DE102010007243B4 - Therapieoptimierung bei Krebspatienten durch Austesten von Therapiekombinationen mittels in vitro Testungen (Zusatz) - Google Patents
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Abstract
Zur Zeit gibt es kein Diagnostikum, welches verschiedene Therapieoptionen für einen Patienten in einem Testsystem bewerten kann. Insbesondere die Einflüsse unterschiedlicher Nährstoffangebote und Sauerstoffangebote (modifiziert durch Ernährung oder Medikamente) auf eine chemotherapeutische Behandlung mit Zytostatika lassen sich heute noch nicht diagnostisch bewerten. Durch Verwendung eines funktionalen Testsystems, welches lebende Tumorzellen in vitro beobachtet, können diese Einflüsse bewertet werden. Insbesondere durch die Reduktion oder das Weglassen von Glukose und/oder Sauerstoff lässt sich dies in den funktionalen Testsystemen erreichen. Dieses Verfahren kann in der gesamten Onkologie verwendet werden.
Description
- Es ist bekannt, dass sich das Ansprechen, bzw. Nichtansprechen von chemotherapeutischen Medikamenten für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie ermitteln lassen kann (in vitro Testungen). Hierzu werden lebende Tumorzellen ausserhalb des Patienten mit unterschiedlichen chemotherapeutischen Medikamenten (z. B. Paclitaxel, Topotecan, Doxorubicin, Gemcitabin oder andere) einzeln oder in Kombination inkubiert. Ob und wie stark das jeweilige chemotherapeutische Medikament oder die Medikamentenkombination eine zytotoxische oder zytostatische Wirkung auf die Tumorzellen hat, läßt sich durch unterschiedliche Verfahren auslesen. Beispiele sind der Thymidin-Einbau-Test, „Colony-Forming-Assay”, der DiSC-Test, ein Test basierend auf der Detektion der Ansäuerungsfähigkeit von Zellen (Biosensorchip-Test) oder der ATP-Test (Weisenthal, Marsden et al. 1983; Weisenthal and Kern 1991; Waldenmaier, Babarina et al. 2003; Neubauer, Stefanova et al. 2008).
- Es ist auch bekannt, dass Tumorzellen für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung Blutgefäßwachstum (Angiogenese) benötigen. Dies wird u. a. durch Zytokine wie EGF (epidermal growth factor) hervorgerufen (Karamysheva 2008), die in der Tumorregion ausgeschüttet werden. Die Angiogenese läßt sich durch Anti-Angiogenese Medikamente inhibieren, die mittlerweile für die Krebsbehandlung entwickelt worden sind (Orgaz, Martinez-Poveda et al. 2008). Dadurch soll der Tumor „ausgehungert” werden. Ein wichtiger Effekt ist dabei der Sauerstoffmangel (Hypoxie).
- Jedoch sprechen nicht alle Patienten auf diese Medikamente an. Ein Testverfahren, welches die Ansprecher und Nichtansprecher unterscheiden kann, ist bis heute nicht vorhanden (Orgaz, Martinez-Poveda et al. 2008).
- Zusätzlich ist bekannt, dass eine erhöhte Resistenz gegenüber Chemotherapeutika als auch eine erhöhte Invasivität des Tumors mit Veränderungen im Energiestoffwechsel zu tun haben. Wichtige Faktoren sind dabei die Glykolyse, der Pentosephoshpatweg und das TKTL1-Protein. Der wesentliche Effekt scheint darin zu bestehen, dass bestimmte Tumorpopulationen von Glukose abhängig sind, die wahrscheinlich für eine erhöhte Chemoresistenz sorgen. Umgekehrt kann eine Depletion von Glukose in der Ernährung oder eine Inhibition des TKTL1-Proteins zu einer Veränderung im Energiestoffwechsel führen, die die Zellen sensibler für chemotherapeutische Medikamente machen ((Langbein, Frederiks et al. 2008; Otto, Kaemmerer et al. 2008); Doktorarbeit von Xiaojun Xu 2008 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Ernährungstherapie nach Dr. Coy (TAVARLIN AG, Heidelberger Landstr. 190, 64297 Darmstadt)).
- Welche Patienten von einer Depletion der Glukose (oder anderer Energielieferanten) oder einer Inhibition des TKTL1-Proteins (oder anderer Stoffwechselmoleküle, die eine Rolle im Energiestoffwechsel spielen,) bei einer Krebstherapie profitieren, ist noch vollkommen unklar.
