Die Erfindung betrifft ein Spreizmittel für negative Elektroden von Bleiakkumulatoren.
Bekanntlich dienen Spreizmittel oder Expander in negativen Bleielektroden dem Ziel,
die Bildung grober Bleidendriten beim Laden zu verhindern und dank der Erhaltung ei
ner feinkristallinen Oberflächenstruktur der Elektroden deren Kapazität auf hohem
Niveau im Zyklenbetrieb zu stabilisieren. Indem das Spreizmittel an Stellen bevorzug
ten Wachstums von Bleikristallen ebenso wie von Bleisulfat absorbiert wird, tritt beim
Entladen die Festkörperreaktion zugunsten der Reaktion über die Lösung in den Hin
tergrund. Es entsteht dadurch eine poröse Bleisulfatstruktur, welche eine hohe Mas
seausnutzung ermöglicht.
Bei den in Batterieelektroden eingesetzten organischen Spreizmitteln handelt es sich
in aller Regel um Derivate des Lignins und anderer Holzinhaltsstoffe, welche als Ne
benprodukte bei der Zellstoffgewinnung aus Holz anfallen.
Als technische Produkte sind die marktgängigen Spreizmittel nicht einheitlich, wobei
man insbesondere bei den technischen Ligninen auch noch nach deren Herkunft aus
dem jeweiligen Aufschlußverfahren unterscheidet.
In einem Fall wird Holz mit saurer Calciumsulfitlösung ("Sulfit-Lauge") gekocht. Dabei
gehen die Begleitstoffe des Holzes (Harze, Hemicellulosen, Lignin) in Lösung, wäh
rend die Cellulose kaum angegriffen wird. Nach Vergären des Alkohols wird die
Sulfitablauge stark alkalisch eingestellt und in Gegenwart von Katalysatoren (Cu) un
ter Druck oxidierend behandelt. Die in der Lösung vorliegende Ligninsulfonsäure wird
dabei teilweise entsulfoniert und ein Teil der Methoxygruppen des hochmolekularen
Lignins als Methanol abgespalten. Bei diesem Prozeß fallen auch einige Prozente
Vanillin an. Die verbleibende Lösung wird dann zu Pulver eingedampft oder durch Um
fällen mit Schwefelsäure zuvor von verschiedenen Begleitstoffen gereinigt. Das End
produkt hat die allgemeine Bezeichnung "Sulfitlignin", oder "Oxylignin" und wird als
Natriumsalz unter den Handelsnamen "Vanisperse" bzw. "Marasperse" (Borregaard
Ind. Ltd., Sarpsborg, Norwegen) vertrieben.
Ein als "Ligninsäure" oder "Liquinsalz" bezeichnetes technisches Lignin, unter dem
Handelsnamen "Indulin" (West Virginia Pulp and Paper Comp., USA) bekannt, stammt
dagegen aus einem anderen Holzabbauprozeß, bei dem zerfasertes Holz mit Natron
lauge und Natriumsulfid unter Druck und Hitze aufgeschlossen wird (Natronzellstoff-
Herstellung). Dabei gehen Lignin und Harze ebenfalls in Lösung. Die Lösung
(Schwarzlauge) wird bei erhöhter Temperatur mit Schwefelsäure angesäuert und die
ausfallende "Ligninsäure" abgetrennt. Zur Reinigung kann eine nochmalige Umfällung
mit Natronlauge und Schwefelsäure vorgenommen werden.
Aus einer dritten Quelle für technisches Lignin, der Holzverzuckerung, geht das Holz
zuckerlignin, auch "Säurelignin" hervor.
Von besonderer Bedeutung ist die Wirkungsweise organischer Spreizmittel bei tiefen
Temperaturen und hinsichtlich ihres Einsatzes in Starterbatterien, da diese selbst bei
sehr niedrigen Temperaturen in der Lage sein müssen, das Kraftfahrzeug zuverlässig
zu starten.
