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Verfahren zur Herstellung von Preßpulver aus keratinhaltigen Stoffen
und Harnstoff-Formaldehyd-Kondensationsprodukten Die Vereinigung von Harnstoff mit
Kunstharzen zu einem Preß.pulver ist verschiedentlich vorgeschlagen worden. Die
Erfindung ist auf die Herstellung eines neuen Preßpulvers aus keratinhaltigen Stoffen
und Kunstharzen gerichtet, das gegenüber den bisher beschriebenen ähnlichen Erzeugnissen
große Vorteile bietet, wie hellere Farbe, höhere Durchsichtigkeit und Wasserfestigkeit,
besseres Fließvermögen und geringere Empfindlichkeit beim Pressen, schnellere Härtung,
Ersparnisse an Material und wirtschaftliche Auswertung inländischer Rohstoffe. Die
Erfindung besteht im wesentlichen in der besonderen Vergütung der keratinhaltigen
Stoffe.
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Man hat schon vorgeschlagen, aus Keratinsubstanzen, wie Horn, Haaren
u. dgl., hornrartige plastische Massen, nämlich Platten herzustellen. Dieses Verfahren
bestand im wesentlichen darin, daß man Hornspäne mit Hilfe einer Behandlung mit
sehr viel Säure starker oder mittlerer Konzentration bei erhöhter Temperatur und
während längerer Zeit und durch eine darauffolgende längere Alkalibehandlung zum
Aufquellen und Lösen brachte, worauf dann diese Masse nach ihrem
Auswaschen
unter starkem Druck zu Platten gepreßt wurde. Die Vorbehandlung der Hornspäne mit
viel Säure starker oder mittlerer Konzentration verfolgte dabei den Zweck, das Aufquellen
oder Lösen des Hornstoffes so weit vorzubereiten, daß der nach dieser Behandlung
übergebliebene Rückstand schon durch eine relativ geringe Menge von Alkali zur vollständigen
Quellung oder Lösung gebracht wird.
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Im Gegensatz zu diesem bekannten Verfahren wird nun beim Verfahren
der Erfindung nicht der Zweck verfolgt, durch Aufquellung und Lösung der Keratinsubstanzen
eine plastische Masse zu erhalten, vielmehr wird hiernach der keratinhaltige Stoff
ohne Abbau und Lösung der keratinhaltigen Substanz durch eine chemische Raffination
einerseits von seinen anorganischen Verunreinigungen befreit und andererseits durch
eine besondere chemische Vergütung gebleicht, durchsichtiger und plastischer gemacht,
so daß auf diese Weise ein sehr reines Keratinmaterial entsteht, dessen Helle, Durchsichtigkeit
und gute plastische Eigenschaften durch die Vermischung mit dem Harnstoffharz. noch
verbessert «-erden. Außerdem werden durch das vergütete Keratinmaterial auch die
Preßeigenschaften des Harnstoffharzes selbst noch verbessert, indem dadurch insbesondere
ihre bekannte Sprödigkeit und Preßempfin.dlichkeit verringert werden.
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Die besondere Vergütung der keratinlialtigen Stoffe besteht in der
chemischen Raffination, insbesondere in der oxydierenden und reduzierenden Behandlung
der mechanisch entsprechend vorbereiteten keratinhaltigen Stoffe, wie Hufe, Klauen,
Hörner, Haare, Federn usw. Dabei werden Hufe bevorzugt, da sie reiner, elastischer
und weniger inkrustiert sind und ein durchsichtigeres und strukturell besseres Keratinmaterial
ergeben. Erfindungsgemäß werden die zweckmäßig zerkleinerten keratinhaltigen Stoffe
vor ihrer Behandlung mit Oxydations- und Reduktionsmitteln vorzugsweise einer Behandlung
mit verdünnter Säure unterworfen., durch deren geringe Konzentration die Keratinsubstanzen
nicht angegriffen, aber diese andererseits von ihren anorganischen Verunreinigungen
befreit werden.