- Die Ermittlung der richtigen Kombination(en) von a. Chemotherapie, b. Anti-Angiogenese Medikation und c. Kontrolle des Energiestoffwechsels im Körper (entweder z. B. durch eine Glukose-arme Diät oder durch die Inhibition entscheidener Stoffwechselmoleküle, wie z. B. TKTL1) könnte den Behandlungserfolg bei der Krebstherapie entscheidend verbessern. Die Ermittlung der richtigen Kombination(en) wird durch die Patentansprüche 1–12 gelöst.
- Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, dass es zu einer speziell zugeschnittenen Therapie für den einzelnen Patienten kommt und dass dadurch, die Behandlungserfolge gezielt erhöht werden, wodurch das Gesundheitssystem Kosten einsparen kann.
- Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist in den Unteransprüchen angegeben. Dadurch könnte man die hier dargestellte Austestung von Therapiekombinationen auf alle Krebsmedikamente oder Therapien ausweiten, die auf die lebenden Tumorzellen einen Einfluss haben und die lebende Tumorzellen als Auslesefaktor benötigen.
- Zwei Ausführungsbeispiele der Erfindung sind 1. im Folgenden und 2. als Anhang (Diplomarbeit von Jennifer Klatt (2010)) beschrieben.
- Zur Ermittlung der Wirksamkeit von Chemotherapeutika wird das in vitro Testverfahren DiSC oder der in vitro Biosensorchip-Test verwendet. Neben der normalen Inkubation der Zellen in sauerstoff- und glukosereichem Medium werden diese beiden Parameter gezielt einzeln oder zusammen depletiert. D. h., der in vitro Test wird mit lebenden Zellen und entsprechenden Kombinationen der Chemotherapeutika in vier Bedingungen durchgeführt:
- 1. Normale Sauerstoffkonzentration im Medium und in der Luft und normale Glukosekonzentrationen im Medium,
- 2. Sauerstoff im Medium und in der Luft wird depletiert, aber die Glukosekonzentration ist normal,
- 3. Normale Sauerstoffkonzentration im Medium und in der Luft, aber das Medium enthält kein Glukose,
- 4. Sauerstoff im Medium und in der Luft wird depletiert und Medium enthält keine Glukose.
- Die Depletion des Sauerstoffs läßt sich durch die Inkubation in einem geschlossenen Behälter realisieren. Entweder wird die Luft und das Medium vorher mit Stickstoffgas oder Kohlendioxid gesättigt oder man läßt die Zellen im Testverfahren für die Depletion sorgen. Das Medium ohne Glukose wird einfach durch das Weglassen der Glukose bei der Herstellung des Mediums realisiert.
- Die vier Bedingungen werden getrennt nach den Standardbedingungen ausgewertet. Danach vergleicht man die Ergebnisse der vier Bedingungen miteinander. Führt die Depletion von Sauerstoff zu einer erhöhten Sensibilisierung der Zellen auf Chemotherapeutika, sind Anti-Angiogenese Medikamente für den Patienten ratsam. Welches Medikament genau genommen werden könnte, läßt sich durch dieses Verfahren nicht ermitteln. Führt das Weglassen der Glukose zu einer erhöhten Sensibilisierung der Zellen auf Chemotherapeutika ist eine Ernährungstherapie z. B. nach Dr. Coy oder eine gezielte Inhibition von TKTL1 jeweils in Kombination mit einer Chemotherapie ratsam. Sollten beide Effekte in Kombination bessere Wirkungen bei einer Chemotherapie zeigen, ist die Kombination von Chemotherapie, Anti-Angiogenese Medikament und Glukosedepletion oder TKTL1 Inhibition angezeigt. Da zusätzlich die Depletion von Sauerstoff und Glukose an Zellen ohne Chemotherapeutika gemessen wird, läßt sich auch die Möglichkeit überprüfen, ob eine Therapieoption ohne Chemotherapeutika besser wäre.
- Literatur
-
- Karamysheva, A. F. (2008). ”Mechanisms, of angiogenesis.” Biochemistry (Mosc) 73(7): 751–62.
- Klatt, Jennifer (2010). ”Entwicklung eines Diagnostikums zur Identifikation der möglichen Sensitivierung chemoresistenter Zellpopulationen”, Diplomarbeit an der Hochschule Mannheim, Studiengang: Biotechnologie
- Langbein, S., W. M. Frederiks, et al. (2008). ”Metastasis is promoted by a bioenergetic switch: new targets for progressive renal cell cancer.” Int J Cancer 122(11): 2422–8.
