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Anwendungsgebiet der Erfindung ist in der bodenmechanischen Laborversuchstechnik die Bestimmung des von den wirksamen Konsolidierungshauptspannungen σ'1,2 und σ'3,2, dem Porenanteil n2, der Sättigungszahl Sr2 und dem Überkonsolidierungsgrad OCRgr2 abhängigen scheinbaren Bruchverhaltens von kohäsionslosen, kontraktilen Lockergesteinen. Der Geltungsbereich des Verfahrens beschränkt sich auf Spannungsbereiche, in denen Kornzertrümmerungen noch nicht auftreten.
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Die Eigenschaften eines Lockergesteins werden mit material- und zustandsbeschreibenden Kennzahlen beschrieben.
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Den Lagerungszustand beschreiben der Porenanteil n und die Sättigungszahl Sr. Den Spannungszustand beschreiben die größte wirksame Hauptspannung σ'1 und die kleinste wirksame Hauptspannung σ'3. Die Geschichte eines Lockergesteins wird durch den Überkonsolidierungsgrad OCR beschrieben. Die materialbeschreibenden Kennzahlen beschreiben die zustandsunabhängigen Eigenschaften eines Lockergesteins (z.B. Kornverteilung, Korndichte).
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Stauchung ist die Längenänderung einer Lockergesteinsprobe unter Druckbelastung.
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Passive Stauchung ist eine Versuchstechnologie bei Triaxialversuchen, bei der die Stauchung der Lockergesteinsprobe durch eine Steigerung der von außen aufgebrachten Kraft in der Richtung der größten Hauptspannung erfolgt.
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Bruch ist das Versagen eines Materials unter mechanischer Beanspruchung. In der Bodenmechanik ist die Bruchfestigkeit bei der Stauchung eines Lockergesteins der Maximalwert der Scherspannung vor Abfall der Scherfestigkeit. Die Scherfestigkeit eines Lockergesteins kann nach dem Bruch nach viel größeren Deformationen wieder ansteigen, dieses Verhalten gehört aber nicht mehr zum Bruchverhalten.
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„Scheinbar“ ist die Bezeichnung eines Bezugssystems in der Bodenmechanik.
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Das Bezugssystem „scheinbar“, ist dadurch gekennzeichnet, dass scheinbare Spannungen als Spannungsbezug für die Ermittlung von Festigkeitskenngrößen, insbesondere von Reibungswinkeln, genutzt werden. Scheinbare Spannungen ergeben sich aus den Gesamtspannungen (totalen Spannungen) im Boden abzüglich der statischen Porenwasserdrücke. Im Versuch werden die vor der passiven Stauchung eingestellten statischen Porenwasserdrücke als „Back Pressure“ bezeichnet.
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Bei der Bestimmung scheinbarer Spannungen werden die sich zwischen Konsolidierung und Bruch in einer Probe entwickelnden Porenwasserüberdrücke nicht von den totalen Spannungen abgezogen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zu schaffen, welches die nachfolgend noch erläuterten Nachteile zur Bestimmung des scheinbaren Bruchverhaltens von Lockergesteinen vermeidet.
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Gelöst wird diese Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 mit seinen bevorzugten Ausgestaltungen gemäß den Unteransprüchen.
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Mit der vorliegenden Erfindung wird, kurz gesagt, ein Prüfverfahren geschaffen werden, dessen Ergebnisse das scheinbare Bruchverhalten von kohäsionslosen kontraktilen Lockergesteinen in Abhängigkeit von deren Sättigungszahlen Sr2, wirksamen Hauptspannungsverhältnissen K'2 und Überkonsolidierungsgraden OCRgr2 beschreiben.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand der Figuren und Tabellen erläutert.
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Die in dieser Beschreibung verwendeten Bezugszeichen und Indizes sind in der Bezugszeichenliste erläutert.
- 1 zeigt in einem s/t- Diagramm die verschiedenen Bezugssysteme für die Scherfestigkeit.
