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Verfahren zur Darstellung von Dicyandiamid aus Calciumcyanamid Das
angemeldete Verfahren betrifft die Darstellung von Dicyandiamid aus Calciumcyanamid,
z. B. aus Lösungen von Calcium;-cyanamid. Es sind bereits verschiedene Versuche
gemacht worden, um eine rasche und vollkommene Umwandlung von Calciumcyanamid in
Dicyandiamid zu erhalten, jedoch war der Erfolg verhältnismäßig gering, da man die
Theorie dieser Umwandlung nicht kannte.
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Nach einem bekannten Verfahren wird es z. B. als wesentlich angesehen,
daß zur Erzielung einer höheren Reaktionsges,ch,#vindigk eit die Reaktion i Gegenwart
von Kalk vor sich geht, also mit anderen Worten, wenn Calciumcyananzid als Ausgangsmaterial
verwendet wird, da dieses freien Kalk enthält. Es ist hier also die Ansicht vertreten,
daß eine hohe Alkalität zur Erzeugung von Dicyandiamid erforderlich ist.
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Nach einem anderen bekannten Verfahren wird zunächst eine Lösung von
Calciumcyanamid hergestellt und dann genügend Schwefelsäure zugefügt, um die Hälfte
des in dem Calciumcyänamid vorhandenen freien Kalkes zu binden. Alsdann wird die
-Nlischung auf 75° erwärmt und bei dieser Temperatur während zwei Stunden gehalten,
um die Umwandlung hervorzurufen. Im Anfang der Umwandlung ist die Lösung stark alkalisch
uud wird noch mehr alkalisch, je weiter die Umwandlung fortschreitet. Es ist hierbei
jedoch kein Versuch gemacht, nach dem Beginn der Reaktion die Alkalität zu regeln.
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Das vorliegende Verfahren vermeidet die Nachbeile der bekannten Verfahren
und @ermöglicht eine möglichst hohe Ausbeute an Dicyandiamid zu erzielen, dabei
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erwünschte Nebenreaktionen zu vermeiden bzw. fast gänzlich auszuschließen,
nämlich die Bildung von Harnstoff, Ammoniak u. ÜgL Dies wird erreicht, wenn eine
ganz bestimmte, in verhältnismäßig engen Grenzen liegende Wassersteffionenkonzentration
in der Lösung aufrechterhalten wird. Während bei den bekannten Verfahren die Lösung
jederzeit alkalisch ist und dauernd ihre alkalischen Eigenschaften ändert, wird
im Gegensatz hierzu bei dem vorliegenden Verfahren der Säuregrad vor der Reaktion
festgelegt.
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Dieses wird dadurch erreicht, daß zunächst zu .einer vorteilhaft filtrierten
Lösung d_ es Calciumcyanamids solche Mengen von Säuren, z. B. Schwefelsäure, auf
einmal, gegebenenfalls unter Kühlung, zugesetzt werden, daß die Lösung vollständig
neutralisiert und die Wasserstoffionenkonzentration zwischen io-s#.-' und io-12,i,
bei Temperaturen zwischen 3o und 9o° gehalten wird. Erforderlichenfalls kann man
die -Wasserstoffionenkonzentration dadurch regeln, daß man von 'Zeit zu Zeit Schwefelsäure
zusetzt, welche den hei der Reaktion gebildeten Kalk neutralisiert.
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Das vorliegende Verfahren ist in einfacher Weise verhältnismäßig leicht
und mit wenig Kosten auszuführen.
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Zum Beispiel wird Kalkstickstoff mit ungefähr drei Gewichtsteilen
Wasser ausgelaugt, und durch Filtrieren und sorgfältiges Waschen werden daraus ungefähr
9o_% Calciumcyanamid in Lösung erhalten. Dann wird vorsichtig ioprozentige Schwefelsäure-
unter starhem
Umrühren zugesetzt, um eine örtliche Überhitzung
zu vermeiden.- Wo, große Mengen zu behandeln sind, werden Kühlschlangen erforderlich,
um die Temperatur auf ungefähr 35° zu halten. Sobald die Wasserstöffionenkonzentration
der Lösung ungefähr io 9.6 normal beträgt, wird die Schwefelsäurezufuhr unterbrochen
und der Niederschlag durch.: Filtrieren entfernt. Das Filtrat ,einschließlich des
Waschwassers wird dann auf eine Temperatur von 5o° gebracht und dabei gehalten mit
einer Schwankung von nur wenigen Graden, bis der Arbeitsvorgang vollendet ist. Dann
wird Schwefelsäure von derselben Stärke wie die der gekühlten und gerührten Flüssigkeit
zugesetzt, bis das Cyanamid verschwindet. Die Menge und das Verhältnis, in welchem
die Säure zugesetzt wird, wird durch eine Anzahl von Bestimmungen der Wasserstoffionenkonzentration
ermittelt, und diese muß auf ungefähr io--9,6 normal gehalten werden. Nach beendeter
Umsetzung wird noch mehr Säure zugesetzt, bis zu einer Wasserstoffionenkonzentration
von ungefähr =0-5,° normal, um beim. Eindampfen Verluste an Dicyandiamid durch-
Zersetzung zu vermeiden.
