, für das experimentelle Werte einer oder mehreren makroskopisch messbarer physikalischen Größen bekannt sind. Typische physikalischen Größen zur Charakterisierung einer Polymerprobe sind die Glasübergangstemperatur, das Elastizitätsmodul, das Kompressionsmodul, die Wärmekapazität, die Dichte, die Wärmeleitfähigkeit, die Diffusionskonstante, die Viskosität, der thermische Ausdehnungskoeffizient oder die Grenzflächenfestigkeit bei Vorliegen einer äußeren Kraft. Des Weiteren können Funktionen und Profile bekannt sein, die eine quantitative Charakterisierung mit mehr als einem Wert ermöglichen, wie beispielsweise die Autokorrelationsfunktion einer physikalischen Größe, Diffusions- oder Dichteprofile nach einem Schmelzvorgang und/oder einem Phasenübergang. Ferner können auch abgeleitete Größen bekannt sein, wie zum Beispiel die Mischbarkeit zweier über eine Grenzfläche in Kontakt stehender Polymerschichten, welche charakterisiert ist durch die Eindringtiefe der Moleküle aus einer der Schichten in die benachbarte Schicht durch Diffusion während eines Schmelzvorgangs und/oder eines Phasenübergangs.
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Unter einem „modifizierten Polymer“ ist ein Polymer zu verstehen, das aus einem unmodifizierten Polymer durch Hinzufügen einer oder mehrerer Atomgruppen in die Molekülstruktur hervorgeht. Die hinzugefügten Atomgruppen, im Folgenden „Erweiterungsgruppen“ genannt, können sowohl mittels chemischer Bindung in die Kettenstruktur der unmodifizierten Polymermoleküle eingefügt werden als auch an die bestehende Kette angefügt werden und somit eine Verzweigung bilden. Durch das Ein- oder Anfügen einer Erweiterungsgruppe entsteht somit ein Polymer mit unbekannten physikalischen Eigenschaften, welche erfindungsgemäß im Zuge einer MD-Simulation berechnet werden können oder sich aus dem Ergebnis einer solchen Simulation nachträglich ableiten lassen.
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Mit einer „gewünschten physikalischen Materialeigenschaft“ ist hier eine Anforderung an eine der genannten physikalischen Größen gemeint, die sich in Form einer mathematischen Gleichung oder Ungleichung für die besagte physikalische Größe ausdrücken lässt. Sie stellt die Zielvorgabe für die Suche nach einem für die Anwendung optimierten modifizierten Polymer dar. Der Vorgabewert für die physikalische Größe wird nachfolgend als „Sollwert“ bezeichnet. Eine beispielhafte Zielvorgabe für das Verfahren wäre somit die Suche nach einem modifizierten Polycarbonat, dessen Glasübergangstemperatur einen bestimmten Sollwert unterschreitet.
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Unter einem „atomistischen Modell“ wird hier ein Modell verstanden, bei dem die Molekülstruktur und die Wechselwirkungen unter Berücksichtigung möglichst vieler Details und Zusammenhänge auf atomarer Ebene berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich in der Regel um ein klassisches Modell, welches durch eine klassische Hamilton- oder Lagrangefunktion beschrieben wird und in dem keine quantenmechanischen Effekte berücksichtigt werden. In einem atomistischen Modell werden die Atome durch geladene, mit Wechselwirkungspotentialen versehene Massenpunkte beschrieben, welche durch chemische Bindungen miteinander verbunden sind. Die Partialladungen der Atome können beispielsweise mit einer Rechnung auf Basis der Dichtefunktionaltheorie (DFT) bestimmt werden.
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Die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den geladenen Atomen kann durch Coulomb- oder Van-der-Waals-Potentiale beschrieben werden. Ferner werden Winkelpotentiale für die Krümmung einer Kette von jeweils drei Atomen sowie Torsionspotentiale für die Verdrehung einer Kette von jeweils vier Atomen berücksichtigt. Die Wechselwirkungen zweier miteinander verbundener Atome kann durch eine starre Verbindung oder eine Federpotential beschrieben werden. Übliche Federpotentiale sind harmonische Potentiale zweiter Ordnung oder nichtlineare FENE-Potentiale. Zusätzlich zur anziehenden Van-der-Waals-Wechselwirkung nicht miteinander verbundener Atome muss noch die Abstoßung der Atomkerne untereinander berücksichtigt werden, sodass ein effektives Potential für diese Wechselwirkungen beispielsweise die Form eines Lennard-Jones-Potentials besitzt. Die durch chemische Bindungen vermittelten Wechselwirkungen von Atomen oder Atomgruppen werden zusammenfassend „kovalente Wechselwirkungen“ genannt, die nicht durch chemische Bindungen vermittelten Wechselwirkungen von Atomen oder Atomgruppen analog „nicht-kovalente Wechselwirkungen“. Somit können insbesondere nicht-kovalente Wechselwirkungen zwischen Atomgruppen desselben Moleküls auftreten, jedoch sind kovalente Wechselwirkungen zwischen Atomgruppen verschiedener Moleküle ausgeschlossen.
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Unter einem „Kugelmodell“ wird hier eine vereinfachte Wiedergabe der molekularen Strukturen und Wechselwirkungen verstanden, wobei Gruppen chemisch miteinander verbundener Atome durch Kugeln ersetzt werden. Eine Kugel wird durch einen Massemittelpunkt sowie durch die atomgruppenspezifischen Größenmasse und Kugelradius beschrieben. Die Kugelmasse ist gleich die Summe der Atommassen der in der Atomgruppe befindlichen Atome. Für den Kugelradius können Literaturwerte verwendet werden, für eine effiziente MD-Simulation ist es jedoch häufig erforderlich, Startwerte für die Kugelradien beispielsweise aus lokalen Gyrationsradien oder einer zusätzlichen MD-Simulation eines atomistischen Modells zu berechnen.
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Die Erstellung eines Kugelmodells aus einem atomistischen Modell wird auch als Vergröberung bezeichnet. Das Kugelmodell kann daher auch synonym als vergröbertes Modell bezeichnet werden. Mit der Vergröberung geht auch eine Verringerung der berücksichtigten Wechselwirkungen einher, stattdessen wird eine möglichst geringe Anzahl effektiver Wechselwirkungspotentiale eingesetzt. Eine gängige Annahme für die nicht-kovalente Wechselwirkung zweier Kugeln ist, dass diese lediglich elastische Stöße ausführen, also dass es sich um harte Kugeln handelt, oder dass ein rein abstoßendes Potential vorliegt, wie beispielsweise ein Lennard-Jones-Potential, welches auf seinen positiven, abstoßenden Teil eingeschränkt ist. Auch für die kovalenten Wechselwirkungen der Kugeln untereinander ist es zweckmäßig, modifizierte Potentiale zu verwenden, wie dies beispielsweise in der Arbeit „Scalability of Coarse-Grained Potentials Generated from Iterative Boltzmann Inversion for Polymers: Case Study on Polycarbonates“ von C. K. Choudhury et al., erschienen in Macromolecular Theory and Simulations 2016, DOI: 10.1002/mats.201500079 beschrieben ist.
