Die Erfindung betrifft ein photographische Silberhalogenidemulsion
mit einer aliphatischen oder aromatischen Sulfinsäure und/oder deren wasserlöslichem
Salz sowie mit mindestens einer labile Schwefelatome aufweisenden organischen Verbindung.
Photographische Silberhalogenidemulsionen können, um ihre Empfindlichkeit und häufig auch ihre
Gammawerte zu erhöhen, im Gegensatz zur spektralen oder optischen Sensibilisierujig, durch welche
die spektrale Empfindlichkeit erhöht wird, mit einer Vielzahl von Verbindungen chemisch sensibilisiert
werden. Die vielleicht häufigste aller bekannten chemischen Sensibilisierungen ist die Schwefelsensibilisierung.
Diese Sensibilisierung stellt ein Phänomen dar, das im allgemeinen als chemische Reaktion des
Sensibilisierungsmittels mit dem Silberhalogenid gedeutet wird, wobei Silbersulfidflecken in oder auf der
Oberfläche der Silberhalogenidkristalle oder »Körner« entstehen. Derartige Schwefelverbindungen sind
als Schwefelsensibilisicrungsmittel bekannt, und ihre
Aktivität wird auf die Anwesenheit eines labilen Schwefelatoms zurückgeführt.
Verwiesen sei hierzu auf M e e s . »The Theory of the Photographic Process«. 1954. Macmillai; Co..
S. 90 ff. Ein anderer bekannter Typ der chemisehen Sensibilisierung führt zur Bildung von kleinen
Flecken von metallischem Silber oder einem anderen edlen Metall in oder auf den Silberhalogenidkristallen.
Wenn Silber in oder auf dem Kristall gebildet wird. so ist dies anscheinend die Folge einer teilweisen
Reduktion des Silberhalogenid* /11 metallischem
Silber, und die chemischen Sensibilisjeriingsmittel.
welche dies bewirken, sind als sogenannte Reduktions
- Sensibilisierungsmittel bekannt (Lowe. J ο η e s und Roberts, »Fundamental Mechanism
of Photographic Sensitivity« (1951). S. 112 bis
125). In den Fällen, in denen das auf this oder in das Silberhalogenidkristall eingeführte edle Metall
aus Gold besteht, wird die Sensibilisierung als GoId-Sensibilisierung
bezeichnet. Die Effekte dieser Sensibilisierungstypen sind im allgemeinen additiv, obgleich
dies nicht immer der Fall zu sein braucht. da die Wirkung etwas von den als Sensibilisierungsmittel
verwendeten Verbindungen abhängt sowie ihrer chemischen Aktivität unter gegebenen Emulsionsbedingungen.
Eine weitere Sensibilisierungsart besteht in der Behandlung von Silberhalogenidemulsionen mit Derivaten
verschiedener Alkylenoxyde. wie beispielsweise Äthylenoxyd. Diese besondere Sensibilisierungsart
wird im allgemeinen nicht als chemische Sensibilisierung bezeichnet, da hier nur ein geringer oder gar
kein Beweis dafür vorliegt, daß derartige Verbindungen mit dem Silberhalogenidkorn reagieren. Es
wird vielmehr vermutet, daß die Wirkung dieses Typs von Sensibilisierungsmitteln eine Folge des
Entwicklungsphänomens ist. Der Mechanismus einer derartigen Sensibilisierung ist im wesentlichen noch
nicht aufgeklärt.
Es ist jedoch auch erforderlich, photographische Silberhalogenidemulsionen zu stabilisieren, da z. B.
längere Lagerzeit oft unter ungünstigen klimatischen Bedingungen zu Schlcieranstieg und Gradationsrüekgang
führt. Unter einer Viel/ah! von hierfür mehr oder weniger geeigneten Verbindungen fallen auch,
wie aus der deutschen Patentschrift 606 528 bekannt, Sulfin- und Seleninsäurcverbindimgen. wofür dort
speziell bcizolsulfinsaures Natrium aufgeführt ist.
Aufgabe der Erfindung ist es, die chemische Sensibilisierung einer photographischen Silberhalogenidemulsion
wciterzuverbessern, insbesondere einen erheblichen Gewinn an Empfindlichkeit zu erzielen.
trotzdem aber den Schleier niedrig zu halten.
