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Im Pansen von Wiederkäuern laufen bekanntlich verschiedene Vorgänge des Eiweißstoffwechsel nebeneinander
ab. Aufgenommenes Futtereiweiß wird dort zunächst zu nicht eiweißartigen Verbindungen abgebaut,
während gleichzeitig aus nicht eiweißartigen Verbindungen Mikrobenprotein gebildet wird. Die
Synthese des Mikrobenproteins in den Vormägen hängt aber von der N-Versorgung ab, die primär durch
Ammoniak und erst in zweiter Linie auch durch Peptide und Aminosäuren gedeckt wird.
In Untersuchungen an Kühen mit Pansen- und Duodenumfisteln wurde festgestellt, daß bei ausreichender
Versorgung mit N-Verbindungen die Höhe der « mikrowellen Proteinsynthese nur abhängig ist von der
Energieversorgung, ausgedrückt in Stärkeeinheiten (StE).
Weiterhin ergaben Untersuchungen, daß die Proteolyse
des Futtereiweißes in den Vormägen von der Höhe des Eiweißanteils im Futter unabhängig ist und im
Durchschnitt bei etwa 70% liegt.
Man kann also davon ausgehen, daß 30% der eingesetzten Proteine den Darm erreichen, während
70% im Pansen abgebaut werden bzw. zur Erzeugung von Bakterienprotein dienen.
Für eine hohe Syntheserate an mikrobiellem Eiweiß im Pansen ist weiter eine hohe Konzentration an
leichtlöslichen Kohlenhydraten zur Energieversorgung erforderlich. Für die Bereitstellung an stickstoffhaltigen
Verbindungen für die Eiweißsynthese verfügt der Wiederkäuer über ein sehr elastisches Regulationssystem
über den rumino-hepatischen Kreislauf. Dieser wird z.T. über den NH4+-Gehalt im Pansen gesteuert.
Bei niedrigen Stickstoffgehalten im Pansen kann viel to
NH3 bzw. Harnstoff aus dem Blutkreislauf in den Pansen zurückdiffundieren und den Bakterien zur N-Versorgung
dienen. Bei hohen NH3-Gehalten im Pansen wird dieser über die Pansenwand resorbiert und als Harnstoff
im Harn ausgeschieden. Ein geringer Mangel an Stickstoff im Pansen kann durch Rückfluß ausgeglichen
werden und führt damit zu einer insgesamt besseren Ausnutzung des Stickstoffs.
Die Energieabhängigkeit der bakteriellen Proteinsynthese isi von ausschlaggebender Bedeutung für die
Verwertung von Nichtprotein-Stickstoff-(NPN-)Verbindungen. Versuche ergaben eine lineare Abhängigkeit
zwischen der Produktion von Bakterienproteinen und der Höhe der Energieversorgung. So werden etwa 10 g
Bakterienprotein pro 100 Stärkeeinheiten synthetisiert.
Für die Versorgung des Wiederkäuers mit Eiweiß ist nicht nur die im Futter enthaltene Eiweißmenge
entscheidend, sondern auch die im Darm zur Resorption zur Verfügung stehenden Aminosäuren. Diese Aminosäuren
entstammen zwei Quellen, dem im Pansen nicht abgebauten Futtereiweiß und dem durch mikrobielle
Synthese produzierten Mikrobeneiweiß.
Eiweiß und Energie im Futter entsprechen dem mikrobiellen Bedarf dann, wenn sie im Verhältnis 1 :7
vorliegen. Für die Deckung des Energie- und Eiweißbedarfs der Milchkuh bei hoher Milchleistung ist jedoch
ein Verhältnis 1 :4,5—6 nötig.
Bei normativer Fütterung sind jedoch höhere Eiweißmengen als 1 :6 — 7, bezogen auf StE (Stärkeeinheit),
mit größeren Verlusten an Harnstoff über den Harn verbunden. Wird in Rationen mit einem engeren
Verhältnis als 1 :7 auch noch Protein durch Harnstoff ersetzt, so verringert sich das dem Tier am Darm zur
Verfügung stehende Eiweiß nochmals um diesen Betrag, d.h. um beim Wiederkäuer die Eiweißversorgung zu
verbessern, ist ein bestimmtes optimales Verhältnis von Energie zu Eiweiß, das sich aus der Fermentationsquote
des Eiweißes ergibt, zu beachten.