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Das totale Bezugssystem:
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Im totalen Bezugssystem werden nur die totalen Spannungen gemessen. Der Spannungsweg einer passiven Stauchung im totalen Bezugssystem beginnt am Punkt tKons, s2. Ausgehend von diesem Punkt wird der „totale“ Bruch tf, sf erreicht. Nach Überschreiten des Bruchs fällt die Festigkeit auf die Restfestigkeit tR, sR ab. Die Neigung der geraden Linie des erläuterten totalen Spannungsweges im s/t-Diagramm des totalen Bezugssystems beträgt 45°. Für praktische Anwendungen ist das totale Bezugssystem in nachteiliger Weise nicht sehr gut geeignet. Je nach statischem Porenwasserdruck, im Versuch der sogenannte „Back Pressure“, verschiebt sich der totale Spannungsweg entlang der Abszisse gemäß 1 nach links. Damit werden im totalen Bezugssystem berechnete Reibungswinkel von der Höhe des statischen Porenwasserdrucks abhängig. Die Festigkeit ist dagegen von der Höhe des statischen Porenwasserdruckes unabhängig. Das erschwert die Anwendung von im totalen Bezugssystem berechneten Reibungswinkeln für die gewünschten Standsicherheitsberechnungen, da ein solcher Reibungswinkel nur für genau einen Lagerungs- und Spannungszustand bei nur genau einem statischen Porenwasserdruck gilt.
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Das wirksame Bezugssystem:
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Im wirksamen Bezugssystem wird von den totalen Spannungen sowohl der statische Porenwasserdruck als auch der Porenwasserüberdruck subtrahiert. Der Spannungsweg einer passiven Stauchung im wirksamen Bezugssystem beginnt am Punkt tKons, s'2. Ausgehend von diesem Punkt wird der „wirksame“ Bruch tf, s'f erreicht. Nach Überschreiten des Bruchs fällt die Festigkeit auf die Restfestigkeit tR, s'R ab. Es wird aus 1 deutlich, dass der wirksame Spannungsweg im s/t-Diagramm des wirksamen Bezugssystems eine Kurve und nicht wie im totalen Bezugsystem eine Gerade ist. Für die praktische Anwendung, das heißt in den Standsicherheitsberechnungen ist bei Verwendung von in diesem wirksamen Bezugssystem berechneten Reibungswinkeln die Kenntnis sowohl des statischen Porenwasserdruckes als auch des sich infolge einer Stauchung entwickelnden Porenwasserüberdruckes notwendig.
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Das scheinbare Bezugssystem:
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Im weiteren scheinbaren Bezugssystem wird von den totalen Spannungen der statische Porenwasserdruck (also nicht der Porenwasserüberdruck, wie im wirksamen Bezugssystem) subtrahiert. Der Spannungsweg einer passiven Stauchung im scheinbaren Bezugssystem beginnt ebenfalls am Punkt tKons, s'2. Ausgehend von diesem Punkt wird der „scheinbare“ Bruch tf, su,f erreicht. Nach Überschreiten des Bruchs fällt die Festigkeit auf die Restfestigkeit tR, su,R ab. Die Neigung der geraden Linie des erläuterten scheinbaren Spannungsweges im s/t-Diagramm des scheinbaren Bezugssystems beträgt ebenfalls 45°. Im scheinbaren Bezugssystem berechnete Reibungswinkel sind von der Höhe des statischen Porenwasserdruckes unabhängig. Die Kenntnis der sich infolge Stauchung entwickelnden Porenwasserüberdrücke ist gegenüber dem wirksamen Bezugssystem in vorteilhafter Weise nicht notwendig.
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Das vorliegende Verfahren beschreibt die Abhängigkeit eines Bruchs im scheinbaren Bezugssystem von allen bekannten unabhängigen Größen (wirksame Konsolidierungshauptspannungen, Porenanteil, Sättigungszahl, Überkonsolidierungszustand und Spannungsanisotropie).
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Der Porenanteil n ist der Anteil des Porenraums (gasförmige und flüssige Phase) am Gesamtvolumen eines Lockergesteins. Die Sättigungszahl Sr ist der Anteil der flüssigen Phase am Volumen des Porenraumes eines Lockergesteins.
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Unter wassergesättigt wird verstanden, dass eventuell im Boden noch verbliebene Gasanteile durch das Porenwasser von der Atmosphäre getrennt sind.
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2 zeigt die Definition der Überkonsolidierungsgrade OCR und OCRgr.
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Gleichung (1) zeigt die Definition des Überkonsolidierungsgrades OCR.
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Der Überkonsolidierungsgrad OCR ist das Verhältnis aus der größten wirksamen Hauptspannung Lockergesteins σ'1max, welcher ein Lockergestein im Laufe seiner Genese ausgesetzt war, und der aktuellen größten wirksamen Hauptspannung σ'1.
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Die klassische Definition des Überkonsolidierungsgrades hat insbesondere für Tagebaukippen Nachteile. Die Vorgeschichte der Kippe muss bekannt sein, damit der Überkonsolidierungsgrad OCR bestimmbar ist. Wenn Böschungen, Grundwasserparabeln oder Auflasten an der Geländeoberfläche vorliegen, ist die Teufenabhängigkeit des Überkonsolidierungsgrades OCR nicht oberflächenparallel.
