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I. Wissenschaftlicher Hintergrund:
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In der Regel werden Wälzlager mit einer bestimmten „Lagerluft” hergestellt. Sodass gewährleistet ist, dass der Innenring mit den drucklos an seiner Rollbahn anliegenden Rollkörpern zwanglos gegenüber dem festgehaltenen Außenring bewegt werden kann, bis mindestens ein Rollkörper die Rollbahn des Außenringes berührt. Richtig eingestellte Wälzlager erweisen eine längere Standzeit und verursachen weniger Energieverluste.
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Unter Lagerluft versteht man das Maß, um das sich ein Lagerring gegenüber dem anderen in radialer Richtung (Radialluft) oder in axialer Richtung (Axialluft) von einer Grenzstellung in die andere verschieben lässt. Zu unterscheiden ist zwischen der Lagerluft des nicht eingebauten Lagers und der Lagerluft des eingebauten Lagers (Betriebsspiel). Die Lagerluft beim nicht eingebauten Lager ist größer als das Betriebsspiel, dieser Zusammenhang ergibt sich beispielsweise aus dem Passungsübermaß. Für den einwandfreien Lauf eines Lagers ist in erster Linie die Radialluft von Bedeutung. Die Radialluft im nicht eingebauten Zustand ist genormt. Werte für verschiedene Lagertypen können der DIN 620-4 entnommen werden.
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Bei Wälzlagertypen, die mittels Spannhülse auf der Welle befestigt werden, kommt es bedingt durch den Spannprozess der Hülse zu einer Reduzierung der Radialluft während der Montage. Herstellerspezifisch gibt es Vorgaben, die sich auf die Radialluftminderung bedingt durch den Montageprozess beziehen.
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Es sind Messeinrichtungen bekannt, mit denen es möglich ist die Lagerluft vollautomatisch im nichteingebauten Zustand zu überprüfen. Ebenso sind Verfahren zur Prüfung der Lagerluft im eingebauten Zustand bekannt. Einfachste Methode ist das Nutzen von Fühlerlehren oder Messblättchen. Auch einfache Messeinrichtungen sind bekannt. Bei diesen wird das Lager von Hand gedreht und ausgeschwenkt, dabei wird die Lagerluft manuell über eine Messuhr abgelesen. Bei diesen Methoden spielt der Bediener eine zentrale Rolle. Da der Bediener individuellen Einfluss auf das Messergebnis hat, kann dieses je nach Bediener variieren. [Vgl. Albert, Mathias; Köttritsch, Hubert (2013): Wälzlager. Theorie und Praxis. Wien: Springer][Vgl. Birkhofer, Herbert; Kümmerle, Timo (2012): Feststoffgeschmierte Wälzlager. Einsatz, Grundlagen und Auslegung. Berlin, Heidelberg: Springer] [Vgl. Brändlein, Johannes (1998): Die Wälzlagerpraxis. Handbuch für die Berechnung und Gestaltung von Lagerungen. 3. Aufl. Mainz: Vereinigte Fachverlag.]
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II. Technische Lösung:
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Bei der Erfindung handelt es sich um einen Messstand, mit dem die radiale Lagerluft unmittelbar vor, sowie unmittelbar nach der Montage des Lagers auf der Welle gemessen werden kann. Die Messung wird automatisch durchgeführt. Die benötigte Prüfkraft wird dabei nicht vom Menschen ausgeübt. Es kommt ein elektromagnetischer Aktor zum Einsatz. Die Regelung der Prüfkraft, die über einen Elektromagneten erzeugt wird, bildet den zentralen Punkt der Erfindung. Unter Verwendung einer Kraftmessung wird die Prüfkraft über einen elektromagnetischen Aktor geregelt. Auf Basis von Kraftmessung und Regelung des Aktors, ist der Einfluss der Prüfkraft auf das Messergebnis reproduzierbar und kann minimiert werden. Dadurch ist eine sehr exakte Messung der radialen Lagerluft möglich. Alternativ zum elektromagnetischen Aktor kann auch ein piezoelektrischer Aktor eingesetzt werden.
