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Verfahren zur Herstellung konzentrierter Essigsäure. Verdünnte Essigsäure
belieb'gen Reinheitsgrades (Gärungsessig, Abfallessigsäure von Acetylierungen bei
der Herstellung organischer Präparate und Farben, rohe Holzessigsäure der Holzdestillation
usw.) läßt sich durch bloße fraktionierte Destillation praktisch nicht auf Essigsäure
von. etwa 8o Prozent Gehalt konzentrieren. Die Ursache hierfür liegt in dem geringen
Unterschied zwischen den Dampfspannungen des Wassers und der Essigsäure (vgl. U
11 m a n n »Enzyklopädie der- technischen Chemie«, Band 5, S. i und a; Klar »Technologie
der Holzverkohlung«, Berlin 1921, S. 53). Will man den Umweg über die Salze der
Essigsäure zur Gewinnung konzentrierter Essigsäure vermeiden, so bleibt für die
Gewinnung dieser noch die Möglichkeit der Extraktion übrig. Versuche in dieser Richtung
sind aus der Literatur bekannt geworden (vgl. A. G-o 1 o d e t z, »Chem. Zentralblatt«
igi2, I., S. 69; »Ztschr. für angew. Chemie« igi6, S. 14.8; Österreichische
Patentschrift 898oo, Deutsche Patentschriften 28o6¢ und 31a539). Alle hier vorgeschlagenen
Verfahren beruhen auf der Extrak:ion der Essigsäure durch organische Lösungsmittel,
welche durchweg einen tieferen Siedepunkt als reine Essigsäure besitzen, sich in
Wasser nicht oder nur wenig lösen, für Essigsäure aber ein erhebliches Lösungsvermögen
aufweisen. Eine vollständige Extraktion dar Essigsäure aus ihrer Mischung mit Wasser
gelingt aber bei diesen Verfahren nur durch Zugabe von anorganischen Salzen zur
verdünnten Essigsäure, durch welche die Löslichkeit .der Essigsäure in Wasser wesentlich
verringert wird. Die Gewinnung der Essigsäure aus dem Lösungsmittel erfolgt bei
allen diesen Verfahren durch fraktionierte Destillation, wobei das Lösungsmittel
abdestilliert und die Essigsäure zurückbleibt. Denn die verwendeten Lösungsmittel
(Äthyläther, Essigäther, Benzol, Chloroform usw.) besitzen durchweg, wie bereits
hervorgehoben, einen tieferen Siedepunkt als reine Essigsäure, da andernfalls das
Lösungsmittel als Rückstand verbleiben müßte. Der im Patent 28o64 als Lösungsmittel
angeführte Amylalkohol, dessen Siedepunkt dem der Essigsäure sehr nahe liegt, kommt
für die Gewinnung konzentrierter Essigsäure _ als Extrak:ionsmittel nicht in Frage,
was aus S. z, -Abs. i dieser Patentschrift deutlich zu ersehen ist. Aus den angeführten
Litera:urstellen und Patentschriften ist ferner zu ersehen, daß bei den dort beschriebenen
Verfahren mit der Essigsäure stets auch Wasser in größerer oder geringerer Menge
in das Extraktionsmittel übergeht, so daß die nach Abdestillieren des Lösungsmittels
im Rückstande verbleibende Essigsäure wohl eine höhere Konzentra:ion als die zur.
Extraktion gelangende beai;zt, keineswegs aber besonders hoch könzentrieft
ist.
So erhält man nach Angabe des österreichischen Patentes 898oo selbst bei Zusatz
von anorganischen Salzen zur Erleichterung der Extrak.ion mittels Äther aus einer
i 5prozentigen Säure bloß eine 75prozentige Essigsäure. Eine technische Verwertung
haben alle diese angeführten Verfahren bisher nicht gefunden, was mit Rücksicht
auf den geringen Effekt und den hohen Preis der in Anwendung kommenden Lösungsmittel
leicht erklärlich ist.
