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Die vorliegende Erfindung betrifft ein faserverstärktes Bauteil mit einer Kunststoffmatrix, die mit einer Faserstruktur, insbesondere aus Kohlenstoff-, Glas- und/oder Aramid-Fasern verstärkt ist, sowie ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Bauteils.
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Um das Gewicht der zeitgenössischen Kraftfahrzeuge zu reduzieren, werden Strukturbauteile aus faserverstärkten Kunststoffen, z. B. aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) hergestellt. Diese herkömmlichen CFK-Strukturbauteile werden aus Schalenelementen oder Flächenprofilen hergestellt. Komplexe Schalenbauteile werden dabei zum Teil aus mehreren Vorformlingen (Preforms) zusammengesetzt, um die unterschiedlichen Anforderungen bezüglich der Festigkeit oder Steifigkeit des Bauteils zu erfüllen. Gleichzeitig werden auch die Anforderungen nach minimalem Gewicht und geringen Herstellungskosten erfüllt. Bei der Verwendung von Flechtprofilen wird das Bauteil in verschiedene Abschnitte aufgeteilt, die jeweils einem Flächenprofil entsprechen und durch Knotenstücke zu komplexen Bauteilen verbunden.
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Solche Schalenbauteile, die aus mehreren einzelnen Vorformlingen bestehen, weisen u. a. den Nachteil auf, dass in den Überlappungsbereichen eine Lagensymmetrie über alle Lagen bestehen muss, so dass die Abstimmung der Eigenschaften solcher Bauteile bestimmter Grenzen unterworfen ist. Die Herstellung der Bauteile ist nachteilbehaftet, da für jedes Preform ein eigenes Werkzeug erstellt werden muss. Die Herstellung der Preforms sehr matertalintensiv ist, so dass hohe Materialkosten entstehen. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass bei Flechtprofilen die Geometrie des Bauteils nur in einem eng begrenzten Rahmen variiert werden kann. Dabei sind auch verschiedene Wanddicken oder Faservolumengehalte nur mit hohem Aufwand realisierbar. Letztlich führt die Aufteilung von komplexen Bauteilen in mehrere Preforms oder Flechtprofilabschnitte dazu, dass spezielle Anforderungen nicht zu 100% erfüllbar sind und folglich Kompromisse in Bezug auf Funktion, Gewicht und Kosten eingegangen werden müssen.
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Ausgehend von diesem Stand der Technik macht es sich die vorliegende Erfindung zur Aufgabe, ein verbessertes faserverstärktes Bauteil sowie ein vereinfachtes Verfahren zu dessen Herstellung anzugeben, mit dem die Nachteile des Standes der Technik überwunden werden. Ferner ist es Aufgabe der Erfindung, ein Bauteil anzugeben, das die Forderungen nach optimalen Bauteileigenschaften bei minimalem Gewicht erfüllt. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Erfindung ein faserverstärktes Bauteil mit einer Kunststoffmatrix vor, die mit einer Faserstruktur, insbesondere aus Kohlenstoff-, Glas und/oder Aramid-Faser verstärkt ist. Weiterhin kann das faserverstärkte Bauteil eine Seilverstärkung aufweisen, die an der Faserstruktur entlang von Lastfaden angeordnet ist. Im Sinne der Erfindung sind Lastpfade Verläufe von Belastungen im Bauteil, die aus Kräften oder Momenten resultieren, die auf das Bauteil wirken. Die Lastpfade sollen im Folgenden auch als kritische Bereiche bezeichnet werden. Die Anordnung der Seilverstärkungen entlang der Lastpfade bietet den Vorteil, dass das faserverstärkte Bauteil nur in kritischen Bereichen eine Verstärkung aufweist, so dass in diesen Bereichen auf das Bauteil wirkende Kräfte zumindest teilweise in die Seilverstärkung geleitet werden kann.
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Darüber hinaus kann die Faserstruktur als ein Gewebe, Gelege und/oder ein Geflecht ausgebildet sein.
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Zusätzlich oder alternativ kann die Seilverstärkung zumindest eine unidirektional ausgerichtete Faser und ein Geflecht aus einer Mehrzahl von Flechtefasern aufweisen, wobei das Geflecht bzw. die Flechtfasern um die unidirektional ausgerichtete Faser angeordnet ist/sind. Die unidirektional ausgerichtete Faser, der sogenannte Kern, kann aus Glas-Faser, Kohlenstoff-Faser, Aramid-Faser, Basalt-Faser und/oder Polyester-Faser ausgebildet sein. Das Geflecht bzw. die Ummantelung kann als Glasfaser, Kohlenstoff-Faser, Aramid-Faser, Basalt-Faser und/oder Polyester-Faser ausgebildet sein. Die Ummantelung bzw. das Geflecht kann dabei einen Faserwinkel zu der unidirektional ausgerichteten Faser von im Wesentlichen +–45° aufweisen. Ferner können auch eine Mehrzahl unidirektional ausgerichteter Fasern vorgesehen sein. Bei der Wahl des Durchmessers und des Aufbaus der Seilverstärkung kann diese an ganz speziell gewünschte Bauteilfunktionen angepasst werden.
