Die Kennlinien der in Flüssigkristall-Displays verwendeten
elektro-optischen Effekte verändern sich im allgemeinen
mit der Temperatur. Insbesondere bei einer Ansteuerung
im Multiplexbetrieb ergeben sich daraus Schwierigkeiten,
die zu einer unerwünschten Einschränkung des Arbeitstemperaturbereiches
führen können. Bei verschiedenen
elektrooptischen Effekten kann durch Zusatz chiraler Verbindungen
zum nematischen Flüssigkristall über die Temperaturfunktion
der Ganghöhe der dadurch induzierten cholesterischen
Helixstruktur die Temperaturabhängigkeit der
elektrooptischen Kennlinien vorteilhaft beeinflußt werden,
so beim cholesterisch-nematischen Phasenumwandlungseffekt,
der TN ("twisted nematic")-Zelle und dem kürzlich vorgestellten
SBE ("supertwisted birefringence effect"). Die
üblichen bekannten Dotierstoffe induzieren im allgemeinen
eine mit zunehmender Temperatur ansteigende Ganghöhe;
es sind in jüngster Zeit auch bereits Dotierstoffe beschrieben
worden, die diesen oftmals unerwünschten Effekt
nicht zeigen.
Aus der DE-C 28 27 471 (= US-A 42 64 148) ist der Zusatz
von zwei unterschiedlichen chiralen Dotierstoffen zu
nematischen Trägersubstanzen bekannt; dabei erzeugt der
eine chirale Dotierstoff in der nematischen Trägersubstanz
eine rechtshändige Verdrillung, der andere eine linkshändige
Verdrillung. Mit einer solchen Dotierung wird
eine Abnahme der Ganghöhe erreicht, aber es sich zur
Erreichung dieses Effekts relativ hohe Gesamtkonzentrationen
erforderlich, die zu einer negativen Beeinflussung
der anderen Materialparameter führen können.
In der DE-A 33 33 677 werden u. a. Umsetzungsprodukte
(Ester) von chiralem Butandiol-(2,3) mit mesogenen Carbonsäuren
beschrieben, die bereits in Einzeldosierung in
Flüssigkristall-Phasen die Optimierung der Temperaturkompensation
vereinfachen können. Diese bekannten Ester weisen
aber oftmals ein für bestimmte Anwendungen noch zu
niedriges Verdrillungsvermögen auf, dieses beträgt - ausgedrückt
durch das "pc-Produkt" - nach den Angaben in
dieser DE-A 9,2 bis 116 µm·Gew.-%.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es deshalb, neue
Verbindungen aufzufinden, die bei ihrem Einsatz als chirale
Dotierstoffe in Flüssigkristall-Phasen bei verhältnismäßig
geringen Zusatzmengen bereits eine Optimierung der
Temperaturkompensation und gleichzeitig eine hohe Verdrillung
der induzierten Helixstrukturen bewirken.
Die Erfindung geht aus von einem bekannten Ester aus einer
chiralen Verbindung mit zwei OH-Gruppen und einer mesogenen
Carbonsäure. Die erfindungsgemäßen Verbindungen sind
gekennzeichnet durch die allgemeine Formel (I)
in der MC einen Molekülrest einer mesogenen Monocarbonsäure
nach Abspaltung einer OH-Gruppe bedeutet.
Eine weitere Lösung der gestellten Aufgabe ist eine
verdrillbare Flüssigkristall-Phase mit einem Gehalt an mindestens
einer chiralen Verbindung, die dadurch gekennzeichnet
ist, daß sie als chirale Verbindung mindestens eine
Verbindung der allgemeinen Formel (I) oder eines im aromatischen
Teil des Phenolteils substituierten Phenolesters
(entsprechend dieser allgemeinen Formel (I) als unsubstituiertem
Grundmolekül) enthält. Unter dem Begriff
"verdrillbare Flüssigkristall-Phase" sind nematische,
cholesterische, geneigte ("tilted")-smektische, insbesondere
smektisch C (Sc oder SmC), Phasen zu verstehen.
Die erfindungsgemäßen verdrillbaren Flüssigkristallphasen
bestehen aus 2 bis 20, vorzugsweise 2 bis 15 Komponenten,
darunter mindestens einem der erfindungsgemäß beanspruchten
chiralen Dotierstoffe. Die anderen Bestandteile
werden vorzugsweise ausgewählt aus den bekannten Verbindungen
mit nematischen, cholesterischen und/oder geneigt-
smektischen Phasen, dazu gehören beispielsweise Schiffsche
Basen, Biphenyle, Terphenyle, Phenylcyclohexane, Cyclohexylbiphenyle,
Pyrimidine, Zimtsäureester, Cholesterinester,
verschieden überbrückte, terminal-polare mehrkernige Ester
von p-Alkylbenzoesäuren. Im allgemeinen liegen die im
Handel erhältlichen Flüssigkristall-Phasen bereits vor
der Zugabe des chiralen Dotierstoffes als Gemische
verschiedenster Komponenten vor, von denen mindestens eine
mesogen ist, d. h. als Verbindung, in derivatisierter Form
oder im Gemisch mit bestimmten Cokomponenten eine Flüssigkristall-
Phase zeigt [= mindestens eine enantiotrope
(Klärtemperatur Schmelztemperatur) oder monotrope (Klärtemperatur
Schmelztemperatur) Mesophasenbildung erwarten
läßt].
