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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur robusten Ausrichtung von Radprofilkonturdatensätzen an teilweise gestörten Radinnenflächen als Basis für die präzise Ermittlung der Radprofilparameter von Schienenfahrzeugen, wobei ein dreistufiger Algorithmus erzeugt wird, der als Modell eine Gerade verwendet.
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Herkömmliche Verfahren (Bedienungsanleitungen, Studien und Präsentationen) der Hersteller entsprechender Messsysteme) verwenden für die Orientierung des Profilkoordinatensystems einen Suchalgorithmus, der innerhalb eines vordefinierten Fensters im Bereich der Radinnenfläche gerade Segmente sucht. Das Fenster deckt nur einen Teil der als gerade vorausgesetzten Radprofilkontur ab. Für verschiedene Einsatzzwecke müssen verschiedene Fensterpositionen, Fensterbreiten und Startwerte benutzt werden. Innerhalb des Fensters wird geprüft, ob vorher festgelegte Geradheitsanforderungen für die Kontur noch erfüllt sind. Die Suche wird abgebrochen, wenn Abweichungen vom Modell der Gerade erkannt werden, z.B. verursacht durch mit gemessene Schmutzablagerungen. Eine Mindestlänge für das „gerade“ Segment der Kontur wird in der Regel gefordert. Gerade Kontursegmente z.B. „hinter“ der Schmutzablagerung oder außerhalb der Fenster werden in die Auswertung nicht einbezogen. Die bestehenden Verfahren verwenden vom Ansatz her nicht alle verfügbare Information für die Orientierung des Radprofilkoordinatensystems. Es wird zudem keine Information darüber ausgegeben, wie verlässlich die Orientierung des Koordinatensystems erfolgt ist. Die Diskriminierung zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Einpassungen erfolgt nicht erkennbar anhand der Qualität der Einpassung, sondern bislang nur anhand willkürlich gewählter äußerer Grenzwerte wie z.B. zulässigen Drehwinkeln.
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RANSAC-Algorithmen sind in mehreren Varianten seit 1981 bekannt. (Martin A. Fischler und Robert C. Bolles; Communications of the ACM CACM Homepagearchive; Volume 24 Issue 6, June 1981; Pages 381-395). Weitere Informationen finden sich in den gängigen Standardwerken zum Thema „Robust Estimation“.
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Der Erfindung liegt die Aufgabenstellung zugrunde, die Ergebnisse der RANSAC-Algorithmen zugunsten einer Orientierung am intakten Teil der Radinnenkontur zu beeinflussen, ohne deren Robustheit und die Fähigkeit zur Eliminierung von Ausreißern negativ zu beeinflussen.
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Dies wird erfindungsgemäß gemäß Patentanspruch 1 erreicht.
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Für die Ermittlung von Radprofilparametern (u.a. Spurkranzdicke e und Spurkranzhöhe h) an Rädern von Schienenfahrzeugen werden Messgeräte eingesetzt, welche die Kontur eines Radprofils zweidimensional erfassen bzw. auf zwei Dimensionen reduziert in Form einer Punktewolke in einem willkürlich gewählten Koordinatensystem ausgeben. Im nächsten Schritt wird die erzeugte Punktewolke in das für die jeweilige Radbauart definierte Radprofilkoordinatensystem (z.B. DIN EN 13715) überführt. Dazu sind eine Translation und eine Rotation erforderlich. Die Anforderungen an die Präzision der Rotationsbewegung sind besonders hoch, weil die Empfindlichkeit der Radprofilparameter e und h ca. 1 mm pro Grad Fehlorientierung beträgt. Aus der üblichen erweiterten Zielmessunsicherheit (mit k=2) für e und h von 0,075 mm folgt eine Zielstandardunsicherheit von 0,0375 mm. Berücksichtigt man die Unsicherheitsanteile für die Lokalisierung der Referenzpunkte zur Berechnung von e und h, so ergibt sich eine Zielstandardunsicherheit für die Bestimmung des Rotationswinkels von ca. 0,01 Grad.
Der für die Orientierung der Radprofilkontur notwendige Konturbereich befindet sich an der Radinnenseite. Der näherungsweise gerade Konturabschnitt hat üblicherweise eine Länge von 30 - 50 mm. Bezogen auf den Messkreisradius beginnt der gerade Konturabschnitt bei Radien von etwa +10 mm (am Punkt H2, DIN EN 13715) und reicht bei abnehmenden Radien bis an die Kante am Übergang zum Stegbereich.
Der für die Orientierung notwendige gerade Konturabschnitt wird auf zwei Wegen verkürzt:
- • Durch Einflüsse des Oberbaus wird die Radinnenfläche im äußeren Bereich geschädigt. Der Schadbereich beginnt etwa bei H2 und breitet sich mit zunehmender Laufzeit eines Rades aus, hin zu kleineren Radien, und kann sich bis zu Radien bezogen auf Messkreisradius von -25 mm und weiter ausdehnen.