Nur das in den Vormägen fermentierbare Eiweiß in der Futterration kann durch fermentierbare NPN-Verbindungen
N-äquivalent ersetzt werden, ohne die Eiweißversorgung des Wiederkäuers zu beeinflussen.
Bei der Erfindung wird die Eiweißversorgung dadurch garantiert, daß ein Futtereiweiß eingesetzt
wird, dessen Verdaulichkeit im Pansen durch eine spezielle Behandlung reduziert ist, das jedoch im Darm
enzymatisch abbaubar ist.
Bei Einsatz des erfindungsgemäßen Futtermittels werden also die wertvollen Aminosäuren zum überwiegenden
Teil direkt in den Darm gebracht, während die Pansenflora, die ohnehin vorwiegend ihren N-Bedarf
über Ammoniak und weniger über höhere organische N-Verbindungen deckt, über zugesetzte NPN-Verbindungen
versorgt wird.
Beim Ersatz von Futterproteinen durch NPN-Verbindungen
in herkömmlichen Futtermischungen traten zwei Effekte auf: zum einen erhöht sich die Menge
pansenlöslichen Stickstoffs dadurch, daß NPN-Verbindungen
vollständig löslich sind, zum anderen werden im Darm 30% weniger angeflutet, die beim Einsatz von
Eiweiß unabgebaut den Darm erreicht hätten. Dieser erhöhte N-Spiegel im Pansen bleibt ohne Einfluß auf die
bakterielle Proteinsynthese, da sich das Energie/Rohstoff-Verhältnis nicht ändert.
Werden dagegen pansenstabilisierte Proteine eingesetzt, die weitgehend unabgebaut in den Darm gelangen,
so verringert sich der Anteil an pansenlöslichem N, und die zugesetzte NPN-Verbindung wird weitgehend in das
Bakterienprotein eingebaut.
In der DT-PS 16 92 412 wird ein Verfahren zur Herstellung pansenstabiler Eiweiße beschrieben, bei
dem Eiweiße durch ein Aldehyd, z. B. Formaldehyd, oder durch Aufbringen der Polymerisatschicht auf der
Basis von basischen V;nyl- oder Acrylmonomeren mit einer Umhüllung versehen werden, so daß sie im Pansen
bei einem pH-Wert größer als 5 stabil und im
pH-Bereich kleiner als 4 instabil sind.
Diese Druckschrift beschreibt weiter die Anwendung dieser Proteine zur Verbesserung der Eiweißversorgung
bei Wiederkäuern dadurch, daß mehr Futterproteine in den Darm gelangen, d. h. sie beschreibt lediglich
> die bessere Proteinversorgung im Abomasum und Dünndarm, nicht jedoch die N-Versorgung der Bakterienflora
im Pansen mit NPN-Verbindungen.
Aufgabe der Erfindung war, ein Futtermittel oder einen Futtermittelzusatz für Wiederkäuer zu schaffen,
mit dem auch die Pansenflora ausreichend mit Stickstoff versorgt wird.
Die Lösung dieser Aufgabe besteht in der nachstehend definierten Erfindung.
Gegenstand der Erfindung ist ein Futtermittel oder Futtermittelzusatz für Wiederkäuer, welches aus
eiweißartigen Futtermitteln pflanzlichen, tierischen oder synthetischen Ursprungs besteht, wobei auf dem
eiweißartigen Bestandteil durch Behandeln mit einem Aldehyd oder einem Polymerisat auf der Basis von
basischen Vinyl- oder Acrylmonomeren eine Schicht erzeugt worden ist, die in Lösungen mit einem pH-Wert
kleiner als 4 instabil und in Lösungen mit einem pH-Wert größer als 5 relativ stabil ist, welches dadurch
gekennzeichnet ist, daß das Futtermittel oder der Futtermittelzusatz N-äquivalente Mengen Nichtprotein-Stickstoffverbindungen
in einem Verhältnis von 0,1 bis 10,0 enthält, bezogen auf das Stickstoffäquivalent des
zusätzlich durch die Oberflächenbehandlung pansenstabilisierten, eiweißartigen Bestandteils. Eine vorteilhafte jo
Ausführungsform ist die Wahl des Austauschverhältnisses im Bereich von 0,25 — 2,0. Die Verwendung von
Harnstoff als Nichtprotein-Stickstoffverbindung bietet sich an.