Dabei besteht aufgrund allgemeiner Erfahrung der Batteriefachleute und durch zahl
reiche Untersuchungen nachgewiesen eine Konfliktsituation, dergestalt, daß ein gutes
Spreizmittel in der negativen Elektrode einerseits die Kaltstartkapazität erhöht, ander
seits die Ladungsaufnahme bei tiefen Temperaturen verschlechtert. Durch
Herabsetzen der Expandermenge läßt sich die Ladungsaufnahme zwar verbessern, je
doch geschieht dies dann auf Kosten der Kaltstartkapazität.
Die Inhibierung der Ladereaktion ist auf die durch die Anwesenheit von Spreizmittel
verminderte Auflösungsrate von PbSO4 zurückzuführen, entweder infolge der größe
ren PbSO4-Kristalle oder infolge der starken Adsorption des Spreizmittels am Bleisul
fat. Dadurch wird die spreizmittelhaltige Negative allmählich zur kapazitätsbegren
zenden Elektrode, bis die Batterie schließlich ganz versagt.
Andere Maßnahmen wie z. B. die Erhöhung der Elektrolytsäuredichte verbessern eben
falls die Kaltstartleistung, sind aber wiederum der Ladungsaufnahme abträglich.
Es wurde bereits vorgeschlagen, einen Kompromiß zwischen diesen antagonierenden
Tendenzen dadurch zu erreichen, daß man in den Elektroden eines negativen Platten
satzes verschiedene Dosierungen an Expander vorsieht oder daß den Elektroden un
terschiedliche Expanderarten beigemischt sind (DE-OS 38 28 374). Nach einem ande
ren Vorschlag soll das Spreizmittel in gelöster oder dispergierter Form lediglich auf die
innere Oberfläche einer bereits formierten negativen Elektrode homogen verteilt auf
gebracht und dort adsorptiv am Blei gebunden werden (DE-OS 3929307).
Durch W.S. Nip, G. Verville und P.R. Roberge (Power Sources 13 (1991) 5.1 bis 12)
ist es bekannt, "gute" und "schlechte" Expandertypen durch bestimmte pH-Bedin
gungen, unter denen sie aus wässerigen Lösungen ausfallen, zu charakterisieren.
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Spreizmittel für negative Bleielektro
den anzugeben, welches die Forderungen nach gutem Kaltstart und Zyklenfestigkeit
einerseits und hoher Ladungsaufnahme bei tiefer Temperatur anderseits wider
spruchsfrei erfüllt.
Die Aufgabe wird durch ein Spreizmittel gelöst, wie es im Patentanspruch 1 definiert
ist.
Wie Untersuchungen nämlich ergeben haben, sind handelsübliche Expandermateria
lien offenbar aufgrund ihrer nicht einheitlichen stofflichen Zusammensetzung nicht als
Ganzes in dem aufgabengemäß gewünschten Sinne spreizmittelwirksam.
Es wurde jedoch gefunden, daß man eine sowohl den Kaltstart als auch die Strom
aufnahme unterstützende Spreizmittelsubstanz dadurch verfügbar machen kann, daß
man aus dem technischen Expandermaterial, welches sich aus einer ganzen Reihe
von Holzinhaltsstoffen neben dem eigentlichen Lignin zusammensetzt, diejenigen Be
standteile selektiert, die sich mit Blick auf beide Erfordernisse wirksam verhalten.
Dies geschieht, indem man eine Lösung oder Dispersion des Orginalexpanders mit ei
ner Lösung oder Dispersion zusammenbringt, die fällungswirksame Metallionen ent
hält. Die Metallionen sind, einzeln oder in Kombination zu mehreren, vorzugsweise aus
der Reihe der mehrwertigen Kationen Pb2+, Ba2+, Mg2+, Al3+, Ca2+, Sr2+ ausge
wählt. Das Fällungsmittel kann somit auch aus einer Suspension einer oder mehrerer
Verbindungen aus einem oder mehreren der genannten Metalle bestehen.
Das Lösungs- oder Dispergiermittel für das Expandermaterial ist vorzugsweise Was
ser, gegebenenfalls ein polares organisches Lösungsmittel oder beides. Gleiches gilt
für das Fällungsmittel, welches überdies auch aus einer Kombination von Suspension
und Lösung, jeweils das gleiche oder unterschiedliche Metalle enthaltend, bestehen
kann.
Es ergibt sich daher von Fall zu Fall ein rein wässeriges, ein rein organisches oder ein
gemischt wässerig-organisches Fällungssystem.