Mit Hilfe der neu-entwickelten Verbindungen als Dotierstoff
gelingt es bei geringer Menge an Dotierstoff in
Flüssigkristall-Phasen eine hohe Verdrillung zu erzielen,
wobei die Verbindungen außerdem eine bei Temperaturänderung
im wesentlichen unabhängige Ganghöhe aufweisen, d. h.
die im allgemeinen im Bereich von 1% bis 1‰ pro K liegende
Zu- oder Abnahme der Ganghöhe liegt insbesondere
bei weniger als 3‰. Das Verdrillungsvermögen - ausgedrückt
durch das Produkt p·c (p= Ganghöhe der induzierten
Helixstruktur in µm, c= Konzentration des chiralen Dotierstoffes
in Gew.-%), normiert auf 1 Gew.-% des chiralen
Dotierstoffes und eine bestimmte Meßtemperatur (z. B. bei
25°C) - ist kleiner als 5, insbesondere liegt es zwischen
0,5 und 4. Ein weiterer Einsatz kann bei der Thermotopographie
oder zur Erzeugung von "blue phases" (=cholesterische
Systeme mit relativ kleiner Ganghöhe von z. B.
weniger als 800 nm) erfolgen.
Unter den Verbindungen der allgemeinen Formel (I) sind
die bevorzugt, bei denen der Rest MC bedeutet:
in der die Symbole folgende Bedeutung haben:
R3 = ein geradkettiges oder verzweigtes (C1-C12)Alkyl, wobei
eine oder zwei CH2-Gruppen durch O-Atome ersetzt sein
können, oder falls n1= 1 auch F, Cl, Br oder CN,
A1, A2 = unabhängig voneinander 1,4-Phenylen, Pyrimidin-2,5-
diyl, 1,4-Cyclohexylen, 1,3-Dioxan-2,5-diyl, 1,3-Dithian-2,5-diyl
oder 1,4-Bicyclo(2,2,2)octylen, wobei
diese Gruppen auch mindestens einfach substituiert
sein können durch F, Cl, Br, CN und/oder (C1-C12)Alkyl
(gegebenenfalls sind ein oder zwei CH2-Gruppen durch O-Atome
ersetzt),
B = CO-O, O-CO, CH2-CH2, OCH2, CH2O, CH=N, N=CH, N=N,
N(O)=N,
n1, n2, n3 = unabhängig voneinander 0 oder 1.
Unter den Verbindungen sind die bevorzugt, bei denen die
Symbole folgende Bedeutung haben: R3 = geradkettiges (C4-C10)Alkyl,
wobei eine CH2-Gruppe durch ein O-Atom ersetzt
sein kann, A1, A2= unabhängig voneinander unsubstituiertes
1,4-Phenylen oder 1,4-Cyclohexylen, B= CO-O, O-CO, n1= 1,
n2= 1, und n3= 0 oder 1.
Von der oder den erfindungsgemäßen Dotierstoffen enthalten
die Flüssigkristall-Phasen im allgemeinen 0,01 bis
70 Gew.-%, insbesondere 0,05 bis 50 Gew.-%.
Beispiele und Vergleichsbeispiele
Synthesevorschrift
1,1′-Bi-2-naphtholdiester der p-(4-trans-Heptyl-cyclohexyl)-
benzoesäure
Zu 10 mmol der mesogenen p(4-trans-Heptyl-cyclohexyl)-benzoesäure
werden 100 mmol SOCl2 zugesetzt. Es werden
5 Tropfen Pyridin zugegeben und das Reaktionsgemisch
wird wärend 2 h unter Rückfluß erhitzt. Das überschüssige
SOCl2 wird abgezogen (abdestilliert). Das entstehende
Säurechlorid wird in Pyridin gelöst. Das optisch aktive
1,1′-Bi-2-naphthol wird in äquimolarer Menge langsam der
Lösung zugesetzt und das Reaktionsgemisch unter Zusatz
einer Spatelspitze Dimethylaminopyridin wird danach
während 20 h unter Rückfluß erhitzt. Das Gemisch wird
filtriert, die Lösung eingedampft und über eine Kieselgelsäure
gereinigt. Das umkristallisierte Produkt entspricht
nach den analytischen Daten (Elementaranalyse,
NMR-Spektrum, IR-Spektrum) der angegebenen Formel (I).
Entsprechend wird die nachstehende Verbindung (2)
synthetisiert.
1,1′-Bi-2-naphtholdiester der (p′-Pentyl-phenyl)-p-
benzoesäure
Anwendungsvorschrift
In einer handelsüblichen nematischen Weitbereichsmischung
- "RO-TN 404" der Hoffmann-La Roche Aktiengesellschaft
(Basel/Schweiz) - mit einem Klärpunkt von 104°C wird je
eine der Verbindungen (1) und (2) und zum Vergleich je
eine der Verbindungen (X) und (Y) zugesetzt; die
Vergleichsverbindungen sind die handelsüblichen chiralen
Dotierstoffe "CB 15" von BDH (British Drug House), Poole
(GB) und "S 811" von E. Merck, Darmstadt (DE). In dieser
Flüssigkristall-Phase werden dann die Verdrillung in
µm·Gew.-% (=p·c) - angegeben bei einer Temperatur von
25°C - und die Temperaturabhängigkeit der Ganghöhe in ‰
pro K bestimmt.
In dieser Meßreihe werden vom jeweiligen Dotierstoff
10 mol% zugesetzt.