Zum technischen Fortschritt wird ausgeführt:
Der Einsatz des erfindungsgemäßen Futtermittels oder Futtermittelzusatzes aus geschützten eiweißartigen
Verbindungen und NPN-Verbindungen erlaubt also, den für die Ernährung der Pansenfiora benötigten
Stickstoff lediglich durch NPN-Verbindungen und die ungleich wertvolleren beispielsweise Aminosäuren für
die Resorption im Darm zur Verfügung zu stellen. Durch diese Rezeptur wird der Ausnutzungsgrad der
NPN-Verbindungen verbessert und die Versorgung des Wiederkäuers mit Eiweiß ökonomisch günstiger gestaltet.
Bei dieser Erfindung werden erstmals die unterschiedlichen Eiweißbedürfnisse des Wiederkäuers für
die mikrobielle Proteinsynthese und der Eiweißbedarf getrennt erfaßt. Es kann so die Menge an verfügbarem
Protein im Darm reguliert werden.
Hinsichtlich der Erfindungshöhe wird geltend gemacht:
Die bekannten Maßnahmen ziehen bisher nur auf den Schutz von Proteinen gegen ruminalen Abbau hin.
Durch diese Maßnahme ergibt sich jedoch im Pansen eine Unterversorgung an Stickstoff. Diese läßt sich
beseitigen, indem man — wie beschrieben — eine dem pansenstabilisierten eiweißartigen Bestandteil in dem
Futtermittel oder Futtermittelzusatz gezielt durch eine ω
N-äquivalene Menge an Nichtprotein-Stickstoff ersetzt. Die Kombination der Maßnahmen führt überraschenderweise
einmal zur Deckung des speziellen N-Bedarfs der Pansenbakterien und andererseits zur Deckung des
Gesamtbedarfs des Tieres. Diese relativ einfache Maßnahme lag aufgrund des Standes der Technik
keineswegs nahe.
Als eiweißartige Substanz kann jegliches entsprechende Material pflanzlichen, tierischen oder synthetischen
Ursprungs eingesetzt werden. Außerdem wird im folgenden der Ausdruck »eiweißartig« sowohl für
einzelne Aminosäuren allein, für Polypeptide und Aminosäuremischungen, für Mischungen aus Polypeptiden
und Aminosäuren als auch für natürliches Eiweiß angewendet.
Für die Herstellung des erfindungsgemäßen Futtermittels oder Futtermittelzusatzes können alle eiweißhaltigen
Futtermittel verwendet werden; am besten werden eiweißreiche Futtermittel verwendet wie
Öl-Extraktionsschrote und Ölkuchen, Sojaschrot, Erdnuß-Schrot, Sesam-Schrot, Single-Cell-Proteine und aus
Pilzen gewonnene Eiweiße und andere bekannte Eiweißfutter allein oder in Mischungen.
Die Stabilisierung der Proteine kann durch Aldehyde, insbesondere Formaldehyd, geschehen, derart, daß eine
stabile Hülle auf dem eiweißartigen Teilchen erzeugt wird, die wie vorher beschrieben, die in Lösungen mit
einem pH-Wert kleiner als 4 instabil und in Lösungen mit einem pH-Wert größer als 5 relativ stabil ist. Auch
der Oberflächenschutz durch die Ausbildung einer einheitlichen Schicht aus Polymerisaten basischer Vinyl-
und/oder Acrylmonomeren ist möglich. Über die verschiedenen Möglichkeiten zur Herstellung solcher
pansenstabiler Schutzschichten gibt die DT-PS 16 92 412 Auskunft.