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Vorlagen für Atomgruppen, von denen identische Kopien in einem atomistischen Modell bzw. für die identischen Kugeln in einem Kugelmodell verwendet werden, werden hierin als Gruppentypen bezeichnet. Da ein Kugelmodell sämtliche Wechselwirkungen auf Ebene der Atomgruppen stattfinden, sind diese spezifisch für die jeweilige Kombination von Atomgruppentypen und werden als „Paarwechselwirkungen“ bezeichnet. Analog wird die Potentialfunktion einer Paarwechselwirkung als Paarpotential beschrieben. Hierbei kann zur weiteren Vereinfachung davon ausgegangen werden, dass zwei wechselwirkende Kugeln verschiedener Gruppentypen einen einzigen gemeinsamen, effektiven Kugelradius besitzen. Dieser stellt einen gewichteten Mittelwert aus den verschiedenen Kugelradien der an der Paarwechselwirkung teilnehmenden Atomgruppen dar und lässt sich beispielsweise mithilfe der Lorentz-Berthelot-Kombinationsregeln berechnen.
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Unter einer Molekulardynamiksimulation, kurz MD-Simulation, wird ein Verfahren verstanden, bei dem zunächst eine Vielzahl von Kopien eines Modellmoleküls gemäß einem der vorgenannten Modelle in eine Simulationsbox gefüllt wird. Bei der Simulationsbox handelt es sich um ein virtuelles Probevolumen, in dem die Moleküle zu Beginn der Simulation in zufälliger Weise positioniert und orientiert werden. Bei diesem Vorgang werden Kriterien befolgt, die eine zu enge Positionierung der Moleküle nebeneinander vermeidet, um eine Explosion des Modellensembles nach dem Start der Simulation durch übermäßig starke abstoßende Kräfte zu verhindern. Der Begriff „Modellensemble“ bezeichnet dabei die Gesamtheit aller in der Simulationsbox enthaltenen Moleküle. Anschließend werden den Atomgruppen der Moleküle Anfangsgeschwindigkeiten gemäß einer statistischen Geschwindigkeitsverteilung verliehen, die der Temperatur des Modellensembles entspricht. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung handeln. Daraufhin werden für alle Atomgruppen Lösungen der Newtonschen Bewegungsgleichungen berechnet und in festen Zeitschritten extrapoliert, sodass sich raumzeitliche Trajektorien für die Moleküle in der Simulationsbox ergeben. MD-Simulationen werden vorzugsweise mit einem Computer berechnet, wobei der Computer bei komplexen Simulationen mit einem großen Modellensemble und/oder langkettigen Molekülen üblicherweise ein Großrechner in einem Rechenzentrum ist, der für paralleles Rechnen ausgelegt ist. Vorzugsweise werden die Bewegungszustände der Atomgruppen als Orts- und Geschwindigkeitsvektoren für jede Zeitinstanz der Simulation vom Computer gespeichert, sodass diese nachträglich ausgewertet werden können. Im Rahmen einer Auswertung können physikalischen Größen wie beispielsweise die Dichte oder der Diffusionskoeffizient des Modellensembles direkt aus der Ortsverteilung und/oder dem Bewegungszustand der Moleküle berechnet werden. Eine derartige, direkt aus der Simulation berechenbare Größe wird hierin auch als Kontrollgröße bezeichnet.
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Aus einer Kontrollgröße wiederum können abgeleitete physikalische Größen wie beispielsweise die Glasübergangstemperatur oder das Elastizitätsmodul berechnet werden.
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Ausführungsformen des Verfahrens sehen Vergleiche der aus der Simulation bestimmten physikalischen Größen vor, deren Ergebnis den weiteren Verlauf des Verfahrens bestimmt. Für die zu vergleichenden Werte werden hier verschiedene Bezeichnungen verwendet: Unter einem „Ausgangswert“ wird hier ein Wert für eine physikalische Größe verstanden, welche aus einer MD-Simulation eines Modellensembles aus Molekülen des unmodifizierten Polymers bestimmt wurde. Ein „Referenzwert“ bezeichnet einen Literaturwert derselben physikalischen Größe oder einen anderen bekannten Vergleichswert für diese, der beispielsweise aus einem relevanten Experiment bekannt ist. Unter einem „Vorhersagewert“ wird hier ein aus einer MD-Simulation eines Modellensembles aus Molekülen eines modifizierten Polymers bestimmter Wert einer weiteren physikalischen Größe verstanden, für den kein Referenzwert aus der Literatur oder Experimenten bekannt ist. Die weitere physikalische Größe kann sich von der physikalischen Größe, für die der Ausgangswert bestimmt wurde, unterscheiden, muss jedoch mit derjenigen physikalischen Größe, für die die gewünschte physikalische Materialeigenschaft formuliert wurde, innerhalb eines Toleranzbereiches übereinstimmen. Der Wert der weiteren physikalischen Größe, der in der mathematischen Bedingung enthalten ist, anhand der die gewünschte physikalische Materialeigenschaft formuliert wurde, wird hierin als „Sollwert“ bezeichnet.
