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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum automatischen Auswählen einer Hörsituation für ein Hörhilfegerät sowie eine Vorrichtung und ein System zur Ausführung des Verfahrens.
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Hörhilfegeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörhilfegeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
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Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein akustoelektrischer Wandler, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinrichtung integriert. Die Energieversorgung erfolgt üblicherweise durch eine Batterie oder einen aufladbaren Akkumulator.
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Um einem Träger eines Hörhilfegeräts ein möglichst gutes Hörerlebnis zu vermitteln, ist es üblich, für bestimmte Hörsituationen Einstellungen in dem Hörgerät zu optimieren und diese in dem Hörgerät zu speichern, sodass der Träger diese Einstellungen bei Bedarf durch einen Bedienvorgang abrufen kann. Dazu ist es jedoch erforderlich, dass der Träger die vorbereiteten Hörsituationen kennt und weiß, wie er diese abzurufen hat.
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Um dieses Problem zu umgehen und auch für einen unerfahrenen Träger den Nutzen des Hörhilfegeräts zu erhöhen, wird unter anderem auch die akustische Umgebung mittels der Mikrofone erfasst und ausgewertet, um automatisch bestimmte Hörsituationen zu erkennen und entsprechende Einstellungen vorzunehmen. Dieses Verfahren trifft aber auf Probleme, wenn sich die akustischen Verhältnisse innerhalb eines Szenarios häufig ändern, z.B. indem eine wechselnde Anzahl unterschiedlicher Schallquellen auftreten.
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Aus der Patentschrift
EP 1698908 B1 ist es weiterhin bekannt, bestimmten geographischen Positionen bestimmte Einstellungen fest zuzuordnen, sodass das Hörhilfegerät an der gleichen Position wieder die gleichen Einstellungen vornimmt.
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Aus der Offenlegungsschrift
DE 10 2005 006662 A1 ist es weiterhin bekannt, durch eine Ansteuervorrichtung, die die eigene räumliche Position erkennen kann, ortsabhängig der Position zugeordnete Einstellungen an unterschiedlichen Geräten vorzunehmen.
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Die Bestimmung der räumlichen Position ist dabei immer mit einem gewissen Fehler behaftet. Dabei ist es möglich, dass bereits ein geringer Fehler in der Position zu einem großen Unterschied in der akustischen Umgebung führen kann. So ist der Lärmpegel hinter einer Fensterscheibe in einem Restaurant wesentlich geringer als auf der Straße davor.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein verbessertes Verfahren zur Auswahl einer Hörsituation bereitzustellen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch eine Verfahren nach Anspruch 1, sowie eine Hörvorrichtung nach Anspruch 8, eine Positionsermittlungseinrichtung nach Anspruch 9 sowie ein System nach Anspruch 10 und ein Computerprogrammprodukt nach Anspruch 13.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum automatischen Auswählen einer Hörsituation, in der sich ein Hörhilfegerät befindet, ist von einem System aus einem Hörhilfegerät und einer Positionsermittlungseinrichtung ausführbar, welche in einem vorgegebenen Abstand zueinander angeordnet sind. Bevorzugter Weise sind beide am Körper eines Trägers angeordnet. Als Positionsermittlungseinrichtung ist dabei jede Einrichtung anzusehen, die eine geographische Position ermitteln kann. Dies können satellitengestützte Einrichtungen sein, die ein globales System wie GPS, GLONASS oder GALILEO nutzen, oder terrestrische Einrichtungen wie Mobilfunknetze oder WLAN-Kennungen. Vorteilhaft sind insbesondere Einrichtungen, die mehrere derartiger Verfahren zur Erhöhung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit nutzen. Denkbar sind auch autonome Positionsermittlungseinrichtungen, die zum Beispiel auf Trägheitsnavigation oder optische Erfassung der Umgebung beruhen. Insbesondere sind auch Smartphones mit entsprechenden Funktionen Positionsermittlungseinrichtungen im Sinne der Erfindung.
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Das erfindungsgemäße System weist Mittel auf, um akustische Information einer Umgebung aufzunehmen und zu verarbeiten. Diese Mittel können Teil des Hörhilfegeräts sein wie Mikrofon und Signalverarbeitungseinrichtung, aber auch ein Mikrofon und ein Prozessor in der Positionsermittlungseinrichtung bzw. dem Smartphone.
