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Die Erfindung betrifft Verfahren und Vorrichtung zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse mit Hilfe von optischen Mess- oder Sensorsystemen nach den Oberbegriffen der Ansprüche 1 bzw. 11.
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Herkömmliche Verfahren zur Untersuchung von Spannungen und Verzerrungen an Strukturen arbeiten im Allgemeinen berührend, etwa über Ansatzdehnungsmesser oder Dehnungsmessstreifenmesstechnik, oder berührungslos, etwa optisch mittels Spannungsoptik, Interferometrie oder digitalen Bildkorrelationsverfahren.
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In zunehmendem Maße werden in der Prüftechnik Messverfahren und -methoden angewendet, die optisch arbeiten, da diese in der Regel durch die berührungslose Funktionsweise keine Rückkopplung auf die zu prüfende Struktur geben und damit kein Einfluss auf das Messergebnis besteht. Messaufbauten werden gewöhnlich derart konzipiert, dass sich das zu untersuchende Objekt während der Prüfung (das heißt der Beaufschlagung einer Belastung, etwa mechanisch, dynamisch, thermisch, elektrisch) und/oder der Messung nicht oder nur in einem bestimmten Maß bewegt und damit entsprechend seine Position im Messfeld oder -raum verändert.
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Gerade bei statisch-mechanischen Prüfungen oder der Untersuchung komplex beanspruchter Strukturen wie Einzelkomponenten von Struktursystemen, etwa Komponenten am Kraftfahrzeug, können die zu untersuchenden Objekte große – zum Teil auch nicht vorhersehbare – Verschiebungen erfahren. Bezogen auf die Relation der gewählten Messfeldgröße oder Messraumgröße können bereits geringe Objektverschiebungen oder -deformationen (bei kleinen Messfeldern oder Messräumen) genügen, damit der zu analysierende Bereich teilweise oder vollständig aus dem Messfeld oder Messraum transferiert wird. In der Konsequenz haben Messsysteme bei derartigen Szenarien oft Probleme bzw. wird es unmöglich die entsprechenden Messdaten zu erfassen.
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Abhilfe kann die Korrektur der Position von Messgerät bzw. Sensor und/oder dem zu untersuchendem Objekt schaffen. Die Position bzw. deren Abweichung kann messtechnisch erfasst und in angepasster Weise den Messdaten oder der Ergebnisaufbereitung, -auswertung oder -darstellung zugeführt werden.
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Die Korrektur der Position kann manuell oder steuerungstechnisch beispielsweise auf einer oder mehreren vordefinierten Bewegungskurvenbahnen oder -geraden erfolgen. Das kann beispielsweise das eindimensionale Nachführen der Position eines Sensorsystems auf einem Stativ durch dessen Höhenverstellung mittels Handkurbel sein.
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Mehrdimensionale oder nicht vorhersehbare Verschiebungen oder Deformationen von zu prüfenden Strukturen lassen sich nach bisherigem Stand der Technik oft nicht oder nur unbefriedigend mit optischer Messtechnik verfolgen. Dies hat verschiedene Gründe. Zum Einen hat sich der breite Einsatz optischer Messsysteme in der Messtechnik erst innerhalb des letzten Jahrzehnts etabliert. Hier sind vor allem die Reduzierung der Anfälligkeiten gegen äußere Einflüsse, Erleichterung der Bedienbarkeit, Verbesserung der für die Bildverarbeitung erforderlichen Computerrechenkapazitäten zu nennen. Durch den Einsatz optischer Messtechnik wird in der Regel der Probenvorbereitungsaufwand drastisch reduziert, bei Erhalt eines umfassenden Ergebnisumfangs (wesentliche Steigerung der Leistungsfähigkeit in der Prüftechnik).
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Auf der anderen Seite fehlte bisher die absolut dringende Notwendigkeit für das gezielte, automatisch gesteuerte Beibehalten der Relativposition zwischen Messfeld und Messsystem. Der Prüfingenieur kompensiert derartige Probleme bisher in der Regel auf Kosten der Ergebnisgüte (z. B. Auswahl eines größeren Messfeldes was jedoch zu einer geringeren Ergebnisauflösung führt) und benötigt daher keine ”komplizierten” Zusatzaufbauten an Prüf- bzw. Messsystem.