Geeignete Nichtprotein-Stickstoffverbindungen (NPN-Verbindungen) im Sinne der Erfindung sind
selbstverständlich alle löslichen Stickstoffverbindungen, worunter auch Verbindungen mit relativ geringer
Löslichkeit zu verstehen sind, die ferner nicht toxisch
sind und im Pansen so weit abgebaut werden, daß sie für die Synthese von Bakterienproteinen herangezogen
werden können. Die wichtigsten Gruppen dieser Verbindungen sind Amide, wie der Kohlensäure und der
aliphatischen Ci-C4-Monocarbonsäuren, z.B. Harnstoff,
Formamid, Acetamid, Propionamid und davon abgeleitete Derivate, N-Monoacetylharnstoff, N-Monopropionylharniitoff,
Ν,Ν'-Dipropionylharnstoff, sowie deren Salze, z. B. Phosphat, Sulfate u. a., Kondensationsund
Additionsprodukte, wie Guanidin, Biuret, Aldehyd-Harnstoffkondensationsprodukte,
z. B. mit Formaldehyd, Acetaldehyd, Propionaldehyd (Propylidenmonoharnstoff,
Propylidendiharnstoff), Isobutyraldehyd (Isobutylidendiharnstoff),
Crotonaldehyd (Crotylidendiharnstoff) u. ä., sowie die Ammoniumsalze anorganischer
und organischer Säuren, der Phosphor- (auch der polymeren Form), Salpeter- (jedoch nur in geringer
Menge), Schwefel-, Kohlensäure u. a. sowie der Carbamin-, Essig-, Propion-, Butter-, Milch-, Äpfel-,
Wein-, Fumarsäure u. a. Selbstverständlich können auch Mischungen der vorgenannten Verbindungen eingesetzt
werden.
Der Zusatz der NPN-Verbindungen erfolgt im einfachsten Falle N-äquivalent im Verhältnis 1:1,
bezogen auf die Herabsetzung der Fermentationsquote gegenüber nativem Eiweiß. Wird das Futter in
StE-reichen, aber eiweißarmen Rationen eingesetzt, so wird ein höherer NPN-Zusatz eine günstige Eiweißverwertung
ermöglichen. Für den Zusatz zu eiweißreichem Grundfutter ist: jedoch eine Reduzierung des NPN-Anteils
vorteilhaft (nähere Erläuterungen dazu in den nachstehenden Beispielen).
Für die Stabilisierung werden am besten Proteine mit
kleiner Teilchengröße verwendet, am günstigsten zwischen 0,1 mm und 1 mm 0; die relative Dichte sollte
nahebei 1 liegen.
Diese Eigenschaften tragen dazu bei, daß die Verweildauer des stabilisierten Eiweißes im Pansen
möglichst gering ist. Andererseits ist die Verweildauer aber lange genug, um die NPN-Verbin'lung in Lösung
gehen zu lassen. r,
Der Gegenstand der Erfindung wird durch die nachstehenden Beispiele illustriert.
Beispiel 1
Herstellung eines eiweißreichen Futtermittels und ι ο Austauscnbarkeit des stabilisierten Eiweißes durch eine
NPN-Verbindung (Harnstoff).
Ein handelsübliches Sojaschrot mit einer In-vitro-Verdaulichkeit
des Rohproteins von 70% (Pansensaftinkubation) wurde mit 0,5 Gew.-% Formaldehyd behandelt.
a) Die In-vhro-Verdaulichkeit wurde dadurch auf
10% reduziert. Aus diesem Produkt wurden im Pansen 60% des Rohproteins, das entspricht 3,75 g
Stickstoff pro 100 g Soja, weniger freigesetzt. Die 2» dem Pansen entzogene Menge wurde als leicht
löslicher Harnstoff N-äquivalent dem Sojaeiweiß zugesetzt, so daß die ursprüngliche Verdaulichkeit
des Eiweißes erhalten blieb (33% behandeltes Sojaeiweiß und 66% Eiweiß aus NPN, d.h. aus
Harnstoff).
Diese Mischung kann entsprechend dem Rohproteingehalt Sojaschrot in herkömmlichen Kraftfuttermischungen
ersetzen.
b) Ein leicht lösliches Sojaschrot mit einer In-vitro-Verdaulichkeit
von 70% wird mit 0,3 Gt'w.-% Formaldehyd behandelt, die Verdaulichkeit im
Pansensaft betrug danach nur noch 30%. Die stabilisierte Menge wurde durch Harnstoff ersetzt.
Je nach gewähltem Verhältnis von stabilisierter Eiweißmenge zu NPN-Zusatz kann dadurch die
Verdaulichkeit im Pansen gesteuert werden, wie die Tabelle 1 zeigt.
Tabelle 1 w
4
|
Austausch- Verdaulichkeit |
|
rate*) im Pansen (%) |
Natives Sojaeiweiß |
- 70 |
Behandeltes Sojaeiweiß |
- 30 |
Behandeltes Sojaeiweiß |
|
+ 57,2% Eiweiß aus |
|
NPN-Verbindungen |
1:1 70 |
Behandeltes Sojaeiweiß |
|
+ 28,6% Eiweiß aus |
|
NPN-Verbindungen |
1 :0,5 50 |
Behandeltes Sojaeiweiß |
|
+ 14,3% Eiweiß aus |
|
NPN-Verbindungen |
1 :0,25 40 |
j
*) Def. des Ausdrucks Auslauschrate:
Die Austauschrate bezieht sich auf die Anteile fermentierten
Futtereiweißes derart, daß nur fermentierbares Eiweiß gegen NPN ausgetauscht wird.