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Ein erster Aspekt der Erfindung beschreibt ein Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung eines modifizierten Polymers ausgehend von einem unmodifizierten Polymer, wobei das modifizierte Polymer eine gewünschte physikalische Materialeigenschaft aufweist, wobei das unmodifizierte und das modifizierte Polymer jeweils Moleküle aufweisen, wobei jedes Molekül eine Kette identischer, chemisch miteinander verbundener Kopien zumindest eines Monomers aufweist, wobei das Monomer chemisch miteinander verbundene Atome aufweist, wobei das Verfahren ein Aufteilen des Monomers des unmodifizierten Polymers in chemisch miteinander verbundene Atomgruppen umfasst, wobei jede Atomgruppe einem Gruppentyp zugeordnet ist und chemisch miteinander verbundene Atome umfasst, wobei identische Atomgruppen identischen Gruppentypen zugeordnet sind, wobei das Verfahren umfasst:
- In einem ersten Schritt, Aufteilen des Monomers des unmodifizierten Polymers in chemisch miteinander verbundene Atomgruppen,
- a) Erstellen eines Kugelmodells, wobei das Erstellen umfasst:
- i. Zuordnen eines Kugelradius zu jedem Gruppentyp,
- ii. Definieren von Paarwechselwirkungen für Kombinationen von Atomgruppen von jeweils zwei Gruppentypen, wobei jede Paarwechselwirkung zumindest durch einen effektiven Kugelradius und ein Paarpotential beschrieben wird, wobei der effektive Kugelradius von den beiden Kugelradien der jeweiligen Kombination abhängt, wobei das Paarpotential eine Funktion des effektiven Kugelradius sowie eines Abstands zwischen den jeweiligen Atomgruppen ist, wobei die Funktion Koeffizienten aufweist,
- b) Unter Verwendung des Kugelmodells, Durchführen einer Molekulardynamik-, MD-, Simulation für ein Modellensemble, wobei Parameter der MD-Simulation die effektiven Kugelradien und die Koeffizienten umfassen,
wobei zunächst die Schritte a) und b) für das unmodifizierte Polymer durchgeführt werden, wobei das Modellensemble die Moleküle des unmodifizierten Polymers aufweist, wobei aus der MD-Simulation ein Ausgangswert für eine physikalische Größe resultiert, wobei das Verfahren anschließend ferner umfasst:
- c) Vergleichen des Ausgangswertes mit einem Referenzwert,
- d) Falls der Ausgangswert außerhalb eines ersten Toleranzbereichs um den Referenzwert liegt, Variieren von zumindest einem der Parameter und Wiederholen der Schritte b) und c), bis finale Parameterwerte der Parameter bestimmt sind, für welche der Ausgangswert innerhalb des ersten Toleranzbereichs liegt,
- e) Durchführen der Schritte a) und b) für das modifizierte Polymer, wobei das Monomer des modifizierten Polymers aus dem Monomer des unmodifizierten Polymers durch An- oder Einbinden von zumindest einer Erweiterungsgruppe hervorgeht, wobei das Modellensemble die Moleküle des modifizierten Polymers aufweist, wobei die Wiederholung von Schritt b) unter Konstanthalten der finalen Parameterwerte durchgeführt wird und aus der MD-Simulation ein Vorhersagewert einer weiteren physikalischen Größe resultiert,
- f) Vergleichen des Vorhersagewertes mit einem Sollwert, welcher der gewünschten Materialeigenschaft entspricht,
- g) Falls der Vorhersagewert außerhalb eines zweiten Toleranzbereichs um den Sollwert liegt, Wiederholen der Schritte e) und f), bis ein modifiziertes Polymer vorliegt, für welches der Vorhersagewert innerhalb des zweiten Toleranzbereichs liegt.
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Ausführungsformen der Erfindung können besonders vorteilhaft sein, da sie es erlauben, das Verhalten einer makroskopisch messbaren physikalischen Materialeigenschaft zu untersuchen, wenn Modifikationen an der Molekülstruktur des Polymers vorgenommen werden. Dabei wird der Rechenaufwand für die modifizierten Polymere erheblich reduziert, indem die in den Schritten a) und b) für das unmodifizierte Polymer gefundenen Modellparameter als Anfangswerte oder Randbedingungen in die MD-Simulationen gemäß Schritt e) für die modifizierten Polymere eingehen. Das Verfahren kann für beliebige Modifikationen des bekannten unmodifizierten Polymers wiederholt werden, ohne dass Zeit, Arbeit und Geld in die aufwendige Entwicklung chemischer Syntheseverfahren für jede einzelne Materialmodifikation investiert werden müssen. Aus dem Vergleich der Wirkung verschiedener Materialmodifikationen lassen sich im Ausschlussverfahren erfolgversprechende Modifikationen, deren Vorhersagewert der gewünschten physikalischen Materialeigenschaft nahekommt, von anderen Materialmodifikationen trennen, für die dies nicht der Fall ist. Gegebenenfalls können die erfolgversprechenden Modifikationen im Anschluss weitermodifiziert werden, bis eine zufriedenstelle Übereinstimmung mit dem Sollwert erreicht ist.
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Nach Ausführungsformen werden die Paarpotentiale durch mindestens drei Terme beschrieben. Dies kann den Vorteil haben, dass die molekularen Wechselwirkungen des realen Polymers durch Variation der Form der Paarpotentiale besser nachgebildet werden kann und somit eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen dem Ausgangswert und dem Referenzwert erzielt werden kann. Insbesondere kann die Tiefe der Paarpotentiale flexibler variiert werden, ohne gleichzeitig auch die Breite der Potentiale zu verändern, wie dies bei einem klassischen Lennard-Jones-Potential der Fall wäre. Eine vorteilhafte Wahl der 3-termigen Paarpotentiale Vp für Atomgruppen zweier Gruppentypen i und j können modifizierte Lennard-Jones-Potentiale der Form
sein, wobei:
- Aij, Bij und Cij
- die Koeffizienten sind,
- rij
- der Abstand der Massenmittelpunkte der wechselwirkenden Atomgruppen ist,
- σij/2
- der effektive Kugelradius ist, und
- a, b, c
- positive Potenzen sind, für die a > b > c gilt.
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Insbesondere durch Wahl des Koeffizienten B
ij lässt sich die Tiefe des modifizierten Lennard-Jones-Potentials variieren. Der Koeffizient A
ij ist durch die Beziehung A
ij = B
ij + C
ij bestimmt, welches durch Auswerten des modifizierten Lennard-Jones-Potentials an seiner Nullstelle erkennbar ist. Zudem lässt sich C
ij aus der Hamaker-Gleichung für unendlich große Kugeln gewinnen, aus der folgt:
wobei H eine Hamaker-Konstante des unmodifizierten Polymers ist. Die Hamaker-Konstante ist eine stoffgruppenspezifische Größe, für die experimentelle und/oder empirische Werte für eine Vielzahl von Stoffgruppen in der Literatur bekannt sind. Für die Gruppe der Polycarbonate beispielsweise liegen typische Werte für H im Bereich zwischen 30 und 80 kJ/mol.
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Eine besonders vorteilhafte Wahl der Potenzen a, b und c kann a = 10, b = 8 und c = 6 sein. Mit diesen Potenzen lässt sich eine besonders gute Übereinstimmung zwischen Ausgangswert und Referenzwert für eine Vielzahl physikalischer Größen erzielen.
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In Ausführungsformen erfolgt die Auswertung der Paarwechselwirkungen unter Einschränkungen, welche den Rechenaufwand erheblich verringern, ohne die Integrität der Simulationsergebnisse signifikant zu beeinträchtigen. So kann jeder Paarwechselwirkung zusätzlich eine maximale Reichweite zugeordnet werden, wobei die Paarwechselwirkung zwischen zwei Atomgruppen in der Simulation nur dann berücksichtigt wird, falls der Abstand zwischen den zwei Atomgruppen kleiner als die Reichweite ist. Diese Einschränkung berücksichtigt, dass die Paarwechselwirkung in Abständen von mehr als typischerweise wenigen Nanometern in guter Näherung kräftefrei ist. Somit muss für jede Atomgruppe Paarwechselwirkung mit nur einem kleinen Teil der insgesamt im Modellensemble enthaltenen Atomgruppen berechnet werden.
