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Die Erfindung betrifft ein Operationsmikroskop und ein bildgeführtes Chirurgiesystem (auch als Image Guided Surgery Systems, IGS, bezeichnet), sowie Verfahren zu deren Betrieb. Mit bildgeführten Chirurgiesystemen werden präoperativ und/oder intraoperativ beispielsweise mittels Computertomographie (CT), Kernspintomographie (MRT) oder Angiographie ermittelte Patientendaten einem intraoperativ erstellten Bild des Operationssitus überlagert beziehungsweise gemeinsam mit dem Bild des Operationssitus an einem Anzeigegerät dargestellt. Hierfür werden der Patient sowie die Patientendaten und relevante Operationswerkzeuge wie Operationsmikroskop, chirurgische Instrumente und dergleichen zueinander registriert. Das bedeutet, dass aus der räumlichen Lage und Orientierung des Patienten, der Patientendaten und/oder der Operationswerkzeuge Transformationsvorschriften ermittelt werden, mit deren Hilfe Patientendaten sowie Bilder des Operationssitus lage- und/oder größenrichtig auf geeigneten Anzeigegeräten dargestellt werden können.
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Um Positionsänderungen der Werkzeuge und des Patienten untereinander und relativ zueinander ermitteln und auf einem Anzeigegerät ausgleichen zu können, ist es üblich, die Werkzeuge sowie den Patienten mit Referenzmarkierungen wie Referenzsternen, Klebepunkten oder eingeschraubten Markern zu versehen und deren Lage und/oder Orientierung im Raum mittels eines Detektors des bildgeführten Chirurgiesystems zu ermitteln. Auf diese Weise können Verschiebungen vermessen werden. Dadurch erkennt das System die Relativlage der Werkzeuge und des Patienten zueinander, so dass die Anzeige der überlagerten Daten angepasst werden kann.
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Nachteilig an den bekannten Verfahren ist, dass die Referenzmarkierungen immer von dem Detektor aus sichtbar sein müssen, das heißt die Sichtlinie zwischen Referenzmarkierungen und Detektor darf nicht unterbrochen sein. Oftmals können die Referenzmarkierungen aus diesem Grund nicht unmittelbar an dem Untersuchungsobjekt angebracht werden, da noch andere im Operationsverlauf erforderliche Instrumente oder Objekte wie Abdecktücher oder stereotaktische Rahmen zwischen Referenzmarkierung und Detektor eingebracht werden müssen. Der daraus resultierende Abstand zwischen Referenzmarkierung und Untersuchungsobjekt kann zu Ungenauigkeiten in der Positionsbestimmung führen.
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Darüber hinaus ist der Abstand zwischen Referenzmarkierung und Detektor in der Praxis häufig relativ groß (zwischen einem und zwei Meter), was ebenfalls zu Ungenauigkeiten in der Positionsbestimmung führen kann.
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Am häufigsten werden als Referenzmarkierungen sogenannte Retroreflektoren eingesetzt, deren Lage mittels Bestrahlung im infraroten (IR) Wellenlängenbereich ermittelt wird. Für die Anwender ist die IR-Strahlung nicht sichtbar. Allerdings kann sich die Strahlung bei Durchführung einer Fluoreszenzapplikation störend auswirken, so dass die IR-Strahler in der Regel während dieser Operationsphase ausgeschaltet oder in eine andere Richtung gerichtet sind. Das bedeutet jedoch, dass während einer Fluoreszenzapplikation keine Lagebestimmung mehr möglich ist.
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Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Operationsmikroskop beziehungsweise ein bildgeführtes Chirurgiesystem bereitzustellen sowie Verfahren anzugeben, welche die vorstehend genannten Nachteile überwinden.
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Operationsmikroskop mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch ein bildgeführtes Chirurgiesystem mit den Merkmalen des Anspruchs 4 und durch Verfahren mit den Merkmalen der Ansprüche 5 beziehungsweise 7.
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An einem erfindungsgemäßen Operationsmikroskop ist ein 3D-Sensor zur Erfassung einer Topographie eines Beobachtungsobjekts angeordnet.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung umfasst der 3D-Sensor eine Umfeldkamera, eine 3D-Kamera und/oder eine TOF-Kamera (Time-of-Flight-Kamera, also eine Kamera zur Messung einer Lichtlaufzeit) und/oder er arbeitet nach dem Prinzip der strukturierten Beleuchtung. In einer weiteren Ausgestaltung ist der 3D-Sensor in einer „multiple-view”-Geometrie ausgestaltet, das heißt er umfasst zwei oder mehr Kameras.
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In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung beinhaltet der 3D-Sensor ein Zoomsystem.
