Zwei-Freiheitsgrade-Regelung mit expliziter Umschaltung zur Regelung verfahrenstechnischer Prozesse
Beschreibung
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Regelung von verfahrenstechnischen Prozessen, bei dem Sollwerttrajektorien für Regelgrößen bereitgestellt werden, Regelgrößen und weitere Zustandsgrößen des Prozesses erfasst werden, Regelabweichungen berechnet und mittels eines Regelalgorithmus daraus Regler-Stellgrößen berechnet werden, ferner Vorsteuerung-Stellgrößen bestimmt werden, aus Regler- Stellgrößen und Vorsteuerung-Stellgrößen resultierende Stellgrößen berechnet und in dem Prozess eingestellt werden. Weiterhin betrifft die Erfindung eine Regeleinrichtung sowie ein Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens. Bei verfahrenstechnischen Prozessen im industriellen Maßstab ist in den letzten Jahren ein steigender Trend zur Automatisierung zu beobachten, der nicht zuletzt in dem Wunsch nach Reproduzierbarkeit und Sicherheit der Anlagen begründet ist. Insbesondere in der chemischen und pharmazeutischen Industrie kommen neben kontinuierlichen Prozessen auch vielfach diskontinuierliche Prozesse zur Herstellung, Reinigung oder Konditionierung von Produkten zur Anwendung, die oftmals erhöhte Anforderungen an die Prozessführung stellen.
Weit verbreitet sind beispielsweise Reaktoren, die in Batch- oder Semi-Batch- Fahrweise betrieben werden und bei denen die Produktqualität entscheidend von dem Verlauf der Prozessbedingungen wie Druck und Temperatur über die Batch-Dauer abhängt. Insbesondere bei Reaktionen, die mit einer starken Temperaturerhöhung oder -erniedrigung einhergehen bzw. stark exotherm oder endotherm sind, ergeben sich häufig anspruchsvolle Regelungsaufgaben, die mit klassischen Regelungsverfahren nicht oder nur unbefriedigend gelöst werden können. In den letzten Jahren wurden diese Regelungsaufgaben zusätzlich durch den Trend zu immer größeren Reaktoren erschwert, da hierbei das Verhältnis von Reaktionsvolumen zu wärmeübertragender Fläche ungünstiger wird.
Schwierig zu lösende Regelungsaufgaben stellen sich allerdings nicht nur beim Betrieb von Reaktoren, sondern ebenso beim Betrieb weiterer verfahrenstechnischer Apparate und Anlagen zur Stoffumwandlung und Stofftrennung, z.B. bei Kristallisatoren, Chromatographiesäulen, Destillations-, Rektifikations- oder Absorptionskolonnen.
Bei klassischen Regelungsverfahren wie PI- oder PID-Regelungen wird lediglich der Verlauf der Abweichung einer Regelgröße von ihrem Sollwert berücksichtigt, um daraus eine Stellgröße zu ermitteln, die der Regelabweichung entgegen wirken soll. Bei Prozessen der oben dargestellten Art, die beispielsweise sensitiv auf Änderungen der Prozessbedingungen reagieren, ist eine einfache PID-Regelung oft nicht ausreichend,
um das gewünschte Ziel zu erreichen. Eine Verbesserung verspricht in manchen Fällen eine kaskadierte Regelung, bei der ein übergeordneter Regler Sollwerte für einen untergeordneten Regler generiert. Daneben wurden etliche weitere Regelungskonzepte entwickelt, um bestimmte Klassen von Regelungsproblemen zu lösen, beispielsweise adaptive Regler, lernende Regler wie Neuronale Netze, oder modell- und optimierungsbasierte Regelungsverfahren wie die modellprädiktive Regelung. Die Patentschrift US 6, 144,897 offenbart einen modellpradiktiven Regler für chemische Reaktionsprozesse. Sowohl das Modell, auf dem die Prädiktion beruht, als auch der Regler selbst können an den jeweiligen Anlagenzustand angepasst werden. Gegenüber anderen modellprädiktiven Regelungsverfahren zeichnet sich dieses Verfahren durch ein mathematisches Modell aus, das einfach zu lösen ist und damit eine schnelle Prädiktion von Komponenten im Reaktionsgemisch gestattet.
Ein anderer Ansatz wird in der Offenlegungsschrift DE 102 26 670 A1 verfolgt, die ein Regelungsverfahren offenbart, das Besonderheiten bei nichtlinearen, zeitvarianten Prozessen berücksichtigt. Als Beispiel dient ein verfahrenstechnischer Batch-Prozess, bei dem zunächst der Reaktorinhalt während einer Aufheizperiode auf eine bestimmte Temperatur gebracht wird und anschließend während der Reaktionsphase diese Temperatur konstant gehalten wird. Das Regelungsverfahren ist geeignet für Prozesse, bei denen der Verlauf von Regelgrößen und Regler-Stellgrößen von vornherein prinzipiell bekannt ist, beispielsweise bei Batch-Prozessen, die wiederholt mit gleichen Einsatz- Stoffen und derselben Rezeptur durchgeführt werden. Vorab ermittelte Verläufe dieser Größen werden als Trajektorien abgespeichert und während des Prozessverlaufs abgerufen und auf den Regler sowie den Prozess aufgegeben. Die eigentliche Regelung des Prozesses erfolgt entlang der vorbestimmten Trajektorien, beispielsweise mit Pl- oder PID-Reglern.
Ein vielversprechendes Konzept stellen Regelungsverfahren mit Vorsteuerung dar, die je nach Ausprägung auch als Zwei-Freiheitsgrade-Regelung bezeichnet werden. So offenbart EP 1 267 229 B1 ein Regelungsverfahren zum An- und Abfahren von verfahrenstechnischen Prozessen, z.B. in Kraftwerken, das modellgestützte Vorsteuerungen einsetzt, um Stellgrößen für den zu regelnden Prozess vorzugeben. Dazu werden vorab offline Simulationsrechnungen durchgeführt, um optimale Sollwerttrajektorien zu erhalten, die abgespeichert und während des Prozessablaufs ausgelesen und zur Beeinflussung der Stellgrößen verwendet werden. Das Modell kann auch dem aktuellen Prozesszustand nachgeführt und darauf basierende Optimierungsrechnungen wieder- holend durchgeführt werden.
In dem Artikel„Feedforward control with online parameter estimation applied to the Chylla-Haase reactor benchmark" von K. Graichen, V. Hagenmeyer und M. Zeitz (Jour-
nal of Process Control, 16, 2006, S. 733-745) wird anhand eines in der Fachliteratur bekannten, beispielhaften Semi-Batch-Prozesses (Chylla-Haase Polymerisationsreaktor) die Leistungsfähigkeit eines Reglers mit Vorsteuerung demonstriert. Ein erweitertes Kalman-Filter wird eingesetzt, um nicht messbare Zustandsgroßen zu schätzen, die zur Anpassung der Vorsteuerung verwendet werden.