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Es kann außerdem vorteilhaft sein, die Paarwechselwirkungen einer bestimmten Atomgruppe zu anderen Atomgruppen nicht zu berechnen, falls bereits eine kovalente Wechselwirkung mit den anderen Atomgruppen besteht. Dies betrifft also die nächsten und übernächsten Nachbarn der betreffenden Atomgruppe. Frühestens ab dem drittnächsten Nachbarn kann eine Berücksichtigung der Paarwechselwirkung sinnvoll sein, wobei es sinnvoll sein kann, die Stärke der Paarwechselwirkung zusätzlich mit einem Dämpfungsfaktor zu versehen. Der Dämpfungsfaktor ist eine Zahl zwischen 0 und 1, welcher beispielsweise für alle dritt- und viertnächsten Nachbarn auf einen von 0 und 1 verschiedenen Wert gesetzt wird, wobei der Vorfaktor für den viertnächsten Nachbarn größer ist als der Vorfaktor für den drittnächsten Nachbarn. Somit wird eine hierarchische Struktur der Wechselwirkungsstärken geschaffen, die den Wechselwirkungsverhältnissen im realen Molekül näherkommt und gleichzeitig den Berechnungsaufwand für die Simulation weiter reduziert. Bei der Wechselwirkung von Atomgruppen in verschiedenen Molekülen ist keine Dämpfung zu berücksichtigen bzw. ist der Vorfaktor immer 1, da keine kovalente Wechselwirkung zwischen den Atomgruppen existiert.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform ist das unmodifizierte Polymer ein Polycarbonat oder ein Polyvinylchlorid oder ein thermoplastisches Polyurethan oder ein Polyethylenterephthalat oder ein Polyacrylat. Polymere niederer Stoffgruppen sind für die industrielle Produktion von laminierten Dokumenten, insbesondere Wert- oder Sicherheitsdokumenten, relevant. Durch einen Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einem unmodifizierten Polymer aus einer dieser Stoffgruppen kann durch gezielte Optimierung und Abstimmung der bei Laminierungs- oder Buchbindungsprozessen verwendeten Polymermaterialien die Sicherheit der laminierten Dokumenten gegen Manipulationen erhöht werden.
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In einer Ausführungsform wird die Erweiterungsgruppe als Seitengruppe mit dem Monomer verbunden. Bei der so erzielten Materialmodifikation handelt es sich demnach um ein verzweigtes Polymer. Der Verzweigungsgrad eines Polymers hat einen starken Einfluss auf beispielsweise die Dichte, die Festigkeit und den Schmelzpunkt des Polymers. Durch gezielte Strukturierung einer Verzweigung lässt sich ferner die Mesostruktur des Polymers zwischen den Extremfällen amorphes Polymer und teilkristallines Polymer variieren. Es lässt sich auch das Vernetzungsverhalten zwischen den Kettenmolekülen zwischen den Extremfällen weitmaschig vernetztes Polymer und engmaschig vernetztes Polymer beeinflussen. Somit können Polymermodifikationen konstruiert werden, die sich im thermodynamischen Verhalten in Polymerklassen der Thermoplaste oder Duroplaste zuordnen lassen oder auch im Übergangsbereich zwischen diesen liegen.
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In einer Ausführungsform umfasst Schritt a) zusätzlich, unter Verwendung eines atomistischen Modells, ein Durchführen einer weiteren MD-Simulation für ein weiteres Modellensemble, wobei das weitere Modellensemble die Moleküle des unmodifizierten Polymers umfasst, wobei aus der weiteren MD-Simulation die Kugelradien resultieren.
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Die Verwendung von Kugelradien aus einer atomistischen MD-Simulation kann den Vorteil haben, dass eine kürzere Rechenzeit für die vergröberte MD-Simulation möglich ist, da realistischere Startwerte für die effektiven Kugelradien vorliegen. Aus der atomistischen MD-Simulation können weitere Eigenschaften des Modellensembles resultieren, wie beispielsweise eine andere Hamaker-Konstante für das modifizierte Polymer oder Bindungspotentiale zwischen einer Erweiterungsgruppe und dem Rest des Monomers. Hieraus kann eine erhöhte Integrität der Ergebnisse der vergröberten MD-Simulation und/oder eine weitere Verkürzung der dafür benötigten Rechenzeit resultieren. Ein übliches Verfahren zur Übertragung der Ergebnisse einer atomistischen MD-Simulation auf eine vergröberte MD-Simulation ist die sogenannte Boltzmann-Inversion.
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In Ausführungsformen weist das Modellensemble eine thermodynamische Zustandsgröße auf, wobei die thermodynamische Zustandsgröße während der ersten und/oder zweiten MD-Simulation ein zeitliches Profil durchläuft. Dies kann den Vorteil haben, dass durch die MD-Simulation zusätzliche Erkenntnisse über das Verhalten des Polymers bei Veränderung thermodynamischer Randbedingungen gewonnen werden können. Insbesondere kann im zeitlichen Verlauf der MD-Simulation die Temperatur des Modellensembles verändert werden. Somit lassen sich beispielsweise Schmelz- und Erstarrungsvorgänge sowie weitere Phasenübergänge wie beispielsweise ein Glasübergang simulieren. Weitere thermodynamische Zustandsgrößen, die für das Ensemble festgelegt werden können, sind der Druck und das chemische Potential. Je nach Wahl der für das Modellensemble festgelegten thermodynamischen Randbedingungen werden dabei die thermodynamischen Potentiale des jeweils passenden statisch-mechanischen Ensembles, wie beispielsweise des mikrokanonischen Ensembles oder des kanonischen Ensembles, für die Bestimmung des thermodynamischen Gleichgewichts des Modellensembles verwendet.
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Ein Phasenübergang des Modellensembles zeigt sich in einer Unstetigkeit einer physikalischen Kontrollgröße oder ihrer ersten Ableitung. Bei der physikalischen Kontrollgröße kann es sich beispielsweise um die Dichte des Modellensembles oder dessen Diffusionskoeffizienten handeln. Bei einem Glasübergang beispielsweise zeigt die Dichte, bzw. das spezifische Volumen (Kehrwert der Dichte), in dem Bereich der Glasübergangstemperatur einen charakteristischen Knick im Temperaturdiagramm. Um zu bestimmen, ob ein beobachteter Phasenübergang tatsächlich ein Glasübergang des Modellensembles ist, ist ein zusätzlicher Analyseschritt erforderlich, der in der Regel nicht von einem Computer durchgeführt werden kann. Die Analyse umfasst in der Regel eine visuelle Inspektion des Temperaturdiagramms der Dichte bzw. des spezifischen Volumens und/oder des Diffusionskoeffizienten des Modellensembles. Ein Glasübergang ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilität der Polymermoleküle unterhalb der Glasübergangstemperatur vernachlässigbar klein ist, jedoch oberhalb der Glasübergangstemperatur deutlich ansteigt.
