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Die Erfindung gehört zum Bereich der Mensch-Maschine-Schnittstellen und Vorrichtungen, die insbesondere im medizinischen Bereich zur Therapie von Störungen benutzt werden, die auf Steuerungs- und Koordinationsdefizite von Atem- und Artikulationsmuskulatur zurückzuführen sind, zum Beispiel Stottern.
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Ansatzweise ähnliche Vorrichtungen mit anderer Zwecksetzung sind bereits seit mehreren Jahrzehnten im Bereich der Musikinstrumente bekannt. Glaswandler oder Wind Controller sind elektronische Musikinstrumente mit einer Glassteuerung wie bei einer Blockflöte, Klarinette oder Saxophon. Ähnlich den klassischen Instrumenten werden die elektronischen Blasinstrumente mit den Händen und dem Mund gespielt. Während die mit den Fingern bedienten Tasten und Knöpfe die Höhe der Töne bestimmen, wird die Lautstärke und meistens auch die Färbung der Töne durch den mit dem Mund erzeugten Luftdruck geregelt. Unter anderem stellen die japanischen Elektronikunternehmen Yamaha und AKAI solche Musikinstrumente her.
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In der Therapie von Störungen, die auf Steuerungs- und Koordinationsdefizite von Atem- und Artikulationsmuskulatur zurückzuführen sind, zum Beispiel Stottern, aber auch im nichtmedizinischen Bereich, zum Beispiel bei der Gesangsausbildung, kommen vielfach Atemübungen zum Einsatz, manchmal kombiniert mit Artikulationsübungen. Dabei ist es für die übende Person insbesondere beim Erlernen der Übung sehr schwierig zu erkennen, ob sie die Übung richtig macht. Nur der begleitende Therapeut bzw. Gesangslehrer – im folgenden einheitlich als Therapeut bezeichnet – können beurteilen, ob die Übung richtig ausgeführt wird, und korrigierend eingreifen. Der Übende ist daher auf eine intensive Betreuung durch den Therapeuten angewiesen. Dies ist jedoch sowohl aus zeitlichen als auch aus Kostengründen oft nicht möglich.
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Die im folgenden beschriebene Vorrichtung ermöglicht es dem Übenden, selbst zu beurteilen, ob bzw. in welchem Maße er die Atem- bzw. Artikulationsübungen richtig macht. Zum anderen ermöglicht die Vorrichtung eine neue Klasse von Verfahren zum Training der Koordination von Atem- und Artikulationsmuskulatur, die ohne Einsatz der Vorrichtung nicht möglich wären.
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Die Vorrichtung besteht aus mindestens einem Mundstück (1) und einer Rückkopplungseinheit (2). Der Luftdruck und die Stellung der Artikulationsorgane, zum Beispiel die Lippenspannung, der Zungendruck oder der Beißdruck der Zähne, werden von Sensoren in elektrische Messsignale umgewandelt und an die Rückkopplungseinheit weitergeleitet. Die Sensoren können im Mundstück, in der Rückkopplungseinheit oder aber in einem getrennten Gerät (Sensoren-Einheit, 3) untergebracht sein. Sind die Sensoren nicht im Mundstück untergebracht, so müssen die zu messenden, mechanischen Einwirkungen an diejenige Einheit, die die entsprechenden Sensoren enthält (etwa die Sensoren-Einheit), weitergeleitet werden. Die Sensoren-Einheit wiederum leitet die mittels der Sensoren gewonnenen, elektrischen Signale an die Rückkopplungseinheit weiter. So kann zum Beispiel der Luftdruck mittels eines Schlauches (4) vom Mundstück zur Luftdruck-Sensor-Einheit geleitet werden, die den Sensor zur Messung des Luftdrucks enthält.
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Die Rückkopplungseinheit gibt dem Übenden zum einen Feedback über seine respiratorischen und artikulatorischen Einwirkungen auf das Mundstück, zum anderen werden durch die Rückkopplungseinheit Sollwerte vorgegeben, die der Übende während der Übung zu erreichen bzw. einzuhalten hat.
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Dieses allgemeine Prinzip soll im folgenden anhand mehrerer Ausführungen verdeutlicht werden.
