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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Anlage, wobei die Anlage mindestens einen elektrischen Antrieb aufweist, und einen Frequenzumrichter.
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Bei Anlagen, wie sie der Erfindung zugrunde liegen, können sich Systemparameter, die für eine oder mehrere Reglungen der Anlage relevant sind, während der Laufzeit der Anlage verändern. Bei einer Anlage in Form eines Hubwerks beispielsweise, mittels dem veränderliche Massen befördert werden, bildet die veränderliche Masse eine regelungsrelevante Größe. Für eine optimale Regelung des Hubwerks ist es wünschenswert, dass Regelparameter der Hubwerks-Regelung an die beförderte Masse angepasst werden. Weiter ist es möglich, dass sich die für die Regelung relevanten Parameter über die Anlagen-Betriebsdauer, beispielsweise aufgrund von Verschleiß, schleichend über Jahre hinweg verändern. Systemparameter bzw. für die Regelung relevante Größen können beispielsweise weiter ein Massenträgheitsmoment, eine viskose Dämpfung, etc. sein.
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Es besteht die Möglichkeit, dass sich die regelungsrelevanten Größen in einem Maß verändern, das eine Anpassung der Regelparameter für eine hinreichend gute Regelung notwendig macht. Herkömmlich erfolgt dies manuell. Häufig muss hierzu der normale Betrieb der Anlage unterbrochen werden.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Betreiben einer Anlage und einen Frequenzumrichter zur Verfügung zu stellen, die bei veränderlichen regelungsrelevanten Größen der Anlage ein automatisches Nachführen der Regelparameter ermöglichen.
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Der Erfindung löst diese Aufgabe durch ein Verfahren nach Anspruch 1 und einen Frequenzumrichter nach Anspruch 10.
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Das Verfahren dient zum Betreiben einer, beispielsweise elektromechanischen, Anlage bzw. eines elektrischen Antriebssystems. Die Anlage weist mindestens einen elektrischen Antrieb auf. Die Anlage kann beispielsweise ein Hubwerk, ein Walzensystem, ein elektrisch angetriebenes Verpackungssystem, etc. sein.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird herkömmlich mindestens eine Regelgröße (zu regelnde Größe) des elektrischen Antriebs auf einen Sollwert geregelt. Das Regeln basiert auf einer Anzahl von einstellbaren Regelparametern, beispielsweise P-, I- und D-Parametern eines herkömmlichen PID-Reglers. Selbstverständlich sind die Regelparameter nicht hierauf beschränkt. Insoweit sei auch auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
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Erfindungsgemäß werden regelungsrelevante (für die Regelung relevante) Größen, d.h. Größen, die Einfluss auf die optimale Einstellung der Regelparameter haben, während des Betriebs der Anlage, insbesondere automatisch, identifiziert bzw. ermittelt. Die regelungsrelevanten Größen repräsentieren typisch Variablen der Anlage bzw. der Regelstrecke. Bei den regelungsrelevanten Größen kann es sich beispielsweise um eine zu bewegende Masse, ein Massenträgheitsmoment, eine viskose Dämpfung, eine Temperatur, usw. handeln.
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Die Regelparameter der Regelung werden in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen während des Betriebs der Anlage derart eingestellt, dass sich im Hinblick auf vorgebbare Regelungskriterien eine möglichst optimale Regelung ergibt.
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Das Identifizieren der regelungsrelevanten Größen kann automatisch mittels eines Beobachters durchgeführt werden, beispielsweise mittels eines Luenberger-Beobachters.
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Das Identifizieren der regelungsrelevanten Größen kann automatisch mittels eines Kalman-Filters durchgeführt werden.
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Das Regeln der mindestens einer Regelgröße des elektrischen Antriebs kann basierend auf einer einstellbaren Reglerstruktur und/oder eines einstellbaren Reglertyps erfolgen, wobei die Reglerstruktur und/oder der Reglertyp in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen eingestellt werden/wird.
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Das Einstellen der Regelparameter kann in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen nur dann bzw. nur zu solchen Zeitpunkten durchgeführt werden, wenn bzw. sobald eine Regeldifferenz zwischen Soll- und Istwert für eine Mindestzeitdauer, beispielsweise mehrere Sekunden oder Minuten, größer als ein vorgebbarer Schwellenwert ist. Der vorgebbare Schwellenwert kann ein Absolutwert sein oder ein auf den Sollwert normierter Wert sein. Beispielsweise kann der Schwellenwert dann überschritten sein, wenn der Istwert um mehr als 5% vom Sollwert abweicht.