Beispiel 2
Berechnung der Proteinfraktionen
Anhand dieses Beispiels soll aufgezeigt werden, wie sich das Eiweiß im Duodenum in Abhängigkeit von der
Fütterung zusammensetzt:
a) Der Erhaltungsbedarf einer Milchkuh erfordert normalerweise 3000 StE und 300 g verdauliche;.
Eiweiß.
Bei normgerechter Fütterung werden im allgemeinen im Pansen 210 g (d. s. 7Ü%]| verdauliches Eiweiß
fermentiert, während 90 g (30%) direkt in den Darm gelangen. Die Bakterienproteinsynthese in
Abhängigkeit von den zugeführten StE beträgt 300 g Protein, d. h. es besteht eine effektive
Unterversorgung an N-haltigen Verbindungen im Pansen (entspr. 90 g Protein).
Wird der Eiweißbedarf allein durch NPN-Verbindungen gedeckt, so wird die 300 g Eiweiß
entsprechende N-Menge im Pansen freigesetzt und durch mikrobielle Synthese in Bakterienprotein
eingebaut.
Realistischer ist es natürlich, nur einen Teil des Eiweißes im Futter durch NPN-Verbindungen zu
ersetzen, z. B. 20%, d. h. in diesem Falle würden 60 g Eiweiß durch eine NPN-Verbindung (wie
Diammoniumphosphat) ersetzt. Die 240 g Futtereiweiß werden im Pansen zu 168 g
(d. s. 70%) Bakterienprotein fermentiert, während 72 g direkt den Darm erreichen. Das Eiweiß am
Duodenum (300 g) setzt sich in diesem Falle aus 228 g Bakterienprotein und 72 g nativem Futtereiweiß
zusammen ohne Berücksichtigung des ruminohepatischen Kreislaufs.
Dem Tier stehen also in allen drei Fällen jeweils 300 g Eiweiß am Duodenum zur Verfügung.
Limitierend für die mikrobielle Proteinsynthese ist allein die N-Versorgung am Pansen.
Im Falle der Erhaltungsbedarfsdeckung kann der Eiweißbedarf völlig durch NPN-Verbindungen
gedeckt werden.
b) Eine Milchkuh mit einer Milchleistung von 20 1/d hat einen Nährstoffbedarf (inkl. Erhaltungsbedarf)
von 8500 StE und 1500 g verdauliches Eiweiß.
Bei normgerechter Fütterung werden hiervon im Pansen 1050g (d.s. 70%) fermentiert und daraus
850 g Bakterienprotein gebildet (entspr. 10 g/ 100 StE). Am Duodenum stehen dem Tier also
effektiv nur 1300 g verdauliches Eiweiß zur Verfügung, die als bedarfsdeckend anzusehen sind.
Wird der Eiweißbedarf daher auf das am Duodenum zur Verfügung stehende Eiweiß bezogen,
so können 1300 g verdauliches Eiweiß (300 g zur Erhaltung, 50 g pro 1 1 Milch) als Bedarf
angegeben werden.
Wird auch in diesem Falle alles Eiweiß in Form von NPN-Verbindungen zugeführt, so beträgt die
maximale Eiweißmenge am Duodenum nur 850 g Eiweiß (entspr. 8500 StE), d.h. die NPN-Verbindung
kann nur zu ca. 57% ausgenutzt werden, und es entsteht ein Eiweißdefizit am Duodenum von
450 g gegenüberder normgerechten Eiweißfütterung. Werden auch in diesem Falle nur 20% des
Eiweißbedarfs durch NPN-Verbindungen gedeckt, so werden die 1200 g verdauliches Futterprotein in
840 g (70%) verdauliches Bakterienprotein im Pansen umgewandelt und 360 g (30%) erreichen
direkt den Darm.
Aus den 300 g Protein-N können nur noch 10g
Bakterienprotein gebildet werden (wegen StE Bildung von max. 850 g möglich), das entspricht
einem Ausnutzungsgrad von 3,3%. Insgesamt stehen dem Tier 1200 g verdauliches Protein am Duodenum zur Verfügung.
