Gegenstand der Erfindung sind ein Verfahren zur Herstellung weit
gehend amorpher Poly-α-olefine, die durch einen Erweichungspunkt
(gemessen nach der Ring- und Kugelmethode entsprechend DIN 52011)
zwischen 70 und 140°C, eine Schmelzviskosität bei 190°C zwischen
1000 und 100 000 mPa · s, eine Dichte kleiner als 0,90 g/cm³, eine
Nadelpenetration, gemessen in Anlehnung an DIN 52010, zwischen 5
und 50 0,1 mm sowie eine über Gelpermeationschromatographie bestimmte
Uneinheitlichkeit U = -1 von höchstens 6 charakterisiert
sind, sowie die derart hergestellten Polymeren.
Systeme, bestehend aus einem Polyolefin und einem Radikalspender,
sind in der Praxis eingeführt. Homopolymerisate aus Ethen und Buten-1
wie auch Copolymerisate auf Basis von Ethen und Propen lassen sich
in Gegenwart von Radikalspendern und unter Energiezufuhr vernetzen.
Bedingt durch den Anstieg des Molekulargewichtes kann man sowohl
Produkte mit verbesserter Dimensionsstabilität bei höheren
Temperaturen bzw. verbesserter chemischer Resistenz als auch
Produkte mit elastomeren, d. h. kautschukartigen Eigenschaften
erhalten.
Auf der anderen Seite können Homopolymerisate auf Basis von Propen
mechanisch/thermisch bzw. radikalisch im Molekulargewicht abgebaut
werden. Die Endprodukte besitzen gegenüber den Ausgangsprodukten
einen höheren Schmelzindex und erfahrungsgemäß auch eine engere Molekular
gewichtsverteilung. Letzterer Verfahrensschritt hat insbesondere
für die Herstellung von Fasermaterial Bedeutung erlangt.
Bei amorphen bzw. weitgehend amorphen Poly-α-olefinen hat man in
der Praxis bislang auf vergleichbare Verfahrensschritte verzichtet,
da ein praktischer Nutzen nicht erkennbar war. Eine gewisse Ausnahme
bildet allenfalls der bei der Herstellung von isotaktischem Polypropylen
in besonderen Fällen mit sehr hohem Molekulargewicht anfallende
ataktische Zwangsanfall, der, um überhaupt vermarktet werden zu
können, einem Abbauschritt unterzogen wird. Das Ausgangsprodukt be
sitzt in solchen Fällen einen Erweichungspunkt (Ring und Kugel
methode) von über 150°C sowie eine Schmelzviskosität (bei 190°C)
von über 200 000 mPa · s, häufig sogar weit über 500 000 mPa · s. Der Ab
bauschritt führt üblicherweise zu Produkten mit Schmelzviskositäten
(bei 190°C) zwischen 50 000 und 200 000 mPa · s, was dazu führt, daß
eine Vermarktung für unkritische Anwendungen wie z. B. die Bitumen
modifizierung ermöglicht wird.
Aufgrund der genannten Erfahrungen über das Verhalten der Polyolefine
sollte man erwarten, daß bei Polyolefinen, die nicht ausschließlich
aus Propen aufgebaut sind, wie z. B. Ethen/Propen/Bu
ten-1-Terpolymeren Abbau und Vernetzung als Konkurrenzreaktionen
auftreten und somit keine nennenswerte Erniedrigung des Molekular
gewichtes bzw. eher eine Verbreiterung der Molekulargewichtsverteilung
auftreten sollte.
Wir fanden jedoch, daß binäre oder ternäre, weitgehend amorphe Co
polyolefine mit folgender Monomerenzusammensetzung als Ausgangsstoffe
für das erfindungsgemäße Verfahren gut geeignet sind:
3 bis 75 Gew.-% eines α-Olefins mit 4 bis 10 Kohlenstoffatomen;
25 bis 95 Gew.-% Propen;
0 bis 20 Gew.-% Ethen.
Bevorzugte Copolyolefine als auch die daraus hergestellten erfindungsgemäßen
Produkte sind entweder vollständig amorph oder weisen
nur eine geringe Kristallinität auf. Im allgemeinen soll ein Kri
stallinitätsgrad von 25%, bestimmt über Röntgenbeugung, nicht überschritten
werden.
Überraschend wurde gefunden, daß bei der radikalischen Behandlung
dieser Poly-α-olefine nicht nur eine Erniedrigung im Molekulargewicht
stattfindet, sondern gleichzeitig die Molekulargewichtsverteilung
verengt wird. Das bedeutet, daß die über den Zusammenhang U =
(Mw/Mn)-1 definierte Uneinheitlichkeit U kleiner wird, wobei die
Molekulargewichtsangaben Mw und Mn das über Gelpermeationschromato
graphie bestimmte Gewichtsmittel bzw. Zahlenmittel darstellen.