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Der Messstand eignet sich für verschiedenen Typen und Größen von Lagern. So können sowohl Pendelkugellager als auch Pendelrollenlager in verschiedenen Größen montiert und getestet werden.
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Das entwickelte System soll Einzug in die Qualitätskontrollsysteme von Wälzlagerherstellern erhalten und als Standard zur Überprüfung der Lagerluft nach dem Montageprozess dienen.
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Nachfolgend sind wesentliche Vorteile aufgeführt, die der neuartige Messstand beinhaltet:
- – Erzeugung der Prüfkraft über die Regelung eines Elektromagneten
- – Die richtige Montage vom Wälzlager auf der Welle bezogen auf die Radialluft wird überprüft
- – Automatische Messung der Radialluft vor und nach der Montage
- – Flexibel für verschiedene Lagergrößen einsetzbar
- – Einsetzbar in der Umgebung der Lagermontage
- – Automatische Erstellung eines Messprotokolls
- – Einfache Bedienbarkeit
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In ist der Aufbau der Messeinrichtung zur automatischen Erfassung der Lagerluft abgebildet. Zum variablen Verschieben der Messeinrichtung befindet sich an der Unterseite ein Bolzen (1) zum Abnehmen und Verstellen der gesamten Messeinrichtung. Zentral in der Mitte der Zeichnung befindet sich eine Welle (2) mit einem darauf zu montierendem Lager (3). Der Elektromagnet (4) drückt den Außenring des Lagers nach oben, die hierbei erzeugte Kraft wird durch eine Kraftmessdose (5) erfasst und kann durch eine Regelung konstant eingestellt werden. Der Weg, um den der Außenring des Lagers angehoben wird, wird von einer Messuhr (6) erfasst und gibt die vorhanden Lagerluft bzw. das Spiel im Lager an. An der Oberseite der Messeinrichtung befindet sich ein weiterer Elektromagnet (7) mit Halteeinrichtung (8), der als Vibrationseinrichtung dient. Hierdurch wird dafür gesorgt, dass sich die Wälzkörper im Lager vor einer jeden Messung setzen.
- i. Wesentliche Merkmale des Messaufbaus:
– Der Aufbau eignet sich zur Überprüfung der Lagerluft während der Montage. In ist dargestellt, wie der Messaufbau in einem Montagestand eines Wälzlagers auf einer Welle integriert wird. Zentral in der Mitte ist eine Welle (1) mit zwei Wälzlagern (2) abgebildet. Um unterschiedliche Lagertypen und Lagergröße, die auf Wellen mit unterschiedlichen Wellendurchmessern montiert werden, wird die Welle auf zwei verstellbaren Prisma Halterungen (3) abgestützt. Um ein Verkippen des jeweiligen Lageraußenringes während des Messvorganges zu vermeiden, sind Vorrichtungen (4) eingebaut, die das Verkippen des Außenringes im Bezug zum Innenring des jeweiligen Lagers verhindern. Der aus bekannte Messstand zur Erfassung der Lagerluft (5) ist in dem Montagestand für jedes Lager integriert. Mit diesem Aufbau ist es möglich, die Lagerluft von verschieden Lagertypen während der Montage zu erfassen. Es wird nicht nur die Lagerluft des unmontierten Lagers überprüft, sondern eine Erfassung ist vor, während und nach der Montage möglich.
– Die Prüfkraft wird automatisch erzeugt. Daher gibt es kein Einfluss auf die Prüfkraft durch den Menschen.
– Das Messergebnis wird durch eine Messuhr erfasst.
– Es kann eine Auflösung < 1 μm erfasst werden.
– Bei Rollenlagern ist eine gängige Methode die Lagerluft durch Messplättchen zu überprüfen. Dabei kann lediglich getestet werden, ob sich die Lagerluft in einem bestimmten Bereich befindet. Eine genaue Aussage ist hierbei nicht möglich.
– Das Messergebnis kann für die weitere Montage (genaue Einstellung der Lagerluft während des Aufpressens des Lagers) genutzt werden.
- ii. Vorteile, die sich durch den Einsatz des Messstandes ergeben:
– Die Messung der Lagerluft während der Montage ist unabhängig vom Menschen, da die Prüfkraft automatisch und nicht vom Menschen erzeugt wird. Der Einfluss der Prüfkraft auf das Messergebnis ist reproduzierbar.
