DE10018518A1 - Verfahren und Vorrichtung zur Induktion von Erregbarkeitsänderungen des Gehirns eines Lebewesens - Google Patents
Verfahren und Vorrichtung zur Induktion von Erregbarkeitsänderungen des Gehirns eines LebewesensInfo
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- A61N1/36014—External stimulators, e.g. with patch electrodes
- A61N1/36025—External stimulators, e.g. with patch electrodes for treating a mental or cerebral condition
Abstract
Bei einem Verfahren und einer Vorrichtung zur Induktion von Erregbarkeitsänderungen des Gehirns eines Lebewesens wird das Gehirn durch Gleichstrom stimuliert. Die Stromstärke und/oder die Zeitdauer des Stromflusses wird so groß gewählt, dass sich ein Neuroplastizitätseffekt einstellt.
Description
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Induktion von Erreg
barkeitsänderungen des Gehirns eines Lebewesens nach dem O
berbegriff des Anspruchs 1 und eine Vorrichtung zur Induktion
von Erregbarkeitsänderungen des Gehirns eines Lebewesens nach
dem Oberbegriff des Anspruchs 9.
Aus der Veröffentlichung Priori, A., Berardelli, A., Accorne
ro, N. und Manfredi, M. Neuroreport 9, 2257-2260 (1998) ist
eine Studie bekannt, durch Stimulation des menschlichen Mo
tor-Cortex mit Gleichstrom einer Stromstärke kleiner 0,5 mA
und einer Zeitdauer von 7 sec sowie einer Stimulation durch
magnetische Felder eine Erregbarkeitsänderung hervorzurufen.
Dabei wurde herausgefunden, dass eine Stromstärke kleiner 0,
5 mA mit wechselnder anodischer und kathodischer Polarität zu
einer wesentlichen Verminderung der Erregbarkeit des mensch
lichen Motor-Cortex führt.
Die Veränderung der Erregbarkeit ist auf eine Verschiebung
des Ruhemembranpotentials der Nervenzellen zurückzuführen.
Dieses beträgt in der Regel etwa -70 mV. Durch Erhöhung des
Ruhemembranpotentials wird eine Hemmung der Erregbarkeit,
durch eine Verminderung des Potentials eine Steigerung der
Erregbarkeit erzielt.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Erregbarkeitsände
rungen zu erzielen, die über die Dauer der Stimulation hinaus
anhalten.
Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren nach dem Oberbegriff
des Anspruchs 1 durch die Merkmale dieses Anspruchs und bei
einer Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 9 durch
die Merkmale jenes Anspruchs gelöst.
Weiterbildung und vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung
ergeben sich aus den Unteransprüchen.
Bisher konnten lediglich anhaltende neuronale Veränderungen
an Nervenzellen des zentralen Nervensystems festgestellt wer
den, die durch länger andauernde Nervenreize, chemische Sub
stanzen oder auch durch elektrische Stimulation ausgelöst
wurden. Überraschend wurde nun herausgefunden, daß sich auch
im Bereich des Gehirns eines Lebewesens Erregbarkeitsänderun
gen erzielen lassen, die über die Dauer der Stimulation durch
einen elektrischen Stromes hinausgehen können. Während bei
der bekannten vorerwähnten Studie dieser Effekt jedoch nicht
nachgewiesen werden konnte, wurde herausgefunden, daß bei ei
ner deutlich längeren Applikationsdauer als 7 sec und beson
ders auch einer höheren Stromstärke als < 0,5 mA eine Verlän
gerung der Erregbarkeit erzielt werden kann. Diese Verlänge
rung der Erregbarkeit übersteigt die Applikationsdauer um ein
Vielfaches. Es konnten bisher Neuroplastizitätseffekte von
mehreren Stunden bis zu mehreren Tagen nachgewiesen werden.
Erfindungsgemäß wird ein Gleichstrom einer Stromstärke die
weder einen dauerhaft schädigenden Einfluß auf das Gewebe
ausübt, noch vom Lebewesen als Belästigung empfunden wird,
über einen ausreichend langen Zeitraum appliziert, worauf hin
der Neuroplastizitätseffekt eintritt. Als Neuroplastizität
wird allgemein eine anhaltende neuronale Veränderung, hier
eine Veränderung der Erregbarkeit bezeichnet.
Damit eröffnen sich Möglichkeiten, bei einem gesunden Lebe
wesen Lern- und Reaktionsvorgänge zu beeinflussen, z. B. in
Grenzen zu steigern, oder zu reduzieren oder auch bei kranken
Lebewesen Fehlfunktionen zumindest vorübergehend zu dämpfen,
zu korrigieren oder auch zu beseitigen.
