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Die Erfindung betrifft ein Messverfahren zur Bestimmung eines geometrischen Istelements nach dem Patentanspruch 1.
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Koordinatenmessgeräte können mittels taktiler oder optischer Antastung Oberflächen von Messobjekten punktweise erfassen, wobei diese Punkte in einem vorgegebenen Koordinatenmesssystem als Istpunkte bezeichnet werden können. Mittels einer Datenverarbeitungsanlage werden aus einzelnen Istpunkten durch vorgegebene Berechnungsverfahren oder Verknüpfungsanweisungen so genannte Istelemente berechnet, bei denen es sich beispielsweise um Kreise, Kurven, Zylinder, Ebenen etc. handeln kann.
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Bei der Erfassung eines Messobjekts durch Messsensoren besteht häufig das Problem, dass regelgeometrische Elemente (zum Beispiel Kreise) zu bestimmen sind, die jedoch am Messobjekt nicht vollständig vorhanden sind oder nicht vollständig erfasst werden können. So kann beispielsweise bei einem geringfügig abgebogenen Blechteil entlang der Biegelinie nur ein kleiner Kreisbogen ausgemessen werden, wobei aber ein Kreis bzw. der Biegeradius als Istelement bestimmt werden soll. Oder es kann in einem anderen Beispiel nur eine Kugelkappe ausgemessen werden, wobei diese Messung aber zur Bestimmung der zugrunde liegenden Kugelgeometrie ausgewertet werden soll.
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Je kleiner der tatsächlich vorliegende Geometriebereich eines zu bestimmenden regelgeometrischen Istelements ist, desto ungenauer wird ein darauf basierendes Messergebnis.
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In der Veröffentlichung PIEGL, L.: On NURBS: A Survey. In IEEE Computer Graphics, Vol. 11, No. 1, 1991, S. 55–71 ist ein graphisches Verfahren beschrieben, welches zur Darstellung geometrischer Formen vorgesehen ist. Dieses bekannte graphische Verfahren wird zur graphischen Darstellung von Kurven und dergleichen verwendet. In der Veröffentlichung CHIANG; CHEN; Sculptured surface reconstruction from CMM measurement data by a software iterative approach. In: Int. J. of Production Research, Vol. 37, No. 8, 1999, S. 1679–1695) wird gemäß Seite 1682, 4. Absatz, mit Bezug auf die 1 erläutert, dass ein iteratives Verfahren durchgeführt wird, um die Genauigkeit zu erhöhen. Es werden wiederholt (iterativ) Messungen durchgeführt, bis ein akzeptabler Messwert erreicht ist.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Messverfahren zur Bestimmung eines geometrischen Istelements anzugeben, mit dem eine Verbesserung der Messergebnisse erzielt werden kann.
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Die Lösung dieser Aufgabe erhält man mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen. Bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen offenbart.
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Mit dem Messverfahren kann durch Variation von Parametern, die wenigstens eine Randbedingung beeinflussen, eine Vielzahl von Istelementvarianten bestimmt werden, die dann durch Mittelwertbildung und/oder mittels eines anderen Bewertungsverfahrens zur Bestimmung des geometrischen Istelements ausgewertet werden. Durch eine geringfügige Veränderung einzelner oder mehrerer Parameter erhält man für die zu messenden Istelemente eine entsprechende Vielzahl von Messergebnissen, die hier als Istelementvarianten bezeichnet werden. Durch Anwendung statistischer Bewertungsmethoden kann aus der Vielzahl von Istelementvarianten eine stabile und sehr genaue Bestimmung des gesuchten Istelements erfolgen. Das Istelement kann beispielsweise durch Mittelwertbildung aus sämtlichen Istelementvarianten bestimmt werden.
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Das Messverfahren ergibt eine größere Unabhängigkeit von möglichen Einflüssen auf das Messergebnis durch die Messanordnung und durch den jeweiligen Messtechniker.