Dabei sollte das Gewichtsverhältnis zwischen dem Expandermaterial und dem Lö
sungs- bzw. Dispergiermittel in der Vorlage etwa 1 : 1000 und das Gewichtsverhältnis
zwischen dem fällungswirksamen Metall und dem Lösungs- bzw. Dispergiermittel in
dem Fällungsmittel ebenfalls etwa 1 : 1000 betragen.
Die Zugabe des Fällungsmittels erzeugt, je nach dessen Beschaffenheit, in dem pH-
Bereich 3 bis 14 und bei Temperaturen zwischen 30 und 80°C, vorzugsweise zwi
schen 50 und 70°C einen Niederschlag, der von der restlichen Flüssigkeit durch Se
dimentieren, Filtrieren oder Zentrifugieren abgetrennt und anschließend getrocknet
wird.
Besonders vorteilhaft wird das Fällungsprodukt jedoch nach dem Abtrennen gereinigt.
Zu diesem Zweck wird der Niederschlag mit verdünnter Essigsäure gewaschen und
unter Verwendung eines polaren organischen Lösungsmittels wieder in Lösung ge
bracht. Die Lösung wird anschließend auf eine Adsorptionssäule gegeben, welche als
stationäre Phase die organischen Expanderkomponenten adsorbiert. Das Material der
Adsorptionssäule ist vorzugsweise ein mit Oktadecylsilyl-Gruppen chemisch modifizier
tes Kieselgel. (RP 18-Säule, reversed phase-extraction).
Zur nachfolgenden Desorption wird die Adsorptionssäule mit einem unpolaren Lö
sungsmittel behandelt und die Extraktflüssigkeit zwecks Gewinnung der organischen
Bestandteile. Wie noch gezeigt wird, umfaßt das Fällungsprodukt im wesentlichen
solche Komponenten des Ausgangsmaterials, welche die gewünschten Forderungen
an das Kälteverhalten erfüllen, da sich ein Spreizmittelzusatz zur negativen Bleielek
trode speziell aus diesem selektierten Material im elektrischen Versuch als wirksam
sowohl in bezug auf die Kaltstartleistung als auch auf die Ladungsaufnahme erweist.
Erfindungsgemäß ist es somit möglich, durch Fraktionierung eines technischen orga
nischen Expanders diesen so zu zerlegen, daß eine Fraktion, die sich durch Fällbarkeit
mittels mehrwertiger Metallionen infolge Komplexbildung ergibt, im wesentlichen nur
Expanderbestandteile mit den eigentlich gewünschten Eigenschaften umfaßt, wäh
rend in der nicht fällbaren Fraktion alle diejenigen Bestandteile enthalten sind, die
unwirksam sind oder sich im Batteriebetrieb sogar schädlich verhalten.
Bei den meistverwendeten technischen Expandern auf Ligninbasis entfallen etwa 60
bis 90% des Materials auf die fällbare Fraktion.
Die Zerlegbarkeit eines Expandermaterials in effiziente, fällbare Komponenten einer
seits und unwirksame lösliche Komponenten andererseits liegt in der Vielfalt der in
diesem Produkt des Holzabbaues vereinigten Inhaltsstoffe begründet. Sie alle unterlie
gen gemeinsam dem Angriff des jeweils verwendeten chemischen Aufschlußmittels
und werden durch dieses mehr oder weniger verändert. So enthält die originäre
Calciumsulfit-Ablauge des Calciumsulfitaufschlusses bzw. deren ungereinigter Ein
dampfrückstand nicht nur Ligninsulfonsäure, sondern u. a. auch Zucker, Alkohole,
Salze, niedermolekulare phenolische Verbindungen sowie Harze.
Der erfindungsgemäß wirksame Anteil des ursprünglichen Expandermaterials (=
Summe der fällbaren Komponenten) wird als Spreizmittel in einer Konzentration von
0,05 bis 0,3 Gew.%, bezogen auf die aktive Masse der negativen Bleielektrode, ein
gesetzt.
Anhand eines Beispiels wird die Erfindung im folgenden verdeutlicht.