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Weiterhin weist das erfindungsgemäße System Mittel zum Austausch von Daten zwischen dem Hörhilfegerät und der Positionsermittlungseinrichtung auf. Dabei sind drahtlose Verbindungen über Bluetooth, induktive Kopplungen über Induktionsschleifen oder auch Kommunikation über Licht bzw. Infrarotes Licht denkbar. Bevorzugt sind dabei insbesondere energiesparende Verfahren und Protokolle, wie sie auch zur Kommunikation zwischen binauralen Hörhilfegeräten verwendet werden.
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Darüber hinaus weist das erfindungsgemäße System Mittel zum Zugriff auf geographische Daten auf. Als geographische Daten sind hier alle Daten zu verstehen, die zu einer geographischen Position Informationen bereitstellen, insbesondere zur Bebauung, umstehenden Gebäuden, Nutzung, Bepflanzung oder ähnliches, wie sie beispielsweise Karten oder digitalen Navigationsdiensten zu entnehmen sind. Diese Daten können als Mittel zum Zugriff in der Positionsermittlungseinrichtung oder dem Hörhilfegerät auf einem Speichermedium gespeichert sein, oder auch über eine geeignete Schnittstelle als Mittel über einen drahtlosen Datendienst abgefragt werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren weist den Schritt auf, eine geographische Position der Positionsermittlungseinrichtung durch die Positionsermittlungseinrichtung zu ermitteln. Dies kann beispielsweise durch einen GPS-Empfänger in der Positionsermittlungseinrichtung erfolgen.
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In einem weiteren Schritt werden mögliche erste Hörsituationen in einer Umgebung der ermittelten geographischen Position mittels geographischer Daten ermittelt. Dazu ist es denkbar, dass die Positionsermittlungseinrichtung Daten über WLAN, Mobilfunk oder einen anderen Dienst in einer Navigationsdatenbank abfragt und so ermittelt, ob sich zum Beispiel ein Restaurant, eine Kirche, ein öffentlicher Platz oder ein Stadion in unmittelbarer Umgebung befinden und jeweils geeignete Hörsituationen zuordnet, die in einem internen Speicher oder einer externen Datenbank abgelegt sind.
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In einem anderen Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens werden mögliche zweite Hörsituationen mittels akustisch erfasster Signale ermittelt. Beispielsweise kann das Hörhilfegerät mittels Mikrofon und Signalverarbeitungseinrichtung eine akustische Klassifikation der Hörsituation vornehmen. Es ist aber auch denkbar, dass dieser Schritt in der Positionsermittlungsvorrichtung, insbesondere dem Smartphone erfolgt.
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In einem weiteren Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten Hörsituationen oder eine Hörsituation aus den ersten Hörsituationen in Abhängigkeit von den zweiten Hörsituationen ausgewählt. Erfolgt sowohl die akustische Ermittlung der zweiten Hörsituationen als auch die Ermittlung der ersten Hörsituationen anhand der geographischen Daten in der Positionsermittlungseinrichtung, so ist es von Vorteil, wenn die Ergebnisse nicht zusätzlich übertragen werden müssen und die Auswahl der Hörsituation bereits in der Positionsermittlungseinrichtung erfolgt. Dabei ist es denkbar, dass im Sinne einer Gewichtung bzw. einer Fuzzy-Logik aus den akustisch ermittelten zweiten Hörsituationen die Hörsituation ausgewählt wird, die zu einer beispielsweise im Abstand von der ermittelten Position gewichteten ersten Hörsituation am besten übereinstimmende erste Hörsituation ausgewählt wird. Ebenso ist es denkbar, umgekehrt eine Hörsituation aus den ersten Hörpositionen unter Berücksichtigung der zweiten Hörsituationen auszuwählen.