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Die Teufenabhängigkeit des Überkonsolidierungsgrades OCR ist damit lokal unterschiedlich.
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Daher wird anstelle des klassischen Überkonsolidierungsgrades OCR der Überkonsolidierungsgrad OCRgr verwendet.
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Gleichung (2) zeigt die Definition des Überkonsolidierungsgrades OCR
gr.
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Der Überkonsolidierungsgrad OCRgr ist das Verhältnis aus der bei dem jeweiligen Porenanteil n der Probe größtmöglichen größten Hauptspannung σ'1gr und der größten wirksamen Hauptspannung σ'1. In den Überkonsolidierungsgrad gehen der Porenanteil, die Spannung und das Entlastungsverhalten ein.
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Gleichung (3) zeigt die Definition des wirksamen Hauptspannungsverhältnisses zu Beginn der passiven Stauchung K'
2.
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Das wirksame Hauptspannungsverhältnis zu Beginn der passiven Stauchung K'2 ist das Verhältnis aus der größten wirksamen Hauptspannung vor der passiven Stauchung σ'1,2 und der kleinsten wirksamen Hauptspannung vor der passiven Stauchung σ'3,2.
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Gleichung (4) zeigt die Definition des scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisses K
u,f.
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Das scheinbare Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f ist das Verhältnis von der größten scheinbaren Bruchhauptspannung σ1u,f zur kleinsten scheinbaren Bruchhauptspannung σ3u,f.
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Gleichung (5) zeigt die Definition des scheinbaren Bruchreibungswinkels ϕ*
u,f.
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Der scheinbare Bruchreibungswinkel ϕ*u,f ist das Verhältnis der Bruchfestigkeit tf zur mittleren scheinbaren Bruchhauptspannung su,f. Das Symbol * gibt an, dass ein Reibungswinkel unter Annahme einer Kohäsion c = 0 bestimmt wurde.
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Gleichung (6) zeigt, wie der scheinbare Bruchreibungswinkel ϕ*
u,f aus dem scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnis K
u,f berechnet werden kann.
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Im Stoffmodell nach Mohr-Coulomb gibt es zwei Unbekannte des scheinbaren Bruchfestigkeitsverhaltens (scheinbarer Bruchreibungswinkel ϕu,f und scheinbare Bruchkohäsion cu,f). Bei einer Bestimmung von scheinbarem Bruchreibungswinkel ϕu,f und bei scheinbarer Bruchkohäsion cu,f aus einem Versuch ergeben sich unendlich viele mögliche Kombinationen von ϕu,f und cu,f und damit in nachteiliger Weise kein eindeutiges Ergebnis.
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Die Bestimmung des scheinbaren Bruchreibungswinkels aus einem Versuch wäre nur bei Annahme eines Wertes der scheinbaren Bruchkohäsion (z.B. cu,f = 0) möglich. Die scheinbare Bruchkohäsion cu,f könnte somit nicht bestimmt werden. Bei einer Bestimmung des scheinbaren Bruchreibungswinkels ϕu,f müsste zudem die nichtlineare Sinusfunktion mitberücksichtigt werden.
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Als Zielgröße wird daher - wie bereits in der vorherigen Beschreibung erläutert - das scheinbare Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f (vergleiche Gleichung (4)) bestimmt.
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Damit werden die Nachteile einer Bestimmung des scheinbaren Bruchreibungswinkels ϕu,f vermieden.
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Als Versuchsapparatur zur Messung des scheinbaren Bruchverhaltens dient das statische Triaxialgerät. Passive Stauchungsversuche werden zur Bestimmung des scheinbaren Bruchverhaltens des zu untersuchenden Lockergesteins durchgeführt.
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Die bekannten Versuchstechnologien für die Durchführung der Versuche im statischen Triaxialgerät sind darauf ausgerichtet, aus mehreren Einzelversuchen mit einheitlichen Anfangsbedingungen eine Schergerade in einem Normalspannungs-Scherspannungs-Diagramm entsprechend dem Festigkeitskriterium nach Mohr-Coulomb zu erzeugen.
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Diese Schergerade gilt nur für die definierten Anfangskennwerte, z.B. eine definierte Sättigungszahl Sr2, ein definiertes Hauptspannungsverhältnis K'2 und einen definierten Überkonsolidierungsgrad OCRgr2.
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Um Schergeraden für unterschiedliche Anfangszustände zu bestimmen, muss in nachteiliger Weise nach dem Stand der Technik für jede mögliche Kombination von Anfangskennwerten eine Reihe von Einzelversuchen gefahren werden. Die Anzahl der erforderlichen Versuche für die Bestimmung von Schergeraden für alle möglichen vorkommenden Anfangszustände einer Probe ist somit sehr groß und verbietet sich in der Regel aus ökonomischen Gründen.
