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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bremsen eines Fahrzeugs und einen Antriebsstrang zur Durchführung des Verfahrens.
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Stand der Technik
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In Fahrzeugen, insbesondere in Kraftfahrzeugen, werden regelmäßig Scheibenbremsen oder Trommelbremsen eingesetzt, um einen Bremsvorgang und damit eine Entschleunigung bzw. Verzögerung des Fahrzeugs zu bewirken. Scheibenbremsen können als Teilscheibenbremsen oder als Vollscheibenbremsen ausgebildet sein und stellen eine Bauform einer Reibungsbremse dar. Trommelbremsen sind ebenfalls Reibungsbremsen, bei denen Bremsbeläge auf eine zylindrische Fläche, die Trommel, wirken.
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Es ist zu beachten, dass in batteriebetriebenen Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen der Verdichter des Klimakompressors zur Innenraumklimatisierung durch einen aus der Hochvolt-Batterie (HV-Batterie) gespeisten separaten Elektromotor angetrieben wird. Es wird hierzu auf 1 verwiesen. Gleiches gilt für den Antrieb des Verdichters des Brennstoffzellenstapels bzw. -stacks bei Brennstoffzellenfahrzeugen.
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Das Bremsen von Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen erfolgt typischerweise durch den generatorischen Betrieb der elektrischen Maschine, die zum Antrieb des Fahrzeugs dient. Die Bremsenergie wird dabei in elektrische Energie gewandelt und in einer Batterie gespeichert. Es zeigt sich jedoch, dass die maximale verfügbare Rekuperationsleistung nahezu in allen Fahrzeugklassen unzureichend für eine Notbremsung mit maximaler über die Reifenreibung übertragbarer Bremsleistung ist. Daher werden in Brennstoffzellen und Elektrofahrzeugen aus Gründen der Fahrsicherheit an jedem Rad hydraulischmechanische Bremsen, d. h. Scheibenbremsen oder Trommelbremsen, für eine Notbremsung installiert.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund werden ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und Antriebsstrang gemäß Anspruch 7 vorgestellt. Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und aus der Beschreibung.
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Das beschriebene Verfahren ermöglicht es nunmehr, auf die mechanischen Bremsen, bspw. die Scheibenbremsen oder die Trommelbremsen, eines Kraftfahrzeugs an einer oder an mehreren Achsen zu verzichten. Hierzu wird die Bremsleistung bzw. Rekuperationsleistung zumindest teilweise über eine Kopplung, insbesondere eine mechanische Kopplung, auf einen Verdichter bzw. Kompressor, der im Kraftfahrzeug verwendet wird, abgeleitet. Dieser Verdichter nimmt dann die abgeleitete Brems- bzw. Rekuperationsleistung auf.
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Bei den vorgestellten Verfahren ist bei einer Bremsung, insbesondere bei einer Notbremsung, vorgesehen, die Bremsleistung zumindest zum Teil über eine Kopplung, bspw. über ein Planetengetriebe oder eine andere typischerweise mechanische Lösung, in mindestens einen Verdichter, bspw. den Verdichter der Klimaanlage und/oder den Verdichter der Brennstoffzelle, zu übertragen und dadurch die mechanische Bremse an einer oder mehreren Achsen entfallen zu lassen. Dies kann insbesondere den Teil der Bremsleistung betreffen, der nicht durch die Traktionsmaschine rekuperiert werden kann.
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Ein Verdichter, der auch als Kompressor bezeichnet wird, ist eine Art einer Fluidenergiemaschine, die einem eingeschlossenen Gas mechanische Arbeit zuführt. Verdichter, die zum Komprimieren von Gas verwendet werden, erhöhen den Druck und die Dichte des Gases.
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Es gibt folgende Gesichtspunkte bzw. Treiber, die dafürsprechen, die mechanischen Bremsen durch Einsatz der vorgestellten Lösung entfallen zu lassen:
- - Entfall der hydraulischen Leitung für jede Bremse, dies betrifft den Installationsaufwand in der Fertigung und Einschränkungen im Fahrzeuglayout,
- - Entfall der Hydraulik als Ganzes, sofern an allen Rädern die mechanische Bremse entfallen kann,
- - Wartungsaufwand durch Korrosion der im Normalbetrieb nicht benutzten Scheiben oder Trommelbremsen,
- - für jede Achse kann bei Entfall der Bremsen eine erhebliche Kostenersparnis erreicht werden, ein zusätzliches Kosteneinsparpotenzial ist gegeben, wenn die gesamte Hydraulik entfallen kann.