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Statt Schwefelsäure, wie bei dem bieschriebcnen Ausführungsbeispiel,
können natürlich auch andere Säuren verwendet werden, und diese können wieder ersetzt
werden durch andere Materialien, welche imstande sind,, die richtige Wasserstö"ffionenkonzentration
aufrechtzuerhalten. Beispielsweise könnte eine sogenannte Puffersubstanz zugesetzt
werden, etwa eine Mischung vom. Borsäure und Borax, oder es kann gleichzeitig eine
Puffersubstanz und eine Säure Verwendung finden.
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Die vorläufige 'Behandlung des Materials kann je nach den Umständen
und zwecks Herabsetzung der Kosten auf ein Mindestmaß geändert werden. Zum Beispiel
kann bei dem vorher beschriebenen Verfahren das Filtrieren unterbleiben, und die
Säure kann dem Wasser oder der Kalkstickstoffmischung zugefügt werden, bis das Cyanamid
versAwindet, und dann werden. die festen 'Bestandteilc entfernt, um das Dicyandiamid
durch Verdampfen des übrigbleibenden Filtrates zu gewinnen.
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Bei der Herstellung von Dicyandiamid aus Cyanamid können auch Nebenreaktionen
auftreten, 'die die Ausbeute an Dicyandiamid verringern, indem sich Ammoniak, Harnstoffe
oder Melanin bilden, welche Nachteile bei dem angemeldeten Verfahren vermieden werden.
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Bei der Untersuchung der Reaktionen, die in Lösungen von Cyanamid
unter verschiedenen Bedingungen auftreten, wurde folgendes gefunden. i. Die Reaktion,
bei welcher Dicyandiamid aus Cyanamid gebildet wird, besitzt eine bemerkenswerte
Geschwindigkeit bei Wasserstoffionenkonzentrationen zwischen zo-$,5 normal und io-i2,5
normal bei Temperaturen zwischen 30 und 9o°.
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z. Bei einer bestimmten Wasserstoffionenkonzentration innerhalb dieser
Grenzen ist die Reaktion eine typische Reaktion der zweiten Ordnung, das heißt,
in einem bestimmten Stadium während des Verlaufes der Reaktion ist die Größe der
Cyanamidpolymerisation proportional dem Quadrat der in diesem Stadium bestehenden
Cyanamidkonzentration.
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3. Die Gaschwindmgkeit der Reaktion in einer bestimmten Periode ändert
sich mit der Wasserstoffionenkonzentration und ist .ein Maximum bei im wesentlichen
io-9,6 normal.
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q.. Bei einer Temperatur von. $ö° findet die Zersetzung des Dicyancüamid
in erheblichem Umfang statt, wenn die Wasserstoffionenkonzentration io-9,° normal
und darunter beträgt. Je niedriger die Wasserstoffionenkonzentration ist, desto
größer ist der Grad der Zersetzung.
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5. Die Zersetzung des Dicyandiamds bei Temperaturen über 80° wird
beträchtlich bei einer Wasserstoffionenkonzentration, die größer als io-9,0 normal
ist.
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Durch Erhöhung der Temperatur wird der Grad der Polymerisation wesentlich
gesteigert, entsprechend der allgemeinen Regel, daß eine Erhöhung um io° die Geschwindigkeit
der Reaktion verdoppelt.
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Die Bildurig des Di@cyandiamids ist von einer Verringerung der Wasserstoffionenkonzentration
in der Lösung begleitet. Dies erklärt sich damit, daß Cyanamid :eine stärkere Säure
ist als das aus ihr -gebildete Dicyandiami,d. Diese Verringerung der Wasserstoffionenkonzentration
wird noch weiter getrieben durch den Umstand, daß zwei Moleküle Cyanamid, von denen
jedes zwei Potentiahwassers;tofF-ionen enthält, sich polymerlsi@eren, um ein Molekül
Dicyandiamid zu bilden, welches ein Potentialwasserstoffion enthält. Folglich ändert
sich die Wasserstoffionenkonzentration einer Lösung von Cyanamid während der Bildung
von Dicyandiam:d beständig. Als Folge dieser Änderung treten. Nebtenreaktionen auf.