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Weiterhin kann in die Seilverstärkung eine Drainage eingeflochten sein. Hieraus ergeben sich Vorteile dahingehend, dass bei der Injektion der Matrix die Tränkung der Seilverstärkung wesentlich verbessert werden kann. Mit anderen Worten, die Drainage ermöglicht ein verbessertes Eindringen der Matrix in die Seilverstärkung.
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In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Herstellung eines faserverstärkten Bauteils mit den Schritten Herstellen einer Faserstruktur aus Fasergewebe, Fasergelege und/oder Fasergeflecht, wobei als Fasermaterial insbesondere Glasfaser oder Kohlenstofffaser verwendet wird, Herstellen einer Seilverstärkung, Aufbringen der Seilverstärkung auf vorbestimmte Bereiche der Faserstruktur, Einbringen der Faserstruktur mit daran angeordneten Seilverstärkungen in eine Kavität eines Spritzwerkzeugs und Injektion des Matrix-Material. Nach dem Aushärten der Kunststoffschmelze bildet diese die Kunststoffmatrix des faserverstärkten Bauteils.
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Weiterhin kann die Seilverstärkung erzeugt werden, indem ein Geflecht aus einer Mehrzahl von Flechtfasern um zumindest eine unidirektional ausgerichtete Faser geflochten wird.
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Als Material für die unidirektional ausgerichtete Faser sowie für die Flechtfasern können Glasfasern, Aramidfasern, Basalt-Fasern und/oder Kohlenstofffasern verwendet werden.
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Die Seilverstärkung kann auf die Faserstruktur aufgenäht, aufgetackert, gespleißt und/oder aufgeklebt sein.
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Zusätzlich und/oder alternativ kann das Verfahren die Schritte Erzeugen eines Kerns, Aufbringen der Seilverstärkung auf vorbestimmte Bereiche des Kerns und Aufbringen der Seilverstärkung auf vorbestimmte Bereiche der Faserstruktur, indem der Kern mit daran angeordneter Seilverstärkung mit der Faserstruktur in Verbindung gebracht wird, aufweisen. Im Sinne dieser Erfindung sind vorbestimmte Bereiche bzw. kritische Bereiche als Bereiche zu verstehen, in die vorbestimmte Lasten eingebracht werden. Um die Seilverstärkung mit der Faserstruktur in Verbindung zu bringen, wird zuerst die Seilverstärkung an dem Kern angebracht und anschließend die Faserstruktur auf den Kern mit aufgetragen. Diese kann dabei um den Kern gewickelt werden oder darauf abgelegt werden.
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In einem weiteren Aspekt der Erfindung betrifft diese ein Fahrzeugbauteil mit mindestens einem oben genannten, faserverstärkten Bauteil.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand der Figurenbeschreibung näher erläutert. Die Ansprüche, die Figuren und die Beschreibung enthalten eine Vielzahl von Merkmalen, die im Folgenden im Zusammenhang mit beispielhaft beschriebenen Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung erläutert werden. Der Fachmann wird diese Merkmale auch einzelnen und in anderen Kombinationen betrachten, um weitere Ausführungsformen zu bilden, die an entsprechende Anwendungen der Erfindung angepasst sind.
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Es zeigen in schematischer Darstellung
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1a eine Faserstruktur mit daran angeordneten Seilverstärkungen, 1b eine Faserstruktur mit einer ersten alternativen Seilverstärkung,
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2 ein faserverstärktes Bauteil,
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3a einen Kern mit daran angeordneter Seilverstärkung und
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3b einen Kern mit einer weiteren, alternativen Anordnung der Seilverstärkung.
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Im Folgenden soll zunächst mit Bezug zu den 1a, 1b und 2 der strukturelle Aufbau eines faserverstärkten Bauteils 10 gemäß der Erfindung erläutert werden. Beispielhaft ist hier eine Faserstruktur 12 dargestellt, die im Wesentlichen die Form eines aufgeweiteten U-Profils aufweist. An den Krümmungsbereichen der Faserstruktur 12 sind Seilverstärkungen 13 angeordnet, unter der Annahme, dass entlang der Krümmungsbereiche Lastpfade verlaufen. In nicht dargestellten alternativen Ausführungsformen können die Seilverstärkungen 13 beliebig an der Faserstruktur 12 angeordnet sein, wobei sie entsprechend den dort verlaufenden Lastfaden folgen. Die in 1a dargestellten Seilverstärkungen 13 weisen einen kreisrunden Querschnitt auf.