Beispiel 3
Ernährung des Wiederkäuers mit pansenstabilen
Proteinen
a) Beim Einsatz von pansenstabilen Proteinen (Fer- ;
mentationsrate 10% gegenüber 70% bei nativen Futterproteinen) zur Deckung des Erhaltungsbedarfs
gehen 270 g Eiweiß direkt in das Duodenum, während nur 30 g zur mikrowellen Synthese im
Pansen zur Verfügung stehen. Bei der Deckung des Erhaltungsbedarfs ergibt sich kein Vorteil beim Einsatz pansenstabiler Proteine,
da hier die mikrobielle Proteinsynthese im Pansen durch das Angebot an N-haltiger Substanz limitiert
ist.
b) Die Nährstoffnormen für Milchkühe sind auf natives Eiweiß abgestellt. Wie im Beispiel 2 gezeigt
wurde, stehen einer Milchkuh mit einer Milchleistung von 201 Milch/Tag bei normgerechter
Ernährung am Duodenum und damit am Ort der Resorption nur 1300 g verdauliches Eiweiß zur
Verfügung. Da die Normen aus Fütterungsergebnissen mit nativem Eiweiß abgeleitet sind, ist der
tatsächliche Bedarf mit 1300 g Eiweiß am Duodenum abgedeckt, das entspricht 50 g Eiweiß pro 1 I
Milch und 300 g verdauliches Eiweiß für die Erhaltung.
Da der Einsatz pansenstabiler Proteine die gezielte Bereitstellung der benötigten Eiweißmenge am
Duodenum erlaubt, ohne daß Verluste im Pansen so entstehen, kann hierbei mit einem Bedarf am
Duodenum von 1300 g Eiweiß gerechnet werden, d. h, gegenüber nativem Eiweiß können bei der
Deckung des Bedarfs für die Milchleistung ca. 17% Eiweiß eingespart werden.
Werden der Kuh daher in der Ration 1300 g Eiweiß aus pansenstabilen Proteinen mit einer Fermentationsrate
von 10% im Pansen verabreicht, so setzt sich das am Duodenum meßbare Eiweiß aus 1170 g
unabgebautem Eiweiß und 130 g Bakterienprotein zusammen, wobei im Pansen noch ein erhebliches
N-Defizit besteht.
Erfindungsgemäß ist jedoch nicht der einfache Austausch von Futtereiweiß gegen pansenstabile
Proteine und NPN-Verbindungen, sondern die gezielte Sicherstellung des tierischen Bedarfs mit
nativem Eiweiß, soweit er die mikrobielle Eiweißsynthese übersteigt, d. h. bei einer Kuh mit einer
Milchleistung von 20 l/Tag muß die Ration die 850 g verdaulichem Eiweiß äquivalente N-Menge
an leicht fermentierbaren Verbindungen aufweisen und 450 g verdauliches Eiweiß müssen unabgebaut
den Pansen passieren, d. h. die Fermentationsrate des Futtereiweißes muß 65% betragen, dem
entspricht eine Mischung aus 61,2% einer NPN-Verbindung und 38,8% pansenstabiler Proteine.
Beispiel 4
Der Einsatz von pansenstabilen Proteinen im Kraftfutter läßt sich modellmäßig wie folgt erfassen: eo
Eine Milchkuh mit einer Milchleistung von 20 l/d hat einen Nährstoffbedarf von 8500StE und 1500 g
verdaulichem Eiweiß. Das Grundfutter soll ausreichen für Erhaltung und Produktion von 8 l/d Milch. Es enthält
g Eiweiß, von denen 546 g (d. s. 70%) im Pansen μ fermentiert und 234 g (30%) direkt im Darm resorbiert
werden können, im Kraftfutter werden 720 g Eiweiß zugelegt.
Handelsübliches Sojaschrot wird zu etwa 70% im Pansen abgebaut, durch eine Formaldehydbehandlung
jedoch wurde die Abbaurate auf 30% reduziert. Erfindungsgemäß können diese 40% pansenstabilisiertes
Eiweiß durch eine NPN-Verbindung (Harnstoff · H3PO4) ersetzt werden, so daß das Futter
weiterhin zu 70% fermentiert wird, d. h. es wird das dem Pansen entzogene Eiweiß N-äquivalent ersetzt.