– Die Qualität der Lagermontage wird gesteigert. Bisher hat es den Anschein, dass Lager eher mit einer etwas zu großen Lagerluft eingestellt werden um die Lager nicht zu überspannen. Folge einer zu groß eingestellten Lagerluft ist z. B. eine Erhöhte Geräuschentwicklung im Betrieb.
– Die genaue Erfassung der Lagerluft kann für einen Regelkreis zur genauen Einstellung der Lagerluft während der Montage genutzt werden. Durch Toleranzen der verschiedenen Bauteile (Lager, Welle, Spannhülse) kann die vorgegebene Kraft, mit der das Lager montiert wird evtl. zu gering oder zu groß sein. Das Lager wird nicht gemäß den Erwartungen des Herstellers montiert.
– Sehr fein regelbare Prüfkraft durch den Einsatz von elektromagnetischen Aktuatoren oder piezoelektrischen Aktuatoren.
– Messung der Prüfkraft mittels Kraftmessdose.
– Der Einfluss der Prüfkraft auf das Messergebnis ist durch die Messung reproduzierbar und kann minimiert werden.
– Kurzdarstellung des Prozesses zur Optimierung der Lagerlufteinstellung während der Montage:
– Die Lagerluft wird auf der Welle (jedoch vor der Montage) gemessen.
– Anschließend kann das System aufgrund der Messwerte eine Vorhersage machen, wie weit und mit welcher Kraft das Lager auf der Spannhülse/Welle montiert werden muss. Grundsätzlich gilt der Vorsatz, die Lagerluft lieber etwas zu groß einzustellen (nachgestellt werden kann immer noch) als das Lager zu überspannen. Dann wäre das Lager nicht mehr zu verwenden.
– Anschließend wird erneut gemessen
– Befindet sich die Lagerluft im vorgesehenen Bereich ist das Lager richtig montiert und der Messwert wir protokolliert
– Ist die Lagerluft zu groß, kann nachmontiert werden. Erneut wir vom System ein Wert berechnet, der vorgibt wie weit das Lager auf die Welle/Spannhülse gepresst werden muss.
- III. Testsaufbau und Testergebnisse der erfundenen Messeinrichtung:
Um das System zu testen, wurden Messungen mit drei verschiedene Lagertypen durchgeführt:
– Pendelkugellager mit kegeliger Bohrung und Spannhülse für Wellen mit einem Durchmesser von 30 mm.
– Pendelkugellager mit kegeliger Bohrung und Spannhülse für Wellen mit einem Durchmesser von 40 mm.
– Zweireihige Pendelrollenlager mit kegeliger Bohrung und Spannhülse für Wellen mit einem Durchmesser von 65 mm.
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Es wurden jeweils mehrere Lager von jedem der drei Typen getestet. Die Tests wurden mit neuen Lagern und neuen Spannhülsensätzen durchgeführt. Dabei wurde die Lagerluft mit dem beschriebenen System sowohl vor als auch nach der Montage gemessen. Generell lässt sich zusammenfassen, dass sich das beschriebene System zur Messung der Lagerluft eignet. Die Messwerte weisen nur sehr geringe Schwankungen im einstelligen Mikrometerbereich auf. Als Beispiel ist nachfolgend der Testablauf für ein neues Lager mit neuem Spannhülsensatz für Wellen mit einem Durchmesser von 40 mm beschrieben.