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Die Lage der Glasübergangstemperatur des Modellensembles lässt sich in der Regel direkt durch Variieren der Modellparameter, beispielsweise der Koeffizienten Bij und/oder der effektiven Kugelradien σij beeinflussen. Eine Ausführungsform nutzt die Erkenntnis, dass die B-Parameter einen proportionalen Einfluss auf die Ensembledichte haben, während die Glasübergangstemperatur sich in der Regel antiproportional zur Ensembledichte verhält, dafür aus, die Lage der Glasübergangstemperatur durch eine antiproportionale Variation eines der Koeffizienten Bij zu verändern. Das heißt, dass die Variation in Schritt d) in dem Fall, dass der Phasenübergang ein Glasübergang des Modellensembles ist, Folgendes umfasst:
- - entweder eine Vergrößerung mindestens eines der Koeffizienten Bij, falls der Ausgangswert außerhalb des ersten Toleranzbereichs liegt und kleiner als der Referenzwert ist,
- - oder eine Verkleinerung mindestens eines der Koeffizienten Bij, falls der Ausgangswert außerhalb des ersten Toleranzbereichs liegt und größer als der Referenzwert ist,
wobei in beiden Fällen sämtliche nicht variierten Koeffizienten Bij konstant gehalten werden.
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In einer Ausführungsform erfolgt die Beeinflussung der Glasübergangstemperatur auf analoge Weise durch Variation mindestens eines der Parameter σii, aufgrund der Erkenntnis, dass die Dichte des Modellensembles sich in der Regel antiproportional zu diesen Parametern verhält. Das heißt, dass die Variation in Schritt d) in dem Fall, dass der Phasenübergang ein Glasübergang des Modellensembles ist, Folgendes aufweist:
- - entweder eine Verkleinerung mindestens eines der Parameter σii, falls der Ausgangswert außerhalb des ersten Toleranzbereichs liegt und kleiner als der Referenzwert ist,
- - oder eine Vergrößerung mindestens eines der Parameter σii, falls der Ausgangswert außerhalb des ersten Toleranzbereichs liegt und größer als der Referenzwert ist,
wobei in beiden Fällen sämtliche nicht variierten Parameter σii konstant gehalten werden.
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Die geschilderten kontrollierbaren Einflussmöglichkeiten auf die Glasübergangstemperatur eines Polymers können vorteilhaft gegenüber dem Stand der Technik sein, da kein analytisches Verfahren zur Berechnung der Glasübergangstemperatur eines Polymers allein aufgrund der Kenntnis seiner molekularen Struktur bekannt ist.
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Gemäß einer Ausführungsform lassen sich mit dem Verfahren Erkenntnisse über die Mischbarkeit zweier über eine Grenzfläche miteinander in Kontakt stehender Polymerschichten während eines Schmelzvorgangs gewinnen. Dabei weist das Modellensemble in Schritt e) zwei Teilvolumina auf, wobei die Teilvolumina an einer Grenzfläche aneinander angrenzen, wobei in Schritt e) außerdem:
- - zu Beginn der MD-Simulation das erste Teilvolumen ausschließlich Moleküle entweder des modifizierten oder des unmodifizierten Polymers umfasst und das zweite Teilvolumen ausschließlich Moleküle eines weiteren Polymers umfasst,
- - der Vorhersagewert die Dichte des modifizierten oder des unmodifizierten Polymers in einem vorbestimmten Abstand von der Grenzfläche innerhalb des zweiten Teilvolumens umfasst.
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Ein solches Verfahren kann den Vorteil haben, dass gezielt nach einer Polymermodifikation gesucht werden kann, die ein möglichst gutes Mischungsverhalten mit dem weiteren Polymer besitzt, das heißt, dass eine möglichst tiefe Diffusion der Moleküle in das jeweils andere Teilvolumen z.B. während des Schmelzvorgangs stattfindet und somit ein breites Dichteprofil bzw. ein homogenes Diffusionsprofil entsteht. Idealerweise findet eine vollständige Durchmischung der beiden Polymerschichten statt, sodass beide Teilvolumina nach dem Erstarren der Schmelze gleiche Konzentrationen von Molekülen des modifizierten oder des unmodifizierten Polymers und Moleküle des weiteren Polymers aufweisen. Zur quantitativen Charakterisierung der Mischbarkeit der beiden Polymerschichten kann gleichermaßen die Eindringtiefe von Molekülen des unmodifizierten oder des modifizierten Polymers in das Teilvolumen des weiteren Polymers als auch die Eindringtiefe von Molekülen des weiteren Polymers in das Teilvolumen des unmodifizierten oder modifizierten Polymers verwendet werden. Mit einer stark mischbaren Polymerkombination ließe sich beispielsweise die Fälschungssicherheit laminierter Dokumente, insbesondere Wert- oder Sicherheitsdokumente, wie vorstehend erläutert erhöhen.
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Im Weiteren werden Ausführungsformen der Erfindung mit Bezugnahme auf die Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 ein Ablaufdiagramm einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- 2 den Vergröberungsschritt von einem atomistischen Modell eines Polycarbonats hin zu einem vergröberten Kugelmodell,
- 3 eine schematische Darstellung eines Kugelmodells mit Erweiterungsgruppen,
- 4 ein Diagramm mit aus atomistischen MD-Simulationen bestimmte Potentialkurven für die Wechselwirkung zweier identischer Atomgruppen,
- 5 eine schematische Darstellung der möglichen Paarwechselwirkungskombinationen für ein Polymermolekül, dessen Monomere aus drei Gruppentypen aufgebaut sind,
- 6 ein Diagramm mit Potentialkurven für die Paarwechselwirkung zweier Kugeln,
- 7 ein Diagramm mit Temperaturprofilen des spezifischen Volumens zur Bestimmung von Glasübergangstemperaturen.
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Elemente der Ausführungsformen, die einander gleichen oder einander entsprechen, sind in den Figuren jeweils mit identischen Bezugszeichen gekennzeichnet.
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1 zeigt ein Verfahren, in effizienter Weise physikalische Eigenschaften eines „modifizierten“ Polymers zu simulieren und zu bestimmen. Grundsätzlich können physikalische Eigenschaften von Materialien durch Molekulardynamiksimulationen berechnet werden. Pro Simulation ist hierfür der Rechenaufwand erheblich.
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Um nun in effizienterer Weise zum gewünschten Simulationsergebnis einer physikalischen Eigenschaft eines modifizierten Polymers zu gelangen, wird, wie in 1 gezeigt, ein im Wesentlichen zweistufiger Prozess durchlaufen. Für das unmodifizierte Polymer erfolgt in den Schritten 102-110 eine Bestimmung der für die MD-Simulation relevanten Parameter. Diese Parameter werden dann in den Schritten 120-130 für die MD-Simulation des modifizierten Polymers verwendet.
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Eine Beschleunigung des Verfahrens kann dadurch erzielt werden, dass die Simulationsergebnisse für das unmodifizierte Polymer als Anfangs- oder Randbedingungen für Simulationen des modifizierten Polymers wiederverwendet werden, anstatt das Verfahren für jede Modifikation ohne Kenntnis vorheriger Ergebnisse zu wiederholen.