Gegenstand der Erfindung ist eine photographische Silberhalogenidemulsion mit einer aliphatischen oder
aromatischen Sulfinsäure und/oder deren wasserlöslichem Salz sowie mit mindestens einer labile
ίο Schwefelatome aufweisenden organischen Verbindung,
die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie als labile Schwefelatome aufweisende organische Verbindung
Dithiocarbaminsäure oder deren Derivate der Formel
N — C — SM
enthält, worin bedeutet R ein Wasserstoffatom, eine
Alkylgruppc mit ! bis 4 Kohlenstoffatomen oder eine Phenylgruppe und M ein Wasserstoff-. Natriumoder
Kaliumatom oder eine Ammonium- oder eine Triäthanolammoniumgruppe.
Als Sulfinsäure oder ihre wasserlöslichen Salze, die erfindungsgemäß verwendet werden können,
seien hier genannt: Methansullinsäure. MethandisLillinsäure. Äthansulfinsäurc. Benzolsulfinsäure.
Chiorbenzolsulrinsäure. p-Toluolsulfinsäure. p-Anisolsulfinsäure.
p-Acetanilinsulfinsäurc. Salicylsiillinsäure.
m-Benzoidisuifinsäure. ,i-Naphthalmsullinsäurc
oder ^Tyclohexansuliinsätire.
Bei den erfindimgsj'.emäßen Dithiocarbaminsäurederivaten
kommt, falls in der Formel R für eine Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen steht.
z. B. eine Methyl-. Äthyl-. ,/-Hydroxyäthyk Propyl-.
Isopropyl- oder Butylgruppe in Betracht.
Steht R für eine Phenylgruppe. so kann diese gegebenenfalls eine substituierte Phenylgruppe. /.. B.
eine p-Tolyl- oder Chlorphenylgruppe. sein.
Die erfindungsgemäßen Sulfinsäuren oder ihre wasserlöslichen Salze werden den Silberhalogenidemulsionen
in im wesentlichen neutralen wäßrigen Lösungen zugesetzt, obgleich die Säuren häufig
auch bei niederen Konzentrationen in ihren wäßrigen Lösungen der Emulsion zugesetzt werden können.
Die Konzentrationen dieser Verbindungen können verschieden sein, je nach der Art der besonderen in
Frage stehenden Silberhalogenidemulsion, der Konzentration des Silberhalogenid* sowie dem Bindemittel
in der Emulsion, das entweder Gelatine oder ein anderes wasserperincables hydrophiles Kolloid,
wie beispielsweise Polyvinylalkohol, Kollagen oder Albumin sein kann. Im allgemeinen liegen die optimalen
Konzentrationen zwischen 0,01 und 10 g pro Mol Silberhalogenid, obgleich niedere oder höhere
Konzentrationen angewandt werden können.
Die Sensibilisierung der photographischen Silberhalogenidemulsion nach der Erfindung kann in verschiedener
Weise erfolgen. In der Regel wird die Silberhalogenidemulsion der Erfindung mittels der
Dithiocarbaminsäureverbindung auf einem optimalen oder nahezu optimalen Wert sensibilisiert, worauf
eine wäßrige Lösung der Sulfinsäurevcrbindung zugesetzt wird und worauf die Emulsion vor tier Beschichtung
eine kurze Zeit digeriert wird. Die Zugabe der Sulfinsäure- und der Dithiocarbaminsäure-
verbindung kann jedoch, falls dies zweckmäßig erscheint,
auch in umgekehrter Reihenfolge erfolgen.
Die photographische Emulsion der Erfindung ist im allgemeinen vom Ausentwicklungstyp.
Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, daß eine photographische Silberhalogenidemulsion
mit wesentlich verbesserter Empfindlichkeit erhalten wird, ohne daß ein Schleier auftritt,
der die Qualität des daraus zu fertigenden Aufzeichnungsmaterials beeinträchtigt.
Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung enthält die Silberhalogenidemulsion Natrium-p-toluolsulfinat
sowie das Ammoniumsalz der n-Butyldithiocarbaminsäure
oder der n-Äthyldithiocarbaminsäure.
Die Sensibilisierungseffekte der Erfindung können bei den verschiedensten Arten photographischer
Silberhalogenidemiilsionen erzielt werden, wie beispielsweise
bei Silberchlorid-, Silberbromid-, Silberbromidjodid-, Silberchloridbromid- oder Silberchloridbromidjodidemulsionen.