- Neubauer, H., M. Stefanova, et al. (2008). ”Predicting resistance to platinum containing chemotherapy with the ATP tumor chemosensitivity assay in primary ovarian cancer.” Anticancer Res 28(2A): 949–55.
- Orgaz, J. L., B. Martinez-Poveda, et al. (2008). ”Following up tumour angiogenesis: from the basic laboratory to the clinic.” Clin Transl Oncol 10(8): 468–77.
- Otto, C., U. Kaemmerer, et al. (2008). ”Growth of human gastric cancer cells in nude mice is delayed by a ketogenic diet supplemented with omega-3 fatty acids and medium-chain triglycerides.” BMC Cancer 8: 122.
- Waldenmaier, D. S., A. Babarina, et al. (2003). ”Rapid in vitro chemosensitivity analysis of human colon tumor cell lines.” Toxicol Appl Pharmacol 192(3): 237–45.
- Weisenthal, L. M. and D. H. Kern (1991). ”Prediction of drug resistance in cancer chemotherapy: the Kern and DiSC assays.” Oncology (Williston Park) 5(9): 93–103; disc 104, 111–4, 117–8.
- Weisenthal, L. M., J. A. Marsden, et al. (1983). ”A novel dye exclusion method for testing in vitro chemosensitivity of human tumors.” Cancer Res 43(2): 749–57.
- Doktorarbeit von Xiaojun Xu 2008 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
- Ernährungstherapie nach Dr. Coy (TAVARLIN AG, Heidelberger Landstr. 190, 64297 Darmstadt, www.tavarlin.de)
Claims (12)
- Verfahren zur Ermittlung der wirksamen oder nichtwirksamen chemotherapeutischen Medikamente (einzeln oder in Kombination) für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie, dadurch gekennzeichnet, dass die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der chemotherapeutischen Medikamente mindestens in Gegenwart von Sauerstoffmangel (Hypoxie) getestet wird, dadurch gekennzeichnet, dass a.) entweder der Sauerstoffmangel sofort durch Entgasung oder b.) durch Eigenverbrauch der Zellen im Medium (nach Luftabschluss) generiert wird.
- Verfahren zur Ermittlung der wirksamen oder nichtwirksamen chemotherapeutischen Medikamente (einzeln oder in Kombination) für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie, dadurch gekennzeichnet, dass die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der chemotherapeutischen Medikamente mindestens in Abwesenheit von oder geringen Konzentrationen kleiner gleich 1 g/l Glukose getestet wird.
- Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der chemotherapeutischen Medikamente mindestens in Gegenwart eines Inhibitors für bestimmte Teile des Energiestoffwechsels getestet wird.
- Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der chemotherapeutischen Medikamente mindestens in Gegenwart eines TKTL1 Inhibitors getestet wird.
- Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der chemotherapeutischen Medikamente zusätzlich zu den Bedingungen oder Wirkstoffen der Ansprüche 1 bis 4 in Kombination mit einem Medikament, welches kein Zytostatikum ist, welches in der Chemotherapie angewendet wird, das auf andere Weise als die Bedingungen oder Wirkstoffe der Ansprüche 1 bis 4 wirkt, gegen Krebszellen getestet wird.
- Verfahren zur Ermittlung der Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit von Sauerstoffmangel (Hypoxie) oder Sauerstoffpartialdruck kleiner dem Partialdruck des Sauerstoffs in der Atemluft für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie.
- Verfahren zur Ermittlung der Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit von entweder Glukosedepletion (Abwesenheit von Glukose) oder Konzentration kleiner gleich 1 g/l Glukose für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie.
- Verfahren nach Anspruch 6 oder 7 zur Ermittlung der Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit eines Inhibitors für bestimmte Teile des Energiestoffwechsels für Patienten mittels individuellen in vitro Testungen an lebenden Tumorzellen vor oder während der Therapie.
- Verfahren nach Anspruch 8, wobei der Inhibitor ein TKTL1-Inhibitor ist.
- Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 9, wobei zur Ermittlung der Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit zusätzlich zu den Bedingungen oder Wirkstoffen der Ansprüche 6 bis 9 in Kombination ein Medikament gegen Krebszellen gegeben wird, welches kein Zytostatikum ist, welches in der Chemotherapie angewendet wird, das auf andere Weise als die Bedingungen oder Wirkstoffe der Ansprüche 6 bis 9 wirkt.
- Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Tumorzellen einzeln oder in Kombination eine Strahlentherapie erhalten.
- Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Verfahren der Ansprüche 1 bis 11 in Kombination(en) getestet werden, insbesondere die Kombination von Sauerstoff- und Glukosemangel oder -depletion.
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