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Werden die zweiten Hörsituationen anhand akustischer Signale in dem Hörhilfegerät ermittelt, so ist es möglich, die zweiten akustischen Hörsituationen als Ergebnis der Klassifikation an die Positionsermittlungseinrichtung über die Mittel zum Datenaustausch zu übertragen oder umgekehrt die ersten über die Position ermittelten Hörsituationen an das Hörhilfegerät. Es ist erfindungsgemäß folglich denkbar, den Schritt des Auswählens in dem Hörhilfegerät oder der Positionsermittlungseinrichtung vorzunehmen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren weist den Vorteil auf, dass durch ein Auswählen der Hörsituation unter Berücksichtigung von geographisch möglichen ersten Hörsituationen und akustisch denkbaren zweiten Hörsituationen korreliert wird und so eine unzutreffende Auswahl einer Hörsituation vermieden werden kann, die zum Beispiel durch einen unvermeidlichen Fehler in der Positionsbestimmung verursacht wird.
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Die unabhängigen Ansprüche zu einer Positionsermittlungseinrichtung nach Anspruch 9 sowie ein System nach Anspruch 10 und ein Computerprogrammprodukt nach Anspruch 13 betreffen eine Vorrichtungen bzw. System zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens und Teilen daher die Vorteile des Verfahrens.
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Das Hörhilfegerät nach Anspruch 8 betrifft insbesondere ein Hörhilfegerät, welches eine Positionsermittlungseinrichtung aufweist und dazu ausgelegt ist, eine geographischen Position des Hörhilfegeräts durch die Positionsermittlungseinrichtung zu ermitteln, mögliche erste Hörsituationen in einer Umgebung der bestimmten geographischen Position mittels geographischer Daten zu ermitteln, mögliche zweite Hörsituationen mittels akustisch erfasster Signale zu ermitteln, eine Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten Hörsituationen auszuwählen und zu der ausgewählten Hörsituation mindestens einen zu der ausgewählten Hörsituation vorbestimmten einstellbaren Signalverarbeitungsparameter in dem Hörhilfegerät einzustellen.
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Indem das erfindungsgemäße Hörhilfegerät selbst eine Positionsermittlungseinrichtung aufweist, ist auf vorteilhafte Weise keine energieverbrauchende Kommunikation, insbesondere drahtlos, zu einer externen Einheit erforderlich.
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Die Positionsermittlungseinrichtung nach Anspruch 9 weist Mittel auf, um akustische Information einer Umgebung aufzunehmen. Dabei ist die Positionsermittlungseinrichtung ausgelegt, eine geographischen Position der Positionsermittlungseinrichtung zu ermitteln, mögliche erste Hörsituationen in einer Umgebung der bestimmten geographischen Position mittels geographischer Daten zu ermitteln, mögliche zweite Hörsituationen mittels akustisch erfasster Signale zu ermitteln, eine Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten Hörsituationen oder eine erste Hörsituation in Abhängigkeit von den zweiten Hörsituationen auszuwählen und zu der ausgewählten Hörsituation vorbestimmten Einstellungen an das Hörhilfegerät zu übermitteln.
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Auf vorteilhafte Weise ist eine erfindungsgemäße Positionsermittlungseinrichtung geeignet, eine Hörsituation gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren zu bestimmen, ohne dass das Hörhilfegerät dazu besondere Vorkehrungen aufweisen muss. Daher kann die Positionsermittlungseinrichtung mit jedem Hörhilfegerät, dessen Signalverarbeitungsparameter fernsteuerbar sind, das erfindungsgemäße Verfahren ausführen.
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Weitere vorteilhafte Fortbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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In einer denkbaren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist diese weiterhin den Schritt des Einstellens von mindestens einem zu der ausgewählten Hörsituation vorbestimmten einstellbaren Signalverarbeitungsparameter in dem Hörhilfegerät auf.
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So ist es möglich, ohne Interaktion des Trägers automatisch eine Anpassung der Hörgeräteparameter an die ausgewählte Hörsituation vorzunehmen.
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In einer anderen möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens umfasst dieses bei dem Schritt des Ermittelns der geographischen Position weiterhin das Ermitteln einer Geschwindigkeit, mit der sich die Positionsermittlungseinrichtung bewegt.
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Anhand der Geschwindigkeit kann auf vorteilhafte Weise unterschieden werden, ob sich der Träger am Ort einer Straße zu Fuß bewegt oder in einem Auto fährt und so zwischen gänzlich unterschiedlichen Hörsituationen am gleichen Ort differenziert werden.