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Der keratinhaltige Rohstoff wird gereinigt und dann entweder mit Hilfe
einer Brechmaschine oder Reißmaschine auf z. B. io bis 20 mm Stückgröße zerkleinert
oder mit Hilfe einer Hobel- bzw. Raspelmaschine in Späne verwandelt. Der zerkleinerte
Stoff wird bei .a.5 bis 65° getrocknet und zu einem Grieß vermahlen. Der Grieß wird
zweckmäßig der Einwirkung einer verdünnten Säure (i bis 5 0/0) ausgesetzt, damit
Eisen, Kalk und andere säurelösliche Verunreinigungen beseitigt werden. Nach erfolgter
Spülung mit Wasser wird der Grieß mit Hilfe von Sauerstoff abgebenden Stoffen von
den oxydierbaren -\7-eruiireiiiigungeti befreit, wozu. zweckwäßig eine o.3-bis 2%ige
schwach alkalische H.,0. ,-Lösung verwendet wird, die man 1:2 bis .I9- Stunden lang
einwirken läßt. Durch die milde Oxydation wird der Stoff weißer, durchsichtiger
und plastischer. Nach erfolgter Trennung von der H., 0.-Lösung wird der Stoff mit
Wasser gespült und durch Behandlung mit Hydrosulfit von den reduzierbaren Verunreinigungen
befreit. Hierzu wird zweckmäßig eine o,5- bis i%ige Na,S204 Lösung verwendet. Die
reduzierende Behandlung macht den Rohstoff noch heller, durchsichtiger, plastischer
und beständiger gegen Oxydation; außerdem werden Sulfitgruppen an das Keratin angelagert,
wodurch das Material an Schönheit gewinnt. Schließlich entfernt die reduzierende
Behandlung: auch die Spuren der H"02-I_ösung, die sonst während der Verpressung
eine merkliche Bräunung des Stoffes hervorrufen würde. Nun wird der Grieß vom reduzierenden
Bad getrennt und entweder mit Wasser oder mit einer schwachen (z. B. i%igen) Säurelösung
gespült. Schließlich wird der Stoff bei 15 bis 65° getrocknet und zu einem feinen
Mehl vermahlen, das ein sehr reines Keratinniehl darstellt. Das raffinierte Keratinmehl
wird erfindungsgemäß mit Kondensationsprodukten aus Harnstoff oder Sulfoharnstoff
und Formaldehyd, gegebenenfalls unter Zusatz von Kondensationsprodukten aus Phenol
oder Kresol und Formaldehyd oder von anderen Kunstharzen; vermischt, getrocknet
und vermahlen. Nach der bevorzugten Arbeitsweise wird zunächst ein überschüssiges
Formaldehyd enthaltendes Anfangskondensationsprodukt hergestellt, dem vor der Trocknung
eine zur Verharzung des überschüssigen Formaldehyds ausreichende Menge von Harnstoff
oder Sulfoharnstoff und ein solcher saurer Katalysator zugegeben wird, der die Verharzung
des überschüssigen Formaldehyds und die Härtung der Preßmasse -,während der Verpressung
bewirkt. Zweckmäßig wird das Anfangskondensationsprodukt in neutraler oder schwach
saurer Lösung hergestellt und nur nach Zufügung des zusätzlichen Harnstoffes oder
Sulfoharnstoffes durch den sauren Katalysator stärker angesäuert. Als solche saure
Katalysatoren eignen sich erfindungsgemäß solche höhermolekulare organische Säuren
oder saure Ester mehrbasischer organischer Säuren, die im Reaktionsgemisch schwer
löslich sind und infolgedessen ihre kondensierende Wirkung wesentlich erst bei der
hohen Preßtemperatur (145y) ausüben, wobei sie sich in der geschmolzenen Preßmasse
auflösen
und die Endkondensation oder die Härtung der Preßmasse außerordentlich schnell bewirken.
Als solche eignen sich Adipinsäure, Sebacinsäure, Bernsteinsäure, Phthalsäure, Harnsäure
usw., oder die sauren Ester der mehrbasischen Säuren. Zweckmäßig wird auch ein organisches
Amin dem Reaktionsgemisch zugefügt, um die Kapillarität herabzusetzen und die Benetzung
der Komponente zu fördern. Das Reaktionsgemisch wird schließlich mit dein raffinierten
Keratinmehl ' vermischt, getrocknet und fein. vermahlen. Unter der Heißpresse schmilzt
dieses Preßpulver zu einem vollkommen homogenen Stoff zusammen undergibt weitgehend
durchsichtige Preßlinge. Dies findet in der ähnlichen Konstitution der Harnstofharze
und des Keratins seine Erklärung.
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Zwecks Erhöhung der Wasserfestigkeit und der chemischen Widerstandsfähigkeit
wird das Reaktionsgemisch mit Anfangskondensationsprodukten aus Phenol oder Kresol
und Formäldehyd versetzt. Auch diese phenoplastischen Zusätze bilden mit den übrigen
Komponenten eine homogene Substanz, wobei der aminoplastische Anteil (Harnstoffharz)
als eine Art Lösungsvermittler zwischen Phenoplast und Keratin wirkt. Dagegen gelingt
es nicht, Phenoplaste und Keratin ohne Aminoplaste zu einer homogenen Schmelze zu
vereinigen, da die Konstitution der Phenoplaste und des Keratin's gänzlich verschieden
ist.