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Alternativ dazu sind in 1b Seilverstärkungen 13 dargestellt, die einen im Wesentlichen halbkreisförmigen Querschnitt aufweisen. In weiteren, nicht dargestellten Ausführungsformen der Erfindung können die Seilverstärkungen 13 auch elliptische, drei- oder mehreckige Querschnittsformen oder eine Kombination aus mehreckigen und kreisbogenförmigen Querschnitts-Abschnitten aufweisen.
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Die Seilverstärkung 13 wird an der Faserstruktur mittels Vernähen, Verkleben oder durch Antackern befestigt. Die Faserstruktur 12 ist dabei aus einem Gewebe, Geflecht und/oder Gelege aus Faserstrukturen, insbesondere Glasfasern oder Kohlenstofffasern aufgebaut. Die Seilverstärkung 13 ist dabei als faserverstärkte Litze bzw. als faserverstärktes Seil ausgebildet und wird auf einer herkömmlichen Flechtanlage entsprechend der gewünschten Anforderung hergestellt. Die Seilverstärkung 13 weist eine innere, unidirektionale Faser auf, die von Flechtfasern umflochten ist. Diese Flechtfasern bilden ein Geflecht, das ähnlich einer Ummantelung die unidirektionale Faser umgibt. Dabei schließen die Flechtfasern einen Winkel im Bereich von +–30° bis +–60°, besonders bevorzugt 45°, mit der Längsrichtung der unidirektionalen Faser ein. Als Material für die unidirektionale Faser wie auch für die Flechtfasern können Glas-, Kohlenstoff-, Aramid-, Basalt- und/oder Polyester-Fasern verwendet werden. Bei den Polyesterfasern handelt es sich um ultrahoch belastbare Polyesterfasern. Um die Tränkung der Seilverstärkung 13 mit Matrix, die in einem späteren Spritzpressverfahren injiziert wird, zu verbessern, kann eine Drainage eingeflochten werden.
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Nachdem die Seilverstärkungen 13 an der Faserstruktur 12 angeordnet wurden, wird die Faserstruktur 12 in ein Spritzpresswerkzeug bzw. ein Resin-Transfer-Moulding(RTM)-Werkzeug eingeführt. Dieses RTM-Werkzeug weist zwei Werkzeughälften auf, die zusammenfahrbar sind, so dass sie, wenn sie sich in berührendem Kontakt befinden, im Inneren eine Kavität einschließen. Nach dem Einbringen der Faserstruktur 12 in die Kavität wird das Harz in Form eines Matrix-Systems über ein Anguss-System injiziert. Das flüssige Harz umschließt dabei die Faserstruktur 12 bzw. durchtränkt diese, wobei gleichzeitig auch die Seilverstärkung 13 infiltriert wird. Die Drainage bietet hierbei eine wesentliche Erleichterung für den Fließweg des Harzes. Anschließend erstarrt das Harz zu einer Kunststoffmatrix 11, in der die Faserstruktur 12 eingebettet ist. Das fertige faserverstärkte Bauteil 10 ist beispielhaft in 2 dargestellt, die den prinzipiellen Aufbau des faserverstärkten Bauteils darstellt. Wie in 2 dargestellt, umschließt die Matrix 11 die Faserstruktur 12 und die daran angeordnete Seilverstärkung 13 vollständig. In weiteren, nicht dargestellten Ausführungsformen der Erfindung, kann die Kunststoffmatrix 11 sehr dünnwandig aufgebaut sein, so dass beispielsweise Teile der Seilverstärkung 13 freigelegt sind.
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Um besonders bevorzugte Querschnittsformen der Seilverstärkungen 13 zu erzeugen, werden beim Schließen des RTM-Werkzeugs die Werkzeughälften so zusammengefahren, dass die Seilverstärkungen 13 deformiert werden, wobei sie im Wesentlichen platt gedrückt wird. Die sich dabei ergebende Querschnittsform der Seilverstärkung 13 ist beispielhaft und nicht einschränkend in 1b dargestellt.
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Obwohl das erfinderische Konzept im Vorhergehenden beispielhaft für den Einsatz in einem RTM-Verfahren erläutert wurde, soll es nicht darauf beschränkt sein. In einer weiteren, nicht dargestellten Ausführungsform der Erfindung kann diese auch bei Infusionsprozessen mit einseitigen Werkzeugen eingesetzt werden. Die erfinderische Lösung ist insbesondere für duroplastische wie auch für thermoplastische Matrixsysteme geeignet.