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In der Ausführung A enthalte das Mundstück (1) keine Sensoren und diene nur der Aufnahme des ausgeatmeten Luftstroms. Das Mundstück wird vom Übenden mit Zähnen und Lippen gehalten und von den Lippen luftdicht umschlossen. Der Luftstrom wird durch einen Schlauch (4) zur Sensoren-Einheit (3) geleitet. Der Schlauch hat eine Abzweigung (5), die den Austritt der Luft und damit auch das Ausatmen durch das Mundstück ermöglicht. Die den Luftaustritt ermöglichende Abzweigung enthält ein Ventil (6). Durch das Einstellen der Öffnungsweite des Ventils wird die Schwere des Ausatmens reguliert. Die Sensoren-Einheit enthält einen Luftdruck-Sensor, der entsprechend dem Luftdruck am Ende des Schlauchs eine elektrische Spannung erzeugt. Diese Spannung wird mittels eines Analog-Digital-Wandlers in einen Zahlenwert umgewandelt und an die Rückkopplungseinheit (2) übermittelt. Die Rückkopplungseinheit ist durch einen Personal Computer ausgeführt, der auf bestimmte Art und Weise programmtechnisch eingerichtet ist. Das auf dem Personal Computer ausgeführte Programm stellt den von der Sensoren-Einheit übermittelten Zahlenwert (Ist-Wert) in einem Verlaufsgraphen dar. Neben der Ist-Wert-Kurve (6) ist im Verlaufsgraphen auch eine Kurve des Soll-Werts (7) zu sehen. Die Übung besteht darin so auszuatmen, dass die Ist- und die Soll-Kurven möglichst zusammenfallen. Zur besseren Sichtbarkeit wird die Fläche zwischen der Ist- und der Soll-Kurve farbig gefüllt, und zwar mit verschiedenen Farben. Die Flächen, bei denen die Ist-Kurve unter der Soll-Kurve liegt, könnten zum Beispiel rot gefärbt sein. Dagegen könnten die Flächen, bei denen die Ist-Kurve unter der Soll-Kurve liegt, blau gefärbt sein.
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Die Ausführung B unterscheidet sich von der Ausführung A nur durch die Rückkopplungseinheit: der dafür verwendete Personal Computer ist programmtechnisch anders eingerichtet. Der Ist-Wert bestimmt nunmehr die Flughöhe eines auf dem Bildschirm abgebildeten Flugzeuges, das mit konstanter waagerechter Geschwindigkeit fliegt. Die Soll-Wert-Bereiche werden durch einen auf dem Bildschirm abgebildeten Flugkanal vorgegeben. Die Übung besteht darin, mit dem Flugzeug durch den Flugkanal durchzufliegen, ohne die Begrenzungen des Flugkanals zu berühren bzw. mit ihnen zu kollidieren.
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In der Ausführung C sind die Sensoren für den Luft- und Lippendruck im Mundstück untergebracht. Eine getrennte Sensoren-Einheit entfällt. Die Ist-Werte für den Luft- und Lippendruck werden schnurlos an die Rückkopplungseinheit übertragen. Die Rückkopplungseinheit ist wiederum durch einen Personal Computer ausgeführt, der auf bestimmte Art und Weise programmtechnisch eingerichtet ist. Auf dem Bildschirm wird ein Wagen im einem kurvigen Straßenverlauf angezeigt. Der Ist-Wert des Luftdrucks bestimmt die Fahrtrichtung des Wagens – wird also analog zum Drehwinkel eines Lenkrades interpretiert –, der Lippendruck bestimmt die Fahrtgeschwindigkeit. Die Übung besteht darin, mit dem Wagen innerhalb vorgegebener Zeit durch den vorgegebenen Straßenverlauf zu fahren, ohne von der Straße abzukommen.
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In der Ausführung D enthält das Mundstück neben Sensoren für Luft- und Lippendruck auch einen Sensor, mit dem der Zungendruck gegen eine bestimmte Stelle der Mundhöhle gemessen wird. Auch hier entfällt eine getrennte Sensoren-Einheit, weil alle Sensoren im Mundstück integriert sind. Die Ist-Werte werden wiederum schnurlos an die Rückkopplungseinheit – einen programmtechnisch in bestimmte Art und Weise eingerichteten Personal Computer – übertragen. Ähnlich zur Ausführung C muss ein Objekt durch einen kurvigen Straßenverlauf gesteuert werden. Diesmal ist jedoch die Breite der auf dem Bildschirm vorgegebenen Straße variabel und die Größe des Objekts durch den Ist-Wert des Zungendrucks veränderbar. Die Übung besteht darin, das Objekt innerhalb vorgegebener Zeit durch den vorgegebenen Straßenverlauf zu bewegen, wobei die Größe des Objekts an jeder Stelle der Straße möglichst ihrer Breite entsprechen soll.