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Die erfindungsgemäßen Preßlinge haben alle guten Eigenschaften der
Aminoplaste, des Galaliths, des Naturhorns und der Edelkunstharze und sind von ihren
schlechten Eigenschaften frei, d. h. sie sind hell, wasserfest und gut preßbar,
sie leiden aber nicht an der bekannten lästigen Sprödigkeit der Aminoplaste; im
Gegenteil, sie kö#rinen sehr gut gedrechselt, gefräst, gebohrt und auf jede andere
Weise mechanisch bearbeitet werden, wie Galalith, Naturhorn, Elfenbein und Edelkunstharze.
Während die handelsüblichen. Aminoplasten infolge der wegen ihrer großen Sprödigkeit
notwendigen Füllstoffe undurchsichtig sind, sind die erfindungsgemäß enPreßlinge
durchsichtig. Helle Farbe, Durchsichtigkeit, gute Preßbarkeit und gute, mechanische
Bearbeitbarkeit in einem Preßstoff vereint, bedeutet aber einen großen gewerblichen
Fortschritt.
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Die Durchführung des Verfahrens wird an Hand der folgenden Beispiele
erläutert: Beispiel i I. Zoo kg vom Schmutz gereinigte Hufe werden. auf Stücke von
io bis 2o mm Durchmesser zerbrochen, bei 45 bis 65'°` getrocknet und zu Grieß vermahlen.
Weiche Hufe, wie Kälber-, Schafs.- oder Schweinehufe, kann man durch Raspeln oder
Hobeln in feine Späne verwandeln. Der Grieß oder die Späne werden mit 8oo 1 i- bis
2o/oiger eisenfreier Salzsäure bei 30 bis 36° 12 bis 24 Stunden lang unter
zeitweisem oder ständigem Umrühren behandelt, dann wird das Material von der Salzsäurelösung
mit Hilfe einer Zentrifuge getrennt und mit Wasser gewaschen. Nun wird das Material
in eine io/oige, schwach alkalische H.0.-Lösung eingetragen und damit bei
30 bis 36°' l2 bis 48 Stunden lang bei zeitweisem oder ständigem Umrühren
behandelt. Die Reaktion der Flotte wird ständig schwach alkalisch gehalten. Zwecks
besserer Ausnutzung der H.,0.-Lösung kann letztere der Flotte im Verlauf der Behandlung
allmählich portionsweise zugegeben «-erden. Nach beendeter Behandlung wird die Flotte
vom Material in der Zentrifuge getrennt, und das Material wird so, lange mit Wasser
nachgespült, bis das Jod-Jodkalium-Stärkepapier nicht mehr blau wird. Nun wird das.
Material in 8o01 o,8- bis: io/oige Nag S2 O4 Lösung ein,-getragen und damit bei
3o bis 36° 12 bis 24 Stunden lang bei zeitweisem oder ständigem Umrühren behandelt.
Man trennt das Material von der Flotte und wäscht es mit Wasser oder mit einer o,8-
bis io/oigen Säure-Lösung nach. Nun wird das Material bei 45 bis 65° getrocknet
und zu feinem Mehl (etwa 25ooer Siebfeinheit) vermahlen. Die abgetrennten Flotten
werden filtriert, auf ihre ursprüngliche Konzentration ergänzt und -,veiterverwendet,
solange sie nicht zu stark verunreinigt sind.
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II. ioo-kg Harnstoff (oder eine Mischung von 85,7 kg Harnstoff und
18a1 kg Sulfoharnstoff) werden in 2501 4oo/oigem Formaldehyd aufgelöst und mit z.
B. 3 1 25o/oige.r N H3 Lösung auf pH - 6,5 bis 7,o eingestellt. Nun werden
0,25 kg Äthylen.diamin zugegeben. Man 1-äßt das Reaktionsgemisch bei etwa
20°' etwa 24 Stunden lang stehen. Bei höheren Temperaturen kann die Zeit entsprechend
verkürzt werden.
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III. Das nach II hergestellte Reaktionsgemisch wird mit 14,3 kg Harnstoff
(oder 18,1 kg Sulfoharnstof) gemischt, um das Molverhältnis Harnstoff (Sulfoharnstof)
zu Fbrmaldehyd auf etwa i : 1,75 zu bringen. Dann werden 0,15 bis 0,25 kg
in Alkohol gelöste Adip.insäure (oder etwa i kg Adipinsäure-Monoglycerinester oder
Phthal.säure-Monoglycerinester) zugesetzt. Nach gründlicher Durchmischung nimmt
das Reaktionsgemisch eine salbenartige Konsistenz an.