Bei Einsatz handelsüblichen Sojaschrotes gelangen 216g (d.s. 30%) Eiweiß direkt in den Darm, während
504 g (70%) im Pansen fermentiert werden.
Die Gesamtbilanz sieht dann wie folgt aus:
1050 g abgebautes Eiweiß im Pansen und 450 g natives Futtereiweiß im Abomasum, d. h. im Pansen
stehen 200 g Eiweiß mehr zur Verfügung als von den Pansenbakterien eingebaut werden können (850 g),
insgesamt könnten also nur 1300 g Eiweiß resorbiert werden.
Werden die 40% zusätzlich stabilisierten Eiweißes im Verhältnis 1 :1 N-äquivalent durch NPN-Verbindungen
ersetzt, d. h. es wird eine Mischung aus 42,8% behandeltes Soja und 57,2% Eiweiß aus einer
NPN-Verbindung eingesetzt, so verändert sich die Bilanz nicht.
Erfindungsgemäß können diese 40% zusätzlich stabilisierten Eiweißes jedoch auch in anderen Verhältnissen
ersetzt werden, wie z. B. 1 :0,5, d. h. es werden 50% des unlöslichen Proteins durch NPN-Verbindungen
ersetzt. Damit ergibt sich folgende Bilanz:
Das Kraftfutter enthält insgesamt 720 g verdauliches Eiweiß, von denen 514 g (71,4%) als stabilisiertes
Protein und 206 g (28,6%) als NPN-Verbindung vorliegen, die durchschnittliche Abbaurate im Pansen
beträgt 50%.
Bilanzmäßig werden im Pansen 906,2 g Eiweiß abgebaut (546 g als Grundfutter, 206 g aus N PN-Verbindung
und 154,2 g aus stabilisiertem Sojaschrot) und 594 g Eiweiß (360 g aus stabilisiertem Sojaschrot und
234 g aus Grundfutter) gelangen direkt in den Darm.
Insgesamt werden also 1440 g verfügbares Eiweiß im Darm zur Resorption gelangen, d. s. 140 g Eiweiß mehr
als bei unbehandeltem Sojaschrot, der Bedarf wird um diesen Betrag überschritten.
In diesem Falle werden im Pansen noch 56,2 g EiweiO mehr freigesetzt als von den Bakterien in das Protein
eingebaut werden kann, es entstehen also noch geringe Verluste in dieser Höhe. Andererseits werden aber auch
am Duodenum bereits 140 g verdauliches Eiweiß mehl als dem Bedarf entspricht, angeflutet.
Reduziert man nun den Eiweißgehalt des Kraftfutters um 100g, d.h. es werden anstelle von 72Og nur 620g
zugelegt, verändert sich die im Pansen freigesetzte und die am Duodenum angeflutete Menge um jeweils 50 g
d. h. die Verluste im Pansen werden praktisch gleicr Null, am Duodenum werden 90 g mehr als dem Bedarl
entsprechen angeflutet. Durch eine Änderung des Mischungsverhältnisses zugunsten von NPN und damit
einer Erhöhung der Fermentationsquote auf mehr ah 50% ließe sich die im Kraftfutter erforderlich«
Eiweißmenge weiter reduzieren, z. B. würden bei einei Fermentationsrate von 60% und einer Zulage von 520 g
Eiweiß im Pansen 858 g (312 + 546) Eiweiß abgebaui und in Bakterienprotein eingebaut, am Duodenurr
stünden 1292 g Eiweiß (850 aus Mikrobenprotein unc 254 g aus Grundfutter und 208 g aus dem Kraftfutter
zur Verfügung. Die Mischung des Kraftfutters mit einei Fermentationsrate von 60% besteht aus 44,5% Soja
schrot (10% Fermentationsrate) und zu 55,5% aus dei
ίο
NPN-Verbindung. Mit dieser Kombination kann der Bedarf mit einem um 200 g Eiweiß reduzierten Aufwand
gedeckt werden.
Beispiel 5
In diesem Beispiel wird die Fermentation des Futtereiweißes bei normgerechter Fütterung der
Milchkuh für verschiedene Milchleistungen dargestellt.