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Darüber hinaus können mit dem vorgestellten Verfahren, zumindest in einigen der Ausführungen, folgende Vorteile erreicht werden:
- - Erhöhung des Systemwirkungsgrads von klimatisierten und batteriebetriebenen Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen,
- - Darstellung einer eingeschränkten Fahrfunktion, Fehleroperabilität bei Ausfall des Hauptantriebs durch den Klimakompressorantrieb,
- - Erhöhung der Antriebsleistung durch Addition der Drehmomente bzw. Leistungen von Klimakompressor-Motor und Traktionsmaschine, d. h. eine Boostfunktion,
- - Erhöhung der möglichen Rekuperationsleistung durch Mitnutzung des Klimakompressorantriebs bei der Rekuperation, bspw. bei abgeschalteter Klimaanlage.
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Der vorgestellte Antriebsstrang ist zur Durchführung des hierin beschriebenen Verfahrens eingerichtet. Unter einem Antriebsstrang werden im Kraftfahrzeug alle Komponenten zusammengefasst, die die Leistung für den Antrieb generieren und bis auf die Straße übertragen. Der vorgestellte Antriebsstrang, bei dem die zum Antrieb des Fahrzeugs vorgesehene elektrische Maschine über eine Kopplung mit einem Verdichter gekoppelt ist, ist dazu eingerichtet, eine Bremsleistung zumindest teilweise über die Kopplung in den Verdichter abzuleiten.
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Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und den beiliegenden Zeichnungen.
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Es versteht sich, dass die voranstehend genannten und nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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Figurenliste
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- 1 zeigt eine Topologie eines elektrischen Antriebsstrangs nach dem Stand der Technik.
- 2 zeigt eine Verschaltung von Verdichter, Traktionsmaschine und Maschine des Klimakompressors gemäß einer Ausführungsform des vorgestellten Antriebsstrangs.
- 3 zeigt eine prinzipielle Darstellung von Drehmoment und Leistung eines Verdichters.
- 4 zeigt in prinzipieller Darstellung ein Planetengetriebe.
- 5 zeigt die grundsätzlichen Zusammenhänge von Drehzahlen und Drehmomenten am Planetengetriebe einer vorgeschlagenen beispielhaften Auslegung.
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Ausführung der Erfindung
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Die Erfindung ist anhand von Ausführungsformen in den Zeichnungen schematisch dargestellt und wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen ausführlich beschrieben.
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1 zeigt die Topologie eines Antriebsstrangs, der insgesamt mit der Bezugsziffer 10 bezeichnet ist, sowie einen Klimakompressor 12 mit einem Verdichter 13, wobei diese Topologie eine Topologie nach dem Stand der Technik ist. Die Darstellung zeigt eine erste elektrische Maschine 14, eine zweite elektrische Maschine 16, eine Batterie 18, einen ersten Wechselrichter 20, einen zweiten Wechselrichter 22, eine Traktionsmaschine 24, ein Differential 26 und zwei Räder 28.
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Bei dieser Ausführung wird der Verdichter 13 des Klimakompressors 12 zur Innenraumklimatisierung durch den zweiten Elektromotor 22, der ein aus der Batterie 18, in diesem Fall eine Hochvolt-Batterie, gespeisten separaten Elektromotor darstellt, angetrieben.
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2 zeigt Ausführung einer Topologie eines Antriebsstrangs zur Durchführung des vorgestellten Verfahrens, wobei dieser Antriebsstrang insgesamt mit der Bezugsziffer 50 bezeichnet ist. Die Darstellung zeigt einen Klimakompressor 52 mit Verdichter 53, eine erste elektrische Maschine 54, eine zweite elektrische Maschine 56, eine Batterie 58, einen ersten Wechselrichter 60, einen zweiten Wechselrichter 62, eine Traktionsmaschine 64, ein Differential 66 und zwei Räder 68. Es ist zudem ein Planetengetriebe 70 dargestellt, das eine Kopplung, in diesem Fall eine mechanische Kopplung, zu dem Klimakompressor 52 und damit dem Verdichter 53 bereitstellt.
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Die Darstellung verdeutlicht somit eine Verschaltung von Verdichter 53, Traktionsmaschine 64 und elektrischer Maschine, in diesem Fall die zweite elektrische Maschine 56, des Klimakompressors 52. Über das Planetengetriebe 70 sind somit bei dieser Ausführung die typischerweise leistungsstarke Traktionsmaschine 64, eine leistungsschwächere Klimakompressormaschine des Klimakompressors 52 und der Verdichter 53 der Klimaanlage miteinander gekoppelt. Alternativ oder ergänzend kann auch eine Kopplung zu einem Verdichter einer Brennstoffzelle bestehen.
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Die elektrischen Maschinen 54, 56 sind über die separaten Wechselrichter 60, 62, die auch als Inverter bezeichnet werden, mit einer Traktionsbatterie des Fahrzeugs verbunden. Eine Welle der Traktionsmaschine 64 ist typischerweise durchgängig, so dass beidseitig an die Welle angeflanscht werden kann.