Auch gelingt es - trotz des Abbauschrittes - bestimmte mechanische
Eigenschaften wie z. B. die Reißdehnung von dem höhermolekularen
Ausgangsprodukt auf das niedermolekulare Endprodukt weitgehend zu
übertragen.
Durch das erfindungsgemäße Verfahren erhaltene Produkte einer bestimmten
Schmelzviskosität sind somit im Eigenschaftsbild verschieden
von Produkten, deren Schmelzviskosität den gleichen Wert besitzt,
die aber ausschließlich durch direkte Polymerisation hergestellt
wurden. Die erfindungsgemäßen Produkte besitzen gegenüber den
letztgenannten, auf direktem Wege hergestellten Produkten beispielsweise
eine verbesserte Sprühbarkeit. Dies ist Gegenstand der
deutschen Patentanmeldung P 40 00 696.4 (O.Z. 4462) vom gleichen Tage.
Zudem können die erfindungsgemäß hergestellten Produkte vorteilhaft
in Teppichschwerbeschichtungsmassen verwendet werden, wie sie unter
anderem in der EP-A 03 09 674 beschrieben sind. Die mit einer hohen
Reißdehnung gekoppelte niedrige Schmelzviskosität erlaubt eine Erhöhung
des Füllstoffanteils in der Schwerbeschichtungsmasse, wodurch
die Rezeptur verbilligt werden kann. Trotz des höheren Füllstoffanteils
besitzen derartige Massen eine ausreichende mechanische Festigkeit
und Flexibilität. Da gegenüber herkömmlichen Massen von
einer niedrigeren Schmelzviskosität im Polymer ausgegangen werden
kann, wird durch die Erhöhung des Füllstoffanteils ihre Verarbeitbarkeit
wie Rakel- und Streichfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Auch bei Schmelzklebstoffen wirkt sich sehr vorteilhaft aus, daß der
aus Schmelzviskosität und Reißdehnung gebildete Quotient klein ist.
In der Praxis bedeutet dies, daß das Polymer trotz niedriger
Schmelzviskosität, was für bestimmte Verarbeitungsverfahren wie z. B.
das Sprühen günstig ist, eine ausreichende Kohäsion und
Dehnungsfähigkeit besitzt.
Die Ausgangsprodukte für das erfindungsgemäße Verfahren werden an
klassischen Ziegler-Katalysatoren bzw. deren Weiterentwicklungen ge
zielt polymerisiert. Ein solches Verfahren ist beispielsweise in der
DE-PS 23 06 667 beschrieben. Generell setzt man ein weitgehend amorphes
Poly-α-olefin mit einem Erweichungspunkt (Ring- und Kugel
methode) zwischen 70 und 140°C, einer Schmelzviskosität bei 190°C
zwischen 5000 und 200 000 mPa · s, einer Dichte kleiner als 0,90 g/cm³
und einer Nadelpenetration 100/25/5 (Gewicht der Nadel: 100 g; Temperatur
25°C; Zeitdauer 5 s) zwischen 5 und 50 0,1 mm bei einer
Temperatur oberhalb des Erweichungspunktes in Gegenwart eines Radikalspenders
unter Scherbeanspruchung um. Dadurch wird die Schmelz
viskosität (gemessen bei 190°C) um mindestens die Hälfte erniedrigt.
Üblicherweise besitzt das Ausgangs-Polyolefin hierbei eine Zug
festigkeit zwischen 0,5 und 10 N/mm² und eine Reißdehnung von über
200%.
Im Rahmen dieser Erfindung sind Poly-α-olefine bevorzugt, die aus
den Monomeren Propen, Buten-1 und ggf. Ethen aufgebaut sind. Besonders
geeignete amorphe Poly-α-olefine sind die unter dem Handelsnamen
VESTOPLAST® erhältlichen Propen/Buten-1/Ethen-Terpolymeren
und Propen/Buten-1-Copolymeren, z. B. entsprechend DE-PS 23 06 667
oder DE-PS 29 30 108. Aber auch Polymere, die neben oder anstatt
Buten-(1) ein α-olefin mit 5 bis 10 Kohlenstoffatomen enthalten,
wie z. B. Penten-1, Hexen-1, 4-Methylpenten-1, Hepten-1, Octen-1
oder Decen-1, kommen für eine Verwendung in Betracht.