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Ein Verfahren für die Ermittlung von Kurvenscharen von Schergeraden in Abhängigkeit der genannten Anfangskennwerte aus wenigen Versuchen gibt es nach dem Stand der Technik nicht.
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Im Folgenden wird das erfindungsgemäße Verfahren ausgehend von den vorhergehenden Ausführungen noch weiter detailliert erläutert.
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Funktionen der allgemeinen Form Ku,f = f(Sr2, K'2, OCRgr2) genügen der Forderung, das scheinbare Bruchverhalten eines Lockergesteins in Abhängigkeit von unterschiedlichen Zuständen vor der passiven Stauchung beschreiben zu können.
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Eine konkrete vorteilhafte Form der Ausbildung der aufgeführten allgemeinen Funktion stellt Gleichung (7) dar.
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Zur Bestimmung der Koeffizienten von Gleichung (7), wobei das scheinbare Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f, die zuvor erläuterte Zielgröße ist, werden mit Teilproben des zu untersuchenden Lockergesteins mehrere passive Stauchungsversuche gefahren.
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Schritt a):
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Zu Beginn werden durch passive Stauchungsversuche die Sättigungszahl Sr2, das wirksame Hauptspannungsverhältnis K'2 sowie die größte wirksame Hauptspannung σ'1,2 und der Porenanteil n2 sowie das scheinbare Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f der jeweiligen Teilproben der Lockergesteinsprobe gemessen ermittelt.
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Schritt b1):
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Zudem wird in den Schritten b1) und b2) gemäß dem Verfahren nach der Patentschrift
DE 195 35 210 C1 im Schritt b1) die größtmöglichen Hauptspannung des Lockergesteins in Abhängigkeit des Porenanteils (σ
1gr = f(n)) und des maximalen Porenanteils (n
gr0) des erdfeuchten Materials im spannungsfreien Zustand bestimmt.
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Schritt b2):
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Anschließend werden im Schritt b2) die Koeffizienten ngr0, Egr, cegr des spannungsabhängigen Grenzlagerungszustands der Teilproben der Lockergesteinsprobe aus den Parameter-Daten n1, σ1 in mittels des Triaxialgerätes durchgeführten Konsolidierungsversuchen bestimmt.
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Schritt c):
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Anschließend wird der Überkonsolidierungsgrad OCR
gr2 zu Beginn der passiven Stauchung gemäß der auf den Zustand n
2 (Index
2) bezogenen Gleichung (2*) aus den beiden Größen Porenanteil n
2 und größte wirksame Hauptspannung σ'
1,2 berechnet, welche zu Beginn der passiven Stauchungsversuche gemäß Schritt a) gemessen worden sind.
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Schritt d):
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Aus allen Messwertequadrupeln (wirksames Hauptspannungsverhältnis K'2, Überkonsolidierungsgrad OCRgr2, Sättigungszahl Sr2, scheinbares Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f) werden durch Ausgleichsrechnung die nachfolgend erläuterten Gleichungskoeffizienten ku, ku,Sr, ku,k und ku,OCR (vergleiche Gleichung (7)) als das Bruchverhalten beschreibende Parameter berechnet.
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Das Verfahren bietet gegenüber der konventionellen Herangehensweise dem Anwender der Laborversuchsergebnisse in vorteilhafter Weise die Möglichkeit, das scheinbare Bruchverhalten für Anfangszustände Sr2, OCRgr2, K'2 der passiven Stauchung einer Probe zu bestimmen, für die keine Laborversuche durchgeführt wurden.
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Anhand eines Ausführungsbeispiels wird das erfindungsgemäße Verfahren und die Anwendung seiner Ergebnisse nachfolgend unter Berücksichtigung der zuvor genannten Schritte noch näher erläutert.
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Aus der Kippe eines Tagebaus wird aus einer zu untersuchenden Kippscheibe eine Lockergesteinsprobe entnommen, die repräsentativ für die am Kippscheibenaufbau beteiligten Lockergesteine ist.
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Mit dem Material dieser Lockergesteinsprobe werden (gemäß Schritt a) im statischen Triaxialgerät eine Reihe (zweckmäßigerweise je nach Verteilung der Messwerte beispielsweise zehn Teilproben) passive Stauchungsversuche durchgeführt. Die Hauptspannungsverhältnisse K'2, Überkonsolidierungsgrade OCRgr2 und Sättigungszahlen Sr2 vor der passiven Stauchung sind in jedem passiven Stauchungsversuch unterschiedlich und sollen über möglichst weite Wertebereiche variiert werden.