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Es kann eine Vorsteuerung durchgeführt werden. Bei der Vorsteuerung wird die Stellgröße mit einem Wert beaufschlagt, der unabhängig von den Zuständen der Regelstrecke und daraus resultierenden Messungen ist. Die Vorsteuerung ermöglicht die Berücksichtigung des aufgrund des Sollwertverlaufs zu erwartenden Stellgrößen-Bedarfs. Insoweit sei auch auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
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Die Vorsteuerung kann in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen aktiviert oder deaktiviert werden.
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Die Regelgröße kann beispielsweise ein Motorstrom, und/oder eine Motordrehzahl, und/oder eine Position sein.
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Das Regeln mittels eines kaskadierten Reglers durchgeführt werden.
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Der Frequenzumrichter ist zum Ansteuern eines elektrischen Antriebs ausgebildet, wobei der elektrische Antrieb Bestandteil einer Anlage ist. Der Frequenzumrichter ist dazu ausgebildet, ein oben genanntes Verfahren durchzuführen. Hierzu kann er beispielsweise geeignete Sensoren, Aktoren, usw. aufweisen. Weiter kann er einen Mikroprozessor und einen zugehörigen Programmspeicher aufweisen, der Code speichert, bei dessen Abarbeitung durch den Mikroprozessor das erfindungsgemäße Verfahren ausgeführt wird.
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Erfindungsgemäß werden voll automatisiert die Regelparameter im Betrieb der Anlage nachgeführt, wodurch die Anlage immer im optimalen Betriebspunkt betreiben werden kann.
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Zur Durchführung des Verfahrens kann beispielsweise ein Antriebsregler mit beispielsweise einer Kaskadenregelung und ein Beobachter oder eine Form eines Kalman-Filters vorgesehen sein. Das Verfahren kann im Kontext einer Kaskadenregelung durchgeführt werden, ist jedoch auch für andere Regelungsverfahren verwendbar.
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Die Anlage kann zunächst herkömmlich in Betrieb genommen werden, so dass ein initialer Betrieb der Anlage mit voreingestellten Regelparametern möglich ist. Die Eigenschaften bzw. Regelparameter des initialen Betriebs können nicht-optimal sein.
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Während der Parameteridentifikation, d.h. dem Identifizieren der regelungsrelevanten Größen, läuft ein Online-Identifikationsverfahren (beispielsweise ein Kalman-Filter) mit. Das Online-Identifikationsverfahren identifiziert die Parameter der Anlage, d.h. die regelungsrelevanten Größen. Das Online-Identifikationsverfahren kann auch die Identifikation von Parametern bzw. regelungsrelevanten Größe des elektrischen Systems (Elektromotor) beinhalten.
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Auf der Basis der ermittelten bzw. identifizierten regelungsrelevanten Größen wird die Regelung, d.h. deren Regelparameter, auf die Anlage hin optimal errechnet und eingestellt.
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Auf Basis des Identifizierens der regelungsrelevanten Größen kann optional auch eine Vorsteuerung des Systems aktiviert und eingesetzt werden. Gerade bei Einsatz einer Vorsteuerung wird die Regelung von der Aufgabe der für die Antriebsbewegung erforderlichen Energieeinbringung stark entlastete und regelt im Wesentlichen nur noch Systemstörungen aus. Dieses äußert sich in sehr kleinen Regeldifferenzen ∆x = x_soll – x_ist, wobei x für verschiedene Stufen der Regler-Kaskade steht (Strom, Drehzahl oder Position), alternativ für Abweichungen in den Zuständen, sofern eine Zustandsregelung verwendet wird.
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Die Parameteridentifikation, d.h. das Identifizieren der regelungsrelevanten Größen, kann während des Betriebs der Anlage ständig parallel zur Regelung erfolgen, so dass die Parameteridentifikation auch den im Prozess auftretenden kurzfristigen Störungen unterliegt. Daher können die identifizierten regelungsrelevanten Größen in sehr kleinen Bereichen „rauschen“. Dieses Rauschen kann zu direktem Rauschen der Reglerverstärkungen führen, wodurch das Gesamtsystem zur Instabilität neigen kann.
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Daher kann es sinnvoll sein, die Regelparameter in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen nur zu Zeitpunkten einzustellen bzw. zu aktualisieren, wenn eine der Regeldifferenzen eine definierte Schwelle über eine definierte Zeitdauer überschreitet.