Eine typische Masse für negative Bleielektroden aus der üblichen Fertigung setzt sich
zusammen aus
84,0 Gew.% Bleistaub
9,0 Gew.% Wasser
6,7 Gew.% Schwefelsäure (d= 1,40g/ml)
0,12 Gew.% Oxylignin
Rest bis 100 Gew.% Kunststoff-Flocken, Bariumsulfat, Ruß.
Die Herstellung der Paste erfolgt in der üblichen Weise. Zunächst wird der Bleistaub
mit den Flocken, dem Ruß und dem Bariumsulfat im trockenen Zustand vermischt.
Danach werden das Wasser und eine Lösung des Spreizmittels (wäßrige oder wäßrig
alkalische Lösung) zugegeben und durch intensives Rühren und Kneten mit den Fest
stoffen vermischt. Zum Schluß wird die Schwefelsäure unter weiterem Rühren lang
sam zugegeben.
Die fertige Paste wird in bekannter Weise von Hand oder maschinell in Gitter einge
strichen. Die so gefertigten Platten durchlaufen dann einen Reifungsprozeß und kön
nen nach 2-3 Tagen formiert werden.
Die Formation vollzieht sich nach einem bewährten Schema in aufeinanderfolgenden
Zeitintervallen und mit abgestuften Strömen. Nach Beendigung der Formation werden
die Platten mit Wasser säurefrei gewaschen und im Vakuum getrocknet.
Erfindungsgemäß wird anstelle des in der Masserezeptur für die negative Bleielek
trode vorgesehenen Oxylignins, welches für ein handelsübliches Expandermaterial
(Vanisperse) steht, dessen mit Metallionen fällbare Fraktion eingesetzt. Als Fällungs
mittel läßt sich einmal z. B. ein Bleisalz, ein anderes Mal ein Bariumsalz verwenden.
Dabei wird im einzelnen wie folgt vorgegangen:
1. Fällung mit Bleisalz
Aus einer Lösung von 1 g handelsüblichem Oxylignin in 200m Wasser wird
der wirksame Anteil mit einer Lösung von 2g Bleiacetat und 1 ml Eisessig in
400 ml Wasser in der Hitze (50-60°C) ausgefällt. Nach 10 bis 20 Stunden
wird die überstehende Lösung abdekantiert und der Niederschlag durch
Filtration (Schwarzbandfilter) vom Rest der Lösung getrennt, anschließend
getrocknet und in einer wäßrigen Lösung von Natriumkarbonat, evtl. unter
Zusatz eines organischen Lösungsmittels wie z. B. Methanol, gelöst. Die
organischen Komponenten werden dann an die stationäre Phase einer
Adsorptionssäule (wie weiter vorn beschrieben) adsorbiert. Das adsorbierte
Produkt kann mit einem geeigneten Lösungsmittel (z. B. Methanol)
ausgewaschen werden. Anschließend wird die Lösung zur Trockne
eingedampft und das von Ionen des Fällungsmittels befreite Produkt wird in
üblicher Weise in eine wäßrige Lösung überführt und dem Bleistaub
zugesetzt.
2. Fällung mit Bariumsalz
Die Fällungsprozedur und die Reinigung des Niederschlages entspricht ganz
derjenigen beim Bleisalz. Das Fällungsmittel besteht in diesem Falle aus 1,86 g
Bariumacetat.
Mit dem erfindungsgemäßen Spreizmittel versehene Bleielektroden wurden im elektrischen
Versuch auf Kapazitätsverhalten bei Raumtemperatur und Entladung mit dem 10-stündigen
Strom [K10, Ah/kg], Kaltstartkapazität [Ah/kg] und Stromaufnahme [A/kg] getestet.
In einer nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse zusammengestellt.
Prüfung von Oxylignin-Fraktionen
Dabei zeigt sich für die mit Bariumacetat und Bleiacetat gefällten Anteile des Handels
produkts eine gegenüber dem Ausgangsprodukt erhöhte Stromaufnahme, ganz besonders
im Fall der Bariumfällung, ohne daß sich die Kaltstartkapazität verschlechtert hat. Im Falle
der mit Bleiacetat gefällten Substanz liegt die Kaltstartkapazität sogar noch wesentlich
über derjenigen des Handelsprodukts.