Anhand von drei unterschiedlichen Futterkombinationen
Natives Eiweiß mit einer Abbaurate von 70% im Pansen (s. Tab. 2, Spalte 7,8)
Kombination aus 50% nativem Eiweiß (Abbaurate 70%) und 50% pansenstabilisierte Proteine (Abbaurate
10%)
Durchschnittliche Abbaurate 40% (s. Tab. 2, Spalte 9,10)
Kombination aus je 50% nativem Eiweiß und 50% erfindungsgemäßem Futter (Kombination 70%
pansenstabile Proteine +30% NPN-Verbindung auf N-Basis (z. B. Harnstoff)
Durchschnittliche Abbaurate 53,5% (s. Tab. 2, Spalte 11,12)
wird dargestellt, welche Eiweißmengen jeweils im Pansen abgebaut werden (s. Tab. 2, Spalten 7, 9,11) und
in welchem Maße sie zur N-Versorgung der Pansenbakterien beitragen (s. Tab. 2, Spalten 8,10,12).
Es zeigt sich, daß bei alleiniger Verfütterung von nativen Eiweißen (s. Tab. 2, Spalte 7, 8) ein erheblicher
N-Überschuß im Pansen besteht, der sich in Eiweißverlusten äußert.
Bei Verwendung von pansenstabilen Proteinen ohne
ίο NPN-Zusatz besteht im Pansen ein größeres Eiweißdefizit,
so daß die gewünschte maximale bakterielle Proteinsynthese im Pansen nicht gewährleistet ist (s.
Tab. 2, Spalte 10). Wird die erfindungsgemäße Kombination aus pansenstabilen Proteinen und NPN-Verbindungen
den nativen Eiweißen zugesetzt, so zeigt sich, daß nur bei niedrigen Milchleistungen ein geringes
Eiweißdefizit im Pansen besteht. Bei hochleistenden Tieren ist der N-Bedarf der Pansenbakterien in etwa
gedeckt. Es ist bekannt, daß niederleistende Tiere dieses geringe Defizit über den rumino-hepatischen Kreislauf
ausgleichen können.
Es wird also insgesamt eine sehr gute Verwertung des Futtereiweißes erreicht, insbesondere werden die
bereits zugesetzten NPN-Verbindungen vollständig ausgenutzt.
Diese Untersuchungen wurden mit Sojaschrot, stabilisiertem Sojaschrot und Harnstoff durchgeführt.
Tabelle |
2 |
2 |
3 |
Eiweiß |
900 |
4 |
:6,4 |
5 |
6 |
575 |
% |
7 |
8 |
630 |
% |
9 10 |
11 |
• 12 |
P.P. |
482 |
% |
1 |
|
Nährstoffbedarf |
verdau |
1200 |
|
:5,9 |
|
Mikrobielle |
713 |
64 |
I |
|
840 |
109,6 |
II |
III |
|
NPN |
642 |
83,7 |
Milch- |
|
liches |
1500 |
|
:5,7 |
Proteinsynthese |
850 |
59 |
Natives |
Eiweiß |
1050 |
117,8 |
50% Nat.Py |
|
50% Nat. Eiweiß |
|
803 |
90,0 |
Leistung |
Energie |
|
1800 |
|
:5,5 |
It. StE |
988 |
57 |
|
|
1260 |
123,5 |
50% P.P. (Fermen |
+ 35% |
Ferm.-Quote |
963 |
94,4 |
|
|
|
2100 |
|
:5,4 |
|
1125 |
55 |
|
|
1470 |
127,5 |
tationsrate 10%) |
+ 15% |
|
1124 |
97,5 |
|
|
|
|
|
|
|
|
54 |
|
|
130,6 |
|
|
53,5% |
|
99,8 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Ferm. Futter |
|
Ferm. Futter |
|
|
|
|
Nährstoff |
|
|
eiweiß |
eiweiß |
|
|
|
g |
verhältnis |
|
|
70% |
40% |
Bedarfsdeckung |
|
|
|
|
|
|
Bedarfsdeckung |
|
|
|
|
|
|
|
|
g |
|
StE |
|
g |
|
Bedarfsdeckung
für mikrob. |
g % |
Kg/d |
5750 |
|
|
Proteinsynthese |
360 63 |
10 |
7125 |
|
g |
480 67 |
15 |
8500 |
|
600 71 |
20 |
9875 |
|
720 73 |
25 |
11250 |
1 |
840 75 |
30 |
|
1 |
|
1 |
1 |
1 |
|
|
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Nat.P. = Natürliches Protein.
P.P. - Pansenstabiles Protein.
NPN - Als Beispiel wurde Harnstoff gewählt.