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Zusätzlich werden gemäß den Schritte b1) und b2) Versuche nach dem Verfahren gemäß
DE 195 35 210 C1 durchgeführt werden, um die porenanteilabhängige größtmögliche größte Hauptspannung σ'
1gr zu bestimmen.
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An einem verkippten schwach schluffigen Sand soll beispielhaft das scheinbare Bruchverhalten bestimmt werden.
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Zur Klassifizierung dieses Sandes wurden durch den Fachmann folgende materialbeschreibende Kennzahlen bestimmt.
Feinkornanteil | 6% |
Feinkornanteil | 6% |
Feinsandanteil | 15% |
Mittelsandanteil | 57% |
Grobsandanteil | 20% |
Feinkiesanteil | 3% |
Ungleichförmigkeitszahl | 3,43 |
Krümmungszahl | 1,37 |
Korndichte | 2,665 g/cm3 |
Porenzahl bei lockerster Lagerung nach DIN 18126 | 0,461 |
Porenzahl bei dichtester Lagerung nach DIN 18126 | 0,958 |
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Durch Anwendung des Verfahrens gemäß
DE 195 35 210 C1 werden (Schritt b2)) die Koeffizienten des spannungsabhängigen Grenzlagerungszustands dieses Sandes wie folgt bestimmt:
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Mit diesem Sand wurden insgesamt zehn passive Stauchungsversuche mit unterschiedlichen Porenanteilen nach der Konsolidierung n2 durchgeführt, die bei behinderter Seitendehnung wie folgt belastet wurden. Siehe Tabelle 1.
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Nach Abschluss der passiven Stauchungsversuche sind aus den (im Schritt a)) gemessenen scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnissen K
u,f sowie den Kennwerten des Zustandes vor der passiven Stauchung = Anfangsparameter, wirksames Hauptspannungsverhältnis K'
2, Überkonsolidierungsgrad OCR
gr2, Sättigungszahl S
r2 die Koeffizienten von Gleichung (7) zu berechnen.
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Die Zahlenwerte in den Tabellen 1 bis 3 und den 4 bis 7 gelten ausschließlich für die an der beispielhaften Bodenprobe durchgeführten Messungen.
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Tabelle 1 zeigt die Messwerte der im Ausführungsbeispiel zehn passiven Stauchungsversuche (n2, σ'1,2, σ'3,2, Sr2, σ'1f, σ'3f) und die unmittelbar aus den Messwerten berechneten Kennwerte K'2, Ku,f und OCRgr2.
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Tabelle 2 zeigt die mit Ausgleichsrechnung berechneten Koeffizienten von Gleichung (7) ku, ku,Sr, ku,K und ku,OCR sowie die Standardabweichung STABW (Standardfehler des Schätzwerts für das scheinbare Bruchhauptspannungsverhältnis Ku,f für die beispielhafte Bodenprobe).
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Die Koeffizienten von Gleichung (7) wurden für die beispielhafte Bodenprobe wie folgt berechnet:
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Der Standardfehler des Schätzwerts des scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisses für die beispielhafte Bodenprobe beträgt 0,0149.
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Tabelle 3 zeigt für die beispielhafte Bodenprobe die mittels Gleichung (7) und den Koeffizienten aus Tabelle 2 berechneten Schätzwerte des scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisses Ku,f.
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In Tabelle 3 sind unter der Bezeichnung „Fehler Ku,f“ die Differenzen zwischen den mit Gleichung (7) berechneten scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnissen Ku,f,reg und den in den Versuchen gemessenen scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnissen Ku,f angegeben. Die Reihenfolge der Werte in Tabelle 3 entspricht der Reihenfolge der Werte in Figur Tabelle 1.
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In 3 sind die in den Versuchen gemessenen Messwerte der scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisse Ku,f sowie die berechneten Schätzwerte der scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisse Ku,f,reg über den Sättigungszahlen Sr2, den wirksamen Hauptspannungsverhältnissen K'2 und den Überkonsolidierungsgraden OCRgr2 dargestellt.
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Die Umrechnung, das heißt die Ableitung des scheinbaren Bruchhauptspannungsverhältnisses Ku,f in einen scheinbaren Bruchreibungswinkel ϕ*u,f erfolgt gemäß Gleichung (6).
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Als Verfahrensergebnis zeigt 4 das Kennlinienfeld ϕ*u,f = f(σ'1,2) der Bodenprobe für konstante Porenanteile vor der passiven Stauchung n2, konstante wirksame Hauptspannungsverhältnisse vor der passiven Stauchung K2 und konstante Sättigungszahlen vor der passiven Stauchung Sr2.