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Zunächst wird die Molekülstruktur (200) des unmodifizierten Polymers auf ein vergröbertes Modell (202) abgebildet (2), in welchem einzelne Molekülgruppen durch miteinander verbundene Kugeln (220) repräsentiert sind. Die Kugelradien sowie die Koeffizienten, die die Stärke der Wechselwirkungen zwischen den Atomgruppen beschreiben, sind freie Parameter einer MD-Simulation, die für mehrere Kopien dieses Kugelmodells des unmodifizierten Polymermoleküls durchgeführt wird. Diese erste MD-Simulation wird unter Variation der Parameter solange wiederholt, bis ein Referenzwert einer für das unmodifizierte Polymer bekannten, makroskopisch messbaren physikalischen Größe (z.B. einer Dichte) durch das simulierte Modellensemble reproduziert wird.
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Daraufhin wird durch An- oder Einbinden weiterer Atomgruppen (310) eine Modifikation (302) des unmodifizierten Polymers (300) erstellt (3), für welche die MD-Simulation ebenfalls durchgeführt wird. Hierbei entfällt eine erneute Bestimmung der Wechselwirkungen der Atomgruppen, da die Parameter aus der Simulation des unmodifizierten Polymers nun konstant gehalten werden. Variiert wird in diesem Teil des Verfahrens vielmehr die molekulare Atomgruppenstruktur des modifizierten Polymers, d.h. es werden weitere Modifikationen erstellt, für die die MD-Simulation unter Konstanthaltung der Modellparameter wiederholt wird. Das Verfahren ist beendet, wenn eine Modifikation gefunden ist, für die aus dem simulierten Modellensemble von Kugelmodell-Molekülen des modifizierten Polymers für eine weitere makroskopisch messbare physikalische Größe (z.B. eine Glasübergangstemperatur) ein Vorhersagewert hervorgeht, welcher sich in einem Toleranzbereich um einen vorbestimmten Sollwert befindet.
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1 zeigt ein Ablaufdiagramm des Verfahrens. Dargestellt sind die folgenden Verfahrensschritte:
- In einem ersten Schritt (102) erfolgt ein Aufteilen des Monomers des unmodifizierten Polymers in chemisch miteinander verbundene Atomgruppen (220). Jeder Atomgruppe wird ein Gruppentyp zugeordnet, wobei identischen Atomgruppen derselbe Gruppentyp zugeordnet wird.
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Daraufhin wird ein Vergröberungsschritt (104) durchgeführt, bei dem ein Kugelmodell (202) aus der in Atomgruppen aufgeteilten atomistischen Molekülstruktur abgeleitet wird. Im Kugelmodell entspricht jeder Atomgruppe eine Kugel, wobei Atomgruppen desselben Gruppentyps durch identische Kugeln wiedergegeben sind. Jede Kugel ist durch einen Massenmittelpunkt, einen Kugelradius sowie einen durch Ort und Geschwindigkeit beschriebenen Bewegungszustand charakterisiert. Die Kugeln sind durch Bindungen miteinander verbunden, welche sich von den chemischen Bindungen des atomistischen Modells unterscheiden, z.B. da durch die Kugelstruktur andere Koordinaten zur Beschreibung der Bindungslängen erforderlich sind.
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Im nächsten Schritt des Verfahrens werden Anfangsbedingungen für die nichtkovalenten Wechselwirkungen der Atomgruppen untereinander definiert (106). Diese werden durch je ein Paarpotential für jede mögliche Kombination wechselwirkender Gruppentypen beschrieben. Die Paarpotentiale sind Funktionen des Abstands der Massenmittelpunkte der jeweils wechselwirkenden Atomgruppen und hängen von den Kugelradien der wechselwirkenden Gruppentypen ab. Für Paarwechselwirkungen verschiedener Gruppentypen wird ein effektiver Kugelradius angenommen, der beispielsweise als arithmetischer Mittelwert anhand der Lorentz-Berthelot-Kombinationsregeln berechnet wird. Die Potentialfunktionen sind endliche Summen von Termen, welche die niedrigsten Terme aus Entwicklungen der potentiellen Energie in inversen Potenzen des Abstands darstellen. Die Stärke des Einflusses eines bestimmten Terms wird durch Koeffizienten beschrieben.
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Im Rahmen des Definitionsschritts (106) werden Startwerte für die Kugelradien, bzw. die daraus resultierenden effektiven Kugelradien, und die Koeffizienten festgelegt. Diese Startwerte können Erfahrungs-, Literatur- oder Theoriewerte oder aus solchen abgeleitete Größen sein; ggf. sind jedoch aufwändige Verfahren wie z.B. eine zusätzliche atomistische Simulation erforderlich, um realistische Startwerte für die Modellparameter zu erhalten.
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Aus dem Kugelmodell für das unmodifizierte Polymer werden nun Moleküle als Ketten einer vorbestimmten Länge aus miteinander verbundenen Monomeren generiert und in zufälliger Orientierung und Platzierung in ein Simulationsvolumen gefüllt. Die Moleküle des so generierten Modellensembles erhalten einer vorgegebenen Ensembletemperatur entsprechende, statistisch verteilte Anfangsgeschwindigkeiten. Für dieses Modellensemble wird nun eine MD-Simulation berechnet (108), d.h. es werden in Zeitinstanzen mit festen Zeitabständen Lösungen der Newtonschen Bewegungsgleichungen der Atomgruppen berechnet. Dies kann mit einem iterativen Verfahren wie beispielsweise dem Leapfrog-verfahren geschehen.
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Die MD-Simulationen des beschriebenen Verfahrens werden in der Regel für eine vorbestimmte Anzahl von Simulationsschritten bzw. Zeitinstanzen des Modellensembles berechnet. Die vorzugebende Anzahl der Simulationsschritte ist in der Regel ein Erfahrungswert, der so bemessen ist, dass hinreichend viele Simulationsschritte durchgeführt werden können, um eine weitgehende Annäherung des Ensemblezustands an das thermodynamische Gleichgewicht sicherzustellen. Dies ist beispielsweise an eine Abnahme der Streuung einer physikalischen Größe wie beispielsweise der Kontrollgröße erkennbar, wenn die thermodynamischen Randbedingungen des Modellensembles konstant gehalten werden.
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Länge und Anzahl der in einem Modellensemble gegebenen Kettenmoleküle sind ebenfalls Erfahrungswerte, die sich nach der für die individuelle Fragestellung zur Verfügung stehenden Rechenzeit sowie der für eine zuverlässige Bestimmung der gewünschten physikalischen Größen erforderlichen Modellkomplexität richten. Eine MD-Simulation mit wenigen und/oder kurzen Molekülen beansprucht weniger Rechenzeit, kann aber zu einer Verfälschung der Simulationsergebnisse führen, wenn beispielsweise durch zu kurz gewählte Ensemblemoleküle eine falsche Ensembledichte berechnet wird, da der Einfluss der Kettenenden bei der gewählten kurzen Kettenlänge zu stark ausfällt. Solche systematischen Effekte müssen sich jedoch nicht auf alle physikalischen Größen auswirken, die durch die MD-Simulation bestimmt werden können.