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Es wurde nun gefunden, daß bei der Extraktion verdünnter Essigsäure
zum Zwecke der Herstehung konzentrierter Essigsäure ein ganz wesentlich günstigeres
Ergebnis erzielt werden kann, wenn man solche Lösungsmittel verwendet, die bei geringer
oder verschwindender Löslichkeit in Wasser und einem hohen Lösungsvermögen für Essigsäure
einen über i 5o' liegenden, also wesentlich höheren Siedepunkt als reine Essigsäure
besitzen.
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Als derartige Lösungsmittel für das vorliegende Verfahren. eignen
sich in erster Linie hydroxylgruppenhältige, aromatische Verbindungen, also hauptsächlich
der Phenolgrupp-e angehörige Körper oder auch Gemische derselben. Es seien genannt:
Einwertige Phenole (mit Ausschluß der Karbolsäure), z. B. Kresole, mehrwertige Phenole,
insbesondere in Form ihrer Äther (Guajacol und Homologe), hydrierte Phenole, wie
z. B. Hexahydrokxesole und Derivate der obengenannten Verbindungen, schließlich
alle natürlichen oder künstlichen. Gemische, welche die obenerwähnten Verbindungen
enthalten, insbesondere schwere phenolische Holzteeröle (Kreosote), Braunkohlenteerkreosote
und S:einkohlenteerkreosote. Außer diesen Verbindungen haben. sich ferner noch in
Wasser nicht oder nur in. Spuren lösliche, für Essigsäure aber ein erhebliches Lösungsvermögen
besitzende, flüssige Fettsäuren mit einem Siedepunkte über t 5o°, wie z. B. die
höheren Homologe der Essigsäure oder auch ölsäure, als geeignet erwiesen.
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;Wird unter solchen Bedingungen nach einer an sich bekannten Extraktionsmethode,
z. B. im Kolonnenapparat, und unter Anwendung des Gegenstromprinzips, bei gewöhnlicher,
erniedrigter oder auch erhöhter Temperatur, wobei jedoch Extraktionsgut und Extraktionsmittel
in flüssigem Zustand verbleiben, die Essigsäure ihrer verdünnten wässerigen Lösung
durch ein derartiges Lösungsmittel fast vollständig entzogen, so wird bei der folgenden
Destillation des Extraktes nicht wie bei den. bekannten Verfahren das Lösungsmittel
abdestillieren und die Essigsäure als Rückstand verbleiben, sondern es wird die
Essigsäure abdestillieren und das Lösungsmittel zurückbleiben. Dadurch aber unterscheidet
sich das vorliegende Verfahren nicht nur grundlegend von den bekannten Verfahren,
sondern es werden auch namhafte, neue technische Vorteile erzielt. Diese Vorteile
bestehen hauptsächlich darin, daß es mit Hilfe des vorliegenden Verfahrens gelingt,
unter Anwendung von Extraktionsmitteln, welche im Vergleich zu den bei den bekannten
Verfahren benötigten teuren Extraktionsmitteln sehr billig sind, in einfachster
Weise zu Essigsäuren höherer Konzentration (etwa Soprozentiger) zu gelangen, als
sie bisher nach dem. bekannten Extraktionsverfahren erhalten wurden.
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Auch können bei dem vorliegenden Verfahren nicht so leicht Verluste
an Extraktionsmitteln eintreten wie bei den bekannten, mit Extraktionsmitteln mit
niederem Siedepunkte arbeitenden Verfahren und fallen bei dem vorliegenden. Verfahren.
auch derartige Verluste, falls sie dennoch -eintreten sollten, nicht so sehr in
die Waagschale infolge der Billigkeit der angewendeten Extraktionsmittel. Ein weiterer
Vorteil ergibt sich bei Aufarbeitung des bei denn vorliegenden Verfahren erhaltenen
Extraktionsgemisches gegenüber der Aufarbeitung der Extraktionsgemische der bekannten
Verfahren. Während nämlich bei der Destillation des vorliegenden Extraktionsgemisches
eine weitgehende Befreiung der Essigsäure von dem in das Extraktionsmittel mitübergegangenen
Wasser und damit eine weitere Kon.zen:ration der Essigsäure gelingt, ist dies bei
der Destillation der bei den bekannten Verfahren erhaltenen Extraktionsgemische
nicht möglich.
