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Verfahren zur Herstellung von Lacken, Pasten, Spachtel- und Auftragsmassen
Bei der Herstellung von Auftragsmassen, wie Lacken, Spachtelmassen, Pasten, aus
Celluloseestern war man bisher auf die Verwendung organischer Lösungsmittel angewiesen.
Das zur Erreichung einer streich- und spritzfähigen Masse erforderliche Lösungsmittelgewicht
überstieg das Gewicht des Celluloseesters um ein Vielfaches. Beim Aufbringen der
Schichten gingen die Lösungsmittel zum Teil oder völlig verloren, und die Dämpfe
belästigten unter Umständen sehr erheblich die in den Räumen befindlichen Personen;
zudem brachte ihre Verarbeitung wegen ihrer Entzündlichkeit gewisse Gefahren mit
sich.
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Es ist zwar bekannt, auch wasserfeuchte Nitrocellulose zu gelatinieren
und derartige Massen unter Anwendung von Hitze und Druck zu Überzügen zu verarbeiten.
Diese Massen werden aber erst in der Hitze plastisch und sind so zähe, daß sie sich
weder streichen noch spritzen lassen.
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So wird beispielsweise nach der deutschen Patentschrift 191454 wasserfeuchte
Kollodiumwolle mit einem substituierten Harnstoff (einem Gelatinierungsmittel) und
Wasser zu einem dünnen Brei angerührt. Beim Erwärmen bildet sich eine knetbare Masse
dadurch, daß der substituierte Harnstoff schmilzt und sich mit der Kollodiumwolle
verbindet. Das Wasser scheidet sich ab (s. weiter unten). Vor der Erwärmung liegt
also ein dünner inhomogener Brei vor, ein mechanisches Gemenge von Kollodiumwollefasern,
Kristallen des Hamstoffderivats und Wasser. Dieses Gemenge ist keine spritz- oder
streichfähige Auftragsmasse. Beim Erwärmen auf 6o° schmilzt das Harnstoffderivat
und bewirkt eine Gelatinierung der Nitrocellulose unter Abscheidung von Wasser.
Eine solche Entmischung tritt bei Anwendung flüssiger Gelatinierungsmittel schon
in der Kälte ein. (Unter Gelatinierungsmitteln sollen dem heutigen Sprachgebrauch
entsprechend solche Sub-
stanzen verstanden werden, welche Lösevermögen für
Celluloseester besitzen und so geringen Dampfdruck haben, daß sie den Celluloseesterfilm
längere Zeit weich halten. Es sind also Weichhaltungsmittel finit Lösevermögen für
Cellulosederivate.) Dieser Gela:tinierungsvorgang, welcher von einer Abscheidung
des in den Celluloseestern von der Fabrikation her enthaltenen Wassers begleitet
ist, wird in der Technik der plastischen Massen ausgiebig benutzt.
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Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um die Erzielung eines
gerade entgegengesetzten Effektes.
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Celluloseesterlacke bestehen bekanntlich aus flüchtigen und nichtflüchtigen
Anteilen.
Es sollen aus wasserunlöslichen Celluloseestern ohne Verwendung
von organischen Lösungsmitteln Lacke, Streichlösungen für Kunstleder u. dgl. hergestellt
werden, welche dieselben nichtflüchtigen Anteile und in denselben Mengenverhältnissen
enthalten wie die bisher bekannten Erzeugnisse, deren flüchtiger Anteil aber ganz
oder zum größten Teil aus Wasser besteht.
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Man kann zur Lösung dieser Aufgabe den Celluloseester bis zur kolloidalen
Verteilung mit Wasser mahlen. Solchen Anreibungen, die bei genügender Dispergierung
eine gewisse :Unlichkeit mit Tonerde haben, kann man zur Verbesserung der Streichfähigkeit
wasserlösliche Kolloide zusetzen, jedoch erzielt man auf diese Weise keine Schichten,
die qualitativ auch nur annähernd den auf übliche Weise hergestellten entsprechen,
weil zur festen `'erbindung der Einzelteilchen (der Filmbildung) eine Solvatation
erforderlich ist.
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Tun enthalten die Celluloseesterlacke (und besonders alle Auftragsmassen
für Kunstleder) Weichlialtungs- und Gelatinierungsmittel, um den fertigen Schichten
eine genügende Geschmeidigkeit zu geben.