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Aus der Verteilung der Orte, Geschwindigkeiten und der inter- und intramolekularen Kräfte zwischen den Kugeln lassen sich Werte für physikalische Größen ableiten. So kann z.B. die Dichte des Ensembles leicht aus der Zahl der Moleküle, dem Molekulargewicht sowie dem Endvolumen der Simulationsbox bestimmt werden. In einem weiteren Schritt des Verfahrens (110) wird ein so berechneter Ausgangswert mit einem empirischen oder aus der Literatur oder Experimenten bekannten Referenzwert verglichen. Dabei wird ein erster Toleranzbereich zugrunde gelegt, wobei eine Übereinstimmung mit dem Referenzwert vorliegt, wenn der Ausgangswert innerhalb des Toleranzbereichs um den Referenzwert liegt. Im Falle einer Über- oder Unterschreitung des ersten Toleranzbereichs werden die Parameter der MD-Simulation (Kugelradien und Potentialkoeffizienten) variiert (112) und die MD-Simulation (108) wiederholt.
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Liegt der Ausgangswert im ersten Toleranzbereich um den Referenzwert, so liegt als Ergebnis der bisherigen Verfahrensschritte eine Kombination von Parameterwerten vor, welche den Referenzwert erfolgreich reproduziert. Von dieser Wertekombination wird für den Rest des Verfahrens angenommen, dass sie eine gute Näherung an diejenige unbekannte Wertekombination derselben Parameter darstellt, die eine ebenso gute Übereinstimmung mit dem Referenzwert liefern würde, wenn ein solcher für ein modifiziertes Polymer bekannt wäre. Daher werden die für das unmodifizierte Polymer gefundenen Parameterwerte für den Rest des Verfahrens konstant gehalten.
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Im zweiten Teil des Verfahrens wird nun in einem ersten Schritt (120) das Monomer durch An- oder Einbinden von Erweiterungsgruppen modifiziert. Erweiterungsgruppen können Kopien von Atomgruppen eines aus dem unmodifizierten Molekül bekannten Gruppentyps sein, es können aber auch Erweiterungsgruppen von diesen abweichender Gruppentypen definiert werden (122).
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Analog zum unmodifizierten Molekül wird daraufhin ein Vergröberungsschritt (124) für das modifizierte Molekül durchgeführt und, sofern nötig, eine Erweiterung der Paarwechselwirkungskonfiguration für neue Gruppentypen vorgenommen (126). Eine Zeit sparende Initialisierung der Modellparameter für neue Gruppentypen ist dabei möglich, wenn Erfahrungswerte für diese aus vorherigen Simulationen ähnlicher Molekülstrukturen, in welchen die neuen Gruppentypen enthalten waren, bekannt sind.
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Anschließend wird, analog zum Schritt 108 für das unmodifizierte Polymer (108), eine MD-Simulation für das vergröberte Modell des modifizierten Polymers durchgeführt (128). Aus dieser lässt sich wiederum ein Vorhersagewert für eine weitere makroskopisch beobachtbare physikalische Größe ableiten. Dabei kann es sich um direkt aus dem Ensemble bestimmbare Größen wie z.B. die Dichte handeln, oder aber um eine indirekt bestimmbare Größe wie z.B. die aus einer Auswertung eines Temperaturverlaufs der Dichte abgeleitete Glasübergangstemperatur.
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Dieser Wert wird nun mit einem Sollwert verglichen (130), der einer gewünschten Materialeigenschaft des modifizierten Polymers entspricht. Beispielsweise kann man für das modifizierte Polymer fordern, dass es einen besonders großen Elastizitätsmodul aufweisen soll, der für die Herstellung oder die gewünschte Verwendung des modifizierten Polymers in einem Produkt besonders günstig ist. Für den Vergleich wird ein zweiter Toleranzbereich herangezogen, wobei das Verfahren beendet ist, d.h. ein modifiziertes Polymer mit der gewünschten physikalischen Materialeigenschaft gefunden ist, wenn der Vorhersagewert innerhalb des zweiten Toleranzbereichs um den Sollwert liegt.
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Falls der Vorhersagewert den Toleranzbereich um den Sollwert unter- oder überschreitet, so wird der zweite Teil des Verfahrens für eine weitere Modifikation wiederholt, d.h. es wird eine weitere Strukturmodifikation des Monomers mit denselben oder anderen Erweiterungsgruppen definiert (120), für die die MD-Simulation (128) abermals durchzuführen ist.
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2 zeigt eine schematische Darstellung eines Vergröberungsschritts von einem atomistischen Modell (200) eines Polycarbonats hin zu einem Kugelmodell (202). Ein Monomer (210) der unmodifizierten Polycarbonatstruktur (300) lässt sich durch drei verschiedene Atomgruppentypen beschreiben: Zwei Phenylgruppen (A), eine Isopropylgruppe (B) und eine Carbonatgruppe (C), die in der Reihenfolge A-B-A-C durch chemische Bindungen miteinander zu einer Kette verbunden sind. Die Entsprechungen der dargestellten Kugeln zu den einzelnen Atomgruppen (220) sind durch Pfeile verdeutlicht. Die im vergröberten Modell angepassten kovalenten Wechselwirkungen der Kugeln untereinander sind durch Federn verdeutlicht. Eine Anpassung der kovalenten Potentiale ist bereits dadurch erforderlich, dass die zur Beschreibung der Bindung erforderlichen Koordinaten nicht mehr Bindungslängen zwischen zwei benachbarten Atomen des atomistischen Modells (200) entsprechen, sondern vielmehr den Abständen der Massemittelpunkte benachbarter Kugeln.
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3 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausschnitts aus einem Kugelmodell (202) für eine Modifikation der in 2 dargestellten Polycarbonat-Grundstruktur. Das Monomer (210) wurde dabei um eine Kette der Gruppen A und C erweitert, wobei die Gruppe A der Erweiterungsgruppe (310) als Verzweigung mit der Gruppe B verbunden ist. Die Erweiterungsgruppe A-C besteht somit aus Atomgruppen (220) der bereits in der Grundstruktur vorhandenen Gruppentypen A und C. Es ist jedoch nicht notwendig, dass die Erweiterungsgruppen (310) aus Atomgruppen (220) der im unmodifizierten Polymer (300) vorhandenen Gruppentypen aufgebaut sein müssen. Vielmehr erlaubt das Verfahren auch Modifikationen mit neuen Gruppentypen. Für diese werden die Kugelradien und Paarpotentiale gemäß Schritt e) des Verfahrens gemeinsam mit den Kugelradien und Paarpotentialen der übrigen Gruppentypen festgelegt. Vorzugsweise werden vor der Durchführung der vergröberten MD-Simulation für das modifizierte Polymer (302) Startwerte für die Kugelradien der neuen Erweiterungsgruppe (310) wie zuvor beschrieben mithilfe einer MD-Simulation eines atomistischen Modells (200) des modifizierten Polymers (302) bestimmt. Dabei entfällt jedoch in der Regel eine Optimierung des modifizierten Polymers (302) durch Vergleich mit Referenzwerten, da diese nur für das unmodifizierte Polymer (300) bekannt sind.