Die erfindungsgemäß verwendeten Radikalspender sind in erster Linie
Peroxo- oder Diazogruppen enthaltende Verbindungen. Derartige Verbindungen
werden beispielsweise unter dem Handelsnamen Luazo®,
Luperox®, Luperco® und Interox® von den Firmen Pennwalt und
Peroxid-Chemie GmbH teilweise in weitgehend reiner Form, z. T. auch
in verdünnter Form auf einem Trägermaterial angeboten. Derartige
Verbindungen besitzen eine 10-Stunden-Halbwertzeit in Benzol bei
Temperaturen von 50 bis 200°C. Sie werden in der Regel bei Temperaturen
zwischen 60 und 200°C eingearbeitet und kommen in ihrer Funktion
als Radikalspender bei Temperaturen zwischen 100 und 300°C zur
Anwendung. Die Zugabemengen liegen zwischen 0,05 und 3 Gew.-%, vor
zugsweise zwischen 0,1 und 2 Gew.-%, insbesondere aber zwischen 0,2
und 1 Gew.-%. Typische Vertreter sind Dicumylperoxid, 2,5-Dimethyl-
2,5-di-(t-butylperoxy)-hexan sowie 2,2′-Azo-bis(2-acetoxy-propan),
die eine 10-Stunden-Halbwertzeit in Benzol bei Temperaturen von ca.
115°C, ca. 120°C bzw. ca. 190°C besitzen.
Die Abbaureaktion wird üblicherweise bei Temperaturen oberhalb des
Erweichungspunktes des Poly-α-olefins, vorzugsweise zwischen 150
und 250°C unter Stickstoffatmosphäre durchgeführt. Als Apparaturen
kommen sowohl Extruder als auch die bei der Hotmeltherstellung verwendeten
Rühr- und Mischaggregate in Betracht.
Selbstverständlich können parallel bzw. direkt im Anschluß an das
erfindungsgemäße Herstellungsverfahren radikalisch katalysierte Umsetzungen
wie z. B. Pfropfreaktionen mit doppelbindungshaltigen Mo
nomeren, die mindestens eine funktionelle Gruppe tragen, erfolgen.
Geeignete Monomere sind beispielsweise Maleinsäureanhydrid, Fumar
säure, Acryl- und Methacrylsäure, Itaconsäure, Aconitsäure und deren
Derivate wie z. B. Ester oder Amide sowie Vinyltrimethoxysilan
(VTMO) und 3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan (MEMO;
H₂C=C(CH₃)COO(CH₂)₃-Si(OCH₃)₃). Sie werden üblicherweise in Mengen
von 0,1 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise 0,5 bis 5 Gew.-%, bezogen auf
das Poly-α-olefin, eingesetzt. Man erhält auf diese Weise Polymere
mit erniedrigter Schmelzviskosität, hoher Kohäsion und verbesserter
Adhäsion gegenüber bestimmten Substraten wie Metall-, Kunststoff-
oder Glasoberflächen.
Beispiel 1
In einem ölbeheizten Meili-Laborkneter (alternativ kann auch ein
Laborextruder verwendet werden) wird unter Stickstoffatmosphäre ein
anspruchsgemäßes Ethen/Propen/Buten-1-Terpolymer (Poly-α-olefin
A), welches zuvor mit 0,5 Gew.-% Luperco® 101 XLS (2,5-Dimethyl-
2,5-di-(t-butylperoxy)-hexan, 45%ig) vermischt wurde, bei einer Temperatur
von 185°C 50 Minuten geknetet. Dabei ist auf völligen Luft
ausschluß zu achten (z. B. durch vorheriges Spülen der Apparatur mit
Stickstoff; ggf. ist die Zugabe von 0,2 Gew.-% Antioxidans wie z. B.
Irganox® 1010 vorteilhaft).
Ein direkt durch Polymerisation (an dem gleichen Katalysatorsystem
wie Poly-α-olefin A) hergestelltes Ethen/Propen/Buten-1-Terpolymer
gleicher Monomerzusammensetzung mit einer Schmelzviskosität (bei
190°C) von 8000 mPa · s besitzt demgegenüber nur eine Reißdehnung von
300%. Der aus Schmelzviskosität und Reißdehnung gebildete Quotient
beträgt 26,6.
Beispiel 2
Es wird verfahren wie in Beispiel 1, nur daß jetzt ein anspruchsgemäßes
Ethen/Propen/Buten-1-Terpolymer (Poly-α-olefin B) mit einer
Schmelzviskosität (bei 190°C) von 8000 mPa · s als Ausgangsprodukt
verwendet wird.
Ein direkt durch Polymerisation (an dem gleichen Katalysatorsystem
wie Poly-α-olefin B) hergestelltes Ethen/Propen/Buten-1-Terpolymer
gleicher Monomerzusammensetzung und einer Schmelzviskosität (bei
190°C) von 2900 mPa · s besitzt demgegenüber nur eine Reißdehnung von
90%. Der Quotient aus Schmelzviskosität und Reißdehnung beträgt
32,2.