Diese Emulsionen können für verschiedene Typen photographischer Produkte verwendet werden, wie sie in der Schwarz-Weiß-Photograph
ie zur Herstellung eines Negativ- oder Positivbildes gebraucht werden, als auch für die Farbphotographie:
Im letzteren Fall können Emulsionen verwendet werden, die für einen bestimmten Bereich
des Spektrums oder auch gar nicht spektral sensibilisiert wurden. Diese Emulsionen können die üblichen
Zusätze zur Modifizierung der Eigenschaften von Farbemulsionen besitzen, wie beispielsweise Färbkuppler
zur Herstellung von verschiedenen Arten von Farbbildern, wie z. B. phenolische'Kuppler zu;
Herstellung von Cyanbiklern. Pyrazolonkuppler zur Herstellung von Magentabildern oder offenkettige
Ketomethylenverbindungen zur Herstellung von gelben Bildern.
Die Emulsionen der Erfindung können weiterhin in der Röntgen-Strahlenphotographie verwerdet
werden.
Die folgenden Beispiele sollen die Erfindung näher veranschaulichen.
B e i s ρ i e 1 1
Es wurde eine zunächst unsensibilisierte grobkörnige photographische Gelatine-Silberbromidjodidemulsion
mit dem Ammoniumsalz der n-Butyldithiocarbaminsäure (9 mg pro Mol Silber) chemisch
sensibilisiert. Die so sensibilisierte Emulsion wurde dann in zwei Portionen »geteilt, und nur einer Portion
wurde 9 g Natrium-p-toluolsulfinat pro Mol Silber zugesetzt. Beide Portionen wurden dann wenige
Minuten lang bei einer Temperatur zwischen 50 und 55 C digeriert und auf einen üblichen Celluloseacetatfilmträger
geschichtet und getrocknet. Beide Filmproben wurden daraufhin in einem Eastman-Sensitometer
vom Typ I b mit einer Wolframlampe belichtet und daraufhin wenige Minuten lang in
einem Entwickler folgender Zusammensetzung entwickelt:
N-Methyl-p-aminophenolsulfat 2.0 g
Natriumsulfit (wasserfrei) 90.0 g
Hydrochinon 8,0 g
Natriumcarbonatmonohydrat 52.5 g
Kaliumbromid 5,0 g
Mit Wasser auf 1 1 aufgefüllt.
|ί
Die entwickelten Beschichtungen wurden dann fixiert, gewaschen und in üblicher Weise getrocknet.
Die relativen Empfindlichkeiten der Beschichtungen wurden dann bei einer Dichte von 0,3 Dichteeinheiten
über dem Schleier gemessen. Die erhaltenen Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
Für Natrium-p-toluolsulfinat allein sind keine Empfindlichkeitswerte angegeben, da gefunden
wurde, daß diese Verbindung allein die Empfindlichkeit der Emulsion nicht zu erhöhen vermag, was
bereits bekannt war.
Tabelle I
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B |
Relative
Empfindlichkeit |
Gamma |
Schleie |
Ohne Sulfinat . |
100 |
0,87 |
0,57 |
Mit Sulfinat |
871 |
0.95 |
0,11 |
|
e i s ρ i e 1 2 |
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Eine photographische Gelatine-Silberbromidemulsion
mittlerer F^mpfindlichkeit und Gradation, weiche weder chemisch noch spektral sensibilisiert worden
war. wurde zunächst durch Zugabe von 9 mg des Ammoniumsalzes der n-Äthyldithiocarbaminsäure
pro Mol Silberhalogenid modifiziert.
Die Emulsion wurde dann in vier Teile geteilt. und drei Teile wurden durch Zusatz von Sulfinsäureverbindung'gn.
wie bie in der folgenden Tabelle angegeben sind, modifiziert. Die vier Emulsionsteile
wurden bei etwa 55 C wenige Minuten lang digeriert, auf einen1 üblichen Celluloseacetatfilmträger geschichtet
und getrocknet. Die Beschichtungen wurden dann exponiert, entwickelt, fixiert, gewaschen und
getrocknet, wie im Beispiel 1 angegeben. Die Empfindlichkeitsdaten wurden wie oben beschrieben erhalten,
wobei die Messungen bei 0,3 Dichteeinheiten über dem Schleier ausgeführt wurden.
Es wurden die folgenden Ergebnisse erhalten:
Tabelle II
Sulfinat (g/Mol Ag)
Kontrollprobe (ohne
Sulfinat)
Natrium-p-toluolsulfinat (0,3)
Natrium-Benzolsulfinat (0.9)
p-Acetamidobenzolsulfinsäure, neutralisiert (0,9)
Empfindlichkeit
Gamma
100
138
148
Schleier
1,75
1,47
2,0