Ein ähnliches Verfahren wird in dem Artikel„Flatness-based two-degree-of-freedom control of industrial semi-batch reactors using a new Observation model for an exten- ded Kaiman filter approach" von V. Hagenmeyer und M. Nohr (International Journal of Control, Vol. 81 , No. 3, 2008, S. 428-438) beschrieben. Dort wird ein Regelungsverfahren mit Vorsteuerung auf einen industriellen Semi-Batch-Reaktor angewandt, um die Temperatur während einer chemischen Umsetzung der Einsatzstoffe im Reaktor zu regeln. Der Reaktor ist mit einem Kühlmantel versehen, der von einem Wärmeträgermedium durchflössen wird. Als Regler-Stellgröße dient die Eingangstemperatur des Wärmeträgermediums. Um die für die Regelung notwendigen Größen Reaktionswärme und Wärmeübergangskoeffizient zu bestimmen, die nicht direkt im Prozess messbar sind, kommt ein erweitertes Kalman-Filter zur Anwendung.
Aber auch mit diesem Ansatz lassen sich nicht sämtliche Regelungsaufgaben zufrie- densteilend lösen. Insbesondere trifft dies auf Prozesse zu, bei denen die eigentliche Regelungsaufgabe Beschränkungen unterworfen ist. Bei der Regelung von Batch- oder Semi-Batch-Reaktoren beispielsweise ist die Reaktortemperatur eine typische Regelgröße. Dabei sind häufig Beschränkungen wie minimal und maximal zulässige Werte der Kühlkapazität oder des Druckes im Reaktor einzuhalten.
Der im Folgenden beschriebenen Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Regelung von verfahrenstechnischen Prozessen bereitzustellen, das eine optimierte Prozessführung unter zuverlässiger Einhaltung von Beschränkungen gewährleistet. Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Regelungsverfahren gemäß Anspruch 1 und eine Regeleinrichtung gemäß Anspruch 14 vorgeschlagen. Vorteilhafte Ausprägungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen 2 bis 13 dargestellt. Ferner wird ein Computerprogramm gemäß Anspruch 15 vorgeschlagen. Verfahrenstechnische Prozesse, auf die das erfindungsgemäße Regelungsverfahren angewandt werden kann, lassen sich in der Regel durch Zustandsgroßen charakterisieren. Mit Hilfe dieser Zustandsgroßen lassen sich Aussagen über den Zustand des Prozesses zu einem beliebigen Zeitpunkt treffen. Manche der Zustandsgroßen lassen sich üblicherweise direkt im oder am Prozess messen, beispielsweise Volumen- oder Massenströme, Druck, Temperatur, Dichte, Viskosität oder auch Konzentrationen von einzelnen Komponenten eines Stoffgemisches oder einer Klasse von Substanzen. Andere Zustandsgroßen lassen sich nur mit hohem Aufwand oder gar nicht messen, bei-
spielsweise die vollständige Zusammensetzung eines Stoffgemisches, Partikelgrößenverteilungen, Kettenlängenverteilungen, Melt Flow Index oder Kühlkapazitäten.
Einige der nicht messbaren Zustandsgroßen lassen sich mit Hilfe von mathematischen Modellen aus anderen, messbaren oder nicht messbaren, Zustandsgroßen ermitteln. Ein einfaches Beispiel hierfür ist ein Stoffsystem aus zwei Substanzen, deren Konzentrationen über Phasengleichgewichtsbeziehungen aus Messwerten für Druck und Temperatur eindeutig berechnet werden können. Die Ermittlung nicht messbarer Zustandsgroßen kann sowohl auf aktuellen Messwerten basieren als auch auf Informationen über den bisherigen Verlauf bestimmter Größen.
Im Folgenden werden als Regelgrößen solche Zustandsgroßen eines verfahrenstechnischen Prozesses bezeichnet, deren Werte gezielt durch das erfindungsgemäße Verfahren beeinflusst werden sollen. Typischerweise sind dies Zustandsgroßen, die einen großen Einfluss auf die zu erreichenden Ziele aufweisen, beispielsweise eine Konzentration einer Komponente in einem Produktabzug einer Destillationskolonne oder die Temperatur in einem Reaktor, deren Wert kritisch für die Produktqualität ist. Oftmals werden als Regelgrößen auch solche Zustandsgroßen ausgewählt, für die vorgegebene Grenzen nicht über- oder unterschritten werden dürfen, wie ein maximaler Druck oder Füllstand in einem Behälter. Regelgrößen können messbare oder nicht messbare Zustandsgroßen sein. Selbstverständlich kann beim Vorhandensein mehrerer Regelgrößen auch eine Regelgröße direkt gemessen werden, während eine andere Regelgröße indirekt aus anderen Zustandsgroßen bestimmt wird. Das erfindungsgemäße Regelungsverfahren kann neben Regelgrößen noch weitere Zustandsgroßen verwenden, beispielsweise zur Berechnung von nicht direkt messbaren Regelgrößen. Diese Größen werden im Folgenden als„weitere Zustandsgroßen" bezeichnet. Auch diese können im oder am Prozess gemessen werden oder auf Basis anderer weiterer Zustandsgroßen bestimmt werden.
Erfindungsgemäß werden für Regelgrößen Vorgaben in Form von Sollwerten gemacht. Dies können zum einen Werte sein, die über die Zeitspanne des Prozessverlaufs konstant bleiben, zum anderen aber auch Werte, die über die Zeitspanne veränderlich sind. Sollwertvorgaben über eine gewisse Zeitdauer werden als Sollwerttrajektorien bezeichnet. Dabei kann es sich beispielsweise um über Zeitabschnitte konstante Werte, um Rampen, Polygonzüge oder andere kontinuierliche, stetige oder unstetige Verläufe der Sollwerte handeln. Auch der Sonderfall eines über die gesamte Zeitspanne des Prozessverlaufs konstanten Sollwertes ist somit von dem Begriff der Sollwerttrajek- torie umfasst.
Die Erfassung von Regelgrößen oder weiteren Zustandsgroßen kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Abhängig von der zu erfassenden Größe und des konkreten verfahrenstechnischen Prozesses können solche Größen beispielsweise mit Hilfe bekann-
ter physikalischer Messprinzipien ermittelt werden. Beispiele hierfür sind klassische Durchflussmessgeräte, Druckaufnehmer oder Temperatursensoren. Konzentrationen etlicher Substanzen können z.B. mittels Gaschromatografie oder spektroskopischer Verfahren bestimmt werden wie NMR (nuclear magnetic resonance) oder NIR (Nahin- frarotspektroskopie).
Die Erfassung nicht direkt messbarer Regelgrößen oder weiterer Zustandsgroßen kann häufig mittels sehr einfacher bis komplexer mathematischer Beziehungen erfolgen. Sehr einfach lässt sich beispielsweise der Mengenstrom einer einzelnen Komponente in einem Gemisch, der selbst nicht direkt messbar ist, aus einem gemessenen Gesamtmengenstrom und der gemessenen Konzentration der betreffenden Komponente berechnen.