- • Durch konstruktive Änderungen wird der gerade Teil von Radinnenflächen kürzer, weil im Übergang zum Stegbereich Facetten angelegt werden mit dem Ziel, die bewegte Masse zu reduzieren. Die Beschneidung des geraden Kontursegmentes erfolgt in diesem Fall aus Richtung kleinerer Radien.
Die Oberflächeneigenschaften der Radinnenfläche im intakten und im durch Oberbaueinfluss gestörten Bereich unterscheiden sich. Der intakte Bereich ist geprägt vom Drehbild der Bearbeitung, kann aber kleine Einschläge oder Anhaftungen (Fett, Schmutz) aufweisen. Die durch Oberbaueinfluss gestörte Zone kann starke Einschläge, Materialaufwürfe aber auch quasi polierte Zonen aufweisen. Die große Varianz der Oberflächeneigenschaften im gestörten Bereich verhindert eine sichere Unterscheidung des gestörten vom intakten Konturbereich allein auf Basis der Oberflächeneigenschaften.
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Radprofilkonturen von Rädern verschiedener Bauart einer Fahrzeugflotte müssen mit einer Standardunsicherheit von ca. 0,01 Grad oder besser ausgerichtet werden unter folgenden Radbedingungen:
- 1. Der intakte gerade Bereich der Radinnenfläche kann sich bei verschiedenen Radien zwischen H2 und dem Übergang zum Stegbereich (stark abhängig von der Radbauart) befinden.
- 2. Die Länge des intakten geraden Bereiches der Radinnenfläche kann stark variieren und in besonderen Fällen sogar gegen Null gehen.
- 3. Der gestörte und der intakte Konturbereich können im Einzelfall gleiche Oberflächeneigenschaften besitzen.
- 4. Es ist im intakten Konturabschnitt der Radinnenfläche mit einer signifikanten Anzahl an Ausreißern zu rechnen (auf Grund konvexer und konkaver Störungen).
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Für das robuste Auffinden des intakten geraden Konturbereiches eines Radprofilkonturdatensatzes können bekannte, leistungsfähige Algorithmen der RANSAC-Klasse (RANSAC, LO-RANSAC, MSAC) eingesetzt werden. Schwäche dieses Ansatzes ist, dass ein zufällig gerader Abschnitt in der oberbaubedingten Verschleißzone nicht sicher unterschieden werden kann von einem Abschnitt im intakten Kontursegment. In diesen Fällen kommt es zu Fehlorientierungen (siehe 1).
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Die Verschleißzone des Rades in 1 reicht von Z = 18 mm bis ca. Z = -10 mm. Die originale Radinnenfläche (dünne Kurven) wurde mehrfach ausgewertet unter Simulation einer sukzessiven konstruktiven Einkürzung der Radinnenflächen (fett gedruckte Kurvenabschnitte). Die mit Kreissymbolen markierten Bereiche kennzeichnen die vom Algorithmus als gerade erkannten Kontursegmente. Unterbrechungen der mit Kreissymbolen markierten Kurvenabschnitte zeigen die Wirkung der Ausreißdetektion. Für eine Länge der Radinnenfläche ≤ 25 mm sind Fehlorientierung am gestörten Teil der Radinnenfläche zu erkennen.
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Gewinnung von Zusatzinformation
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Bislang wird nicht jede verfügbare Information für die Unterstützung der Orientierung benutzt. Die Analyse von Konturdaten zeigt, dass sich der durch Oberbaueinfluss gestörte Konturbereich der Radinnenfläche grundsätzlich in Richtung größerer Radien befindet. Der intakte gerade Konturbereich befindet sich in Richtung kleinerer Radien. Eine Analyse der Häufigkeit liefert eine für einen Fahrzeugverband oder eine Fahrzeugflotte charakteristische Verteilung intakter gerader Konturbereiche (z.B. 2).
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Die Häufigkeitsverteilung kann sich je nach Fahrzeugflotte, Betreiber und Region unterscheiden und kann aus Betriebsdaten gewonnen werden. Sie kann dem Anwendungszweck (Flottencharakteristik, Charakteristik der Rohdaten) angepasst werden.
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Die Häufigkeitsverteilung kann interpretiert werden als Wahrscheinlichkeit, bei einem bestimmten Radius eine intakte Radinnenfläche vorzufinden. Die Wahrscheinlichkeitsaussage kann genutzt werden, Konturpunkte mit geringem Radiuswert höher zu wichten, als Punkte mit größerem Radiuswert.
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Anpassung der Zielfunktion der RANSAC-Algorithmen
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Werden RANSAC-Algorithmen für die Suche nach einem Geradensegment eingesetzt, benutzt man als Modell eine Gerade (Geradengleichung). RANSAC-Algorithmen arbeiten in drei, sich wiederholenden Schritten:
- 1. Wähle so viele Punkte aus dem Ausgangsdatensatz zufällig aus, wie benötigt werden, um das Modell zu berechnen.
- 2. Berechne die Modellparameter.
- 3. Bestimme die Teilmenge der Konturpunkte, deren orthogonaler Abstand zum Modell kleiner als ein vorgegebener Grenzwert G ist.