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In einer denkbaren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt der Schritt des Auswählens einer Hörsituation weiterhin in Abhängigkeit von einer Uhrzeit an der ermittelten geographischen Position.
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Dies bietet dem Nutzer den Vorteil, dass zum Beispiel an einer Hauptverkehrsstraße zu Zeiten des Stoßverkehrs andere Signalverarbeitungsparameter automatisch eingestellt werden können als während der Nacht.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens weist das Verfahren weiterhin den Schritt auf, eine Einstellung durch einen Träger des Hörhilfegeräts in Verbindung mit der ausgewählten Hörsituation zu speichern und bei einem wiederholten Schritt des Auswählens die Hörsituation zusätzlich in Abhängigkeit von der gespeicherten Einstellung auszuwählen.
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So ist es bei dem erfindungsgemäßen Verfahren auch vorteilhafterweise möglich, die Signalverarbeitungsparameter den Wünschen des Trägers anzupassen und ein „lernendes“ System bereitzustellen.
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In einer denkbaren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Schritt des Ermittelns möglicher erster Hörsituationen durch die Positionsermittlungseinrichtung ausgeführt und die Positionsermittlungseinrichtung übermittelt die ermittelten ersten Hörsituationen an das Hörhilfegerät.
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So kann vorteilhafterweise vermieden werden, dass das Hörhilfegerät Daten senden muss, was einen erheblichen Energieverbrauch verursacht.
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In einer weiteren möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist die Positionsermittlungseinrichtung Mittel auf, um akustische Information einer Umgebung aufzunehmen. So wird es der Positionsermittlungseinrichtung ermöglicht, die Schritte des Ermittelns möglicher erster Hörsituationen in einer Umgebung der bestimmten geographischen Position mittels geographischer Daten, des Ermittelns möglicher zweiter Hörsituationen mittels akustisch erfasster Signale und Auswählens einer Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten Hörsituationen oder Auswählen einer ersten Hörsituation in Abhängigkeit von den zweiten Hörsituationen auszuführen und zu der ausgewählten Hörsituation vorbestimmten Einstellungen an das Hörhilfegerät zu übermitteln.
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Indem die Positionsermittlungseinrichtung selbst akustische Signale aufnimmt und zweite Hörsituationen ermittelt, wird es auf vorteilhafte Weise möglich, durch eine geeignete Positionsermittlungseinrichtung, insbesondere einem Smartphone mit geeignetem Computerprogrammprodukt bzw. App das erfindungsgemäße Verfahren mit einem beliebigen, durch eine Fernsteuerung einstellbarem Hörhilfegerät auszuführen.
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Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang mit den Zeichnungen näher erläutert werden.
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Es zeigen:
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1 eine schematische Darstellung der logischen Funktionsblöcke einer möglichen Ausführungsform des Systems;
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2 eine schematische Darstellung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Systems und weiterer für das erfindungsgemäße Verfahren notwendige oder hilfreiche Dienste und Einheiten;
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3 eine schematische Darstellung einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Systems;
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4 eine schematische Darstellung eines Ablaufs eines erfindungsgemäßen Verfahrens
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5 mögliche Entscheidungskriterien in dem erfindungsgemäßen Verfahren und deren Zusammenhänge und
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6 ein Beispiel für geografische Daten.
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1 zeigt logische Funktionsblöcke, die zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in einem erfindungsgemäßen System vorhanden sind.
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Dabei handelt es sich zunächst um ein Hörhilfegerät 10, das zur Versorgung einer Person mit reduziertem Hörvermögen geeignet ist. Das Hörhilfegerät 10 weist eine Signalverarbeitung 13 auf, die durch mindestens einen Parameter in ihren Eigenschaften in Bezug auf eine Verarbeitung eines einfallenden akustischen Signals zu einem an den Träger ausgegebenen akustischen Signal einstellbar ist.
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Ein weiterer Funktionsblock ist eine Positionsermittlungseinrichtung 20, welche ausgelegt ist, positionsbezogene Signale aufzunehmen und anhand der positionsbezogenen Signale eine aktuellen geographische Ort zu bestimmen, an dem sie sich befindet.