Bei komplexeren Zusammenhängen zwischen messbaren und nicht messbaren Zu- Standsgrößen können vorteilhaft Zustandsschätzverfahren zur Erfassung der interessierenden Größen eingesetzt werden. Beispiele solcher Zustandsschätzverfahren sind Luenberger-Beobachter, Kaiman-Filter oder erweiterte Kaiman-Filter, wie sie z.B. in den oben zitierten Artikeln von Graichen / Hagenmeyer / Zeitz bzw. Hagenmeyer / Nohr beschrieben sind. Die Verfahren als solches wie auch Möglichkeiten der Anpas- sung an den jeweilig zu regelnden Prozess sind bekannt. In einer bevorzugten Ausführungsform wird ein erweitertes Kaiman-Filter als Zustandsschätzverfahren eingesetzt, das auf im Prozess direkt messbaren Zustandsgroßen (y*) basiert, um Regelgrößen (y) und/oder weitere Zustandsgroßen (y) zu erfassen. Durch einen Vergleich von Regelgrößen mit ihren aktuellen, jeweiligen Sollwerten werden Regelabweichungen berechnet. Auf Basis dieser Regelabweichungen wiederum werden mittels eines Regelalgorithmus Regler-Stellgrößen bestimmt. Als Stellgrößen werden üblicherweise Größen gewählt, deren Änderung im Prozess einen möglichst großen Einfluss auf die Regelgrößen hat, um den Regelabweichungen entgegen zu wirken. Soll beispielsweise der Füllstand in einem Behälter geregelt werden, bieten sich als Stellgrößen die Zulauf- oder Ablaufmenge an. Stellgrößen des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens können dabei selbst Sollwerte von unterlagerten Regelungen sein. Im Beispiel der Füllstandsregelung könnte also die Zulaufmenge ein Sollwert für eine unterlagerte Regelung sein, die als Stellgröße wiederum beispielsweise die Ventilstellung eines Ventils im Zulauf zum Behälter hat.
Im Folgenden wird der Begriff„resultierende Stellgröße" verwendet für Werte der Stellgrößen, die im Prozess eingestellt werden. Eine resultierende Stellgröße kann mit einer durch den Regelalgorithmus bestimmten Regler-Stellgröße identisch sein. Erfindungs- gemäß wird allerdings mindestens eine resultierende Stellgröße aus einer Regler- Stellgröße und einem weiteren Anteil, einer Vorsteuerung-Stellgröße, berechnet. Zusätzlich ist es auch möglich, Werte durch externe Vorgaben zu beeinflussen, z.B. durch
manuelle Eingabe oder durch ein von einem informationsverarbeitenden System bereitgestelltes Signal.
Unter Vorsteuerung wird im Folgenden verstanden, dass auf der Basis von Sollwerten, Regelgrößen oder weiteren Zustandsgrößen mittels eines Algorithmus Vorsteuerung- Stellgrößen bestimmt werden. Dabei wird Prozesswissen genutzt, um die Regelung des Prozesses zu entlasten und zu verbessern. Eine erfindungsgemäße Vorsteuerung kann zustandsabhängige Berechnungsvorschriften umfassen, die eine Beziehung zwischen Sollwerten, Regelgrößen, weiteren Zustandsgrößen oder auch Regler- Stellgrößen einerseits und daraus resultierenden Vorsteuerung-Stellgrößen andererseits definieren, beispielsweise in Form eines mathematischen Modells.
Bevorzugt werden solche zustandsabhängigen Berechnungsvorschriften verwendet, die das Verhalten des zu regelnden verfahrenstechnischen Prozesses berücksichtigen. Insbesondere kommen Vorsteuerungen zum Einsatz, die das stationäre oder dynamische Verhalten invertieren. Das bedeutet, dass die Vorsteuerung-Stellgrößen so berechnet werden, dass der verfahrenstechnische Prozess exakt einer Sollwerttrajektorie folgt, wenn die Vorsteuerung-Stellgrößen aufgeschaltet werden und der Prozess keinen Störungen unterliegt. Eine solche Berechnung, die sogenannte Systeminversion, ist für sogenannte differenziell flache Systeme leicht möglich und aus der Fachliteratur bekannt.
Ferner kann es sich bei den Berechnungsvorschriften um vordefinierte, zeit- und/oder zustandsabhängige Trajektorien handeln, beispielsweise stückweise über die Zeit kon- stante Verläufe, Rampen oder andere vordefinierte Formen der Trajektorien mit zustandsabhängigen Parametern. Es ist auch möglich, als Berechnungsvorschriften Trajektorien vorzusehen, die vorab offline optimiert worden sind.
Die Struktur einer Vorsteuerung ist durch verschiedene Faktoren bestimmt, beispiels- weise die grundlegende Art einer Berechnungsvorschrift für Vorsteuerung-Stellgrößen oder die Verknüpfung von für die Berechnung verwendeten Größen. Daneben wird eine Berechnungsvorschrift durch einen oder mehrere Parameter geprägt, mittels derer Vorsteuerung-Stellgrößen bestimmt werden. Welche Parameter Verwendung finden, hängt von der jeweiligen Struktur der Berechnungsvorschriften ab. Handelt es sich bei- spielsweise bei der Berechnungsvorschrift um eine abschnittsweise konstante Funktion, so können die Zeitpunkte, die die Abschnitte definieren, sowie die Werte der Funktion in den jeweiligen Abschnitten als Parameter der Vorsteuerung angesehen werden. Für andere Arten von Berechnungsvorschriften ergeben sich entsprechend andere Parameter, beispielsweise Koeffizienten im Wertebereich oder Zeitbereich.
Als Regelalgorithmen kommen unterschiedliche Ansätze in Frage, wie sie aus der Fachliteratur bekannt sind. Beispiele sind PI- oder PID-Algorithmen, oder schaltende Regler (Sliding Mode). Es kann sich dabei sowohl um Regler handeln, die einen Ein-
gang und einen Ausgang aufweisen, sogenannte SISO-Regler, als auch um Regler mit mehreren Ein- und Ausgängen, sogenannte MIMO-Regler. Die Struktur eines Regelalgorithmus ist durch unterschiedliche Merkmale geprägt wie den prinzipiellen Aufbau des Algorithmus oder die Zuordnung von Regelgrößen und Stellgrößen. Bei PI- oder PID- Reglern beispielsweise ist als weiteres Strukturmerkmal anzusehen, ob die Verstärkung des Regelalgorithmus, also der P-Anteil, fix oder variabel ausgestaltet ist, z.B. in Form eines Gain-Scheduling. Ähnlich der Vorsteuerung weisen die Regelalgorithmen verschiedene Parameter auf, die sich auf die Bestimmung der Regler-Stellgrößen auswirken. Ein Beispiel hierfür sind die Verstärkung, die Vorhaltezeit sowie die Nach- stellzeit bei einem PID-Algorithmus.
Das erfindungsgemäße Regelungsverfahren kann auch kaskadiert sein. Dabei ist der verfahrenstechnische Prozess informations- und regelungstechnisch in zwei oder mehr Teilprozesse gegliedert, denen jeweils mindestens ein Regler zugeordnet ist, der auf Regelalgorithmen wie oben beschrieben basiert. Kaskadiert bedeutet, dass mindestens einer der Teilprozess-Regler einen oder mehrere Sollwerte von einem übergeordneten Regler erhält. Dem einen oder den mehreren Sollwerten kann eine Vorsteuerung- Stellgröße überlagert sein. Übergeordnete Regler werden auch als Führungsregler (Master-Regler) bezeichnet, untergeordnete Regler als Folgeregler (Slave-Regler). Fig. 4 zeigt eine Prinzipdarstellung eines erfindungsgemäßen, kaskadierten Verfahrens. Einem Führungsregler können mehrere Folgeregler zugeordnet sein. Ebenso kann ein Folgeregler selbst Führungsregler für ihm untergeordnete Folgeregler sein. Eine solche Konfiguration wird als multiple Kaskadierung bezeichnet. Erfindungsgemäß wird mindestens eine resultierende Stellgröße in mindestens einem Teilprozess aus einer Reg- ler-Stellgröße und einer Vorsteuerung-Stellgröße berechnet.