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Der Einsatz optischer Messsysteme im Zusammenhang mit Steuerungen und Regelungen gewinnt in den unterschiedlichsten Bereichen zunehmend an Bedeutung. Das optische, kamerabasierte Erkennen von Gegenständen oder Personen zur Bestimmung geometrischer Dimensionen bzw. deren Weiterverarbeitung und -verwendung ist Stand der Technik. Dies erfolgt u. a. etwa über Kantenerkennung durch Grauwertkorrelation oder geometrieorientierte Objekterkennung. Es ist bekannt, dass mit derartigen Methoden optisch ermittelte Positionsdaten zum Steuern von Handhabungsrobotern eingesetzt werden. Durch die optische Erfassung weiß dieser bspw. welches Teil (Objekterkennung) in welcher Lage (Position, Winkel) zu greifen ist.
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In der Astronomie werden Teleskope mit motorischer Nachführung für eine möglichst genaue erschütterungsarme Beobachtung der sich bewegenden Himmelskörper eingesetzt. Mittels Videokamera am sogenannten Leitfernrohr können Bilder aufgenommen und an einen angeschlossenen Computer weitergegeben werden. Eine spezielle Software kann über die Auswertung der Bilder Sternenbewegungen analysieren und entsprechende Steuersignale zur Positionskorrektur des Teleskops an die Nachführung der Montierung senden (Beispiel: Verfolgung eines ausgewählten Sterns). Im Ergebnis sieht der Betrachter damit den ausgewählten Himmelskörper immer an der gleichen Position im Betrachtungsfeld des Teleskops.
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Bekannte optisch basierte Systeme zur Erkennung und Erfassung geometrischer Informationen sind in der Regel ortsfest. Werden Sie doch bewegt so dienen Sie als Zusatz- bzw. Hilfssystem (vgl. Bsp. Teleskop). Tiefenschärfenprobleme spielen in den genannten Zusammenhängen keine Rolle. Außerdem werden die Messsysteme lediglich zur Positionsverfolgung und nicht für weitere messtechnische Aufgaben, wie etwa zur Spannungs- und Verzerrungsanalyse, verwendet.
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Speziell im Bereich der Mess- und Prüftechnik sind im Prinzip nur Nachführsysteme mit probenberührender Arbeitsweise bekannt. Bei der Anwendung von Messtechnik zur Untersuchung von Spannungen und Verzerrungen sind derzeit keine automatischen Nachführsysteme für die zu prüfende Struktur und/oder des optischen Messsystems bzw. Sensors bekannt, um mehrdimensionale oder nicht vorhersehbare Verschiebungen oder Deformationen selbstregelnd/interaktiv/automatisch zu kompensieren.
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Bei der Betrachtung der Ergebnisse in Abhängigkeit der Belastung bzw. der Verformung können sich ohne Nachführung große Verschiebungen zu analysierender Bereiche im gewählten Messfeldausschnitt ergeben, sodass zu vermessende Bereiche nicht mehr vollständig zu analysieren sind bzw. optische Tiefenschärfenprobleme die Messung unmöglich machen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, Verfahren und Vorrichtung anzugeben, womit eine automatische Nachführung der Position eines optischen Sensorsystems und/oder einer beliebigen Struktur für die berührungslose Spannungs- und Verzerrungsanalyse erfolgen kann, um mehrdimensionale oder nicht vorhersehbare Verschiebungen oder Deformationen dieser selbstregelnd zu kompensieren.
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Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch ein Verfahren mit den im Anspruch 1 genannten Merkmalen gelöst. Vorteilhafte Varianten des Verfahrens sind Gegenstand von abhängigen Unteransprüchen.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse wird mit Hilfe von optischen Mess- oder Sensorsystemen die Oberfläche einer beliebigen Struktur erfasst, durch eine Last in die beliebige Struktur Verzerrungen oder Spannungen induziert und analysiert. Das Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass das optische Mess- oder Sensorsystem zusätzlich zur Erfassung der Verzerrungen und Spannungen durch Verschiebung, Verdrehung und/oder Deformationen der beliebigen Struktur auftretende Positionsänderungen eines auf der Oberfläche der beliebigen Struktur festgelegten Messbereiches erkennt, auf Basis der Positionsänderung Steuersignale ermittelt werden und mit Hilfe der Steuersignale eine Nachführeinrichtung so angesteuert wird, dass ein Ausgleich von Positionsänderungen vom Mess- oder Sensorsystem (2) zum Messbereich (3) erfolgt.