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Ein erfindungsgemäßes bildgeführtes Chirurgiesystem umfassend ein Operationsmikroskop nach einem der Ansprüche 1 bis 3, welches mit einem Mikroskopmarker versehen ist, und ein Navigationssystem zur Detektion einer Lage und/oder Orientierung des Mikroskopmarkers im Raum.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung eines Körpers mit Hilfe eines bildgeführten Chirurgiesystems nach Anspruch 4 weist folgende Verfahrensschritte auf:
- – Anbringen eines Körpermarkers am Körper oder Identifikation einer Struktur am Körper als Körpermarker;
- – Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung des Körpermarkers relativ zum Navigationssystem mittels des Navigationssystems;
- – Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung des Mikroskopmarkers relativ zum Navigationssystem mittels des Navigationssystems;
- – Bestimmung der Lage und/oder Orientierung des Körpermarkers relativ zum Operationsmikroskop mittels des 3D-Sensors des Operationsmikroskops.
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In einer Ausgestaltung des Verfahrens werden die ermittelten Lage- und/oder Orientierungsdaten des Körpers relativ zum Operationsmikroskop und die ermittelten Lage- und/oder Orientierungsdaten des Operationsmikroskops relativ zum Navigationssystem zur Optimierung und gegebenenfalls Korrektur der mittels des Navigationssystem ermittelten Lage des Körpers verwendet.
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Ein weiteres erfindungsgemäßes Verfahren zur Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung eines Körpers mit Hilfe eines bildgeführten Chirurgiesystems nach Anspruch 4 umfasst folgende Verfahrensschritte:
- – Anbringen eines Körpermarkers am Körper oder Identifikation einer Struktur am Körper als Körpermarker;
- – Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung des Operationsmikroskops relativ zum Navigationssystem mittels des Navigationssystems;
- – Bestimmung der Lage und/oder Orientierung des Körpers relativ zum Operationsmikroskop mittels des 3D-Sensors des Operationsmikroskops; und
- – Bestimmung einer Lage und/oder Orientierung des Körpers relativ zum Navigationssystem aus den zuvor ermittelten Lagen und/oder Orientierungen des Körpers relativ zum Operationsmikroskop und des Operationsmikroskops relativ zum Navigationsgerät.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand der Figuren näher erläutert. Dabei zeigen im Einzelnen
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1: eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Operationsmikroskop mit einer externen Umfeldkamera;
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2: eine zweite Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Operationsmikroskop mit einer internen Umfeldkamera; und
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3: eine Tabelle mit 3D-Visualisierungstechnologien.
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In 1 ist exemplarisch eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Operationsmikroskops 1 mit einem 3D-Sensor in Form einer externen Umfeldkamera 2 dargestellt. 2 zeigt eine zweite Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Operationsmikroskops 1 mit einem 3D-Sensor in Form einer externen Umfeldkamera 2, der im Unterschied zu dem Ausführungsbeispiel gemäß 1 jedoch im Operationsmikroskop integriert ist. In einem Beobachtungsstrahlengang von dem Objekt 3 zu einem Okular 4 ist ein Strahlteiler 5 angeordnet. Der Strahlengang von dem Objekt 3 zu der Umfeldkamera 2 ist dem Beobachtungsstrahlengang bis zu dem Strahlteiler 5 überlagert.
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Beiden Ausführungsbeispielen ist gemein, dass der Strahlengang von dem Objekt 3 zu der Umfeldkamera 2 kein Zoomsystem des Operationsmikroskop 1 durchläuft. Dadurch ist gewährleistet, dass mit der Umfeldkamera immer ein ausreichend großes Feld überwacht werden kann, so dass die zur Navigation erforderlichen Körpermarker unabhängig von einer Zoom-Einstellung des Operationsmikroskops immer im Blickfeld der Kamera sind.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung umfasst der 3D-Sensor beziehungsweise die Umfeldkamera ein eigenes Zoom-System, welches unabhängig von einem Zoom des Operationsmikroskops einstellbar ist. Ein solches Zoom-System könnte manuell oder automatisch eingestellt werden.
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Der 3D-Sensor ist bevorzugt so ausgelegt, dass er eine hohe Tiefenschärfe aufweist, so dass der der Fokusbereich des Operationsmikroskops ganz oder zumindest in großen Teilen mit einer Einstellung des 3D-Sensors erfasst werden kann. Insbesondere Time-of-Flight (TOF) Kamerasysteme zeichnen sich durch eine große Tiefenschärfe aus. Die Tiefenschärfe des 3D-Sensors ist bevorzugt mit einer Fokuseinstellung des Operationsmikroskops gekoppelt oder koppelbar.
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Ein Vorteil einer Kopplung eines Operationsmikroskops mit einem 3D-Sensor besteht darin, dass Messdaten des Operationsmikroskops mit Messdaten des 3D-Sensors ergänzt werden können und umgekehrt. Dies gilt insbesondere für den Fall, wenn das Operationsmikroskop selber über ein eigenes (zoombares) 3D-Kamerasystem verfügt. Beispielsweise verfügt ein durch das 3D-Kamerasystem des Operationsmikroskop mit einem hohen Zoomfaktor aufgenommener Ausschnitt über eine höhere Auflösung als der 3D-Sensor oder die Umfeldkamera, die in erster Linie einen Überblick über das Objekt liefern. Durch die Kopplung kann bestimmt werden, an welcher Stelle sich der kleine (vergrößerte) Ausschnitt im Gesamtbild befindet.