In einer bevorzugten Ausführungsform ist der verfahrenstechnische Prozess in zwei oder mehr Teilprozesse gegliedert und resultierende Stellgrößen von mindestens einem Führungsregler sowie mindestens einem ihm untergeordneten Folgeregler werden aus den jeweiligen Regler-Stellgrößen sowie ihnen zugeordneten Vorsteuerung-Stellgrößen berechnet. Daneben können weitere über- oder untergeordnete Regler vorhanden sein, mit oder ohne Vorsteuerung.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Regelung verfahrenstechnischer Prozesse um- fasst ferner eine Schaltlogik, die unterschiedliche Informationen verarbeiten kann, beispielsweise Informationen über Sollwerte und deren Trajektorien, gemessene oder anderweitig erfasste Zustandsgrößen des Prozesses, aber auch Strukturen und Parameter des Regelalgorithmus oder der Vorsteuerung. Auch externe Vorgaben, beispielsweise in Form von Sollwerten, Grenzen oder deren zeitlichen Verläufen, können von der Schaltlogik verarbeitet werden. Auf der Basis dieser Informationen sowie vorgegebener Beziehungen zwischen diesen Informationen ermittelt die Schaltlogik, ob Strukturen des Regelalgorithmus oder der Vorsteuerung verändert werden sollen. Dabei können auch Änderungen an den zugehörigen Parametern vorgenommen werden.
Die Begriffe„Regelalgorithmus" und„Vorsteuerung" beziehen sich auf das gesamte erfindungsgemäße Verfahren und sind nicht streng in der Einzahl zu verstehen. Bei einem kaskadierten Verfahren beispielsweise werden darunter die Regelalgorithmen und Vorsteuerungen sämtlicher Regler verstanden, unabhängig davon, wie oder wo sie informationstechnisch realisiert sind.
In einer bevorzugten Ausführungsform ist das erfindungsgemäße Regelungsverfahren kaskadiert, resultierende Stellgrößen von mindestens einem Führungsregler sowie mindestens einem ihm untergeordneten Folgeregler werden aus den jeweiligen Regler- Stellgrößen sowie ihnen zugeordneten Vorsteuerung-Stellgrößen berechnet, und die Struktur des Regelalgorithmus und/oder der Vorsteuerung des mindestens einen Folgereglers werden durch die Schaltlogik verändert. Ein Satz von Strukturen und Parametern des Regelalgorithmus und der Vorsteuerung wird im Folgenden als„Schaltmodus" bezeichnet. Ergibt sich aus der Auswertung der Informationen in der Schaltlogik, dass eine Änderung vorgenommen wird, liegt ein Umschalten von einem Schaltmodus in einen anderen Schaltmodus vor. Dabei kann es sich um Strukturänderungen entweder nur im Regelalgorithmus oder nur der Vorsteue- rung oder auch in beiden handeln. Dabei können auch zugehörige Parameter verändert werden.
Bevorzugte Strukturänderungen im Regelalgorithmus beziehen sich auf eine Änderung der Zuordnung von Regelgrößen und Regler-Stellgrößen. Eine weitere vorteilhafte Strukturänderung stellt die Auswahl eines anderen Regelalgorithmus dar.
Bei Strukturänderungen der Vorsteuerung handelt es sich vorzugsweise um Wechsel zwischen verschiedenen zustandsabhängigen Berechnungsvorschriften. Vorteilhaft kann eine Strukturänderung auch darin bestehen, dass andere Größen zur Berech- nung verwendet werden. Eine weitere bevorzugte Strukturänderung der Vorsteuerung besteht in der Auswahl einer oder mehrerer weiterer oder anderer Vorsteuerung- Stellgrößen.
Einem Schaltmodus zugeordnet sind außerdem eine oder mehrere Sollwerttrajektorien. In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens werden beim Übergang von einem Schaltmodus in einen neuen Schaltmodus eine o- der mehrere Sollwerttrajektorien neu berechnet. Die Schaltlogik kann auch während eines Schaltmodus die Neuberechnung von Sollwerttrajektorien veranlassen, beispielsweise wenn sich Regelgrößen oder weitere Zustandsgrößen Grenzwerten annä- hern, bei Über- oder Unterschreitung eines Schwellenwertes der Regelabweichung, oder aufgrund von externen Vorgaben. Nach einer Neuberechnung einer oder mehrerer Sollwerttrajektorien kann eine Änderung der Parameter des Regelalgorithmus oder der Vorsteuerung erfolgen.
In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ergeben sich in Abhängigkeit von der Schaltlogik und den jeweiligen Prozessbedingungen unterschiedliche, zeitlich aufeinander folgende Schaltmoden. Die Änderungen von einem Schaltmodus zum nächs- ten können die Vorsteuerung, den Regelalgorithmus, die Neuberechnung einer Soll- werttrajektorie oder Kombinationen davon betreffen.
In einer bevorzugten Ausführungsform wird das erfindungsgemäße Regelungsverfahren eingesetzt zur Überwachung und Einhaltung von Grenzen für eine oder mehrere Zustandsgroßen. Die entsprechenden Grenzwerte werden in der Schaltlogik verwendet, um die Bedingungen für einen Übergang in einen neuen Schaltmodus zu bestimmen oder auch die Neuberechnung von Sollwerttrajektorien zu veranlassen. In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform wird das erfindungsgemäße Regelungsverfahren eingesetzt, um Grenzen einer oder mehrerer Zustandsgroßen gezielt anzufahren. Eine derartige Prozessführung hat den Vorteil, dass sich der Prozess wirtschaftlicher betreiben lässt, z.B. im Hinblick auf Qualitätsanforderungen oder die Raum-Zeit- Ausbeute.
Zur Umsetzung des Regelungsverfahrens ist bevorzugt eine Regeleinrichtung vorge- sehen, die je mindestens einen Signalgenerator zum Bereitstellen von Sollwerttrajektorien für Regelgrößen, eine Einrichtung zum Erfassen von Regelgrößen und weiteren Zustandsgroßen des Prozesses, einen Regler, der auf der Basis von Regelabweichungen mittels eines Regelalgorithmus Regler-Stellgrößen bestimmt, eine Vorsteuerung zur Bestimmung von Vorsteuerung-Stellgrößen, ein Mittel zur Berechnung von resultie- renden Stellgrößen aus Regler-Stellgrößen und Vorsteuerung-Stellgrößen und ein Mittel zum Einstellen der resultierenden Stellgrößen in dem Prozess umfasst, wobei die Regeleinrichtung ferner mindestens eine Schaltlogik aufweist, die geeignet ist, in Abhängigkeit von Regelgrößen, weiteren Zustandsgroßen und/oder Sollwerttrajektorien die Struktur des Regelalgorithmus und/oder der Vorsteuerung zu verändern. Einrich- tungen zum Erfassen von Regelgrößen und weiteren Zustandsgroßen sowie Mittel zur Berechnung und zum Einstellen der Stellgrößen im Prozess sind dem Fachmann bekannt, ebenso Signalgeneratoren, Regler, Regleralgorithmen, Vorsteuerungen, sowie Möglichkeiten zu ihrer hard- und softwaretechnischen Realisierung. In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung sind Vorsteuerung, Regelalgorithmen und die Berechnungsvorschriften der Schaltlogik in einem Computerprogramm mit Programmcodemitteln realisiert, beispielsweise in einem in einer Programmiersprache erstellten Programm oder mit Hilfe einer kommerziell verfügbaren Software, die sich zum Einsatz in einer Regelung verfahrenstechnischer Prozesse eignet.