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Bei dem vorgestellten Verfahren ist in Ausgestaltung vorgesehen, dass im Falle einer Notbremsung die erste elektrische Maschine 54 mit maximaler Leistung generatorisch betrieben wird. Die zweite elektrische Maschine 56 wird derart betrieben, dass der Verdichter 53 und die zweite elektrische Maschine 56 in Summe die noch verbleibende geforderte Bremsleistung aufnehmen. Dabei werden die grundsätzliche Überlastfähigkeit des Verdichters 53 sowie die Eigenschaft ausgenutzt, dass das Drehmoment des Verdichters 53 mit steigender Drehzahl und damit die mögliche Bremsleistung deutlich überproportional zunimmt.
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3 zeigt in einem Graphen 100, an dessen Abszisse 102 die Drehzahl und an dessen Ordinate 104 das Drehmoment M und die Leistung P aufgetragen sind, eine erste Kurve 110, die den Verlauf des Drehmoments wiedergibt, und eine zweite Kurve 112, die den Verlauf der Leistung eines Verdichters wiedergibt.
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4 zeigt eine Ausführung eines Planetengetriebes, das insgesamt mit der Bezugsziffer 150 wiedergegeben ist. Die Darstellung zeigt ein Gehäuse 152, einen Planetenradträger 154, ein Sonnenrad 156, ein Hohl Rad 158 und ein Planetenrad 160.
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Eine beispielhafte grundsätzliche Auslegung könnte wie folgt sein:
- Anschluss der ersten elektrischen Maschine als Traktionsmaschine an den Planetenradträger des Planetengetriebes,
- Anschluss des Verdichters am Hohlrad,
- Anschluss der Klimamaschine am Sonnenrad,
- Zahnzahlen: Hohlrad = 78, Sonnenrad = 30, daraus folgt i = -2,6.
- i steht dabei für die Übersetzung, die sich aus den Zahnzahlen ergibt, in diesem Fall 78/30 = 2,6.
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Bei dieser Auslegung wird an die Welle der ersten elektrischen Maschine die Summe der Drehmomente von Verdichter und zweiter elektrischer Maschine übertragen. Das Drehmoment am Verdichter entspricht dem 2,6-fachen des Drehmoments an der ersten elektrischen Maschine des Verdichters. Die Drehzahlen ergeben sich, wie dies in 5 dargestellt.
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5 zeigt die grundsätzlichen Zusammenhänge von Drehzahlen und Drehmomenten am Planetengetriebe mit der vorgeschlagenen Auslegung. Dabei bezeichnet Bezugsziffer 200 das Sonnenrad, Bezugsziffer 202 den Planetenradträger und Bezugsziffer 204 das Hohlrad. Ein Pfeil 210 verdeutlicht eine Geschwindigkeit, unterhalb einer Achse 212 ist diese negative, oberhalb dieser Achse 212 ist die Geschwindigkeit positiv. Ein Punkt 220 bezeichnet eine einzustellende Geschwindigkeit, ein Punkt 222 zeigt die durch die Fahrzeuggeschwindigkeit definierte Geschwindigkeit der ersten elektrischen Maschine und ein Punkt 224 zeigt die Drehzahl des Verdichters bei einer gewünschten Bremsleistung.
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An einer ersten vertikalen Achse 230 ist die erste Drehzahl der ersten elektrischen Maschine, an einer zweiten vertikalen Achse 232 ist die zweite Drehzahl der ersten elektrischen Maschine, bspw. 3000 (erster Pfeil 240) oder bspw. 1500 (zweiter Pfeil 242), und an einer dritten vertikalen Achse 134 die die Drehzahl des Verdichters aufgetragen.
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Ein weiterer Pfeil 250 verdeutlicht MEM1 = Mn2. Ein erster Doppelpfeil 260 und ein zweiter Doppelpfeil 262 ergänzen sich zu 100%. Noch ein Pfeil 270 zeigt an MKompressor = Mn3, ein weiterer Pfeil 272 zeigt an MEM1 = Mn1.
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Es gilt:
- MEM1 =
- Moment der ersten elektrischen Maschine
- MKompressor =
- Moment des Kompressors
- Mn1 =
- Moment des Sonnenrads
- Mn2 =
- Moment des Planetenradträgers
- Mn3 =
- Moment des Hohlrads
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- In einer detaillierten fahrzeugspezifischen Auslegung können insbesondere die folgenden Ausprägungen bzw. Designvarianten sinnvoll sein:
- eine mechanische Feststellbremse an der ersten elektrischen Maschine, der zweiten elektrischen Maschine und/oder dem Verdichter,
- weitere Übersetzungsstufen, bspw. als Stirnrad oder Stufenplanetengetriebe, z. B. zwischen Planetengetriebe und Verdichter,
- separate Batterien für die Wechselrichter der beiden elektrischen Maschinen.