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Bevorzugt erfolgt eine Nachführung des Mess- oder Sensorsystems (2) zum Ausgleich der geänderten Positionen des Messbereiches (3). Bei einem ortsfest installierten Mess- oder Sensorsystem (2) wird mit ein oder mehreren Antriebssystemen die zu analysierende beliebige Struktur (1) hinsichtlich der Position des Messbereiches (3) zum Mess- oder Sensorsystem (2) nachgeführt.
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Weiterhin bevorzugt erfolgt die Lage- bzw. Positionsbestimmung des Messbereiches durch das Mess- oder Sensorsystem basierend auf einer Echtzeit-Beobachtung einer oder mehrerer Messpunkte auf der Oberfläche der beliebigen Struktur.
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Bevorzugt wird ein vorgegebener Abstand oder eine Position des Messbereiches zum Mess- oder Sensorsystem automatisiert näherungsweise oder vollständig wieder hergestellt.
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Als Mess- oder Sensorsystem kann ein Mono- oder Stereokamerasystem verwendet werden.
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Zur Nachführung des Mess- oder Sensorsystems und/oder der beliebigen Struktur können motorische Antriebe, Linearantriebe oder Robotersysteme verwendet werden.
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Bevorzugt werden bei ausgewählten Laststufen bzw. Deformationszuständen, die Mittel zum Nachführen dazu verwendet, mehrere Bildaufnahmen an verschiedenen, über die Antriebe der Nachführvorrichtung angefahrene, Oberflächenpositionen zu realisieren, um bei einer vorgegebenen Sensorauflösung über die Assemblierung der Einzelbildaufnahmen oder deren Ergebnisse ein Gesamtergebnis mit entsprechend vergrößerter Auflösung zu erhalten.
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Die Erkennung auftretender Positionsänderungen zwischen Mess- oder Sensorsystem Messbereich auf der Oberfläche der beliebigen Struktur erfolgt basierend auf den Prinzipien von Bildkorrelationsverfahren, wie z. B. dem Grauwertkorrelationsverfahren.
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Bevorzugt werden optische Messverfahren bzw. Sensorsysteme oder Sensoren verwendet, welche auf Basis der Interferometrie, der Holografie, der Spannungsoptik, bzw. Kombinationen aus diesen und/oder Kombinationen mit Bildkorrelationsverfahren arbeiten.
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Die Aufgabe wird weiterhin durch eine Vorrichtung zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse, aufweisend ein optisches Mess- oder Sensorsystem zur Verzerrungs- und Spannungsanalyse an der Oberfläche einer beliebigen Struktur, Mittel zur Positionierung des Mess- oder Sensorsystems und Mittel zum Beaufschlagen der beliebigen Struktur mit einer Last zum Erzeugen von Verzerrungen und Spannungen in der Struktur realisiert. Die Vorrichtung ist dadurch gekennzeichnet, dass das optische Mess- oder Sensorsystem zusätzlich zur Erkennung und Verfolgung eines auf der Oberfläche der beliebigen Struktur festgelegten Messbereiches ausgebildet ist, aus Positionsänderung des Messbereiches Steuersignale generierbar sind und mit Hilfe der Steuersignale eine Nachführeinrichtung ansteuerbar ist, so dass eine Nachführung des Mess- oder Sensorsystems und/oder der Struktur zur Kompensation der Positionsänderung zwischen diesen erfolgt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren und die Vorrichtung erlauben die automatische Nachführung eines optischen Messsystems oder dessen Sensors für die optische berührungslose Spannungs- und Verzerrungsanalyse mithilfe des gleichen Sensorsystems.
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Ein vorteilhaftes Anwendungsgebiet ist die Untersuchung von relativ geringen Dehnungen bei großen Deformationen, wie sie etwa bei der Biegung dünnwandiger Strukturen auftreten, zu nennen. Etwa bei der Kerbspannungsanalyse an derartig beanspruchten Strukturen werden zur Untersuchung steiler Dehnungsgradienten möglichst kleine Messfelder zur Beobachtung in Kerbrandnähe ausgewählt.
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Mithilfe der erfindungsgemäßen Vorrichtung bzw. des erfindungsgemäßen Verfahrens werden durch die automatische Nachführung des Messsystems (Translations- und/oder Rotationsbewegungen) die eingangs beschriebenen Probleme vermieden.