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In Schritt 3 eines RANSAC-Algorithmus wird die Teilmenge der Konturpunkte bestimmt, deren orthogonaler Abstand zur Modellkurve kleiner als ein bestimmter Grenzwert ist. Diese Teilmenge wird Consensus Set genannt. Enthält diese Teilmenge eine gewisse Mindestanzahl an Konturpunkten, wurde vermutlich ein gutes Modell gefunden und das Consensus Set wird gespeichert.
Um die Qualität der bei einem Durchlauf des Algorithmus gefundenen Teilmengen (Consensus Sets) bewerten zu können, wird die vordefinierte Zielfunktion S berechnet, für die es den Extremwert zu finden gilt. Die folgenden Beispiele zeigen Zielfunktionen von RANSAC- und MSAC-Algorithmen. Alle im Folgenden genannten
ci sind Konstanten, die je nach Anwendungszweck festgelegt werden. Die Summen erstrecken sich über alle Konturpunkte, in denen das vermutete Modell (hier der gerade Abschnitt der Radinnenfläche) vernünftigerweise vermutet werden kann.
für RANSAC, oder
für MSAC.
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Die Zielfunktion S, für die der Extremwert gesucht wird, entspricht einer eindimensionalen Funktion, welche stets den orthogonalen Abstand der Konturpunkte zum Modell bewertet.
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Zur Lösung des vorliegenden Problems wird die Zielfunktion von einer auf mehrere Dimensionen erweitert, so dass sich zusätzliche Informationen in die Zielfunktion S integrieren lassen. Die Zielfunktion wird mindestens so ergänzt, dass die Wahrscheinlichkeit verarbeitet werden kann, bei einem bestimmten Radius eine intakte Radinnenfläche vorzufinden.
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Die angepasste Zielfunktion S kann sich additiv oder multiplikativ aus Komponenten zusammensetzen, welche zum einen den orthogonalen Abstand der Konturpunkte vom Modell und zum anderen die radiusabhängige Wahrscheinlichkeitsinformation für das Vorhandensein des intakten Bereiches bewerten. Ein Beispiel für einen multiplikativen Ansatz liefern die folgenden Gleichungen. Die Zielfunktion ist hier als zu maximierende Zielfunktion Smax ausgeführt:
mit
und
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Die Funktion H(Radius) gibt die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer intakten Radinnenfläche als Funktion des Radius an.
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Beispielsweise kann für die in
3 angegebene Häufigkeitsverteilung die Funktion H angegeben werden als:
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Die Konstanten z1 und z2 definieren die Radien bei denen die Funktion H die 100%-Marke verlässt bzw. die 0%-Marke erreicht. Mit den Konstanten c3 und c4 werden Punkte, die in dem jeweiligen Radiusbereich liegen, gewichtet. Die Funktion f(Radius) kann z.B. eine lineare Funktion sein.
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Es gilt: Wird c3 = 1 gewählt, werden Punkte gezählt, deren Abstand von der Modellgeraden kleiner-gleich Grenzwert G ist. Wird ein Wert c3 ≠ 1 gewählt, erhalten die Punkte ein entsprechend anderes Gewicht.
Wird c4 = 0 gewählt, werden Punkte, deren Abstand von der Modellgeraden zwar kleiner-gleich Grenzwert G ist, deren Radius jedoch größer z2 ist, als Ausreißer betrachtet. Wird ein Wert c4 ≠ 0 gewählt, werden die Punkte zusätzlich gewichtet, z.B. werden mit c4 < 0 „Strafpunkte“ verteilt für Konturpunkte mit Radien größer z2.
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In 4 ist ein Beispiel für die aus dem Ansatz resultierende zweidimensionale Zielfunktion eines RANSAC-Algorithmus dargestellt. Für die Darstellung wurden c3 = 1 und c4 = -0,13 gewählt.
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Vorteile der Erfindung
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- - Es wurde herausgefunden, welche ggf. vorhandene zusätzliche Information über die Eigenschaften von Radinnenflächen noch nicht für die Verbesserung der Orientierung von Radprofilkonturdatensätzen eingesetzt wird.
- - Es wurde herausgefunden, in welcher Form die latent vorhandene Information über Ort und Häufigkeit des intakten Teils der Radinnenflächen aufbereitet werden kann, um robuste Algorithmen zu unterstützen.
- - Es wurde erstmals ein Verfahren gefunden, bei dem die zusätzlichen Informationen in einem robusten (RANSAC-) Algorithmus gewinnbringend verwertet wurden, ohne dessen Robustheit und Effizienz zu gefährden.
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Ergebnisse
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Mit dem beschriebenen Verfahren kann die Fähigkeit der RANSAC-Algorithmen zur robusten Erkennung des intakten Teils der Radinnenflächen deutlich verbessert werden (5). Zu deutlichen Fehlorientierungen kommt es in diesem Beispiel erst, wenn vom intakten Teil der Radinnenfläche deutlich weniger als 10 mm übrig ist (vergleiche 1 und 5).
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Es gelten alle Vorzüge und Einschränkungen, die für herkömmliche RANSAC-Algorithmen bekannt sind, in analoger Weise für den vorgestellten, durch Wichtung optimierten neuen RANSAC-Algorithmus.