Daraus folgt, daß man durch Regelung der Wasserstoffionenkonzentration der Reaktionslösung,
indem man z. B. während des Verlaufes der Reaktion von Zeit zu Zeit Schwefelsäure
zusetzt, welche dien bei der Reaktion gebildeten Kalk neutralisiert, die Reaktion
so beeinflussen kann, daß die beste Umsetzung in Dicyandiamid erreicht wird. Ferner
wurde gefunden, daß, wenn die Reaktion schnell. durchgeführt wird, die Bildung
von
Nebenprodukten in starkem Maße vermieden wird, was ohne Zersetzung des Dicyandiamids
leicht durchführbar ist-Bei der Behandlung des Cyanamids ist man nicht auf die Verwendung
eines besonderen Salzes oder einer Lösung desselben beschränkt; es läßt sich viehmehr
jede Lösung verwenden. Auch ist das Verfahren nicht auf die Verwendung einer besonderen
Säure beschränkt. Man kann vielmehr jede Säure oder eine andere Substanz benutzen,
die imstande ist, den gewünschten Grad der Wasserstoffionenkonzentration aufrechtzuerhalten.
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Das wesentliche Merkmal des Verfahrens ist also die Aufrechterhaltung
und Regelung der Wasserstoffionenkonzentration und der Temperatur. Um eine möglichst
große Ausbeute zu erzielen, werden die Konzentration und die Temperatur so gewählt,
da.ß während der Reaktion eine möglichst geringe Zersetzung des Reaktionsproduktes
und .eine möglichst geringe Bildung von weniger brauchbaren Nebenprodukten eintritt.
Dies ist z. B. der Fall bei einer Konzentration von io 9#6 und einer Temperatur
von 5o°.
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Soll zu einer bestimmten Zeit die Reaktion verzögert oder für eine
bestimmte Periode vollkommen aufgehoben werden, so kann dies durch Änderung der
Wasserstoffionenkonzentration geschehen, und zwar bis zu einem solchen Maße, daß
die Geschwindigkeit der Bildung des IDicyandh.-amids praktisch gleich Null wird.
Um die Reaktion wieder beginnen zu lassen, ist es nur notwendig, dieWasserstofflonenkonzentration
wieder auf den richtigen Betrag zurückzuführen. Auf diese Weise kann man die Reaktion
zum Beispiel des Abends unterbrechen und am andern Morgen wieder beginnen lassen.
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Zur weiteren Erläuterung des Verfahrens wird nachstehend ein zahlenmäßig
gehaltenes Beispiel gegeben.
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i ¢6 kg Calciumcyanamid werden in q.38 kg Wasser gegeben in einem
Behälter, der mit einer Rührvorrichtung und einer Vorrichtung zur Messung und Regelung
der Temperatur versehen ist. Dieses Zufügen geschieht in einer solchen Weise, daß
.eine örtliche Erwärmung der Lösung infolge der Lösungswärme vermieden wird, z.
B. wird die Temperatur dabei unterhalb 3o bis 35° gehalten. Wenn die Lösung im wesentlichen
beendet ist (z. B. wenn etwa 9o % ;des Calcium,-cyanaarn@ds in Lösung gegangen sind),
wird diese filtriert, um die unlöslichen Bestandteile zu entfernen.
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Die erhaltene Lösung wird dann mit einer ioprozentigen Schwefelsäure
behandelt, bis sie gerade mit Thymolphthalein (p H' 9,6) saure Reaktion zeigt, wobei
die Temperatur unterhalb 50° gehalten wird; darauf wird die Lösung filtriert und
eine Lösung von freiem Cyanamid erhalten. Die Lösung wird auf etwa 5o° erwärmt und
bei dieser Temperatur gehalten, bis die Umwandlung in Dicyandiamid beendet ist.
Während der Reaktion nimmt der Säuregrad der Lösung ab, wodurch es notwendig wird,
von Zeit zu Zeit weitere Mengen von Schwefels-äuce der Lösung zuzusetzen. Nach beendeter
Umsetzung wird ge: nügend Schwefelsäure zugegeben, bis die Lösung mit Methylrot
saure Reaktion zeigt (p H' 5,0), wodurch nachher eine Zersetzung des Dicyandiamids
vermieden wird. Die Lösung wird dann erforderlichenfalls filtriert und bei etwa
5o° verdampft, bis sie zu kristallisieren beginnt. Nunmehr wird abgekühlt und filtriert,
um die Kristalle des Dicyandiamids zu gewinnen. Die Mutterlauge kann wieder verarbeitet
werden.
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Es- ergibt sich dabei. eine Ausbeute, die zwischen 9o und 95 % schwankt,
die aber im allgemeinen 95 % beträgt. Die Lösung enthält nach der Umsetzung etwa
o, 15 %. Stickstoff, der kein Dicyandiamid-Stickstoff ist. Die Kristalle
des Dicyandiamids besitzen eine Reinheit von etwa 99 %.