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5 zeigt das Kennlinienfeld ϕ*
u,f = f(σ'
1,2) der Bodenprobe für konstante Anfangsporenanteile n
0, konstante Anfangssättigungszahlen S
r0, konstante wirksame Hauptspannungsverhältnisse K'
2 vor der passiven Stauchung und konstante Grundwasserstände GWS.
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Der Wert der größten wirksamen Hauptspannung σ'1,2 (im Ausführungsbeispiel bei GWS 87.5 kPa, vergleiche 5) auf Höhe des Grundwasserspiegels σ'1,2,GWS kennzeichnet die Lage des Grundwasserstandes bei einer bestimmten Spannung σ'1,2 im ϕ*u,f = f(σ'1,2)-Diagramm. Mittels der Gleichung (8) kann σ'1,2,GWS aus der mittleren Wichte der erdfeuchten Überdeckung γef und dem Grundwasserflurabstand zGWS berechnet werden.
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Der scheinbare Bruchreibungswinkel ϕ*u,f wird nur unterhalb des Grundwasserspiegels (σ1,2 > (σ1,2,GWS) bestimmt.
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4 unterscheidet sich von 5 durch die zugrundeliegenden Porenanteile n.
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4 wurde unter Annahme definierter konstanter Porenanteile zu Beginn der passiven Stauchung n2 bestimmt.
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5 wurde unter Annahme definierter konstanter Anfangsporenanteile (Einbauporenanteile) n0 bestimmt, aus denen die Porenanteile zu Beginn der passiven Stauchung n2 berechnet wurden.
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Gleichung (9) zeigt die Berechnung der kleinsten wirksamen Hauptspannung vor der passiven Stauchung σ'
3,2 aus der größten wirksamen Hauptspannung σ'
1,2 vor der passiven Stauchung und dem Erdruhedruckbeiwert K
0,2.
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Gleichung (10) zeigt die Berechnung der Bruchfestigkeit t
f aus dem scheinbaren Bruchreibungswinkel ϕ*
u,f und der kleinsten wirksamen Hauptspannung σ'
3,2 vor der passiven Stauchung.
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Die mittlere scheinbare Bruchhauptspannung s
u,f ist der Mittelwert aus der größten scheinbaren Bruchhauptspannung σ
1u,f und der kleinsten scheinbaren Bruchhauptspannung σ
3u,f (Gleichung (11)).
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Gleichung 12 zeigt die Berechnung der mittleren scheinbaren Bruchhauptspannung s
u,f aus der kleinsten wirksamen Hauptspannung zu Beginn der passiven Stauchung σ'
3,2 und der Bruchfestigkeit t
f.
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6 zeigt das Kennlinienfeld tf = f(su,f) der Bodenprobe für konstante Porenanteile vor der passiven Stauchung n2, konstante Sättigungszahlen Sr2 vor der passiven Stauchung und konstante wirksame Hauptspannungsverhältnisse K'2 vor der passiven Stauchung. Dabei ist su,f die mittlere scheinbare Bruchhauptspannung.
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7 zeigt das Kennlinienfeld tf = f(su,f) der Bodenprobe für konstante Anfangsporenanteile n0, konstante Anfangssättigungszahlen Sr0 und konstante wirksame Hauptspannungsverhältnisse vor der passiven Stauchung K'2.
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Bei einem Vorgehen nach der Vorgehensweise der vorliegenden Erfindung ist die Konfiguration der statischen Triaxialversuche bezüglich Hauptspannungsverhältnis, Porenanteil und Sättigungszahl unabhängig von den Anforderungen an die Versuchsergebnisse, die sich zumeist bei der bodenmechanischen Bearbeitung des bestehenden Problems erst ergeben oder sich verändern. Bei einer konventionellen Durchführung der passiven Stauchungsversuche zur Bestimmung des scheinbaren Bruchverhaltens entstehen dadurch Verzögerungen, da im Labor erst die Vorgaben des bodenmechanischen Bearbeiters abgewartet werden müssen. Ändern sich nach Durchführung der passiven Stauchungsversuche während der Bearbeitung die Vorgaben, so muss bei der konventionellen Bearbeitung mit Schätzungen gearbeitet werden oder die passiven Stauchungsversuche müssen mit den neuen Anfangsbedingungen wiederholt werden.
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Bei Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens treten diese Probleme nicht mehr auf, da das scheinbare Bruchverhalten eines Lockergesteins bekannt ist und die Auswirkungen von Änderungen der Randbedingungen vom bodenmechanischen Bearbeiter numerisch gelöst werden können.