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IV. Das Reaktionsgemisch wird nunmehr mit 165 kg eines nach I raffinierten
Keratinmehls versetzt und in einer intensiv wirkenden, aus rostfreiem Material angefertigten
Knetmaschine
während i bis 2 Stunden geknetet. Der meerschaumartige Teig wird mit Hilfe einer
rostfreien Stangenpresse in dünne Nudeln geformt, welche äuf Horden im Luftstrom
oder im Vakuum bei 4o bis 65'
während 4. bis ä Stunden getrocknet und dann
zu einem feinen Mehl vermahlen werden.
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Das so hergestellte Preßpulver wird bei j45° bei 200 bis 5ookg/em2
Druck während 1/4 bis i Minute je Millimeter Dicke verpreßt. Man erhält sehr helle
(hellblonde), durchsichtige, glänzende, gegen Wasser widerstandsfähige und mechanisch
sehr feste Preßlinge, die durch Drechseln, Fräsen usw. leicht bearbeitet werden
können. Durch die bekannten Verfahren kann das Material in beliebiger Farbe gefärbt
werden und eignet sich hervorragend für die Herstellung buntdurchsichtiger Effekte,
wie Büffelhorn, Schildpatt, Mosaik u. dgl. Das Material fließt unter der Presse
so gut, daß auch große und komplizierte Gegenstände genau gepreßt werden können,
wie Dosen, Schachteln, Rahmen, Vasen, Gehäuse für Photo- und Radioapparate, Lampenschirme,
Möbelbeschläge, Schreibmaschinen, Auto- und Textilzubehör, Galanteriewaren usw.
An den Preßlingen können nachträgliche Änderungen durch mechanische Bearbeitung
angebracht werden, was für manche Anwendungen unerläßlich ist. Dies ist ein sehr
großer Vorteil gegenüber Phenoplasten und handelsüblicher Aminaplasten, die, einmal
gepreßt, nicht mehr mechanisch nachgearbeitet werden können.
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Wenn die Maßnahme III des Beispiels i weggelassen wird, so geht der
überschüssige Formaldehyd verloren und kann, bei dem Pressen Fehler verursachen.
Auch härtet die :Masse unter der Presse langsamer und wird weniger widerstandsfähig
gegen. Wasser.
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Beispiel 2 Man verfährt nach Beispiel i, mischt jedoch zum Reaktionsgemisch
unter III noch 35 kg Anfangskondensationsprodukt aus Phenol oder Kresol und Formaldehyd
und gegebenenfalls noch 2,7 kg Hexamethylentetramin.. Die Menge des raffinierten
Keratinm@ehls wird auf Zoo kg erhöht. Das so hergestellte Preßpulver liefert noch
bedeutend wasserfestere und für die chemische und elektrotechnische Industrie geeignetere
Preßlinge.
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Beispiel 3 Man verfährt nach Beispiel i, erhöht aber die Menge des
raffinierten Keratinmehls auf 495 kg und setzt während des. Knetens noch so viel
Wasser zu, daß der Teig leicht und gleichmäßig wird. Man erhält ein Preßpulver,
das dem nach Beispiel i hergestellten Preßpulver ähnlich ist, aber unter der Presse
weniger fließt und auch gegen Wasser weniger widerstandsfähige Preßlinge liefert.
Dieses Preßpulver eignet sich besonders für billige Massenartikel, da es infolge
der Billigkeit des keratinhaltigen Rohstoffes billiger als die anderen bekannten
Preßpulver hergestellt werden kann.
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Das Verhältnis des Keratinmehls zum Harnstoff-Formaldehvdoder Phenol-(Kresol)-Formaldehyd
- Kondensationsprodukt kann auch von den obigen Verhältnissen abweichend gewählt
werden, im allgemeinen zwischen 3 : t und i : 3. Durch Erhöhung des Keratinanteils
fällt die Wasserfestigkeit und die Fließfähigkeit. Wird der Keratinanteil unter
i : i herabgesetzt, so wird die mechanische Bearbeitbarkeit allmählich geringer.
Die Wasserempfindlichkeit keratinreicher Preßlinge kann durch Beizen mit Formaldehyd
behoben werden. Beispiel 4 Man verfährt nach Beispiel i, ersetzt aber die Hufe durch
Hörner. Infolge der mehr faserigen Struktur der Hörner ist die Feinzerkleinerung
schwieriger. Die Durchsichtigkeit und die Fließfähigkeit der Preßlinge ist geringer,
wogegen ihre mechanische Festigkeit vorzüglich ist.