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stellt den Aufbau des Teststandes dar, mit dem die Messeinrichtung getestet wurde. Messuhr 1 (1), oben mittig auf dem Außenring des Lagers erfasst die Lagerluft. Messuhr 2 (2), unten mittig auf der Welle, erfasst eine evtl. Verschiebung der Welle durch das Einwirken der Prüfkraft. Die Messuhren 3 (3) und 4 (4), oben und unten mittig an der Vorderseite des Außenringes des Lagers, erfassen das Verkippen des Lagers. Tabelle 1: Messwerte der Lagerluft für Pendelkugellager mit kegeliger Bohrung und Spannhülse für Wellen mit einem Durchmesser von 40 mm
Nr. | Kraft [N] | Spannung [V] | Messposition | Messuhr 1 [μm] |
1 | 20,5 | 11,2 | 0° | 47 |
2 | 20,2 | 11,2 | 0° | 50 |
3 | 20,5 | 11,2 | 0° | 50 |
4 | 20,2 | 11,2 | 120° | 52 |
5 | 20,1 | 11,2 | 120° | 52 |
6 | 20,1 | 11,2 | 120° | 51 |
7 | 20,3 | 11,2 | 240° | 53 |
8 | 20,2 | 11,2 | 240° | 53 |
9 | 21,4 | 11,2 | 240° | 53 |
10 | 24,8 | 12,3 | 0° | 52 |
11 | 24,8 | 12,3 | 0° | 51 |
12 | 24,8 | 12,3 | 0° | 52 |
13 | 24,8 | 12,3 | 120° | 54 |
14 | 24,4 | 12,3 | 120° | 53 |
15 | 24,6 | 12,3 | 120° | 52 |
16 | 25,3 | 12,3 | 240° | 54 |
17 | 24,8 | 12,3 | 240° | 53 |
18 | 25,4 | 12,3 | 240° | 53 |
19 | 30,4 | 13,4 | 0° | 52 |
20 | 30,3 | 13,4 | 0° | 52 |
21 | 30,2 | 13,4 | 0° | 52 |
22 | 30,2 | 13,4 | 120° | 53 |
23 | 30 | 13,4 | 120° | 53 |
24 | 30,1 | 13,4 | 120° | 53 |
25 | 30,2 | 13,4 | 240° | 52 |
26 | 30,3 | 13,4 | 240° | 51 |
27 | 30,2 | 13,4 | 240° | 52 |
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Durch den Aktor an der Unterseite des Lagers wird die Prüfkraft auf den Außenring des Lagers gegeben. Diese wird mit dem Kraftsensor, der zwischen Aktor und Lager platziert ist, gemessen. Der Außenring des Lagers wird durch die Prüfkraft angehoben, dabei wird der zurückgelegte Weg oben auf der Messuhr 1 erfasst. In dieser „Nullposition” wird die Prüfkraft dreimal auf das Lager gegeben, dabei wird jeweils der Weg gemessen. Anschließend wird das Lager um 120° gedreht und erneut wird dreimal eine Wegmessung durchgeführt. Anschließend wird das Lager um weitere 120° gedreht und drei weitere Messungen werden durchgeführt. Es ergeben sich also 9 Messwerte für die Ermittlung der Lagerluft pro Lager. Der Mittelwert aus den neun Messwerten ergibt die Lagerluft. In Tabelle 1 sind die Messwerte für einen Messdurchlauf protokolliert. Zudem wurde die Spannung, die zur Erzeugung der Prüfkraft genutzt wurde und die Prüfkraft selbst protokolliert. Die Messuhren 2–4 wurden beobachtet um sicher zu stellen, dass das die Messung nicht durch Fehler im Aufbau beeinflusst wird.
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Aus den Messwerten ergibt sich eine Lagerluft von ca. 52 μm. Zum Vergleich wurde die Lagerluft auch mit Messblättchen erfasst. Hierbei hat das Blättchen von 0,05 mm noch gepasst, das nächst größere bereits nicht mehr. Somit wurde festgestellt, dass sich die Lagerluft zwischen 50 μm und 60 μm befindet. Mit der eingesetzten Methode lässt sich die Lagerluft jedoch präzise erfassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- DIN 620-4 [0002]
- Albert, Mathias; Köttritsch, Hubert (2013): Wälzlager. Theorie und Praxis. Wien: Springer [0004]
- Birkhofer, Herbert; Kümmerle, Timo (2012): Feststoffgeschmierte Wälzlager. Einsatz, Grundlagen und Auslegung. Berlin, Heidelberg: Springer [0004]
- Brändlein, Johannes (1998): Die Wälzlagerpraxis. Handbuch für die Berechnung und Gestaltung von Lagerungen. 3. Aufl. Mainz: Vereinigte Fachverlag. [0004]