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Setzt man Gelatinierungsmittel einer wäßeigen Paste von wasserunlöslichen
Cellttloseestern zu, so beobachtet man bereits ' bei der Durchmischung, besonders
aber bei der Weiterverarbeitung die Bildung von zwei Phasen: Das Wasser scheidet
sich ab, und die Lacke oder Massen verlieren ihre glatte Streichbarkeit und ihren
Zusammenhalt.
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Durch Zusatz von wasserlöslichen Kolloiden zur wäßrigen Gelluloseesterpaste
kann inan den Entmischungsvorgang zwar verzögern, aber nicht verhindern.
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Eine überraschende Wirkung erzielt man nun dadurch, daß man der mehr
oder weniger kurzfaserigen Anreibung des Celluloseesters in Wasser die Gelatinierungsmittel
nicht als solche zusetzt, sondern in Form einer beständigen wäßrigen Emulsion.
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Diese Beständigkeit kommt erstens dadurch zum Ausdruck, daß die fraglichen
Emulsionen selbst unbegrenzt haltbar sind, zweitens dadurch, daß sie sich auch beim
Vermischen mit wasserhaltigen Celluloseesteranreibungen als haltbar erweisen und
zur Entmischung der fertigen Kombination -- Celluloseester, Wasser, Gelatinierungsmittel
- keinen Anlaß geben.
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Solche Kombinationen unterscheiden sich in Aussehen und Anwendungsart
nicht von Lacken und Auftragsmassen, die in üblicher Weise unter Verwendung von
organischen Lösungsmitteln hergestellt worden sind.
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Die Arbeitsweise ist beispielsweise folgende: -Das Gelatinierungsmittel
oder ein Gemisch von Gelatinierungsmitteln oder auch ein Geinisch von Gelatinierungsmitteln
mit pflanzlichen Ölen wird portionsweise in eine wäßrige Lösung von Methylcellulose
eingetragen, welche (z. B. durch ein Taifun-Rührwerk) in lebhafte turbulente Bewegung
gesetzt wird.
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Es bildet sich eine Emulsion, die bei aoofacher Vergrößerung keine
Öltröpfchen mehr erkennen läßt.
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An Stelle eines Gemisches von Gelatinierungsmitteln und pflanzlichem
Öl kann man auch ein Gemisch von pflanzlichem Öl finit einer solchen Menge hochsiedender
Lösungsmittel (z. B. Cyclohexanolacetat, Äthylglvcolacetat, Acetvlglycolsäureäthylester
ttsw.), welche zur Lösung des später zuzusetzenden Celluloseesters nicht ausreicht,
emulgieren.
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Zur Herstellung dieser Emulsionen eignen sich außer der Methylcellulose
auch andere wasserlösliche Kolloide, z. B. eine Äthylcellulose mit a,4
% Äthoxyl, Kautschukmilchkonzentrate und in Wasser dispergierbarer Faktis,
Weniger geeignet, weil Emulsionen von geringerer Beständigkeit und Schichten von
geringerer Elastizität ergebend, sind Stärke, Dextr in, Agar, Gelatine und Leim.
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Der Vorgang der Filmbildung aus solchen Massen kann nun wie folgt
beschrieben werden: Eine beständige wäßrige Emulsion, beispielsweise zusammengesetzt
aus Wasser, Gelatinierungsmittel und Methylcellulose, gemischt mit einer wäßrigen
Anreibung von gemahlener h,Titrocellulose, wird in üblicher Weise aufgestrichen.
Jedes Celluloseesterteilchen ist von submikroskopischen Tröpfchen des emulgierten
Gelatinierungsmittels umgeben. Mit zunehmender Verdampfung des als Verdünnungsmittel
dienenden Wassers nähern sich die Teilchen des Gelatinierungsmittels den Teilchen
des Celluloseesters, bis schließlich bei weitergehender Entfernung des Wassers ihre
Vereinigung, die Gelatinierung, erfolgt, wobei eine zusammenhängende Schicht entsteht.
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Dieses Verfahren hat folgende Vorzüge: i. Die Verwendung organischer
Lösungsmittel erübrigt sich; die obenerwähnten lach- i teile fallen somit fort.
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z. Die Cellulosederivate brauchen nicht in kolloidaler Form vorzuliegen,
es genügt ein kurzfaseriger wäßriger Brei.
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3. Die Erzeugnisse sind überraschend be- i ständig.
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q.. Die Erzeugnisse lassen sich je nach ihrer Zusammensetzung als
Spritzlacke, Streichlacke, Spachtelmassen, Imprägnierungspasten verarbeiten.