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Die Erfindung wird nachfolgend an Hand von Ausführungsbeispielen noch näher erläutert. In den Zeichnungen zeigen:
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1 eine schematische Darstellung zum Versuchsaufbau eines optischen Sensorsystems zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse mit unverformter Struktur
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2 eine schematische Darstellung zum Versuchsaufbau eines nachgeführten optischen Sensorsystems zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse mit verformter Struktur
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3 ein Prinzipschaubild für die Regelung zur automatischen Nachführung der Position eines optischen Sensorsystems zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse
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In 1 und 2 ist ein Versuchsaufbau und -ablauf einer erfindungsgemäßen Nachführung der Position eines optischen Sensorsystems zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse schematisch dargestellt.
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Die beliebige Struktur 1 wird in 1 eingespannt und unverformt gezeigt. Ein Sensorsystem 2 bestehend aus zwei Kameras ist gegenüber der unverformten Struktur 1 angeordnet. Die beiden Kameras sind auf den Messbereich 3 ausgerichtet. Beide Kameras sind mit einer Nachführeinrichtung 5 verbunden.
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Gemäß der Darstellung in 2 wird eine Last 4 erzeugt, womit die Struktur 1 eine Verformung erfährt und Verzerrungen oder Spannungen in die Struktur 1 eingebracht werden. Das Sensorsystem 2 ist ausgebildet, um eine Verzerrung- und Spannungsanalyse 9 an der verformten Struktur 1 durchzuführen.
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Mit der Verformung der Struktur 1 verändert sich die Position des Messbereiches 3 gegenüber der Betrachtungsposition des Sensorsystems, was sich nachteilig auf die Verzerrungs- und Spannungsanalyse auswirken kann. Zur Verhinderung dieser nachteiligen Auswirkungen wird die Betrachtungsposition zum Messbereich 3 auf der verformten Struktur 1 mit der Nachführeinrichtung 5 korrigiert. Dabei ist es gemäß dem Ausführungsbeispiel notwendig, die Position entlang einer nicht dargestellten Y- und X-Achse gegenüber der Ausgangsposition zu korrigieren.
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Gemäß der Erfindung sind die Mittel zur Erkennung des Messbereiches im Sensorsystem 2 integriert.
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In der 3 ist ein Prinzipschaubild des erfindungsgemäßen Verfahrens, hier als Regelung, zur automatischen Nachführung der Position eines optischen Sensorsystems zur berührungslosen Verzerrungs- und Spannungsanalyse dargestellt.
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Durch die Beaufschlagung einer zu vermessenden Struktur 1 im Prüfstand 6 mit einer Last 4 erfährt diese eine Verschiebung, Verdrehung oder Deformation. Dies hat eine Änderung des Abstandes zwischen Mess- oder Sensorsystem 2 und Struktur 1 zur Folge. Die optisch basierte Messung der Koordinatenänderung (Ist-Wert) eines oder mehrerer Messpunkte auf der Oberfläche der zu analysierenden Struktur 1 erfolgt quasi in Echtzeit. Über eine Steuerung 7 bestehend aus optischen Sensorsystem und -controller 8 sowie einem Steuerungstool 9 wird diese Koordinatenänderung an eine ein- oder mehrachsige Nachführeinrichtung 5, die aus Motorantrieben, Linearantrieben oder einem Robotersystem bestehen kann, die mit dem Mess- oder Sensorsystem 2 verbunden ist, als Soll-Wert weitergegeben. Somit wird der Abstand bzw. die Relativposition zwischen Mess- oder Sensorsystem 2 und Struktur 1 oder dem Messbereich auf der Struktur 1 je nach Anforderung und Umsetzung vollständig oder näherungsweise korrigiert bzw. wieder hergestellt. Diese Positionsmessung zur Nachführung des eigentlichen optischen Mess- oder Sensorsystems 2 für die Spannungs- bzw. Verzerrungsanalyse 9 erfolgt also mit Hilfe des gleichen optischen Systems, welches eben für die Spannungs- und Verzerrungsanalyse 9 verwendet wird.
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Abweichend von der Darstellung im Ausführungsbeispiel kann zusätzlich bzw. anstatt des Mess- oder Sensorsystems 2 auch die zu analysierende Struktur 1 direkt oder indirekt nachgeführt werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Struktur
- 2
- Mess- oder Sensorsystem
- 3
- Messbereich
- 4
- Last
- 5
- Nachführeinrichtung
- 6
- Prüfstand
- 7
- Steuerrechner
- 8
- Optisches Sensorsystem und -controller
- 9
- Spannungs-/Verzerrungs-Analyse
- 10
- Steuerungstool