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Verfahren zur Gewinnung wasserfreier aliphatischer Carbonsäuren mit
2-4 Kohlenstoffatomen aus ihren wäßrigen Lösungen
Es ist bekannt, daß man die ersten
Glieder der Fettsäurereihe wasserfrei aus ihren wäßrigen Lösungen durch Extraktion
mittels eines Lösungsmittels und nachfolgende azeotrope Destillation des Extraktes
gewinnen kann. Man hat als Extraktionsmittel für diesen Zweck die verschiedensten
Stoffe vorgeschlagen, wie Äther, Ester, Ketone, Kohlenwasserstoffe und andere.
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Die Benutzung aller dieser Hilfsstoffe bringt die Unbequemlichkeit
mit sich, daß ihr Extraktionskoeffizient (d. h. das Verhältnis der Fettsäure im
Extrakt zu der in der wäßrigen Schicht) in dem Maße sinkt, wie die Konzentration
der Säure in der zu extrahierenden Säurelösung sinkt. Das nötigt in der Praxis dazu,
die Zahl der Einheiten in der Extraktionsbatterie zu vermehren, gegebenenfalls sogar
zu vervielfältigen, ohne daß dadurch die Sicherheit gegeben wäre, daß nicht erhebliche
Mengen der Säure mit dem zurückbleibenden Wasser verlorengehen.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird dieser Übelstand beseitigt.
Es besteht darin, daß als Extraktionsmittel für aliphatische Carbonsäuren mit 2
bis 4 Kohlenstoffatomen und als Schleppmittel für das mitextrahierte Wasser bei
der azetropen Destillation Tetrahydrofuran oder seine niedrig alkylierten Derivate,
z. B. 2-Methyltetrahydrofuran, 2,2-Diäthyl tetrahydrofuran oder 2,2,5, 5-Tetramethyltetrahydro-
furan
und andere, verwendet werden. Es konnte festgestellt werden, daß die Verbindungen
dieser Körperklasse nicht nur ausgezeichnete Lösungsmittel für die Fettsäuren sind,
sondern auch die überraschende Eigenschaft haben, daß ihr Extraktionskoeffizient
um so höher liegt, je tiefer der Säuregehalt der wäßrigen Lösung ist.
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Extrahiert man z. B. Essigsäure aus ihren wäßrigen Lösungen mittels
des Methyltetrahydrofurans, so liegen bei Konzentrationen an Essigsäure von 86,
54 und 6 g je Liter wäßriger Lösung die Extraktionskoeffizienten bei 1,42, 1,72
und 2,30. Der niedrigste Extraktionskoeffizient liegt damit noch um 50 0/o über
dem der besten bisher benutzten Extraktionsmittel (Essigsäureester, Ketone u. dgl.).
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Diese wertvolle Eigenschaft der neuen Extralstionsmittel ermöglicht
es, die Zahl und Größe der Einheiten der Extraktionsbatterien weitgehend herabzusetzen,
wobei die behandelte Lösung trotzdem völlig entsäuert wird.
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Die in Frage kommenden Derivate des Tetrahydrofurans haben Siedepunkte
von 77"C beim Methyltetrahydrofuran bis 1070 C bei 2,2,5,5-Tetramethyltetrahydrofuran.
Das ermöglicht es, für jede zu behandelnde Fettsäure ein Lösungsmittel von geeignetem
Siedepunkt auszuwählen, um bei der azeotropen Schlußdestillation das Extraktionsmittel
leicht von der wasserfreien Fettsäure trennen zu können.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren kann man dem Lösungsmittel auch
noch nach Bedarf wasserunlösliche Stoffe zusetzen, z. B. Kohlenwasserstoffe, um
einerseits die von dem Extraktionsmittel aus der wäßrigen Säure aufgenommene Wassermenge
herabzudrücken und damit die Säurekonzentration im Extrakt zu steigern, andererseits
auch, um die Löslichkeit des Extraktionsmittels in der zu behandelnden wäßrigen
Säure herabzusetzen, was insbesondere bei der Verwendung des Tetrahydrofurans selbst
zweckmäßig ist. Vorteilhaft verwendet man ein Zusatzmittel, dessen Siedepunkt dem
des Tetrahydrofurans bzw. des Tetrahydrofuranderivates möglichst nahe kommt, damit
die Mischung bei der Schlußdestillation des Extraktes sich wie ein einheitlicher
Körper verhält.
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Man kann also z. B. als Lösungsmittel Gemische von Tetrahydrofuran
oder Methyltetrahydrofuran mit Benzol oder von Tetramethyltetrahydrofuran mit Toluol
verwenden.