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Dies hat seine Ursache darin, daß in, einem ternären Gemisch von Essigsäure,
N@rasser und hochsiedendem Lösungsmittel, wie es bei dem vorliegenden Verfahren
erhalten wird, der Dampfdruck der Essigsäure sehr stark, der des Wassers kaum wesentlich
vermindert wird, indem sich Wasserdampf in dem Lösungsmittel kaum merklich, Essigsäuredampf
dagegen sehr stark löst (vgl. N e r n s t »Theoretische Chemie«, B. bis i o. Auflage,
S. i16). Diese Bedingungen sind bei einem Extraktionsgemisch, wie es bei den bekannten
Verfahren erhalten wird, also bei Abwesenheit eines Lösungsmittels höheren Siedepunktes,
nicht gegeben, ebensowenig in einem homogenen Gemisch von Wasser und Essigsäure,
da sich sowohl Essigsäuredampf in Wasser als auch Wasserdampf in Essigsäure stark
lösen.
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,Es wird somit bei Destillation eines Extraktionsgemisches nach dem
vorliegenden Verfahren zunächst die Hauptmenge des Wassers mit geringen Anteilen
Essigsäure, dann aber eine immer konzentriertere Essigsäure übergehen, während das
hochsiedende Lösungsmittel im, Rückstand verbleibt. Man ist also in der Lage, aus
einem solchen Extraktionsgemisch,
welches z. B. Essigsäure von nur
30 Prozent enthält, durch Destillation sofort zu Essigsäuren wesentlich höherer
Konzentration zu gelangen, während, wie bereits erwähnt, das Lösungsmittel bei einigermaßen
entsprechender Dephlegmation als Rückstand verbleibt. Passiert ein solcher Extrakt
nacheinander z. B. zwei kontinuierlich wirkende Destillationskolonnen, so lassen
sich diese durch entsprechende Wahl der Heiz- und Dephlegmationstempe;ratur so einstellen,
daß aus der ersten eine Essigsäure von etwa io Prozent, aus der zweiten eine Essigsäure
von etwa 8o Prozent kontinuierlich abdestilliert, während das viel höher siedende
Extraktionsmittel aus der zweiten, von Wasser und Essigsäure praktisch befreit,
abfließt und zur Extraktion in die Waschkolonne zurückkehrt. Diese Einstellung wird
man beispielsweise wählen, wenn die zur Konzentration gelangende, verdünnte =Essigsäure
eine etwa ioprozentige ist, die aus der ersten Kolonne abdestillierte verdünnte
Säure gleicher Konzentration also ohne weiteres zur Extraktion zurückgegeben werden
kann.
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Bei der Destillation eines gemäß den bekannten Verfahren erhaltenen
Extraktionsgemisches, bei welcher zunächst das niedrigsiedende Lösungsmittel übergeht
und im Rückstand die Essigsäure samt dem ganzen in das Lösungsmittel mitübergegangenen
Wasser verbleibt, gelingt die Abtrennung des Wassers von der Essigsäure, somit die
weitere Konzentration der Essigsäure, nur schwierig und in unbefriedigender Weise.
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Das vorliegende Verfahren läßt sich ferner auch wärmeökonomisch sehr
günstig dadurch gestalten, daß man die Destillation entweder ganz oder nur zum Teil
im Vakuum vornimmt und sowohl das von der Essigsäure befreite Extraktionsmittel
als auch die Dämpfe der abdestillienen Säure zum Vorwärmen des von der Extrakdon
kommenden, mit Essigsäure angereicherten Lösungsmittels benutzt.
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Unter den bei dem vorliegenden Verfahren verwendeten. Lösungsmi.teln
finden sich auch solche vor, welche dem Extraktionsgut die Essigsäure auch in einer
höheren Konzentration als 3o Prozent entziehen, wobei sich bei -Aufarbeitung des
Extraktionsgemisches durch Destillation geringere Mengen an verdünn'er Essigsäure
als Vorlauf und auch größere Mengen an konzentrierter Essigsäure unmittelbar ergeben.