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Ein anderer Funktionsblock ist eine Klassifizierungseinrichtung 30 als Mittel, um akustische Information einer Umgebung, in der sich das System bzw. dessen Träger befindet, aufzunehmen und zu verarbeiten. Denkbar ist auch, dass die Klassifizierungseinrichtung 30 akustische Signale von einer anderen Einrichtung, beispielsweise dem Hörhilfegerät 10 oder einem Mikrofon 71 einer anderen Einheit des Systems 100 erhält.
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Ein weiterer Funktionsblock ist eine Signalübertragungseinrichtung 40, die als ein Mittel zum Austausch von Daten zwischen dem Hörhilfegerät und der Positionsermittlungseinrichtung dient.
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Darüber hinaus sind als Funktionsblock geographische Datenbank 50 Mittel zum Zugriff auf geographische Daten vorgesehen.
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Schließlich ist ein Funktionsblock Steuerung 60 vorgesehen, der zur Steuerung des erfindungsgemäßen Verfahrens dient und die Zusammenarbeit der Funktionsblöcke 10, 20, 30, 40, 50 steuert.
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Dabei ist es denkbar, dass die genannten Funktionsblöcke 10, 20, 30, 40, 50, 60 einzeln oder gemeinsam in verschiedenen Hardwareeinheiten realisiert sind oder als externe Dienste von dem erfindungsgemäßen System 100 in Anspruch genommen werden. Insbesondere ist es auch möglich, dass einzelne Funktionsblöcke über mehrere Hardwareeinheiten verteilt sind.
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2 eine beispielhafte Möglichkeit, wie die Funktionsblöcke in einem erfindungsgemäßen System auf Hardwareinheiten verteilt sein können.
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Das zentrale Element dieser denkbaren Ausführungsform ist neben dem Hörhilfegerät 10 das Kommunikationsgerät 70, das beispielsweise ein Smartphone mit einer geeigneten Applikation bzw. Computerprogramm, auch App genannt, sein kann. Das Kommunikationsgerät 70 weist als zentrale Steuerung 60 einen Prozessor auf, der ein Betriebssystem aus einem Programmspeicher zur Bereitstellung grundlegender Funktionen wie eine Bedienschnittstelle und Kommunikationsschnittstellen ausführt. Weiterhin ist ein Programm in den Programmspeicher geladen und wird von dem Prozessor ausgeführt, wobei das Computerprogramm das erfindungsgemäße Verfahren ausführt.
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Das Kommunikationsgerät weist eine Positionsermittlungsvorrichtung 20, beispielsweise einen GPS-Empfänger auf, der mittels Signalen von GPS-Satelliten 210 eine geographische Position auf der Erde ermittelt. Auch andere Satellitensysteme wie GLONASS oder GALILEO sind denkbar oder eine terrestrische Positionsermittlung über WLAN-Accesspunkte, Mobilfunkortung oder örtliche Baken, z.B. auf Bluetooth-Basis, die eine geographische Position vermitteln.
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Das Kommunikationsgerät 70 weist auch ein Mikrofon 71 auf, das ein Audiosignal der akustischen Umgebung an die Klassifizierungseinrichtung 30 überträgt, die wiederum eine Klassifikation der akustischen Umgebung an die Steuerung 60 übermittelt. Eine Klassifikation kann beispielsweise anhand des Spektrums, räumlicher oder zeitlicher Verteilung der akustischen Signale erfolgen.
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Das Kommunikationsgerät 70 hat über ein Zugriffsmittel 50 Zugriff auf geographische Daten 221, die zu der geographischen Position ergänzend Informationen zu den Eigenschaften der Umgebung der ermittelten Position bieten. Dies können Kartendaten über Gebäude, Straßen, Wald in der Umgebung sein, aber auch zusätzliche Informationen über die Nutzung der Gebäude wie Angaben zu Restaurants, Stadien, Sehenswürdigkeiten oder Firmen sein. Als Zugriffsmittel 50 sind alle drahtlosen Techniken für einen Datenzugang wie Mobilfunk oder WLAN auf derartige Daten oder Datenbanken denkbar Dabei kann das Zugriffsmittel 50 auch der Kommunikation mit der Signalübertragungseinrichtung 40 oder dem Hörhilfegerät 10 verwendet werden. Möglich ist aber auch, dass das Zugangsmittel 50 eine lokal auf dem Kommunikationsgerät gespeicherte Datenbank 220 ist, die entsprechende geographische Daten 221 enthält.