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Der erhaltene Extrakt wird in üblicher Weise weiterbehandelt, um
aus ihm die Fettsäure wasserfrei zu gewinnen. Man kann ihn z. B. destillieren. In
diesem Falle tritt einerseits azeotrope Entwässerung des Extraldionsgutes durch
das Lösungsmittel, das als Schleppmittel für das Wasser wirkt, und andererseits
Trennung desselben von der Fettsäure ein. Man geht also praktisch so vor, daß am
Kopf der Destillationskolonne die binäre azeotrope Mischung abgezogen wird, die
sich durch Dekantation in Wasser und wiedergewonnenes Lösungsmittel trennen läßt.
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Man kann auch erfindungsgemäß die azeotrope Entwässerung in Gegenwart
eines wasserunlöslichen Schleppmittels durchführen, wie bereits vorgeschlagen wurde,
wobei selbst in Anwesenheit flüchtiger Produkte eine genügende Schichtbildung eintritt.
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Es ist bekannt, Derivate des Tetrahydrofurans zur azeotropen Entwässerung
von azeotrop siedenden Gemischen aus Wasser und organischen Verbindungen zu verwenden.
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Es war nicht vorauszusehen, daß Tetrahydrofuran und seine niedrigalkylierten
Derivate hervorragende Extraktionsmittel für Säuren aus ihren wäßrigen Lösungen
sind, insbesondere daß sie die überraschende Eigenschaft besitzen, die Säure um
so besser zu extrahieren, je verdünnter ihre wäßrigen Lösungen sind.
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Das Verfahren ist zur Gewinnung von gegebenenfalls substituierten,
aliphatischen Mono- oder Polycarbonsäuren anwendbar. Als Beispiel seien neben Essigsäure
genannt Buttersäure, Cyanessigsäure, Milchsäure, Oxalsäure.
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Zur Erläuterung der Arbeitsweise dienen folgende Beispiele: Beispiel
I Will man wasserfreie Essigsäure aus ihrer 25 0/0eigen wäßrigen Lösung gewinnen,
so behandelt man diese in der Kälte mit dem anderthalbfachen Volumen 2-Methyltetrahydrofuran,
wobei man die wäßrige Säure und das Extraktionsmittel im Gegenstrom zueinander durch
die Extraktionsbatterie führt. Es genügen zehn Extraktionselemente, um die Essigsäure
völlig aus der wäßrigen Ausgangssäure zu extrahieren. Der die Batterie verlassende
Extrakt enthält I67 g Essigsäure je Liter.
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Diese Lösung von Essigsäure in dem Meth71tetrahydrofuran wird dann
in einer Kolonne azeotrop destilliert, wobei das Methyltetrahydrofuran die Rolle
eines Schleppmittels für das Wasser spielt. Die wasserfreie Säure wird am Fuße der
Kolonne entnommen.
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Zum Vergleich wurde unter sonst gleichen Verhältnissen ein Parallelversuch
durchgeführt, bei dem als Extraktionsmittel Äthylacetat verwendet wurde.
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Es mußten hierzu das zweieinhalbfache Volumen der verdünnten Säure
an Extraktionsmittel verwendet und I6 Extraktionselemente benutzt werden. Trotzdem
enthielt der abfließende Extrakt nur 100 g Essigsäure je Liter.
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Beispiel 2 Um Cyanessigsäure aus ihrer I5 °/Oigen Lösung wasserfrei
zu gewinnen, wurde als Lösungsmittel 2,2,5 ,5-Tetramethyltetrahydrofuran benutzt,
dessen Extraktionskoeffizient für wäßrige Lösungen mit einem Säuregehalt von I50
bzw. 8,5 g je Liter 2,4 bzw. 3,25 beträgt. In einer Batterie von vier Elementen
wurde die verdünnte Säure mit dem gleichen Volumen 2,2,5 ,5-Tetramethyltetrahydrofuran
behandelt. Von der in der wäßrigen Lösung enthaltenen Cyanessigsäure gingen dabei
99,85 01o in das Lösungsmittel.
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Die Säurekonzentration im Extrakt betrug 40,7 OIo.
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Das bei II5"C siedende Tetramethyltetrahydrofuran wirkt bei der azeotropen
Destillation als Schleppmittel für das Wasser.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist auch anwendbar, wenn die wäßrige
Lösung mehrere Fettsäuren nebeneinander enthält, deren Gemisch dann in seine Einzelbestandteile
zerlegt wird.