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Eine bevorzugte Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass die Parameter zur Bestimmung der Istelementvarianten in zwei oder mehreren vorgegebenen Änderungsschritten variiert werden. Wird beispielsweise jeder Parameter einer Randbedingung, die von zwei Parametern abhängt, in fünf kleinen Änderungsschritten variiert, so ergeben sich dadurch 5 × 5 = 25 Variationsmöglichkeiten und damit 25 Messergebnisse bzw. Istelementvarianten. Hängt die durchgeführte Messung von einer weiteren Randbedingung ab, die beispielsweise von drei Parametern abhängig ist, und werden auch diese Parameter in fünf kleinen Änderungsschritten abgeändert, so ergeben sich insgesamt 5 × 5 × 5 × 5 × 5 = 3125 Variationen, das heißt aus einem zunächst vorliegenden Messergebnis in Form von Istpunkten für ein Istelement kann durch Variation der Parameter, die die Randbedingungen der Messung und/oder der Berechnung beeinflussen, eine Vielzahl von Istelementvarianten erhalten werden, die beispielsweise durch Mittelwertbildung auf ein Messergebnis für das Istelement führen, das eine hohe Messgenauigkeit aufweist.
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Bei der Variation der Parameter können für die Variation Grenzwerte vorgegeben werden, damit die gewählten Werte für die Parameter nicht in einem unzulässigen Wertebereich liegen.
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Um Einflüsse durch Personen, die das Messverfahren durchführen, zu vermeiden, kann außerdem vorgesehen sein, dass die Variation der Parameter automatisch mittels eines Messprogramms erfolgt. Dabei kann die Variation der Parameter mit vorgegebenen Änderungsschritten oder zufällig erfolgen.
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Zur Bestimmung von Istelementvarianten können insbesondere auch die Parameter herangezogen werden, die die Auflösung der verwendeten Messanordnung betreffen. Dabei kann es sich auch um Parameter handeln, die die Oberflächentoleranz und/oder die maximale Kantenlänge der Dreiecke des STL-Netzes eines zur Messung verwendeten CAD-Systems betreffen. STL steht hierbei für Standard-Triangulation-Language. Das STL-Netz kann auch als Format bezeichnet werden, welches eine dreidimensionale Beschreibung der Oberfläche von Körpern in einem für CAD-Systeme geeigneten Datenformat ermöglicht.
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Die relevanten, veränderbaren Parameter, die Einfluss auf das Messergebnis haben, können auch die Ausrichtung des Messobjekts zu seinen Solldaten und/oder die Suchabstände und/oder die Auswertebreiten als Randbedingungen betreffen. Je nach Anwendungsfall kann eine Auswahl der Randbedingungen vorgenommen werden, die für die Erzeugung der Istelementvarianten herangezogen werden sollen.
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Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Zeichnungsfiguren näher erläutert.
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Es zeigen:
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1 eine Veranschaulichung der Messunsicherheit bei der Bestimmung eines Kreises auf der Basis von gemessenen Istpunkten an einem Kreisbogen,
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2 eine Veranschaulichung der Messunsicherheit bei der Bestimmung eines Kreises auf der Grundlage von gemessenen Istpunkten, die gleichmäßig über den gesamten Kreis verteilt sind,
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3 einen Schnitt durch ein Blechteil mit einer verrundeten Fläche,
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4 unterschiedliche Krümmungskreise, die durch Messung an der verrundeten Fläche des Blechteils von 3 bestimmt wurden,
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5 eine räumliche Darstellung des Blechteils von 4 und 3 mit entlang einer Linie im Abstand angedeuteten Messstellen und
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6 eine Häufigkeitsverteilung der berechneten Istelemente auf der Basis einer Vielzahl von schrittweise veränderten Parametern.