So lassen sich bei gesunden Lebewesen in psychologischen An
sätzen Hirnfunktionen beeinflussen und unter Ausschaltung o
der Aktivierung ausgewählter Hirnregionen Verhaltensuntersu
chungen vornehmen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht
in der Entwicklung und der Erprobung der Wirksamkeit von neu
en Medikamenten. Schließlich sind auch Einsatzmöglichkeiten
im Bereich der Stützung des Gedächtnisses gegeben.
Als behandelbare Störungen können z. B. Epilepsie, Schlagan
fall oder Bewegungsstörungen angesehen werden.
Die Anwendung von elektrischen Reizen ermöglicht eine lokale
Anwendung und vermeidet damit Nebenwirkungen, wie sie Medika
mente in den meisten Fällen zeigen, die über das Gefäßsystem
des Lebewesens zugeführt werden. Darüber hinaus kommt die An
wendung von elektrischen Reizen auch ohne oder mit nur gerin
gen und selten vorzunehmenden Eingriffen in den Körper des
Lebewesens aus.
Vorzugsweise wird die Stromstärke zwischen 0,2 mA und 4 mA
und die Zeitdauer < 1 min bemessen. Diese Bemessungsangaben
wurden durch Testreihen ermittelt, bei denen sich ein Neuro
plastizitätseffekt einstellte. In der Praxis werden Bereiche
bevorzugt, die zwischen 0,5 mA und 3 mA Stromstärke liegen
und eine Zeitdauer von < 3 min umfassen.
Es handelt sich hier um Werte, die auch bei mehrfacher Anwen
dung keine Schäden des Gewebes erwarten lassen und außerdem
auch nicht eine direkte Nervenreizung auslösen oder als unan
genehm empfunden werden.
Die Stimulation mit Gleichstrom kann im Inneren des Gehirns,
unter dem Schädelknochen, unter der Kopfhaut oder außen an
der Kopfhaut vorgenommen werden. Je nach der Art der Zufüh
rung ergibt sich eine eher globale oder eher lokale Einfluß
nahme auf die Gehirnregionen.
Die Stimulation kann lokal an einer Gehirnregion oder an meh
reren Gehirnregion vorgenommen werden, deren Erregbarkeit ge
dämpft oder gesteigert werden soll. Zur Behandlung einer Stö
rung kann dies diejenige Hirnregion sein, die in einer vorangegangenen
Untersuchung als Ursprung einer zu behandelnden
Störung identifiziert wurden.
Es ist dann eine lokal sehr begrenzte Stimulation möglich,
die für die Zielregion hochwirksam ist, benachbarte Regionen
aber weitgehend unbeeinflusst lässt und schont.
Gemäß einer Weiterbildung der Erfindung kann die Stimulation
zur Blockade eines epileptischen Anfalls vorgenommen und ab
hängig vom Ergebnis einer Prognose eines bevorstehenden An
falls gesteuert werden.
Durch die Stimulation lassen sich Hemmungen der Erregbarkeit
von regionalen Gehirnregionen erzielen, in denen anfallartige
Zustände als Folge synchronisierter neuronaler Entladungen in
kortikalen zerebralen Strukturen ihren Ursprung haben. Der
Vorteil der Stimulation mit Gleichstrom besteht in einer so
fort einsetzenden Wirkung durch die Verschiebung des Ruhe
membranpotentials der beteiligten Gehirnzellen, die auch nach
Abschalten der Stimulation noch eine Zeit andauert.
Vorzugsweise wird die Prognose eines bevorstehenden Anfalls
durch Auswertung von Hirnstromkurven vorgenommen. Hier zeigt
sich nämlich eine Zunahme der Korrelation der an unterschied
lichen Regionen gemessenen Hirnstromkurven als Vorbote eines
epileptischen Anfalls, wodurch eine Auswertekriterium gegeben
ist.
Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbei
spiels erläutert, das in der Zeichnung dargestellt ist.
Die Zeichnung zeigt eine Prinzipskizze einer erfindungsgemä
ßen Vorrichtung. Diese umfasst eine steuerbaren Stromquelle
10 mit Elektroden 12, 14, 16 und eine Steuervorrichtung 18.
Die Elektroden 12, 14, 16 sind am Kopf 20 eines Menschen auf
der Kopfhaut befestigt. Eine gemeinsame Basiselektrode 12 be
findet sich über einem Auge, zwei als Kathoden dienende E
lektroden 14, 16 befinden sich über den Hirnlappen.