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Über eine Signalübertragungseinrichtung 40 besteht eine Datenverbindung zwischen dem Hörhilfegerät 10 und dem Kommunikationsgerät 70. Diese kann wie dargestellt durch eine externe Signalübertragungseinrichtung 40 erfolgen, die auf der einen Seite über einen Standard wie WLAN oder Bluetooth mit dem Kommunikationsgerät 70 kommuniziert und auf der anderen Seite zu dem Hörhilfegerät 10 einen proprietären Standard verwendet, der einen geringen Energieverbrauch im Hörhilfegerät 10 erfordert. Übertragen werden zum einen Einstellungen von Parametern von der Steuerung 60 zu dem Hörhilfegerät 10, es können aber in umgekehrter Richtung auch Einstellungen des Nutzers an dem Hörhilfegerät an die Steuerung 60 übermittelt werden. Denkbar ist auch die Übertragung akustischer Daten zur Klassifizierung in dem Kommunikationsgerät oder von Klassifizierungsdaten von dem Hörhilfegerät an das Kommunikationsgerät 70, sodass die Klassifizierungseinrichtung 30 in dem Kommunikationsgerät 70 entfallen kann.
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Denkbar ist es, dass keine externe Signalübertragungseinrichtung 40 vorhanden ist, sondern dass diese beispielsweise bereits durch eine Bluetooth-Schnittstelle, z.B. als Zugriffsmittel 50, in dem Kommunikationsgerät 70 implementiert ist, wenn das Hörhilfegerät 10 ebenfalls zur Datenübertragung mittels Bluetooth geeignet ist.
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3 stellt eine andere Ausführungsform mit den gerade beschriebenen Varianten dar. Dabei ist es nicht notwendig, dass alle geänderten Merkmale der 4 gleichzeitig angewendet werden. Es sind auch Mischformen, z.B. aus 3 und 4 denkbar.
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In der 3 sind Details des Hörhilfegeräts 10 angegeben. So weist dieses ein Mikrofon 11 und einen Hörer 12 auf, sowie eine Signalverarbeitung 13 und eine Energieversorgung 14. In der Signalverarbeitung 13 sind als Funktionsblock eine Klassifizierungseinrichtung 30 und ein Teil der Steuerung 60b des Systems 100 realisiert. Der Datenaustausch zwischen der Steuerung 60b in dem Hörhilfegerät 10 und der Steuerung 60a in dem Kommunikationsgerät 70 erfolgt über eine drahtlose Schnittstelle 15, die beispielsweise durch Bluetooth realisiert ist. Die Funktion der Steuerung 60 ist zwischen Hörhilfegerät 10 und Kommunikationsgerät 70 in den Steuerungen 60a, 60b aufgeteilt.
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Anstelle der Signale eines GPS-Satelliten 210 treten mehrere Positions-Baken 230, die in der Umgebung des Systems 100 verteilt sind und ihre jeweilige Position aussenden. Derartige Positions-Baken 230 können beispielsweise über Bluetooth, WLAN oder einen Mobilfunkstandard realisiert sein. Der Empfang ist energiesparender realisierbar und könnte daher auch in einem Hörhilfegerät 10 ausgeführt werden.
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Schließlich ist die geographische Datenbank 220 lokal auf dem Kommunikationsgerät 70 gespeichert, sodass der Zugriff schnell ohne externes Datennetz erfolgen kann.
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Über die zu 3 beschriebene Ausführungsform hinaus wäre es schließlich auch denkbar, dass alle Funktionen des Systems 100 in dem Hörhilfegerät 10 realisiert sind, insbesondere wenn eine stromsparende Variante der Positionsermittlungseinrichtung 20 verwendet wird.
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4 zeigt eine schematische Darstellung eines Ablaufs eines erfindungsgemäßen Verfahrens. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren befinden sich das Hörhilfegerät 10 und die Positionsermittlungsvorrichtung 20 nahe beieinander, beispielsweise am Körper des Trägers des Hörhilfegeräts, in einem Abstand von weniger als 3 Metern, 2 Metern oder einem Meter.