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Weiterhin vereinfacht sich die Versuchsauswertung sowie die Auslieferung der Versuchsergebnisse, da alle Informationen zum scheinbaren Bruchverhalten eines Lockergesteins in den Koeffizienten ku, ku,Sr, ku,k und ku,OCR von Gleichung (7) enthalten sind.
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Zusammenstellung der verwendeten Gleichungen:
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Zusammenstellung der Tabellen:
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Tabelle 1
Versuch | n2 | σ' 1,2 | σ' 3,2 | S r2 | σ 1f,u | σ 3f,u | K' 2 | K u,f | OCR gr2 |
| [1] | [kPa] | [kPa] | [1] | [kPa] | [kPa] | [1] | [1] | [1] |
A-EP16A | 0,4309 | 79,5 | 38,9 | 0,9730 | 85,3 | 38,8 | 0,489 | 0,455 | 4,78 |
A-EP16A | 0,4244 | 114,8 | 113,4 | 0,9421 | 215,5 | 111,5 | 0,988 | 0,517 | 4,39 |
A-EP16A | 0,3961 | 602,2 | 246,5 | 0,9484 | 681,5 | 246,6 | 0,409 | 0,362 | 2,72 |
A-EP16B | 0,3906 | 603,2 | 176,9 | 0,9596 | 641,2 | 179,1 | 0,293 | 0,279 | 3,38 |
A-EP16C | 0,4281 | 200,4 | 96,2 | 0,9739 | 212,4 | 95,9 | 0,480 | 0,452 | 2,14 |
A-EP16C | 0,4249 | 82,1 | 67,8 | 0,9773 | 131,9 | 67,7 | 0,826 | 0,513 | 6,01 |
A-EP16C | 0,4042 | 601,9 | 276,7 | 0,9293 | 690,5 | 278,3 | 0,460 | 0,403 | 1,96 |
A-EP16D | 0,4086 | 297,2 | 93,4 | 0,9741 | 316,4 | 94,3 | 0,314 | 0,298 | 3,31 |
A-EP16D | 0,4051 | 104,5 | 60,5 | 0,9657 | 163,5 | 61,7 | 0,579 | 0,377 | 10,88 |
A-EP16D | 0,3967 | 602,5 | 248,1 | 0,9145 | 741,0 | 250,1 | 0,412 | 0,338 | 2,65 |
Tabelle 2
Kennzahl | ku | k u,Sr | k u,K | k u,OCR | STABW |
Einheit | [1] | [1] | [1] | [1] | [1] |
Wert | 0,9495 | 2,708 | 0,2916 | 33,4 | 0,0149 |
Tabelle 3
Versuch | K u,f,reg | Fehler K u,f |
| [1] | [1] |
A-EP16A | 0,4210 | -0,0339 |
A-EP16A | 0,5272 | 0,0098 |
A-EP16A | 0,3718 | 0,0100 |
A-EP16B | 0,2838 | 0,0045 |
A-EP16C | 0,4515 | 0,0000 |
A-EP16C | 0,5234 | 0,0102 |
A-EP16C | 0,3893 | -0,0138 |
A-EP16D | 0,3166 | 0,0186 |
A-EP16D | 0,3768 | -0,0006 |
A-EP16D | 0,3390 | 0,0015 |
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Bezugszeichenliste
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Allgemeine Spannungsindizes:
- '
- wirksam (totale Spannung abzüglich Porenwasserdruck)
- 1
- größte Hauptspannung
- 3
- kleinste Hauptspannung
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Allgemeine Zustandsindizes:
- 0
- in situ Ablagerungszeitpunkt des Lockergesteins, im Versuch Einbauzustand, spannungsfrei (σ ≈ 0); bei Spannungsverhältnissen K in situ Erdruhedruckbedingungen, im Versuch behinderte Seitendehnung
- 1
- erdfeuchter Zustand, in situ vor Aufgang des Grundwassers, im Versuch vor Aufsättigung der Probe mit Wasser
- 2
- in situ Zustand des wassergesättigten Lockergesteins, im Versuch vor Beginn der Stauchung
- f
- Bruchzustand
- R
- Zustand minimaler Scherfestigkeit (Restfestigkeit)
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Allgemeine Bezugsindizes:
- gr
- Zustand der lockersten möglichen Lagerung
- max
- Maximum in der Lockergesteinsgenese
- GWS
- Grundwasserstand
- u
- Bezugssystem scheinbar
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Aufeinanderfolge Zahlenindizes werden bei Verkettung durch ein Komma getrennt. Bei Spannungen σ..,... werden zuerst die allgemeinen Spannungsindizes und anschließend die allgemeinen Zustandsindizes angegeben.