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Modifikationen des unmodifizierten Polymers (300) beschränken sich nicht auf die dargestellte Modifikation des Monomers (210) durch eine Seitenkette. Vielmehr sind auch Modifikationen möglich, bei denen eine oder mehrere Atomgruppen (220) eines aus dem unmodifizierten Polymer (300) bekannten Gruppentyps oder aber auch eines neuen Gruppentyps in die Kettenstruktur des Monomers (210) des unmodifizierten Polymers (300) eingefügt werden.
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4 zeigt eine Schar von Potentialkurven, welche für sieben verschiedene Ensembletemperaturen zwischen 200 und 800 K, in Abstand von 100 K, für die nicht-kovalente Wechselwirkung von Phenylgruppen in einer MD-Simulation eines atomistischen Modells (200) von Polycarbonat bestimmt wurden. Die Potentialkurven lassen sich aus dem Modellensemble durch Auswerten der Kräfte zwischen einer bestimmten Phenylgruppe und allen weiteren sich innerhalb der maximalen Reichweite befindlichen Phenylgruppen des Ensembles sowie anschließender Mittelwertbildung über alle Phenylgruppen des Ensembles zu einem Simulationszeitpunkt gewinnen, an dem die Temperatur des Modellensembles im zeitlichen Verlauf des Temperaturprofils gerade den entsprechenden Wert der Kurve besitzt.
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Die Kurven weisen im negativen Wertebereich jeweils ein absolutes Potentialminimum an dem Abstand auf, für den Kräftefreiheit gegeben ist. Für Abstände unterhalb des Minimums zeigen die Kurven einen starken Abfall auf dem positiven Wertebereich, was einer stark abstoßenden Kraft entspricht. In Abständen oberhalb des Minimums steigen die Potentialkurven asymptotisch gegen null, was einer anziehenden Kraft entspricht, welche in eine effektive Kräftefreiheit für weit voneinander entfernte Phenylgruppen übergeht. Es ist zu erkennen, dass die Potentialtiefe für niedrige Temperaturen zunimmt und die Abstoßung erst bei geringeren Abständen auftritt als bei hohen Temperaturen. Der Abstand, bei dem die jeweilige Potentialkurve ihren Nulldurchgang hat, definiert das Zweifache des für die jeweilige Temperatur zu verwendenden Startwerts für den Kugelradius des entsprechenden Gruppentyps in der MD-Simulation des vergröberten Polymermodells. Dieser Zusammenhang ist durch die im oberen Teil des Diagramms angegebene Formel beschrieben.
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5 zeigt eine schematische Darstellung aller für ein Polymermolekül mit drei verschiedenen Gruppentypen möglichen Kombinationen, für die eine Paarwechselwirkung im Zuge des Verfahrens bestimmt wird. Die jeweiligen Gruppentypen sind wieder mit den Buchstaben A, B und C gekennzeichnet und durch Kreisel mit verschiedenen Radien dargestellt, welche die verschiedenen Kugelradien der drei Gruppentypen verdeutlichen sollen. Die spezifischen Abstandskoordinaten für die jeweilige Paarkombination sind durch Doppelpfeile dargestellt und mit dem Formelzeichen r mit den Buchstaben der entsprechenden Gruppentypen als Indizes gekennzeichnet. Für ein unmodifiziertes Polycarbonatmolekül, wie im Ausschnitt in 2 dargestellt, sind somit sechs verschiedene Paarwechselwirkungen zu berücksichtigen.
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6 zeigt ein Diagramm mit einer Schar von Potentialkurven für die Paarwechselwirkung zweier Kugeln eines vergröberten Polymermodells. Die Kurven sind Darstellungen eines modifizierten (10,8,6)-Lennard-Jones-Potentials (600), welche sich lediglich durch die Wahl des Parameters B voneinander unterscheiden. Die vier Kurven wurden ausgewertet für die Werte B = 20, 25, 30 und 35 kJ/mol. Es ist zu erkennen, dass die Potentialtiefe mit wachsendem B zunimmt, während die Halbwertsbreite der Potentialmulden konstant bleibt. Somit lässt sich durch Variation des Parameters B gezielt die Potentialtiefe unabhängig von weiteren Potentialeigenschaften variieren. Der Kugelradius ist ebenfalls konstant gehalten, wodurch alle vier Potentialkurven ihren Nulldurchgang bei demselben Massenmittelpunktsabstand haben.
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7 zeigt eine Schar von vier Temperaturverläufen des spezifischen Volumens eines Polycarbonat-Modellensembles, für das je eine MD-Simulation mit einem der vier in der Beschreibung zu 6 genannten B-Werten unter ansonsten identischen Bedingungen berechnet wurde. Im abgedeckten Temperaturbereich von 200 bis 700 K zeigen die vier Kurven unterhalb von etwa 400 K sowie oberhalb von etwa 600 K jeweils einen näherungsweise linearen Verlauf, jedoch mit unterschiedlichen Steigungen. Durch Extrapolation lokaler linearer Trendkurven für die verschiedenen Linearbereichen in den Übergangsbereich lässt sich die Glasübergangstemperatur (702) des Ensembles als die Temperatur bestimmen, bei der sich die beiden extrapolierten Geraden schneiden. Für den Einfluss des Parameters B lassen sich zwei systematische Zusammenhänge erkennen: Mit wachsendem B nimmt das spezifische Volumen des Ensembles insgesamt ab, sodass die vier aus dem Modell bestimmten Kurven sich nicht gegenseitig schneiden. Mit wachsendem Wert von B nimmt jedoch die Glasübergangstemperatur (702) zu, sodass sich durch gezielte Variation eines der B-Parameter gezielt eine Veränderung der Glasübergangstemperatur (702) des Modellensembles herbeiführen lässt.
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Es sei angemerkt, dass die obig beschriebenen Ausführungsformen der Erfindung in beliebiger Weise miteinander kombiniert werden können, solange sich die kombinierten Ausführungsformen nicht gegenseitig ausschließen.
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Bezugszeichenliste
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- 102
- Aufteilen in Atomgruppen
- 104
- Erstellen eines Kugelmodells
- 106
- Definieren von Paarwechselwirkungen
- 108
- MD-Simulation
- 110
- Vergleich Ausgangswert - Referenzwert
- 112
- Variieren von Modellparametern
- 120
- Modifizieren des Monomers
- 122
- Aufteilen in Atomgruppen
- 124
- Erstellen des Kugelmodells
- 126
- Definieren der Paarwechselwirkungen
- 128
- MD-Simulation
- 130
- Vergleich Vorhersagewert - Sollwert
- 200
- Atomistisches Modell
- 202
- Kugelmodell
- 210
- Monomer
- 220
- Atomgruppe
- 300
- Unmodifiziertes Polymer
- 302
- Modifiziertes Polymer
- 310
- Erweiterungsgruppe
- 600
- Modifiziertes Lennard-Jones-Potential
- 702
- Glasübergangstemperatur