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Anhand von 1 wird zunächst die Problematik erläutert, die sich bei der Bestimmung eines geometrischen Istelements ergibt, wenn an diesem Istelement nur eine abschnittsweise oder segmentweise Messung möglich ist. Im dargestellten Beispiel soll als Istelement ein Kreis K1 auf der Basis von mittels eines hier nicht dargestellten Koordinatenmessgeräts gemessenen Istpunkten I1 bis I12 bestimmt werden. Dabei kann in diesem Beispiel eine Messung nur innerhalb eines Kreissegments erfolgen, über das die Istpunkte I1 bis I12 gleichmäßig verteilt sind. Da die für die Istpunkte I1 bis I12 festgestellten Istkoordinaten mit Messunsicherheiten behaftet sind, ergibt sich ein Unsicherheitsbereich bei der Bestimmung des Kreises anhand der gemessenen Istpunkte. Je weniger Istpunkte zur Bestimmung des Kreises gemessen und für die nachfolgende Berechnung berücksichtigt werden können, desto größer ist die Messunsicherheit. Werden beispielsweise nur drei Istpunkte für die Messung herangezogen, so kann sich eine sehr große Messunsicherheit ergeben, die in 1 durch einen Vertrauensbereich V1 veranschaulicht ist, der zwischen einem inneren Kreis K2 und einem äußeren Kreis K3 mit einer radialen Schraffur veranschaulicht ist.
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Auch die Bestimmung des Mittelpunkts M ist von der Genauigkeit der Messung und von der Anzahl der gemessenen Istpunkte abhängig. In 1 ist die Messunsicherheit bzw. der Vertrauensbereich V2 für die Lage des Kreismittelspunkts M als ellipsenförmige Fläche dargestellt.
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Je mehr Istpunkte I1 bis I12 innerhalb eines vorgegebenen Kreissegments gemessen werden, desto höher wird die Genauigkeit, mit der das Istelement, im vorliegenden Fall der Kreis K1, bestimmt werden kann. Außerdem erhöht sich die Messgenauigkeit, wenn das zur Verfügung stehende Kreissegment, an welchem die Istpunkte gemessen werden können, größer gewählt werden kann. Die höchste Messgenauigkeit wird dann erreicht, wenn die Messung so durchgeführt werden kann, dass eine gleichmäßige Verteilung der Istpunkte über den gesamten Kreisumfang möglich ist, wie dies in 2 veranschaulicht ist. Die gleichmäßig über den gesamten Kreis K1 verteilten Istpunkte I1 bis I12 ermöglichen gegenüber 1 eine genauere Bestimmung der Lage und der Größe des Kreises K1. Die durch Messung bestimmten Werte für den Kreis K1 liegen in wesentlich genauer bestimmten Vertrauensbereichen V1 und V2.
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Die Bestimmung eines Istelements, beispielsweise eines Krümmungskreises an einer verrundeten Fläche eines Blechteils, kann auf der Basis von gemessenen Istpunkten erfolgen, die von einem taktilen und/oder optischen Koordinatenmessgerät entlang eines Krümmungssegments ermittelt wurden.
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Dabei ist eine solche Bestimmung eines Istelements von der gewählten Lage und Anzahl der Istpunkte abhängig.
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3 zeigt nun die stirnseitige Teilansicht eines Blechteils 1, welches innerhalb eines Öffnungswinkels α eine verrundete Fläche 2 hat. Bei Kraftfahrzeugen werden im Seitenbereich der Karosserie häufig so genannte Tornadolinien vorgesehen, die sich in Längsrichtung der Seitenbereiche erstrecken und kleine Krümmungsradien im Bereich von wenigen Millimetern haben. Auch die in 3 dargestellte verrundete Fläche kann beispielsweise eine solche Tornadolinie sein.
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Die in 3 dargestellte verrundete Fläche 2 soll einen Sollradius rsoll besitzen.