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5. Die Aufstriche . sind auch in halbtrockenem Zustande geschmeidig
und ziehfähig.
6. Die Aufstriche besitzen nach dem völligen Verdunsten
des Wassers eine beträchtliche Zähigkeit und Elastizität.
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7. Das Auftragen der Massen und die Weiterbearbeitung der Schichten
kann in üblicher Weise erfolgen. Aufstriche auf Geweben können z, B. kalandert oder
gepreßt werden. Aufstriche auf Metallen und Holz können geschliffen, poliert und
übernebelt werden.
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Das Verfahren ist an die Verwendung von Gelatinieruhgsmitteln gebunden;
man erhält zwar auch unter ausschließlicher Verwendung von nicht gelatinierenden
Weichinachungsmitteln, wie z. B. Rizinusöl, zusammenhängende Schichten, aber diese
zeigen eine relativ geringe Festigkeit, die durch Nachlackieren mit einem normalen
Celluloseesterlack verbessert werden muß.
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Eine erhöhte Festigkeit kann man dadurch erzielen, daß man bei Bereitung
der beständigen wäßrigen Emulsion ein über ioo° C siedendes, in Wasser nicht lösliches
Lösungsmittel in einer Menge zusetzt, die zwar zur Lösung des später zuzusetzenden
Celluloseesters nicht ausreicht, in emulgierter Form aber nach dem Verdampfen des
Wassers die Gelatinierung des Celluloseesters, wie oben geschildert, bewirkt und
somit die Bildung elastischer Schichten auch ohne Gelatinierungsmittel ermöglicht.
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Bei der Herstellung der fraglichen Auftragsmassen ist man nicht an
die Einhaltung des oben gegebenen Schemas gebunden; so kann man beispielsweise Pigmente
und Füllstoffe vor Zugabe der Emulsionen mit dem Celluloseester verreiben und vermahlen,
oder man kann Pigment und Füllstoff in die Emulsion eintragen. Man kann ferner die
wäßrige Lösung des Schutzkolloids ganz oder teilweise mit dem Celluloseester vermischen.
Es ist auch möglich, alle Bestandteile der fertigen Auftragsmasse mit Ausnahme der
Gelatinierungsmittel zu homogenisieren und dieser homogenen Mischung das nicht emulgierte
Gelatinierungsmittel einzufügen; in diesem Falle würde die Bildung einer beständigen
wäßrigen Emulsion des Gelatinierungsmittels erst nachträglich erfolgen.
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Die überraschende Beständigkeit solcher Kombinationen zeigt sich darin,
daß sie mit Wasser oder wasserunlöslichen organischen Lösungsmitteln gemischt werden
können, ohne daß Entmischung eintritt. Zweckmäßig verwendet man' auch hierbei starkwirkende
Rührwerke mit hoher Tourenzahl. Es ist so die Möglichkeit gegeben, diese Kombinationen
in jeder beliebigen Konsistenz einzustellen und den verschiedensten Anforderungen
der verarbeitenden Technik anzupassen.
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Von besonderem Interesse für die Kunstlederindustrie sind die Kombinationen
mit Latexkonzentraten und mit Faktis.
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Wie erwähnt, kann man diese Substanzen als Schutzkölloid für die Emulsion
des Gelatinierungsmittels verwenden. Vorteilhafter aber ist es, eine wäßrige Emulsion
des Weichmachungsmittels mit Methylcellulose zu bereiten und den wasserfeuchten
Celluloseester mit Pigment, Füllstoff und Latex oder Faktis zu dispergieren.
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Bei inniger Vermischung der getrennt zubereiteten Kombinationen ergeben
sich Streichmassen, die zur Herstellung eines Kunstleders von besonders weichem
Griff geeignet sind.
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' Beispiel i Auftragsmasse zum Aufstreichen auf Gewebe (Herstellung
von Kunstleder und Kaliko) A. Emulsion. iooo g einer 5o/oigen wäßri:gen Methylcelluloselösung
werden in kräftige turbulente Bewegung gesetzt. In kleinen Portionen gibt man 200
g Trikresylphosphat und ioo g Benzylbutylphthalat zu und setzt die Bewegung der
Masse fort, bis eine glatte weiße Emulsion entstanden ist.