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Gegebenenfalls können Werte der Vorsteuerung nachgeführt werden.
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Erfindungsgemäß werden systemtechnisch wieder die gleichen Eigenschaften erreicht, beispielsweise ein identisches Geschwindigkeitsprofil, identische Trajektorien, etc.
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Mittels der Erfindung können beispielsweise folgende Vorteile erzielt werden. Schleichende Parameteränderungen führen nicht zu einer Prozessverschlechterung, beispielsweise zu einer Verschlechterung des Druckbildes. Hubwerke können ständig mit optimalen Reglereinstellungen gefahren werden. Dies führt zu einer Erhöhung der Produktivität bspw. eines Hochregallagers. Wartungsintervalle können verlängert werden. Kosten für eine Wartung / Wiederinbetriebnahme sinken.
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen detailliert beschreiben. Hierbei zeigen:
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1 ein hoch schematisches Blockschaltbild einer Anlage mit einem elektrischen Antrieb,
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2 ein schematisches Blockschaltbild einer Regelung der in 1 gezeigten Anlage und
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3 einen Beobachter zum Identifizieren von regelungsrelevanten Größen der Anlage während des Betriebs der Anlage.
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1 zeigt eine Anlage 1, wobei die Anlage 1 einen elektrischen Antrieb 2 aufweist. Der elektrische Antrieb 2 kann einen oder mehrere Frequenzumrichter aufweisen, der/die einen oder mehrere Elektromotoren ansteuert/ansteuern. Der elektrische Antrieb 2 dient zum Antreiben bzw. Bewegen einer mechanischen Last 3, beispielsweise in Form eines Hubtisches, etc.
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2 zeigt ein schematisches Blockschaltbild einer herkömmlichen Regelung der in 1 gezeigten Anlage 1. Wie gezeigt, wird in einer herkömmlichen Regelungsstruktur eine Regelgröße RG des elektrischen Antriebs 2 mittels eines Reglers 4 auf einen vorgebbaren Sollwert geregelt. Der Regler 4 regelt basierend auf einer Anzahl von einstellbaren Regelparametern RP. Der durch das Bezugszeichen 5 referenzierte Block stellt die Regelstrecke dar. Zu der in 2 gezeigten Regelung sei auch auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden.
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Die Regelgröße RG kann ein Motorstrom, eine Motordrehzahl, oder eine Position sein. Der Regler 4 kann ein kaskadierter Regler sein.
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3 zeigt einen Beobachter 7 zum Identifizieren von regelungsrelevanten Größen RRG der Anlage 1, beispielsweise der Regelstrecke 5, während des Betriebs der Anlage 1. Die regelungsrelevanten Größen RRG werden erfindungsgemäß dazu verwendet, die Regelparameter RP des Reglers 4 im Betrieb der Anlage 1 automatisch derart einzustellen, dass eine möglichst gute Anpassung der Regelung an zeitlich veränderliche Eigenschaften der Anlage 1 bzw. der Regelstrecke 5 gegeben ist.
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Der Beobachter 7 weist ein Modell 6 der Regelstrecke 5 bzw. der Anlage 1 auf. Der Beobachter 7 ist dazu ausgebildet, aus bekannten Eingangsgrößen EG, beispielsweise Stellgrößen des Reglers 4, und Messgrößen MG des beobachteten Referenzsystems 5 nicht messbare Größen bzw. Zustände zu rekonstruieren, vorliegend die regelungsrelevanten Größen RRG.
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Das Modell 6 des Systems rekonstruiert weiter beobachtete Messgrößen BMG, wobei basierend auf einer Differenz zwischen den beobachteten Messgrößen BMG und den (tatsächlich gemessenen) Messgrößen MG ein Nachführen des Modells erfolgt. Insoweit sei auch auf die einschlägige Fachliteratur zu Beobachtern verwiesen.
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Um ein Schwingen des elektrischen Antriebs 2 zu vermeiden, werden die Regelparameter nur dann eingestellt bzw. nachgeführt, wenn eine Regeldifferenz für eine Mindestzeitdauer größer als ein Schwellenwert ist.
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Die in 2 gezeigte Regelung kann eine nicht dargestellte Vorsteuerung aufweisen, die in Abhängigkeit von den identifizierten regelungsrelevanten Größen RRG aktiviert oder deaktiviert wird.