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In einem Schritt S10 ermittelt die Positionsermittlungseinrichtung 20 eine geographische Position der Positionsermittlungseinrichtung 20. Wie bereits zu den 2 und 3 erläutert, kann dies durch unterschiedliche satellitengesteuerte oder erdgebundene Methoden erfolgen.
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In einem Schritt S20 ermittelt das System 100 mögliche erste Hörsituationen in einer Umgebung der ermittelten geographischen Position mittels geographischer Daten 221. Beispielsweise kann die Steuerung 60 von der Positionsermittlungseinrichtung 20 ermittelte geographische Position über ein Zugriffsmittel 50 an eine geographische Datenbank 220 senden und dann von dieser geographische Daten 221 zu der Position erhalten, die Gebäude oder anderes in der Umgebung der geographischen Position beschreiben. Ist die geographische Datenbank 220 Teil des Kommunikationsgeräts 70, so ist das Zugriffsmittel 50 beispielsweise ein Datenbus des Kommunikationsgeräts. Ist die Datenbank zentral auf einem Server gespeichert so kann das Zugriffsmittel ein Mobilfunknetz oder WLAN und das Internet sein. Befindet sich die ermittelte Position in einem Restaurant, so ist zum Beispiel eine Hörsituation „Gespräch“ geeignet. Da die geographische Position aber nur mit einer gewissen Unsicherheit bestimmbar ist, ist es auch möglich, dass mehrere Hörsituationen wie „auf der Straße“ oder „Gespräch im Restaurant“ denkbar sind. In einem derartigen Fall sind die ersten Hörsituationen „auf der Straße“ und „Gespräch im Restaurant“. Näheres wird nachfolgend in Verbindung mit den 5 und 6 erläutert.
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In einem Schritt S30 werden mögliche zweite Hörsituationen mittels akustisch erfasster Signale ermittelt. Zum Beispiel erfasst die Klassifizierungseinrichtung 30 der 2 über das Mikrofon 71 den Umgebungsschall und wertet ihn nach verschiedenen möglichen Kriterien aus. Dazu kommen Lautstärke, sowie spektrale, temporale und spatiale Verteilung in Frage, letzteres erfordert gerichtete Mikrofone. Anhand dieser Kriterien lassen sich mit einer gewissen Unsicherheit akustische Hörsituationen bestimmen.
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In einem Schritt S40 werden die Ergebnisse der Schritte S20 und S30 zusammengeführt. Durch logische Verknüpfung der ersten, geographisch ermittelten Hörsituationen mit den zweiten, akustisch ermittelten Hörsituationen wählt die Steuerung 60 eine Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten ermittelten Hörsituationen aus. Dabei können Methoden der Fuzzy-Logik oder andere Verfahren Anwendung finden. Grundsätzlich ist es im Rahmen der Erfindung auch denkbar, dass aus den ersten Hörsituationen in Abhängigkeit von den zweiten Hörsituationen eine Hörsituation ausgewählt wird. Jedoch ist es aufgrund der akustischen Ermittlung der zweiten Hörsituationen wahrscheinlicher, dass diese nicht grob von der realen Hörsituation abweichen.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens wird in einem Schritt S50 mindestens einer zu der ausgewählten Hörsituation vorbestimmter einstellbarer Signalverarbeitungsparameter in dem Hörhilfegerät eingestellt. Beispielsweise kann bei den Ausführungsformen der 2 die Steuerung 60 in dem Kommunikationsgerät 70 über die Signalübertragungseinrichtung 40 Daten zu dem einzustellenden Signalparameter an die Signalverarbeitung 13 des Hörhilfegeräts 10 übertragen, die dann diese Einstellung vornimmt.