In einer besonders bevorzugten Ausführungsform ist das Computerprogramm auf einem Computer ablauffähig eingerichtet und mit Schnittstellen zur Kommunikation mit dem verfahrenstechnischen Prozess versehen. Die Kommunikation kann beispielswei-
se mit einem Prozessleitsystem erfolgen, mittels dessen heutzutage viele verfahrenstechnische Prozesse gesteuert werden. Bei Prozessen, die nicht über ein Prozessleitsystem verfügen, kann die Kommunikation über Schnittstellen erfolgen, die einen Datenaustausch mit Messgeräten und Reglern im Prozess ermöglichen. Solche Schnitt- stellen und ihre hard- und softwaretechnische Realisierungen sind dem Fachmann bekannt. Der Computer kann sich dabei in der Nähe des verfahrenstechnischen Prozesses befinden, z.B. in einer Messwarte, er kann aber auch räumlich entfernt sein und über übliche Netzwerkverbindungen mit dem Prozess kommunizieren. In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform sind Vorsteuerung, Regelalgorithmen und die Berechnungsvorschriften der Schaltlogik zumindest teilweise softwaretechnisch als Bausteine in einem Prozessleitsystem implementiert. In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung sind Vorsteuerung, Regelalgorithmen und die Berechnungsvorschriften der Schaltlogik komplett in einem Prozessleitsystem imple- mentiert oder integriert.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Regelung verfahrenstechnischer Prozesse bewirkt eine verbesserte Prozessführung. Die Prozesse können in aller Regel näher an Grenzen betrieben werden, wodurch sich meist die Raum-Zeit-Ausbeute steigern lässt. Das erfindungsgemäße Verfahren lässt sich auf eine Vielzahl von verfahrenstechnischen Prozessen vorteilhaft anwenden. Besonders vorteilhafte Auswirkungen zeigen sich bei absatzweisen Prozessen wie Batch- oder Semi-Batch-Prozessen. Hierbei kann häufig eine Batchzeitverkürzung erreicht und die Reproduzierbarkeit eines Batches verbessert werden.
Anhand der Zeichnungen wird im Folgenden die Erfindung weiter erläutert, wobei die Zeichnungen als Prinzipdarstellungen zu verstehen sind. Sie stellen keine Beschränkung der Erfindung dar, beispielsweise im Hinblick auf strukturelle Merkmale oder Anwendungen. Es zeigen:
Fig. 1 : Regelkreis mit Vorsteuerung und Zustandsschätzer gemäß dem Stand der Technik
Fig. 2: Regelkreis in Master-Slave-Konfiguration mit Vorsteuerung und Zustandsschätzer gemäß dem Stand der Technik
Fig. 3: Ausführungsform des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens mit Vorsteuerung, Zustandsschätzer und Schaltlogik
Fig. 4: Ausführungsform des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens mit Vorsteuerung, Zustandsschätzer und Schaltlogik in Master-Slave-Konfiguration
Fig. 5: Ausführungsform des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens mit Vorsteue- rung, Zustandsschätzer, Schaltlogik und Auswahlblöcken
Fig. 6: Prinzipskizze eines Semi-Batch-Reaktors mit Kühlmantel und erfindungsgemäßer Regeleinrichtung
Fig. 7: Zeitverläufe charakteristischer Größen des im Beispiel beschriebenen Semi- Batch-Prozesses
Fig. 8: Prinzipskizze eines weiteren Semi-Batch-Reaktors mit Kühlmantel und erfindungsgemäßer Regeleinrichtung
Liste der verwendeten Bezugszeichen
10 .. Signalgenerator für Sollwerttrajektorien
20 .. Regler
21 .. Führungsregler
22 .. Folgeregler
30 .. Prozess
31 .. erster Teilprozess
32 .. zweiter Teilprozess
40 .. Vorsteuerung
50 .. Zustandsschätzer
60 .. Schaltlogik
61 .. Auswahlblock am Reglereingang
62 .. Auswahlblock am Reglerausgang
63 .. Auswahlblock am Vorsteuerungsausgang
Liste der verwendeten Symbole
CM ■■ Regeleinrichtung
Fin . . Einsatzstoffzufluss
Fj .. Kühlmittelzufluss
P .. Druck
Ps .. vorgegebener Druck
Sc .. Signale von Regler an Schaltlogik
SCM ■■ Signale von Regler an Schaltlogik (Führungsregler)
Scs .. Signale von Regler an Schaltlogik (Folgeregler)
SF . . Signale von Vorsteuerung an Schaltlogik
SLC . . Signale von Schaltlogik an Regler
SLCM ■■ Signale von Schaltlogik an Regler (Führungsregler)
SLCS . . Signale von Schaltlogik an Regler (Folgeregler)
SLF . . Signale von Schaltlogik an Vorsteuerung
SLS . . Signale von Schaltlogik an Auswahlblock
Tjjn ■■ Temperatur des Kühlmittel-Zulaufs
Tj,out ■■ Temperatur des Kühlmittel-Ablaufs
TR . . Temperatur im Reaktionsgemisch
TRS . . vorgegebene Reaktionstemperatur
u resultierende Stellgröße
Uc .. Regler-Stellgröße
UCM ... Regler-Stellgröße (Führungsregler)
ucs ... Regler-Stellgröße (Folgeregler)
UF ... Vorsteuerung-Stellgröße
UFM ... Vorsteuerung-Stellgröße (Führungsregler)
UFS ... Vorsteuerung-Stellgröße (Folgeregler)
UM ... resultierende Stellgröße (Führungsregler)
us ... resultierende Stellgröße (Folgeregler)
w ... Sollwert
Wext ... externer Sollwert
wt ... Sollwerttrajektorie
y ... Regelgröße
yi ... Regelgröße (Führungsregler)
y2 ... Regelgröße (Folgeregler)
y ... weitere Zustandsgröße
y* ... gemessene Zustandsgröße
yi* ... gemessene Zustandsgröße des ersten Teilprozesses
y2* ... gemessene Zustandsgröße des zweiten Teilprozesses
Fig. 1 stellt einen Regelkreis mit Vorsteuerung 40 und Zustandsschatzer 50 dar, wie er aus dem Stand der Technik bekannt ist. Ein Signalgenerator 10 stellt Sollwerte w zur Verfügung, die mit ihren jeweiligen Regelgrößen y verglichen werden. Dem Signalge- nerator 10 können dabei externe Sollwerte wext vorgegeben werden, beispielsweise durch ein überlagertes System zur Prozessautomatisierung oder als Handeingabe eines Anlagenfahrers. Die Differenzen zwischen Sollwerten w und ihren jeweiligen Regelgrößen y, die sogenannten Regelabweichungen, werden einem Regler 20 zugeführt, der daraus Regler-Stellgrößen UCM berechnet. Parallel dazu bestimmt eine Vor- Steuerung 40 aus den Sollwerten w und weiteren Zustandsgroßen y Vorsteuerung- Stellgrößen UF. AUS diesen und den Regler-Stellgrößen UCM werden die resultierenden Stellgrößen u berechnet, die in dem Prozess 30 eingestellt werden. Es ergeben sich Regelgrößen y, die wiederum verwendet werden, um die Regelabweichungen zu berechnen. Können nicht alle weiteren Zustandsgroßen y direkt im Prozess 30 gemessen werden, wird ein Zustandsschatzer 50 vorgesehen, der die benötigten Größen aus gemessenen Zustandsgroßen y* bestimmt.