Die steuerbare Stromquelle 10 liefert bei Ansteuerung einen
Gleichstrom, der zwischen 0,5 mA und 3 mA variiert werden
kann. Die Zeitdauer der Applikation von vorzugsweise < 3 min
und die gewählte Höhe der Stromstärke wird durch die Steuer
vorrichtung 18 bestimmt.
Durch die Zuordnung der Polarität der Elektroden 14, 16 als
Kathoden wird eine Verminderung der Erregbarkeit der betref
fenden Bereiche des Gehirns erreicht. Diese Wirkung kann aus
genutzt werden, um einem sich anbahnenden Epilepsieanfall zu
begegnen.
Für diesen Anwendungsfall kann die Vorrichtung durch eine
Auswertevorrichtung 22 für Hirnstromkurven ergänzt werden.
Bei Auftreten eines Kriteriums als Vorbote eines epilepti
schen Anfalls kann dann gezielt die Steuervorrichtung 18 zur
Abgabe entsprechender Signale an die steuerbare Stromquelle
10 veranlasst werden, während in einem anderen anfalllosen
Zeitraum keine Stimulierung erforderlich wird.
Claims (16)
1. Verfahren zur Induktion von Erregbarkeitsänderungen des
Gehirns eines Lebewesens durch Stimulation mit Gleichstrom,
der dem Gehirn appliziert wird, dadurch gekennzeichnet, dass
die Stromstärke und/oder die Zeitdauer des Stromflusses so
groß gewählt wird, dass sich ein Neuroplastizitätseffekt ein
stellt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
die Stromstärke zwischen 0,2 mA und 4 mA und die Zeitdauer <
1 min bemessen wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
die Stromstärke zwischen 0,5 mA und 3 mA und die Zeitdauer <
3 min bemessen wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch ge
kennzeichnet, dass die Stimulation mit Gleichstrom im inneren
des Gehirns, unter dem Schädelknochen, unter der Kopfhaut o
der außen an der Kopfhaut vorgenommen wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch ge
kennzeichnet, dass die Stimulation lokal an einer Gehirnregi
on oder an mehreren Gehirnregion vorgenommen wird, deren Er
regbarkeit gedämpft oder gesteigert werden soll.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
die zur stimulierende Gehirnregion in einer vorangegangenen
Untersuchung als Ursprung einer zu behandelnden Störung iden
tifiziert wurde.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch ge
kennzeichnet, dass die Stimulation zur Blockade eines epilep
tischen Anfalls vorgenommen wird und abhängig vom Ergebnis
einer Prognose eines bevorstehenden Anfalls gesteuert wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass
Prognose eines bevorstehenden Anfalls durch Auswertung von
Hirnstromkurven vorgenommen wird.
9. Vorrichtung zur Induktion von Erregbarkeitsänderungen
des Gehirns eines Lebewesens durch Stimulation mit Gleich
strom, bestehend aus einer steuerbaren Stromquelle (10) sowie
Elektroden (12, 14, 16), über die eine galvanische Verbindung
mit dem Gehirn herstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass
mittels einer Steuervorrichtung (18) die Stromstärke und/oder
die Zeitdauer des Stromflusses der steuerbaren Stromquelle
(10) so wählbar ist, dass sich ein Neuroplastizitätseffekt
einstellt.
10. Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet,
dass die Stromstärke zwischen 0,2 mA und 4 mA und die Zeit
dauer < 1 min wählbar ist.
11. Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet,
dass die Stromstärke zwischen 0,5 mA und 3 mA und die Zeit
dauer < 3 min wählbar ist.
12. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 11, dadurch
gekennzeichnet, dass die Elektroden (12, 14, 16) im inneren
des Gehirns, unter dem Schädelknochen, unter der Kopfhaut o
der außen an der Kopfhaut angeordnet sind.
13. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 12, dadurch
gekennzeichnet, dass die Elektroden (12, 14, 16) lokal an ei
ner Gehirnregion oder an mehreren Gehirnregion angeordnet
sind, deren Erregbarkeit gedämpft oder gesteigert werden
soll.
14. Vorrichtung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet,
dass die Elektroden (12, 14, 16) an derjenigen zur stimulie
rende Gehirnregion angeordnet sind, die in einer vorangegan
genen Untersuchung als Ursprung einer zu behandelnden Störung
identifiziert wurde.
15. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 14 zur Blo
ckade eines epileptischen Anfalls, dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung (18) ihrerseits abhängig vom Er
gebnis einer Prognose eines bevorstehenden Anfalls steuerbar
ist.
16. Vorrichtung nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung (18) mit einer Auswertevorrichtung
(22) für Hirnstromkurven gekoppelt ist.
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