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Beispiel 3 Ein aus der Essig- und Buttersäuregärung anfallendes,
2010 Gesamtsäure (davon ein Drittel Essig- und zwei Drittel Buttersäure) enthaltendes
Produkt wurde mit 2,2-Dimethyltetrahydrofuran extrahiert, dessen Extraktionskoeffizient
(über 3) trotz der niedrigen Säurekonzentration bemerkenswert hoch liegt. Es genügte
bereits die Anwendung von 112 Volumen des Extraktionsmittels, um aus I Volumteil
des Gärungsproduktes 99.75% der Säure zu extrahieren. Es wurde dabei eine Extraktionsbatterie
von elf Elementen benutzt. Der Extrakt wurde dann azeotrop destilliert, wobei das
bei 90 bis 92°C siedende 2,2-Dimethyltetrahydrofuran die Rolle des Schleppmitels
für das Wasser spielte. Das wasserfreie Säuregemisch wird dann durch fraktionierte
Destillation zerlegt.
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Beispiel 4 Für die Gewinnung wasserfreier Essigsäure aus ihrer 25%igen
wäßrigen Lösung verwendet man ein Gemisch von 80 Volumprozent Methyltetrahydrofuran
und 20 Volumprozent Benzol im Verhältnis von I Raumteil auch 1 Raumteil wäßriger
Säure und führt die wäßrige Säure und das Extraktionsmittel im Gegenstrom zueinander
durch die Extraktionsbatterie.
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Es genügen zehn Extraktionselemente, um die Essigsäure völlig aus
der wäßrigen Lösung zu extrahieren. Der Extrakt verläßt die Batterie mit 191 g Säure
und 110 g Wasser je Liter reinen Lösungsmittels.
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Der Extrakt wird in einer Kolonne azeotrop destilliert, wobei sich
das Lösungsmittelgemisch wie ein einheitlicher Stoff verhält, dessen beide Bestandteile
den gleichen Siedepunkt haben. Das Wasser destilliert als azeotropes Gemisch mit
dem Lösungsmittel am Kopf der Kolonne über und wird in einem Scheidegefäß, welches
das Destillat aufnimmt, abgetrennt. Die wasserfreie Säure wird am Fuße der Kolonnen
entnommen.
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Die nachstehende Tabelle gibt ein Bild für die Verschiebung der Extraktionskoeffizienten
verschiedener Lösungsmittel für Essigsäure als Funktion der Konzentration der wäßrigen
Schicht.
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Tabelle Essigsäurekonzentration in der unteren wäßrigen Schicht
700 300 200 150 100 50 20 10 |
(g im 1) |
Äthylacetat .................................... I 0,94 0,84
0,7 |
Isopropylacetat . . . . . . . 0,75 0,64 0,5 |
Butylacetat . . . . . . .... 0,50 0,42 0,35 |
Amylacetat . . . . . . . . . . 0,35 0,32 o, 26 0,26 |
Åthyläther ..................................... 0,75 0,6 0,5 |
Butyloxyd . . . . . . . . . . . o, 25 o, I2 O,I |
Mesityloxyd ..................................... 0,8 0,6 0,6 |
Methylisobutylketon ... I 0,9 0,75 |
Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich nötigenfalls auch bei einem vom atmosphärischen
Druck abweichenden Druck ausführen.
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Beispiel 5 Für die Extraktion von Essigsäure verwendet man ein Gemisch,
das zu gleichen Raumteilen aus Tetrahydrofuran und Benzol besteht.
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Erster Versuch: Eine 68,8 °10ige wäßrige Essigsäurelösung wird mit
diesem Lösungsmittelgemisch extrahiert. Die sich hierbei bildende obere Schicht
enthält 17,08 080/o, die untere Schicht 21,66 01o Säure; dies entspricht einem Extraktionskoeffizienten
des Lösungsmittelgemisches von 0,788. Der Säureanteil der oberen Schicht beträgt
72X4°/o, bezogen auf Säure + Wasser.
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Zweiter Versuch: Eine 20s2 °/Oige wäßrige Essigsäurelösung wird mit
dem gleichen Lösungsmittelgemisch extrahiert. Die hierbei anfallende obere Schicht
enthält 2,6 01o, die untere Schicht 3,I601, Säure. Der Extraktionskoeffizient ist
mithin o, 822. Der Extraktionskoeffizient steigt also mit fallendem Säuregehalt
der wäßrigen Lösung. Der Säureanteil der oberen Schicht beträgt 56,5 010, bezogen
auf Säure t Wasser.