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Zur Herstellung von hohlen Flechtprofilen werden im Allgemeinen sogenannte Kerne verwendet. Hierzu wird ein Kern bereitgestellt, um den mindestens eine Faserlage der Faserstruktur angeordnet werden kann. Die Kerne können verschiedene Außenkonturen aufweisen, so dass beliebige Querschnittsformen des Hohlbauteils erzielbar sind. Ein solcher Kern 14 ist beispielhaft in den 3a und 3b dargestellt. In vorbestimmten, kritischen Bereichen sind Seilverstärkungen 13 an dem Kern angeordnet, die kreuzungsfrei oder gekreuzt angeordnet sein können. Wenn die Seilverstärkungen 13 entlang ihres Verlaufs gekreuzt werden, kann eine Anpassung an eine spezielle Bauteilfunktion ermöglicht werden. Beispielsweise kann bei der Verwendung des Bauteils 10 als A-Säule eines Fahrzeugs durch geeignete Anordnung der Kreuzungsbereiche erzielt werden, dass der Knickverlauf stets zur Außenseite des Fahrzeugs gerichtet ist. Dies hat zur Folge, dass im Crash-Fall, die Holme, beispielsweise der A-Säule, nicht in das Fahrzeuginnere knicken und dadurch den Überlebensraum reduzieren, da sich stets eine Verformung dieser Bauteile nach außen hin ergibt. Andererseits kann auch die Rückstellneigung eines faserverstärkten Bauteils durch die Anordnung eines gekreuzten Seilverstärkungsverlaufs gezielt beeinflusst werden. Bei niedrigen Belastungen, wie sie beispielsweise bei sogenannten ”Parkplatz-Remplern” auftreten, kann eine erhöhte Flexibilität bereit gestellt werden, so dass das deformierte Bauteil stets in seine ursprüngliche Form zurückgeht, nachdem eine Belastung, die eine Maximalbelastung nicht übersteigt, wieder aufgehoben wird. Dadurch eignen sich die erfindungsgemäßen, faserverstärkten Bauteile 10 auch für den Einsatz bei Stoßfängern, Seitenbeplankungen und/oder Türen.
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Abweichend von den in 3a und b dargestellten Anordnungen der Seilverstärkungen 13 kann in nicht dargestellten weiteren Ausführungsformen der Erfindung eine oder mehrere Seilverstärkungen 13 in Nuten vorgesehen sein. Mit anderen Worten, die Oberfläche des Kernes 14 weist Vertiefungen in Form von Nuten auf, in denen die Seilverstärkungen 13 zumindest teilweise versenkbar sind. Auch hier können gekreuzte oder kreuzungsfreie Verläufe realisiert werden.
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Nachdem die Seilverstärkungen an den Kernen 14 angeordnet wurden, werden diese mit der Faserstruktur 12 umgeben und anschließend in ein RTM-Werkzeug gebracht und vollständig mit Kunststoffmatrix umspritzt. Der Verlauf der Seilverstärkungen 13 auf den Kernen 14 entspricht dabei dem Verlauf der Seilverstärkungen 13 in dem späteren, faserverstärkten Bauteil, wobei dann die Seilverstärkungen 13 in kritischen Bereichen liegen.
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Die erfindungsgemäßen Bauteile bzw. das erfindungsgemäße Verfahren bietet den Vorteil, dass diese Bauteile in ihrem Verhalten gezielt eingestellt werden können, um besonders hohen Belastungen widerstehen zu können. Die kohlefaserverstärkte Seilverstärkung 13 kann dabei bevorzugt einen Durchmesser von 4–10 mm oder größer aufweisen. Sie bietet den Vorteil, dass eine Faserstruktur 12 bzw. ein Preform mit minimaler Wandstärke verwendet werden kann, dass nur in kritischen Bereichen massiv durch die Seilverstärkung 13 verstärkt wird. Somit wird eine optimale Baufunktion hinsichtlich Steifigkeit und Materialeigenschaften bei minimalem Gewicht und minimalen Material- und Herstellkosten erzeugt in dem faserverstärkten Bauteil 10. In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass die Seilverstärkung 13 als Endlosware gefertigt und damit mit minimalem Materialverbrauch eingesetzt werden kann.
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Die faserverstärkten Bauteile 10 eignen sich insbesondere für Kraftfahrzeugstruktur-Bauteile, insbesondere für Bauteile, die im Crash-Fall unter Vorspannung stehen müssen. Darüber hinaus können sie auch als Verkleidungsteile, beispielsweise im Bereich der Türen oder Stoßfänger, verwendet werden.