Der in Fig. 2 dargestellte Regelkreis bildet eine Erweiterung des oben beschriebenen Regelkreises aus Fig. 1 , indem zwei Regler kaskadiert in einer sogenannten Master- Slave-Konfiguration eingesetzt werden. Der zu regelnde Prozess ist in einen ersten Teilprozess 31 und einen zweiten Teilprozess 32 untergliedert. Regelgrößen yi des ersten Teilprozesses 31 werden zurückgeführt, um mittels der vorgegebenen Sollwerte w die Regelabweichungen für den Führungsregler 21 zu berechnen. Die vom Führungsregler 21 bestimmten Regler-Stellgrößen UCM werden mit Vorsteuerung- Stellgrößen UF verrechnet und ergeben die resultierenden Stellgrößen des Führungsreglers UM. Diese Stellgrößen fungieren als Sollwerte für den Folgeregler 22. Aus ihnen
werden durch Vergleich mit Regelgrößen V2 des zweiten Teilprozesses 32 Regelabweichungen für den Folgeregler 22 gebildet, der daraus Regler-Stellgrößen ucs bestimmt. Diese Regler-Stellgrößen ucs werden im zweiten Teilprozess 32 eingestellt. Auch in diesem Regelkreis kann ein Zustandsschatzer 50 vorgesehen werden, der aus gemessenen Zustandsgrößen des ersten Teilprozesses y-ι* und des zweiten Teilprozesses V2* weitere Zustandsgrößen y bestimmt, die in der Vorsteuerung 40 verwendet werden können, um Vorsteuerung-Stellgrößen UF ZU berechnen.
Fig. 3 illustriert einen erfindungsgemäßen Regelkreis am Beispiel eines einfachen Re- gelkreises analog zu Fig. 1. Sollwertgenerator 10, Regler 20, Prozess 30, Vorsteuerung 40 sowie der optionale Zustandsschatzer 50 erfüllen die gleichen Funktionen wie bei Fig. 1 beschrieben. Erfindungsgemäß weist der Regelkreis weiterhin eine Schaltlogik 60 auf, die unterschiedliche Informationen als Eingangssignale verarbeiten kann, beispielsweise Sollwerte w, Regelgrößen y, gemessene Zustandsgrößen y*, weitere Zustandsgrößen y, oder Signale vom Regler sc oder von der Vorsteuerung SF. Auf Basis dieser Informationen können in der Schaltlogik 60 mittels zustandsabhängiger Berechnungsvorschriften Signale SLC und SLF generiert werden, die an den Regler 20 sowie an die Vorsteuerung 40 gesendet werden können. Abhängig von diesen Signalen können Strukturen oder Parameter des Regelalgorithmus oder der Vorsteuerung 40 verändert werden. Weiterhin kann die Schaltlogik 60 auch den Signalgenerator für Sollwerttrajektorien 10 beeinflussen.
Fig. 4 zeigt ein Beispiel eines erfindungsgemäßen, kaskadierten Regelkreises, der in seinem Grundaufbau dem in Fig. 2 abgebildeten entspricht. Sollwertgenerator 10, Füh- rungsregler 21 , Folgeregler 22, Teilprozesse 31 und 32, Vorsteuerung 40 sowie der optionale Zustandsschätzer 50 erfüllen die gleichen Funktionen wie bei Fig. 2 beschrieben. Erfindungsgemäß ist eine Schaltlogik 60 vorgesehen, die auf verschiedene Informationen aus dem Prozess als Ganzem oder den einzelnen Teilprozessen zugreifen kann, beispielsweise Sollwerte w, Regelgrößen yi und y2, gemessene Zustands- großen yi* und y2*, weitere Zustandsgrößen y, sowie Signale SCM und scs von den
Reglern oder Signale SF der Vorsteuerung. Ausgehend von diesen Informationen können in der Schaltlogik 60 mittels zustandsabhängiger Berechnungsvorschriften Signale SLCM, SLCS und SLF generiert werden, die an den Führungsregler 21 , den Folgeregler 22 sowie an die Vorsteuerung 40 gesendet werden können. Weiterhin kann die Schaltlo- gik 60 auch den Signalgenerator für Sollwerttrajektorien 10 beeinflussen.
Die Signale der Schaltlogik 60 an die Regler 21 , 22 und die Vorsteuerung 40 können bewirken, dass Strukturen oder Parameter des Regelalgorithmus oder der Vorsteuerung 40 verändert werden. Dabei können Strukturen und Parameter nur in einem Reg- ler, nur in der Vorsteuerung, aber auch in mehreren Reglern und/oder der Vorsteuerung in Kombination verändert werden. Bevorzugt werden Änderungen in einem Regler und der zugeordneten Vorsteuerung simultan vorgenommen.
In Fig. 4 ist der Übersichtlichkeit halber ein kaskadierter Regelkreis mit einem Führungsregler 21 und einem Folgeregler 22 dargestellt. Das erfindungsgemäße Regelungsverfahren ist allerdings nicht auf diese Konfiguration beschränkt, sondern lässt sich bei beliebigen Kombinationen von Master- und Folgereglern vorteilhaft anwenden. So kann beispielsweise der Folgeregler 22 im Fall einer multiplen Kaskadierung des Regelkreises selbst wiederum Führungsregler für weitere Regler sein. Die Schaltlogik ist sowohl bei Regelkreisen mit nur einer Regelgröße und einer Stellgröße, sogenannten SISO-Systemen, einsetzbar wie auch bei MIMO-Systemen mit mehreren Regel- und Stellgrößen. Sowohl SISO- als auch MIMO-Systeme können kaskadiert sein, auch Kombinationen sind erfindungsgemäß umfasst, beispielsweise im Fall eines übergeordneten MIMO-Reglers mit einem untergeordneten SISO-Regler.
Beispiel Eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wurde auf einen industriellen Semi-Batch-Prozess angewandt. Es handelte sich dabei um eine stark exotherme Polyadditionsreaktion. Ein erster Einsatzstoff wurde in einem Rührkesselreaktor vorgelegt, wie er in Fig. 6 schematisch dargestellt ist. Die Zugabe eines zweiten Einsatzstoffes erfolgte kontinuierlich über eine Leitung in den Reaktor. Die Flussrate F,n des zweiten Einsatzstoffes wurde mittels eines Durchflussmessgerätes erfasst und über ein Regelventil eingestellt. Der untere Teil des Reaktors war von einem Mantel umgeben, der von Kühlwasser als Wärmeträgermedium durchflössen wurde. Die Flussrate des zufließenden Kühlwassers Fj konnte über ein weiteres Regelventil beeinflusst werden. Kühlwasserzufluss Fj sowie Kühlwassertemperatur im Zulauf Tjjn und im Ablauf Tj,out wurden durch Messgeräte erfasst. Weiterhin wurden der Druck im Reaktor P sowie die Temperatur im Reaktionsgemisch TR messtechnisch erfasst. Sämtliche Messgeräte waren mit einer erfindungsgemäßen Regeleinrichtung CM verbunden, sodass die gemessenen Werte dem erfindungsgemäßen Regelungsverfahren als gemessene Zustandsgrößen y* zur Verfügung standen.