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In einer möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ermittelt dieses in Schritt S10 mit der geographischen Position weiterhin eine Geschwindigkeit, mit der sich die Positionsermittlungseinrichtung 20 bewegt. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass die geographische Position durch die Positionsermittlungseinrichtung an zwei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten ermittelt wird und durch eine Differenz der Positionen und eine Zeitdifferenz der aufeinanderfolgenden Zeitpunkte ein Geschwindigkeitsvektor oder dessen Betrag ermittelt wird.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens erfolgt in Schritt S40 das Auswählen einer Hörsituation weiterhin in Abhängigkeit von einer Uhrzeit an der ermittelten geographischen Position. Beispielsweise kann die Uhrzeit von der Steuerung 60 oder der Positionsermittlungseinrichtung 20 aus dem GPS-Signal ermittelt werden. Bei der gleichen geographischen Position können sich je nach der aktuellen Uhrzeit ganz unterschiedliche Hörsituationen einstellen. So kann beispielsweise die Lautstärke des Verkehrs in der Nacht wesentlich geringer als im Berufsverkehr sein.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens wird eine Einstellung durch den Träger des Hörhilfegeräts in Verbindung mit der ausgewählten Hörsituation gespeichert. Bei einem wiederholten Schritt S40 des Auswählens wählt die Steuerung 60 die Hörsituation zusätzlich in Abhängigkeit von der gespeicherten Einstellung aus. Beispielsweise kann die ausgewählte Hörsituation wieder in gleicher Weise durch die Einstellung modifiziert sein. Es ist aber auch denkbar, dass eine andere Hörsituation ausgewählt wird, die der von dem Träger durch die Einstellung modifizierten Hörsituation besser entspricht.
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5 zeigt mögliche Entscheidungskriterien in dem erfindungsgemäßen Verfahren und deren Zusammenhänge. Die Erläuterungen zu 5 beziehen sich auf geografische Daten 221, wie sie beispielsweise in der Karte der 6 dargestellt sind.
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In Schritt S10 wird eine geographische Position P10 der Positionsermittlungseinrichtung 20 ermittelt. Eine derartige Positionsbestimmung ist immer mit einem Fehler P11 behaftet. Bei Satellitennavigation im zivilen Bereich beträgt ein üblicher Fehler mehrere Meter. Dementsprechend sind aus der geographischen Datenbank 220 geographische Daten 221 nicht nur zu einer genauen geographischen Position P10, sondern aus einer Umgebung zu ermitteln, die den Bereich des Fehlers P11 einschließt.
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In 6 ist eine Karte dargestellt, die geographische Daten 221 zu Geschäften, Gebäuden und Verkehrswegen angibt. Die geografische Position P10 stellt die durch die Satellitenortung bestimmte Position dar, wobei diese mit einem Positionsfehler P11 behaftet ist, der durch einen Kreis dargestellt ist.
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Es stehen daher mehrere akustische Umgebungen aus den geographischen Daten 221 zur Auswahl, die sich aus einem möglichen Aufenthalt innerhalb des durch den Fehler P11 und die Position P10 bestimmten Bereichs ergeben. Dies ist beispielsweise eine Hörsituation auf einem freien Platz mit Verkehrslärm, eine Hörsituation in einem Kaffe mit Musik und lauten Gesprächen oder in einem Restaurant mit leiser Umgebung. Für den Schritt S40 einer Auswahl können alle diese möglichen Situationen gleichberechtigt zur Auswahl stehen. Es ist aber auch denkbar, dass die Situationen im Sinne einer Fuzzy-Logik mit Gewichtungsfaktoren belegt werden, die beispielsweise umgekehrt proportional zum Abstand von der Position P10 ist. Dabei kann es von Vorteil sein, wenn die Gewichtungsfaktoren in Summe den Wert 1 ergeben.
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In Schritt S30 ist es auf die gleiche Weise möglich, die zweiten, akustisch ermittelten Hörsituationen mit einer Wahrscheinlichkeit zu gewichten.
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In Schritt S40 könnte dann beispielsweise die Kombination der ersten Hörsituation und der zweiten Hörsituation ausgewählt werden, deren Gewichtungsfaktoren in Summe oder Produkt den größten Wert aufweisen.
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Denkbar ist es aber auch, erste Hörsituationen von vorne herein auszuschließen, die nicht zu einer ermittelten zweiten akustischen Hörsituation kompatibel sind.
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Es bestehen darüber hinaus noch beliebige andere Möglichkeiten im Sinne der vorliegenden Erfindung, eine Hörsituation aus den zweiten Hörsituationen in Abhängigkeit von den ersten Hörsituationen oder umgekehrt zu ermitteln.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 1698908 B1 [0006]
- DE 102005006662 A1 [0007]