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In einer nicht näher dargestellten Ausgestaltung der Erfindung ist der 3D-Sensor beziehungsweise die Umfeldkamera schwenkbar ausgeführt, um einen größeren Aufnahmebereich erfassen zu können.
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In 3 sind andere Ausführungsformen möglicher 3D-Sensoren angegeben.
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Mit Hilfe der 3D-Sensoren können Lage und/oder Orientierung von Marker und/oder markanten Strukturen im Raum oder an einem zu untersuchenden Körper relativ zu dem Operationsmikroskop bestimmt werden. Dies kann beispielsweise in zeitlichen Abständen im Bereich von Millisekunden bis hin zu einigen Minuten geschehen. Auf diese Weise kann fortlaufend die Position des Patienten relativ zum Operationsmikroskop ermittelt werden. Eine Aktualisierung der Position kann jedoch auch bei Bedarf durch den Anwender ausgelöst werden.
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Ein erstes Verfahren zur Bestimmung von Lage und/oder Orientierung des Patienten beruht auf dem Prinzip, Messdaten aus dem 3D-Sensor zur Verbesserung einer mit Hilfe eines Navigationssystems durchgeführten Positionsbestimmung am Patienten zu verwenden. Hierzu ist das Operationsmikroskop selber mit Mikroskopmarkern 6 versehen, deren Lage und/oder Orientierung im Raum mittels des Navigationssystems feststellbar ist. Der Mikroskopmarker 6 und weitere Marker am Patienten sowie gegebenenfalls im Raum werden durch das Navigationssystem auf bekannte Weise registriert und getrackt. Zusätzlich werden dem Navigationssystem die Messdaten des 3D-Sensors zugeführt, also die vermessene Lage und/oder Orientierung eines Körpermarkers, der als am Körper angebrachter Marker und/oder als markante Struktur am Körper ausgebildet ist. Mit Hilfe dieser Zusatzinformationen kann die Genauigkeit des Navigationssystems verbessert und ein im Navigationssystem eventuell vorhandener Shift kompensiert werden. In diesem Ausführungsbeispiel ist das Navigationssystem zudem besonders ausfallsicher ausgestaltet, da die Positionsbestimmung redundant erfolgt. Dies ist von Vorteil, wenn zum Beispiel die Sichtlinie zwischen Detektor und Körpermarker unterbrochen ist.
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Ein zweites Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass Körpermarker durch Messdaten des 3D-Sensors ersetzt werden können. Hierzu ist das Operationsmikroskop wiederum mit Mikroskopmarkern 6 versehen, deren Lage und/oder Orientierung im Raum mittels des Navigationssystems feststellbar ist. Der Mikroskopmarker 6 wird durch das Navigationssystem auf bekannte Weise registriert und getrackt. Zusätzlich werden dem Navigationssystem als Messdaten des 3D-Sensors die vermessene Lage und/oder Orientierung eines Körpermarkers in Form einer markanten Struktur am Körper zugeführt. Auf separate Körpermarker kann in diesem Ausführungsbeispiel also verzichtet werden. Mit Hilfe der dem Navigationssystem zur Verfügung gestellten Zusatzinformationen kann die Genauigkeit des Navigationssystems verbessert und ein im Navigationssystem eventuell vorhandener Shift kompensiert werden.
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Ein drittes Verfahren bietet den Vorteil, dass vollständig auf Marker verzichtet werden kann. Hierzu wird das System (Operationsmikroskop – Patient) in einer Ausrichtung mit dem Patienten registriert. Als Körpermarker werden ausschließlich markante Strukturen verwendet. Bewegungen des Patienten werden über eine im OPMI integrierte 3D-Kamera und/oder über einen 3D-Sensor erfasst. Diese einfache Navigationsvariante ist für Anwendungen, die nur auf intraoperativ gewonnene Daten zurückgreifen und keine präoperativ ermittelten Informationen benötigen, bereits ausreichend.
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In einem viertem Verfahren wird die Lage und/oder Orientierung des Patienten ohne Zuhilfenahme eines externen Navigationsgeräts bestimmt. Hierfür wird das System (Operationsmikroskop – Patient) in einer Ausrichtung mit dem Patienten registriert, wobei als Körpermarker entweder am Körper des Patienten befestigte Marker und/oder markante Strukturen des Körpers verwendet werden. Bewegungen des Patienten werden über eine im OPMI integrierte 3D-Kamera und/oder über einen 3D-Sensor erfasst, wobei darauf zu achten ist, dass die Körpermarker von der 3D-Kamera beziehungsweise dem 3D-Sensor mit erfasst werden. Präoperativ gewonnene Daten können registriert und gemeinsam mit den intraoperativ ermittelten Daten verwendet werden, wenn die Lage und/oder Orientierung der Körpermarker auch bei Aufnahme der präoperativ gewonnenen Daten erfasst wurde.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung wird der 3D-Sensor genutzt, um Steuereingaben über Werkzeuge oder Hände des Anwenders zu erfassen und mit diesen Steuereingaben Funktionen des Operationsmikroskops anzusteuern.