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In der Ausführung E ist das Mundstück wie in der Ausführung A sehr einfach aufgebaut. Der Schlauch führt direkt zur Rückkopplungseinheit, die auch den Luftdruck-Sensor beinhaltet. Die Rückkopplungseinheit ist diesmal kein Personal Computer, sondern ein spezialisiertes elektronisches Gerät, welches musikalische Töne erzeugt. Zum einen spielt die Rückkopplungseinheit eine durch ihren Aufbau vorgegebene Melodie (Soll-Melodie) – auswählbar aus mehreren in der Rückkopplungseinheit gespeicherten. Die ausgewählte, monophone Melodie gibt den Soll-Wert für den Luftdruck vor. Zum anderen erzeugt die Rückkopplungseinheit eine zweite Stimme, deren Tonhöhe vom Ist-Wert des Luftdrucks bestimmt wird (Ist-Melodie). Die Übung besteht darin, so auszuatmen, dass die Ist-Melodie möglichst mit der Soll-Melodie zusammenfällt.
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Die Ausführung F unterscheidet sich von der Ausführung A nur durch die Rückkopplungseinheit: der dafür verwendete Personal Computer ist programmtechnisch anders eingerichtet. Wie schon in der Ausführung E spielt die Rückkopplungseinheit eine Soll-Melodie vor, während es die Aufgabe des Übenden ist, die Soll-Melodie möglichst zeitgleich und mit möglichst geringer Abweichung mit der Ist-Melodie nachzuspielen. Im Unterschied zur Ausführung E werden die Soll- und Ist-Werte jedoch auch noch in einem Verlaufsdiagramm wie in der Ausführung A dargestellt.
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Die Ausführung G ist der Ausführung D ähnlich. Die Rückkopplungseinheit ist jedoch programmtechnisch nunmehr so eingerichtet, dass durch den Zungendruck nicht die Größe des Objekts, sondern seine ”Feueraktivität” beeinflusst wird – durch anhaltenden und steigenden Zungendruck wird eine ”Waffe” des Objekts aufgeladen, die dann durch abrupten Abfall des Zungendrucks abgefeuert wird. Auf seinem Weg durch das Straßennetz begegnet das vom Übenden gesteuerte Objekt ”feindlichen” Objekten. Die Aufgabe des Übenden besteht darin, das Objekt innerhalb vorgegebener Zeit vom Start zum Ziel zu bewegen, ohne von der Straße abzukommen oder feindliche Objekte zu berühren, wobei eine Berührung entweder durch Ausweichen oder durch Zerstörung der feindlichen Objekte vermieden werden kann. Ein feindliches Objekt wird zerstört, indem die ”Waffe” auf dieses abgefeuert wird.
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Neben den hier dargestellten Ausführungen sind viele weitere Ausführungen möglich, insbesondere, wenn als Rückkopplungseinheit ein Personal Computer verwendet wird. Durch entsprechende programmtechnische Einrichtung lassen sich viele verschiedene Ausführungen realisieren. Insbesondere kann in den bereits beschriebenen Ausführungen beliebig getauscht werden, Werte welcher Sensoren (Luftdruck, Lippendruck, Zungendruck) für Steuerung welcher Eigenschaften (wie Flughöhe, Objektgröße, Auslenkung des Lenkrades, Laden und Abfeuern einer ”Waffe”) des virtuell kontrollierten Objekts (Wagen, Flugzeug, Spielfigur) benutzt werden. So könnte die Ausführung C dadurch abgewandelt werden, dass der Lippendruck die Fahrtrichtung und der Luftdruck die Fahrtgeschwindigkeit bestimmt.
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Alle Ausführungen können um eine Gesamterfolgskontrolle erweitert werden. Das heißt, dass nicht nur die momentane Abweichung des Ist-Wertes vom Soll-Wert (bzw. Soll-Wert-Bereich) während der Übung sichtbar, hörbar, allgemeiner ausgedrückt – erfahrbar ist, sondern der Gesamterfolg einer durchgeführten Übung als Zahl ausgedrückt wird. Zum Beispiel kann in der Ausführung A die Abweichung des Ist-Werts vom Soll-Wert über die gesamte Übungszeit aufsummiert werden. Je niedriger dieser Wert, desto erfolgreicherer der Übende. Dieser Wert kann nach jeder Übungsdurchführung berechnet, angezeigt und gespeichert werden, so dass der Erfolg der Therapie sichtbar wird. Anhand der erzielten Erfolgswerte kann ein bestimmter Therapie-Verlauf empfohlen werden, etwa die häufigere oder seltenere Durchführung der Übungen oder – angelehnt an die in den Computerspielen benutzten Motivationsprinzipien – das Wechseln in einen schwierigeren Level.