Der Reaktionsprozess sollte so geführt werden, dass eine möglichst hohe Raum-Zeit- Ausbeute erreicht wird. Als externe Vorgaben wext erhielt das Regelungsverfahren zum einen die Reaktionstemperatur TRS, die möglichst schnell erreicht werden sollte, um einen hohen Reaktionsumsatz zu gewährleisten. Zum anderen wurde abhängig vom aktuellen Zustand des Prozesses ein Druck Ps vorgegeben, der im Reaktor nicht überschritten werden sollte. Die Berechnung dieses Grenzwertes erfolgte im angeschlossenen Prozessleitsystem aufgrund bekannter verfahrenstechnischer Grenzen, im Wesentlichen in Abhängigkeit des Füllgrades des Reaktors und der Reaktionstemperatur
Das erfindungsgemäße Regelungsverfahren wurde in einem handelsüblichen Arbeitsplatzrechner mit Hilfe des Programmpakets MATLAB (The MathWorks Inc., Natick, MA, USA) implementiert und über die Standardschnittstelle OPC (OLE for Process
Control) an das Prozessleitsystem angekoppelt. Der Aufbau des Regelungsverfahrens ist in Fig. 5 schematisch wiedergegeben und entspricht dem Regelungsblock„CM" in Fig. 6. Um eine hohe Raum-Zeit-Ausbeute zu erzielen, war es erforderlich, den Prozess 30 möglichst nahe an einer oder mehreren gegebenen Grenzen zu betreiben. Neben der Grenze für den Druck bestanden weitere Beschränkungen in der maximal möglichen Flussrate an zweitem Einsatzstoff F,n und der Flussrate des Kühlwasserzuflusses Fj. Diese beiden Flussraten wurden als Stellgrößen u gewählt. Als Regelgrößen y wurden der Druck P im Reaktor sowie die Temperatur im Reaktionsgemisch TR gewählt. Die Grundlage des Regelalgorithmus bildeten drei SISO-Regler 20 mit entsprechender Vorsteuerung 40 mit folgender Zuordnung von Stell- und Regelgrößen:
Einsatzstoffzufluss F,n - Druck P
Einsatzstoffzufluss Fin - Reaktortemperatur TR
Kühlwasserzufluss FJ - Reaktortemperatur TR
Von diesen drei Einzelreglern waren höchstens zwei gleichzeitig aktiv geschaltet, indem aufgrund von Signalen SLS der Schaltlogik 60 an die Auswahlblöcke 61 und 62 die betreffenden Regelgrößen y und Stellgrößen uc ausgewählt wurden. Analog wurden basierend auf Signalen SLS der Schaltlogik 60 an den Auswahlblock 63 die korrespondierenden Vorsteuerung-Stellgrößen UF ausgewählt. Einem aktiven Regler (61 , 20, 62) war jeweils die zugehörige flachheitsbasierte Vorsteuerung (40, 63) zugeordnet. In der Vorsteuerung 40 wurde mittels Systeminversion eines mathematischen Modells auf- grund von Regelgrößen y, gemessenen Zustandsgrößen y* und durch den Beobachter 50 ermittelten Zustandsgrößen y eine Vorsteuerungsstellgröße UF ermittelt, welche die optimale Stellgröße bezüglich der gewünschten Sollwertänderung und aktuell einwirkenden, berücksichtigten Störgrößen des Modellsystems darstellte. Im Folgenden wird anhand eines beispielhaften Batch-Laufes das erfindungsgemäße Regelungsverfahren näher erläutert. Fig. 7 zeigt die Zeitverläufe einiger ausgewählter Größen des Prozesses in normierten Werten. In der oberen Grafik ist der Verlauf der Reaktortemperatur wiedergegeben. Die punktierte Gerade entspricht der extern vorgegebenen Reaktionstemperatur TRS, die möglichst schnell erreicht werden soll. Die dünn durchgezogene Kurve zeigt die durch den Sollwertgenerator 10 bereitgestellte Soll- werttrajektorie für die Reaktortemperatur an, während die fett durchgezogene Kurve die tatsächlich gemessene Reaktortemperatur TR darstellt. Die mittlere Grafik gibt die tatsächlichen Verläufe der Stellgrößen Einsatzstoffzufluss F,n als durchgezogene Kurve und Kühlwasserzufluss Fj als strichpunktierte Kurve wieder. In der unteren Grafik be- zeichnet die punktierte Kurve den extern vorgegebenen Druck Ps zu jedem Zeitpunkt. Analog zur oberen Grafik zeigt die dünn durchgezogene Kurve die berechnete Soll- werttrajektorie für den Druck an, während die fett durchgezogene Kurve den tatsächlich gemessenen Druck P darstellt.
Mit Inbetriebnahme des erfindungsgemäßen Regelungsverfahrens wurde zunächst auf Basis der aktuellen Prozessinformationen eine Sollwerttrajektorie für die Regelgröße Reaktortemperatur TR generiert. In diesem ersten Schaltmodus (I) wurde als Stellgröße der Kühlwasserzufluss Fj gewählt, um die Reaktortemperatur TR ZU beeinflussen. Der Zufluss an Einsatzstoff Fin wurde in diesem Modus nicht zur Regelung verwendet, sondern entlang einer vorab berechneten Trajektorie im Prozess eingestellt. Der Druck P wurde dahingehend überwacht, dass er den vorgegebenen, zustandsabhängigen Druck Ps nicht überschreiten durfte. Die Sollwerttrajektorie für die Reaktortemperatur TR wurde zum Zeitpunkt t=0,022 neu berechnet, da die Abweichung zwischen aktuellem Wert und Sollwert zu groß geworden war. In Fig. 7 ist diese Neuberechnung durch den senkrechten Abfall der dünn durchgezogenen Kurve in der oberen Grafik zu erkennen. Bei dem zugrundeliegenden Reaktionssystem besteht prinzipiell die Gefahr, dass sich Einsatzstoffe akkumulieren, ohne zu reagieren. Im Falle einer plötzlich einsetzenden Reaktion könnten sich Druck und Temperatur sehr schnell erhöhen, sodass der Prozess außer Kontrolle geraten könnte. Daher wurde im Beobachter 50 eine Berechnungsvorschrift für den aktuellen Umsatzgrad implementiert und in der Schaltlogik 60 ein zugehöriger Grenzwert vorgegeben. Zum Zeitpunkt t=0,031 wurde dieser Grenzwert erreicht. Auf Basis der in der Schaltlogik 60 hinterlegten Regeln wurde daraufhin von einer festen Trajektorie für den Einsatzstoffzufluss F,n auf eine zustandsabhängige Trajektorie umgeschaltet, was eine Strukturumschaltung in der Vorsteuerung 40 bedeutete. Die Zuordnung der Stellgröße Kühlwasserzufluss Fj zur Regelgröße Reaktor- temperatur TR blieb in dem neuen Schaltmodus (II) unverändert.