- σ'1,2
- größte wirksame Hauptspannung (Konsolidierungszustand, vor einer Stauchung)
- σ'3,2
- kleinste wirksame Hauptspannung (Konsolidierungszustand, vor einer Stauchung)
- σ1
- größte totale Hauptspannung
- σ3
- kleinste totale Hauptspannung
- σ'1
- größte wirksame Hauptspannung
- σ'3
- kleinste wirksame Hauptspannung
- σ'1max
- Maximalwert der größten wirksamen Hauptspannung im Versuch während der Konsolidierung oder in situ während der Lockergesteinsgenese
- σ'1gr
- für aktuellen Porenanteil die größtmögliche größte wirksame Hauptspannung
- σ3u,f
- kleinste scheinbare Hauptspannung im Bruchzustand
- σ1u,f
- größte scheinbare Hauptspannung im Bruchzustand
- σ'1,2,GWS
- in situ größte wirksame Hauptspannung auf Höhe des Grundwasserspiegels
- PWÜD
- während einer Stauchung entstehender Porenwasserüberdruck
- n
- Porenanteil
- n2
- Porenanteil des wassergesättigten Lockergesteins
- ngr0
- maximaler Porenanteil des erdfeuchten Materials im spannungsfreien Zustand
- n0
- Anfangsporenanteil (im Versuch Einbauporenanteile, in situ Schüttporenanteil)
- Sr
- Sättigungszahl
- Sr0
- in situ Sättigungszahl direkt unterhalb des Grundwasserspiegel bei einem Porenwasserduck von 0 kPa, im Versuch direkt nach Aufsättigung der Bodenproben mit Wasser
- Sr2
- in situ Sättigungszahl unterhalb des Grundwasserspiegels bei Porenwasserdrücken > 0 kPa, im Versuch Sättigungszahlen nach der Aufsättigung (z.B. nach weiteren Konsolidierungen, Porenwasserdruckerhöhungen usw.)
- OCR
- auf σ'1max bezogener Überkonsolidierungsgrad
- OCRgr
- auf die bei dem Porenanteil n größtmögliche Hauptspannung σ'1gr bezogenen Überkonsolidierungsgrads
- OCRgr2
- auf die bei dem Porenanteil n2 größtmögliche Hauptspannung σ'1gr bezogener Überkonsolidierungsgrad
- K'2
- Hauptspannungsverhältnis des wassergesättigten Lockergesteins
- Ku,f
- scheinbares Bruchhauptspannungsverhältnis
- Ku,f,reg
- Schätzwerte des scheinbares Bruchhauptspannungsverhältnisses
- K0,2
- Erdruhedruckbeiwert des wassergesättigtes Lockergesteins
- ϕ*u,f
- scheinbarer Bruchreibungswinkel
- t
- Festigkeit
- tf
- Bruchfestigkeit
- tR
- Restfestigkeit
- s
- mittlere totale Hauptspannung (Gleichung (13))
- s'
- mittlere wirksame Hauptspannung (Gleichung (14))
- su
- mittlere scheinbare Hauptspannung (Gleichung (15))
- sf
- mittlere totale Hauptspannung im Bruchzustand
- s'f
- mittlere wirksame Hauptspannung im Bruchzustand
- su,f
- mittlere scheinbare Hauptspannung im Bruchzustand
- s'2
- mittlere wirksame Hauptspannung im Konsolidierungszustand
- sR
- Zustand minimaler Scherfestigkeit im totalen Bezugssystem
- su,R
- Zustand minimaler Scherfestigkeit im scheinbaren Bezugssystem
- s'R
- Zustand minimaler Scherfestigkeit im wirksamen Bezugssystem
- ϕu,f
- scheinbarer Bruchreibungswinkel
- sin(ϕu,f)
- Sinus des scheinbaren Bruchreibungswinkels
- cu,f
- scheinbare Bruchkohäsion
- ku
- Koeffizient der Gleichung (7)
- ku,Sr
- Koeffizient der Gleichung (7)
- ku,K
- Koeffizient der Gleichung (7)
- ku,OCR
- Koeffizient der Gleichung (7)
- STABW
- Standardabweichung
- GWS
- Grundwasserstand allgemein
- γef
- erdfeuchte Überdeckung
- zGWS
- Grundwasserflurabstand
- Egr
- Gleichungskoeffizient
- cegr
- Gleichungskoeffizient
- t
- Scherspannung
- t,f
- Bruchfestigkeit, Scherspannung im Bruchzustand
- tR
- Restfestigkeit, minimale Scherspannung nach großen Deformationen
- tKons
- Scherspannung im Konsolidierungszustand vor einer passiven Stauchung