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B. 2950 g kurzfaserige Nitrocellulose, angefeuchtet
mit 25o g Wasser, werden in einer Farbreibmühle mit ioo g Zinkweiß und 50 g Heliobordo
(vgl. H. Wagner. Die Körperfarben, 1928, SS.:270) unter Zugabe von 150 g Wasser
angerieben.
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A und B werden in einem Rührwerk innig gemischt. Beispie12 Auftragsmasse
zum Aufstreichen auf Gewebe A. Emulsion. iooo g einer 5o/oigen wäßrigen Methylcelluloselösung
werden wie- in Beispiel 1 mit 300 g Rizinusöl und 30 g Tributylphosphat
zu einer Emulsion verarbeitet.
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B. 250 g kurzfaserige 1\Titrocellulose, angefeuchtet mit 25o
g Wasser, werden finit ioo g Kaolin, 2o g Titanweiß und zog Heliomarin (vgl. Patent
301 555) unter Zusatz von 15o g 5o/oiger wäßriger Methylcelluloselösung angerieben.
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A und B werden innig gemischt. Beispiel 3 Auftragslösung für Kaliko
A. Emulsion. 8oo g einer 8o/oigen wäßr igen Lösung von Äthylcellulose (2404 Äthoxyl)
werden mit Zoo g Trikresylphosphat und ioo g Dibutylphthalat zu einer Emulsion verarbeitet.
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B. 250 g kurzfaserige Nitrocellulose, angefeuchtet mit 25o
g Wasser, werden mit 15o g Cadmiumorange und 150 g einer $o/oigen
wäßrigen
Lösung von Äthylcellulose (24 °Jo Äthoxyl) angerieben.
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A und B werden innig gemischt. Beispiel A. Emulsion. 140 g wäßrige
iVlethylcelluloselösung 5o/oig, ioo g Dibutylphthalat und 40 g Trikresylphosphat
werden zu einer Emulsion verarbeitet.
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B. ioo g kurzfaserige Nitrocellulose, angefeuchtet mit ioo g Wasser,
werden mit ioo g in Wasser dispergierbarem Faktis, ioo g Wasser und 30 g
Pigmentschwarz angerieben. A und B werden innig gemischt.
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Die Masse gibt Schichten von besonders weichem Griff und läßt sich
mit Nitrocelluloselacken lackieren. , Beispie15 Schleiflack für Holz 25o g kurzfaserige
Nitrocellulose, angefeuchtet mit 25o g Wasser, werden mit i5o g 5o/oiger wäßriger
Methylcelluloselösung und i5o g Cadmiumrot angerieben. Diese Paste wird in einer
wäßrigen 5o/oigen Methylcelluloselösung dispergiert und nach erfolgter Homogenisierung
mit i8o g Dibutylphthalat gemischt.
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Die Kombination kann mit Wasser oder mit in Wasser unlöslichen organischen
Lösungsmitteln beliebig verdiinnt werden.
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Das Polieren der Fläche erfolgt zweckmäßig mit Spiritus unter Zusatz
von Benzylalkohol (Ouellungsmittel für Methylcellulose). Beispie16 A.
500 g in Wasser dispergierbarer Faktis werden mit 500 g Wasser angerieben
und durch Bearbeitung in einem Rührwerk in eine Emulsion verwandelt. B. Zoo g kurzfaserige
Nitrocellulose werden mit 150 g einer 5o/oigen wäßrigen Lösung des Natriumsalzes
der Celluloseglycolsäure, 140 g Cadmiumgelb und 40 g Miloriblan (vgl. H. Wagner,
Die Körperfarben 1928, S.2; 2) angeteig t.
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A und B werden gemischt und dreimal durch eine Trichtermühle geschickt.
Die Kombination gibt weiche elastische Schichten.. die zur Herstellung von Lederimitationen
geeignet sind. Zur Erhöhung der Reibfestigkeit können diese Schichten übernebelt
oder mit einem Schlußlack auf Nitrocellulosebasis überzogen werden. Beispiel ? ioo
g Äthylcellulose mit 431/0 Äthoxyl werden mit ioo g Wasser gemahlen, zweckmäßig
unter Zusatz von 5 g einer in Wasser löslichen Äthylcellulose von 24% Äthoxyl.
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Der Anreibung werden 50 g mineralische Umbra zugesetzt und
die Mischung durch eine Farbreibmühle gegeben.
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In einem Rührwerk emulgiert man 6o g Tributylphosphat mit ioo g einer
8%igen Lösung von wasserlöslicher Äthylcellulose. Diese Emulsion wird mit der farbigen
Anreibung gemischt.