Wie in Fig. 7 in der unteren Grafik zu entnehmen ist, wurde die Sollwerttrajektorie für den Druck P während des Schaltmodus (II) neu berechnet. Ausgelöst wurde dieser Vorgang durch eine Vorschrift in der Schaltlogik 60, nachdem die Differenz zwischen vorgegebenem Druck Ps und tatsächlichem Druck P einen Minimalwert unterschritten hatte. Allerdings wurde durch diese Neuberechnung weder die Struktur des Regelalgorithmus noch die der Vorsteuerung geändert, sodass kein Übergang in einen neuen Schaltmodus vorlag. Zum Zeitpunkt t=0,062 war die Akkumulation der Einsatzstoffe soweit reduziert, dass eine entsprechende Berechnungsvorschrift in der Schaltlogik 60 den Übergang in den neuen Schaltmodus (III) auslöste. In diesem Schaltmodus wurde die Reaktortemperatur nicht mehr über den Kühlwasserzufluss Fj, sondern über den Einsatzstoffzufluss F,n als Stellgröße geregelt. Analog wurde auch die Berechnung der Vorsteuerung- Stellgrößen geändert. Mithin fand eine Strukturänderung von Regelalgorithmus und Vorsteuerung statt. Auch die Sollwerttrajektorie für die Reaktortemperatur TR wurde zu diesem Zeitpunkt neu berechnet, da die Abweichung vom Sollwert für die Umschaltung auf den Einsatzstoffszufluss F,n als Stellgröße zu groß war. Für den Kühlwasserzufluss
Fj wurde eine Trajektorie berechnet und im Prozess eingestellt. Der Druck P wurde weiterhin überwacht.
Zum Zeitpunkt t=0,089 wurde erneut die Akkumulationsgrenze erreicht, sodass in den neuen Schaltmodus (IV) umgeschaltet wurde. Dieser Schaltmodus entspricht in seiner Struktur dem oben bereits geschilderten Schaltmodus (II), sodass erneut eine Strukturänderung von Regelalgorithmus und Vorsteuerung erfolgte. Eine Neuberechnung der Sollwerttrajektorie für die Reaktortemperatur TR erfolgte nicht, da die Abweichung zwischen Sollwert und realem Wert zu diesem Zeitpunkt gering war.
Zum Zeitpunkt t=0,136 erreichte der Kühlwasserzufluss Fj seinen maximalen Wert. Die Regelung der Reaktortemperatur TR über das Kühlwasser war somit begrenzt und die Schaltlogik 60 leitete den Übergang in den Schaltmodus (V) ein, der in der Struktur dem Schaltmodus (III) entsprach. Die Trajektorie für den Kühlwasserzufluss Fj bestand im Schaltmodus (V) allerdings aus einem konstanten Wert, seinem Maximalwert. Dieser Modus wurde über den Großteil der Batch-Laufzeit beibehalten. Gegen Ende der Laufzeit wurde die Sollwerttrajektorie für den Druck P zweimal neu berechnet, da der aktuelle Druck P den Differenzwert zum extern vorgegebenen Druck Ps unterschritt. Als der aktuelle Druck P zum Zeitpunkt t=0,970 seinen Sollwert überschritten hatte, wurde durch die Schaltlogik 60 der Schaltmodus (VI) ausgelöst. Es erfolgte eine Strukturänderung von Regelalgorithmus und Vorsteuerung dahingehend, dass der Druck P nun erstmals über den Einsatzstoffzufluss F,n geregelt wurde und die Reaktortemperatur TR wieder über den Kühlwasserzufluss Fj. Dieser Modus wurde bis zum Ende der Batch-Laufzeit beibehalten. Das Ende des Batch-Laufs wurde durch die Rezeptursteuerung im Prozessleitsystem anhand der dosierten Einsatzstoffmenge bestimmt und dem erfindungsgemäßen Regelungsverfahren mitgeteilt.
Bei sämtlichen Änderungen der Reglerstruktur wurden die Parameter der nach der Umschaltung aktiven Regler neu initialisiert.
Fig. 8 stellt eine weitere Reaktorkonfiguration dar, an der das erfindungsgemäße Regelungsverfahren erfolgreich eingesetzt wurde. Der Unterschied zu dem oben beschriebenen Beispiel bestand darin, dass die Beeinflussung der Kühlleistung im Mantel um den Reaktor nicht durch den Kühlwasserzufluss erfolgte, sondern durch die Einstellung der Kühlwasserzulauf-Temperatur Tj, in über eine Split-Range-Regelung.
Im Vergleich zu dem bisherigen Prozessführungskonzept, das keine Umschaltung von Regelalgorithmus oder Vorsteuerung vorsah, konnte bei beiden Reaktorkonfiguratio- nen durch das erfindungsgemäße Verfahren eine Reduzierung der Dosierzeit um 10% bis 30% erzielt werden, abhängig von der Rezeptur des Batches. Weiterhin konnte die Reproduzierbarkeit gleichartiger Batches erhöht werden.
In obigem Beispiel lief der verfahrenstechnische Prozess im Wesentlichen in einem Semi-Batch-Reaktor ab, der von einem mit Kühlwasser als Wärmeträgermedium durchflossenen Mantel umgeben war. Die Erfindung ist jedoch keineswegs auf dieses Beispiel beschränkt. So sind dem Fachmann beispielsweise weitere Einrichtungen zum Wärmeaustausch bei Reaktoren bekannt wie Halbschlangen außerhalb oder innerhalb des Reaktors, die von einem Wärmeträgermedium durchströmt werden, aber auch Einrichtungen im Reaktor wie durchströmte Rohrschlangen oder elektrische Heizungen. Eine weitere gebräuchliche Art der Wärmeabfuhr ist die Siedekühlung, insbesondere bei Polymerisationsprozessen, bei denen eine Gasphase vorhanden ist oder durch die Reaktion entsteht. Man unterscheidet dabei die interne Siedekühlung im Reaktor von der externen Siedekühlung, bei der ein Teil des gasförmigen Reaktorinhalts in einen mit dem Reaktor verbundenen Wärmetauscher geleitet und dort kondensiert wird. Auch eine flüssige Phase kann in einem externen Wärmetauscher gekühlt oder erwärmt werden, als Wärmetauscher kommen dabei sämtliche bekannten Bauarten in Betracht, insbesondere auch solche, die sich auf der Wärmeträgerseite das Prinzip der Siedekühlung zunutze machen.
Auch bei derartigen Abwandlungen des oben dargestellten Beispiels lässt sich das erfindungsgemäße Regelungsverfahren vorteilhaft anwenden. In Abhängigkeit der je- weiligen apparativen Gegebenheiten eignen sich dabei als Stellgrößen insbesondere eine oder mehrere Flussraten an zugeführten Einsatzstoffen, Flussraten an zugeführtem Wärmeträgermedium, Temperatur des zugeführten Wärmeträgermediums, die Leistung einer im oder am Reaktor angebrachten Heizung, der Druck im Reaktor oder in einem mit dem Reaktor verbundenen Wärmetauscher, sowie Flussraten oder Tem- peratur eines Wärmeträgermediums zu einem externen Wärmetauscher.
Ebenso ist die Erfindung nicht auf Prozesse beschränkt, bei denen durch eine Reaktion freigesetzte Wärme abgeführt werden muss. Auch bei Prozessen, die einen Wärmebedarf aufweisen, lässt sich das erfindungsgemäße Verfahren vorteilhaft anwenden. Das Wärmeträgermedium kann dabei wie oben beschrieben Wasser sein, aber auch Öl, eine sonstige Flüssigkeit oder auch Dampf, beispielsweise Wasserdampf.
Durch das erfindungsgemäße Verfahren lässt sich die Prozessführung nicht nur bei Semi-Batch- und Batch-Reaktoren verbessern, sondern auch bei Prozessen in ande- ren verfahrenstechnischen Apparaten und Anlagen zur Stoffumwandlung oder Stofftrennung, z.B. bei Kristallisatoren, Chromatographiesäulen, Destillations-, Rektifikati- ons- oder Absorptionskolonnen.