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In 4 ist nun beispielhaft dargestellt, wie anhand zweier Messungen an einem Blechteil 1 unterschiedliche Krümmungsradien rIst1 und rIst2 bestimmt werden. Im Bereich der verrundeten Fläche 2 wird anhand der Istpunkte I1 bis I4 beispielsweise ein erster Krümmungskreis mit dem Radius rIst1 bestimmt, während mit einer zweiten Messung auf der Basis von insgesamt 7 Istpunkten I1 bis I7 ein zweiter Krümmungskreis mit dem Radius rIst2 bestimmt wird. Eine Variation der Messung kann dabei auch dadurch erreicht werden, dass die Auswertebreite verändert wird, das heißt dass von den gemessenen Istpunkten I1 bis I7 beispielsweise nur die Istpunkte I2 bis I6 der Auswertung zugrundegelegt werden. Dadurch würde sich voraussichtlich ein weiterer hier nicht dargestellter Krümmungskreis ergeben. Außerdem können die der Messung und Auswertung zugrundeliegenden Randbedingungen, die von Parametern abhängen, dadurch variiert werden, dass beispielsweise die Parameter schrittweise verändert werden und für jeden veränderten Parameter eine neue Istelementvariante in Form eines neuen Krümmungskreises bestimmt wird. Auf diese Weise kann durch Variation der unterschiedlichen Parameter, die die Randbedingungen beeinflussen, eine Vielzahl von Istelementvarianten berechnet werden, ohne dass hierfür weitere Messungen erforderlich sind. Es genügt vielmehr dabei, die einmal gemessenen Istpunkte zur Berechnung zu verwenden, wobei lediglich die Parameter der Randbedingungen variiert werden.
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Aus der dadurch ermittelten Vielzahl von Istelementvarianten kann beispielsweise durch Mittelwertbildung das gesuchte Istelement mit großer Messgenauigkeit bestimmt werden. Grundsätzlich besteht aber auch die Möglichkeit andere mathematische Bewertungsverfahren anzuwenden, um die Vielzahl von Istelementvarianten auszuwerten und daraus das eigentliche Messergebnis für das gesuchte Istelement zu bestimmen.
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5 zeigt vereinfacht dargestellt ein Blechteil 1 mit einer verrundeten Fläche 2, die einen kleinen Krümmungsradius aufweist, wie dies bei Tornadolinien beispielsweise der Fall ist.
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Entlang der so genannten Tornadolinie sind in gleichmäßigen Abständen Messstellen S1 bis S5 vorgesehen, an denen mittels eines hier nicht dargestellten Koordinatenmessgeräts jeweils mehrere Istpunkte I1 bis In gemessen werden. Bei der Auswertung der gemessenen Istpunkte ist zur Bestimmung der Istelemente eine Abhängigkeit von Randbedingungen gegeben, die auch die Ausrichtung des Messobjekts – hier das Blechteil 1-betreffen, und zwar beispielsweise in Bezug auf eine vorgegebene Solllinie Lsoll, entlang der sich die Messstellen S1 bis S5 verteilen.
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In 6 ist einerseits die Häufigkeitsverteilung der berechneten Istelemente als Balkendiagramm dargestellt, und andererseits eine zugehörige Verteilungskurve, die ihr Maximum etwas unterhalb des Wertes 1,2 (rechte vertikale Skala) hat.
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Die Häufigkeitsverteilung der berechneten Istelementvarianten ergibt einen Maximalwert von 25 (linke vertikale Skala) für einen Kreissegmentradius von 6,2 mm. Dabei kann die Häufigkeitsverteilung, wie sie in 6 dargestellt ist, beispielsweise aus den an der Messstelle S2 gemessenen Istpunkten I1 bis In ermittelt worden sein. Unter der Voraussetzung, dass die Berechnung eines Istelements von zwei Randbedingungen abhängt, wobei die eine Randbedingung von zwei Parametern und die andere Randbedingung von drei Parametern beeinflusst wird und außerdem jeder der Parameter in fünf Schritten verändert wird, ergibt sich eine Anzahl der berechneten Messwerte, die hier als Istelementvarianten bezeichnet werden, mit einer Gesamtzahl von 3125 Istelementsvarianten. Im hier gewählten Beispiel ergibt sich diese Anzahl von Istelementvarianten eben durch die insgesamt fünf Parameter, von denen die Messergebnisse abhängen, und den jeweils fünf Änderungsschritten für jeden der Parameter. Dies ergibt dann die Gesamtvariation von 5 × 5 × 5 × 5 × 5 = 3125 Istelementvarianten. Durch Mittelwertbildung lässt sich dann ein Messergebnis für das gesuchte Istelement ermitteln, welches auf diese Weise mit einer hohen Genauigkeit angegeben werden kann.